Ida Seele-Vogeler (1825-1901)Frauen in der Geschichte des Kindergartens

Manfred Berger

Ida wurde am 20. April 1825 in Nordhausen geboren. Sie hatte noch sechs ältere Geschwister. Über des Mädchens familiäre Situation und schwere Kindheit ist nachzulesen:

"Ihr Vater war zuerst Seilermeister, dann Bierbrauer und Gastwirt. Auf seinen vielen Reisen hatte er sich Kenntnisse und Bildung erworben. Auch Mutter Seele konnte für die damalige Zeit als gebildet gelten. Man sagt, dass sie hübsch Klavier gespielt hat ... Die biederen Eltern versuchten, ihren Kindern eine gute Erziehung zu geben und sie zu frommen Menschen zu machen. Die älteren Kinder erhielten Unterricht bei einem Primaner. Die beiden jüngsten, Ida und Gustav, bekamen eine Kinderfrau zur Aufsicht. Diese Kinderfrau soll jedoch recht wenig von körperlicher Erziehung verstanden haben, denn Ida wurde durch schlechte Ernährung kränklich und litt an den Augen. Sie war eine ganze Zeit beinahe blind, so dass sie eine traurige Kindheit verlebte. Vielleicht ist es auch diesem Umstand zuzuschreiben, dass sie später immer Mitleid mit hilflosen und verwahrlosten Kindern empfand. Das Schicksal der Ida Seele wurde immer trauriger, als sie ihre gute Mutter verlor. Der Vater wurde durch den Todesfall tiefsinnig. Er verlor auch bald durch ungünstige Umstände einen großen Teil seines Vermögens" (zit. n. Berger 1994, S. 5).

Im Alter von 14 Jahren musste Ida die Schule verlassen und sich ihren Unterhalt in Fremdhaushalten verdienen. Sehr gerne wäre sie Lehrerin geworden, doch diesen Beruf konnte sie aus finanziellen Mangel nicht ergreifen. Es war Anfang des Jahres 1843 als ihr zufällig ein Zeitungsartikel in die Hände fiel. Darin forderte Friedrich Fröbel alle "deutschen Jungfrauen" auf, sich zu Kindergärtnerinnen ausbilden zu lassen. Spontan und gegen den Willen ihrer Familie folgte Ida Seele diesen Ruf. Am 8. März 1843 traf sie in Keilhau bei Rudolstadt ein und begann dort mit der Ausbildung. Anschließend übernahm sie die Leitung des ersten Kindergarten Deutschlands. Diesen hatte Friedrich Fröbel 1840 in (heute: Bad) Blankenburg/Thüringen gestiftet. Ida Seele zeichnete ein anschauliches Bild dieser Einrichtung:

"Zu beiden Seiten des Hauses führten Treppen hinauf zu dem eigentlichen Spielplatz und den Gärten der Kinder. Zu ebener Erde befand sich das eigentliche Kindergartenzimmer, daranstoßend ein ziemlich großer Raum zur Aufbewahrung der Beschäftigungsmittel. Die Wände des Kindergartenzimmers waren geschmückt mit folgenden Bildern: 'Jesus, der Kinderfreund', 'Madonna della sedia' und 'die Anbetung Christi durch die Engel Gottes'. An den Fenstern entlang standen Bänkchen, davor niedere Tische. Die Bänke waren so gestellt, dass die Kinder einander gegenüber saßen ... In der Mitte dieses Zimmers befand sich eine Säule ...Um diese Säule herum wurden Kreis- und Bewegungsspiele ausgeführt. Das Zimmer für die Beschäftigungsmittel war reichlich ausgestattet mit allen Beschäftigungsmitteln, die Fröbel überhaupt besaß. Auch Karren, Spaten, Harken und Gießkannen waren vorhanden. Für die größeren Knaben und kräftigen Kinder waren die Baukästen der dritten, vierten, fünften und sechsten Gaben vielleicht in dem Grade vergrößert vorhanden, dass ein Würfel dieser Gabe die Größe des ganzen Baukastens der dritten Gabe hatte ...Von diesem Zimmer führte eine Tür hinaus ins Freie, und hier waren die unvermeidlichen Bedürfnisanstalten für die Kleinen in praktischer Weise sauber hergerichtet. Man sah dem Ganzen an, dass hier in Liebe und Umsicht für die Kleinen gesorgt worden, und dass das Ganze für den Kindergarten eingerichtet und hergerichtet war" (zit. n. Hoof 1977, S. 144).

Bereits im Winter 1844 musste der Kindergarten "wegen Mangel an Feuerung" geschlossen werden. Daraufhin übernahm Ida Seele auf Wunsch Friedrich Fröbels die Leitung der "Kleinkinderschule vor dem Jägertor" in Darmstadt. Über das Wirken seiner Schülerin konstatierte Friedrich Fröbel:

"In Darmstadt ist die Führerin des eigentlichen Teils der dasigen Kleinkinderschule Frl. Ida Seele. Man sagte alles mit Einem, wenn man sagt, dass sie für diesen Wirkungskreis geschaffen ist. Sie hat dort, wie sie allseitig in ihrem Wirken Anerkenntnis findet, so auch wieder wesentlich für die Fortentwicklung des Ganzen gewirkt, besonders dadurch, dass sie vielseitig von Fremden besucht und so Anschauung und die Tatsache des guten Erfolges nach den verschiedenen Seiten hingetragen worden ist" (zit. n. Berger 1995, S. 176).

Leider gelang es Ida Seele nur schwer im Sinne ihres Lehrmeisters zu wirken. Von Anfang an stand man der Pädagogik Friedrich Fröbels äußerst skeptisch gegenüber. Darum verließ Ida Seele nach 14 Jahren Darmstadt und übersiedelte nach Landsberg an der Warthe. Dort übernahm sie die Leitung einer Höheren Mädchenschule. Als nur Fröbelpädagogin fand Ida Seele nicht die genügende Anerkennung in der Lehrerschaft. Darum folgte sie dem Ruf des "Berliner Frauen-Vereins zur Beförderung Fröbelscher Kindergärten", der Ida Seele die Leitung des neu gegründeten Kindergartens anbot. Daneben unterrichtete sie am vereinseigenen Kindergärtnerinnenseminar "Theoretisch-praktische Vorführungen der Fröbelschen Spiel- und Beschäftigungsmittel". Ferner hatte sie noch mit den Seminaristinnen "Erzählstunden mit kleinen Kindern" durchzuführen.

Nach unschönen Auseinandersetzungen mit dem Vorstand des Vereins eröffnete Ida Seele im Hause des Schulvorstehers Wilhelm Vogeler, den sie kurze Zeit später heiratete, einen privaten "Volkskindergarten. Diesen führte sie ganz im Sinne der Fröbelpädagogik. Nicht lange existierte diese "Modelleinrichtung", stand sie doch im Verdacht "gefährlich sozialdemokratisch" zu sein. Auf Drängen der Behörden und der angestammten Geistlichkeit musste Ida Seele-Vogeler ihren Kindergarten schließen. Enttäuscht zog sie sich von der praktischen Arbeit zurück. Zusammen mit ihrem Mann zog sie um 1880 nach Nordhausen. Dort setzte sich die Pädagogin weiterhin für Friedrich Fröbel und seine Idee des Kindergartens ein. Daneben war sie eine gesuchte Referentin und engagierte sich im "Deutschen Fröbel-Verband", dessen Ehrenmitglied Ida Seele-Vogeler war.

Als Ida Seele-Vogeler am 15. Oktober 1901 in Nordhausen starb, ritzte man auf ihren Grabstein die treffenden Worte:

"Hier ruht die erste Kindergärtnerin der Welt - genannt Fröbels Ida".

Und in seinem Nachruf stellte der bedeutende Fröbelpädagoge Eugen Pappenheim, seinerzeit Vorsitzender des "Deutschen Fröbel-Verbandes" fest:

"Sie war Fröbels Lieblingsschülerin, und sie verdiente es!".

Literatur

Berger, M.: Ida Seele-Vogeler - die "erste Kindergärtnerin der Welt", in: Wissenschaft und Praxis im Dialog 1994/Nr. 57

Ders.: Frauen in der Geschichte des Kindergartens. Ein Handbuch, Frankfurt 1995

Hoof,, D.: Handbuch der Spieltheorie Fröbel's. Untersuchungen und Materialien zum vorschulischen Lernen, Braunschweig 1977

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