Manfred Berger
Hanna Mecke stellte ihr Wirken ganz in den Dienste Friedrich Fröbels und seiner Idee des Kindergartens, angeregt von der Fröbelepigonin schlechthin: Baronin Bertha von Marenholtz-Bülow. Über die adelige Frau schrieb Hanna Mecke:
"Unvergesslich werden mir die Abende sein, an denen sie mich, ihre letzte Schülerin, von ihrem Ruhebette aus belehrte und mir die Richtlinien für meine Arbeit im Dienste Fröbels gab ... 'Sie werden Erfolg haben, denn auch Sie gehen von der Idee aus', sagte sie mir, wenn ich zagen wollte, ob Gaben und Kräfte auch ausreichen würden, zu dem, wozu sie mich spornte: der Gründung einer Bildungsanstalt, in der junge Mädchen der gebildeten Stände für ihre mütterlichen und sozialen Aufgaben vorbereitet werden sollten" (Mecke 1911, S. 218 f).
Ostern 1890 wurde in Emden, unter Mitwirkung der Baronin, eine "Bildungsanstalt für Kindergärtnerinnen" ins Leben gerufen. Träger der Schule war der Verein "Tot, Nut van't Algemeen, Dep. Emden" (Gesellschaft für Volkswohl). Im "Linger Wochenblatt" vom 27. März 1892 ist nachzulesen:
"Die Leitung der Anstalt ist Fräulein Johanna Mecke übertragen. Fräulein Mecke hat sich seit einer Reihe von Jahren als praktische Kindergärtnerin bewährt; sie hat an der unter Leitung der Frau von Marenholtz-Bülow stehenden 'Fröbelstiftung' zu Dresden ihre Ausbildung zur Vorsteherin eines Kindergartens erhalten; sie hat sich ein dementsprechendes vorzügliches, von der sächsischen Schulbehörde mitunterzeichnetes Zeugnis erworben; außerdem hat sie in Hannover ein Examen als Lehrerin bestanden. In einzelnen Fächern stehen Fräulein Mecke tüchtige Lehrer zur Seite" (zit. n. Berger 1992, S. 15).
Nach schwierigem Anfang und mehreren Umzügen übersiedelte die Bildungsanstalt 1896 nach Kassel. Dort gründete Hanna Mecke 1903 eine eigene Ausbildungsstätte unter dem Namen "Fröbelseminar". Träger ihres Seminars war der "Evangelische Diakonieverein", der die Institution später "Evangelisches Fröbelseminar" benannte. Hanna Mecke baute die Institution zu einer allumfassenden Erziehungs- und Bildungseinrichtung aus. Zu der Zeit gab es:
- Eine staatl. anerkannte Frauenschule, verbunden mit einem Erziehungsheim (als Reformpensionat).
- Kurse für Kindergärtnerinnen, zur Vorbereitung für berufliche Tätigkeit in Familien (Erziehung und Unterricht von 1 - 9 Jahren).
- Kurse für Jugendleiterinnen, zur Arbeit im Kindergarten, Heimgarten, Kinderhort, Krippe, Waisenhaus, Krüppelheim und anderen Wohlfahrtsanstalten, zur Arbeit in Frauenschulen.
- Kurse für Kinder-Krankenpflegerinnen.
- Kurse für geprüfte Lehrerinnen zur Tätigkeit in Frauenschulen zur Erteilung des Werkunterrichts in Schulen
- Ferienkurse für Lehrer und Lehrerinnen: a) zur Einführung in die Fröbelsche Pädagogik; b) für soziale Arbeit.
- Pädagogische Kurse für junge Mütter.
- Säuglingshort, Kindergärten, Kinderhort, Heimgruppen, Fröbelschule für 6 - 9jährige Knaben und Mädchen.
- Stellenvermittlung für Kindergärtnerinnen und Jugendleiterinnen.
1912 erhielt das Seminar, auf massives Betreiben der Schulleiterin, das Recht verliehen, staatliche Abschlussprüfungen für Kindergärtnerinnen und Jugendleiterinnen abzulegen. Am 1. Juni 1912 gab Hanna Mecke aus gesundheitlichen Gründen die Leitung in andere Hände. Noch heute besteht ihre Schule in Kassel als "Evangelisches Fröbelseminar des Diakonischen Werkes. Fachschule für Sozial-/Heilpädagogik".
Johanna Ottilie Wilhelmine, von frühester Kindheit an Hanna genannt, erblickte am 28. März 1857 als ältestes von vier Kindern in Lingen/Emsland das Licht der Welt. Obwohl die Familie nicht wohlhabend war, durfte Hanna nach dem Besuch der "einfachen Bürgerschule" noch die "Höhere Töchterschule des Hertzig'schen Töchterpensionats zu Verden an der Aller" absolvieren. Anschließend musste sie sich ihren Lebensunterhalt in Fremdhaushalten verdienen. Doch mit dieser Situation war die junge Frau unzufrieden. Sie wollte viel lieber als Kindergärtnerin tätig sein. Darum übernahm sie eine Stelle als Familienkindergärtnerin in einer Industriellenfamilie in Oberschlesien. Als der Vater 1876 starb, kehrte Hanna Mecke zur Mutter und den Geschwistern zurück, die zwischenzeitlich nach Norden umgezogen waren. Um die Familie finanziell unterstützen zu können, gründete Hanna Mecke einen Privatkindergarten. Nachdem die jüngeren Geschwister ihrer Sorge entwachsen waren, erfüllte sich Hanna Mecke ihren Wunsch nach einer professionellen Ausbildung. Von "Michaelis 1888 bis Ostern 1889" absolvierte sie in Dresden die Kindergärtnerinnen-, folgend noch eine Lehrerinnenausbildung.
Neben ihrer sicherlich anstrengenden beruflichen Tätigkeit, trat Hanna Mecke noch schriftstellerisch hervor, insbesondere für die Fröbelpädagogik werbend. Beispielsweise publizierte sie unter "Abhandlungen zum Verständnis von Friedrich Fröbels Erziehungslehre" mehrere Schriften, die seinerzeit große Verbreitung, vor allem in sozialen Ausbildungsstätten, fanden. Über die Bedeutung und Aufgabe des Kindergartens vermerkte Hanna Mecke, ganz im Sinne Friedrich Fröbels, in einer ihrer "Abhandlungen":
"Im Kindergarten bietet Fröbel aber auch den Kindern eine Pflegestätte, wo all das emporblühen soll, was in der Familie, sei es durch Unwissenheit, Selbstsucht, Verzärtelung, Armut oder Reichtum, sich nicht naturgemäß und schlicht im Kinde entwickeln kann: Die Stätte, wo unter Gottes Schutz und der Sorgfalt erfahrener Erzieher die Kinder als Keime und Glieder der Menschheit in Übereinstimmung mit sich, mit Gott und der Natur erzogen werden sollen, wo die Kräfte, die Gott mit Vaterliebe gegeben, durch Tun zu ihm erheben sollen. Freude zu bringen, soll des Kindergartens erste Aufgabe sein und diese Freudigkeit sieht der erfahrene Psychologe als Triebkraft bester Art an, die sich in Form des Spiels darstellt. Er findet, daß die Spiele der ersten Kindheit die Herzblätter des ganzen künftigen Lebens sind, daß sich in ihnen der Mensch in seinem innersten Sein entfaltet, daß das Kind, das gut und tüchtig spielt, auch gut und tüchtig im Kreise seiner Anlagen und Fähigkeiten lernen und ein tüchtiger Mensch werden wird; er glaubt, daß nur der nachdenkend Selbstschaffende lebendig und wahrhaft den Schöpfer erkennt in dem Grade seines Schaffens. Ziel und Aufgabe aller Erziehung ist ihm, daß jeder Mensch nach ewigem Gesetz mit Freiheit und Selbstbestimmung aus sich hervortrete" (Mecke 1909, S. 8 f).
In Anlehnung an das Konzept der "Geistigen Mütterlichkeit" forderte Hanna Mecke die "sorgfältig genug vorgebildete" Mutter und Kindergärtnerin:
"Der Ruf nach echt mütterlichen Persönlichkeiten, die 'geistig klar, stillsinnig und praktisch tätig' in sozialpädagogischer Kleinarbeit die Zukunft bauen helfen, darf nicht verhallen, wie er zu Fröbels Lebzeiten verhallte. Die gründlich sozial-pädagogische Bildung der Mutter und Kindergärtnerin ist eine, das ganze Volk angehende Frage. Wie sie gelöst wird, davon hängt das körperliche, geistige und sittliche Wohl unserer Kinder und Kindeskinder nicht unwesentlich ab" (Mecke 1909, S. 21).
Eine besonders wichtige Publikation von Hanna Mecke war ihr "Leitfaden der Berufskunde für Frauenschulen, Kindergärtnerinnen- und Jugendleiterinnen-Seminare und Kleinkinderlehrerinnen-Seminare". Damit schloss sie seinerzeit eine gravierende Lücke, behandelte Hanna Mecke doch in kurzer Form alle Bereiche der Wohlfahrtspflege: religiöse Aspekte, organisatorische Probleme, konzeptionelle Überlegungen für Krippe, Kindergarten und Hort, Fragen zur Ausbildung bis hin zu Arbeitsgebieten des Jugendgerichts, der Vormundschaft u.a.m.
Am 11. Mai 1926 starb Hanna Mecke in ihrem Haus auf der Nordseeinsel Norderney.
Literatur
Berger, M.: Vergessene Frauen der Sozialpädagogik, Bielefeld 1992
ders.: Frauen in der Geschichte des Kindergartens. Ein Handbuch, Frankfurt 1995
ders.: Führende Frauen in sozialer Verantwortung: Hanna Mecke, in: Christ und Bildung 1997/H. 3
Mecke, H.: Fröbels Ideen in ihrem Einfluß auf pädagogische und soziale Wirksamkeit, Bamberg 1909
dies.: Friedrich Fröbels Lebensgang und Lebenswerk, Bamberg 1910
dies.: Warum brauchen wir Kindergärten und Kinderhorte, Bamberg 1910
dies.: Fröbels Gaben und Beschäftigungen in ihrem Wert als Spiel-, Arbeits- und Lehrmittel, Bamberg 1910
dies.: Dem Andenken Bertha von Marenholtz-Bülow, in: Kindergarten 1911/H. 10
dies.: Leitfaden der Berufskunde für Frauenschulen, Kindergärtnerinnen- und Jugendleiterinnen-Seminare und Kleinkinderlehrerinnen-Seminare, Bamberg 1913