Elternwerkstätten. Ein Beispiel für Erziehungsberatung in der Kindertageseinrichtung

Kristina Timm und Stephan Rietmann

Zu den Herausforderungen an die fachliche Praxis von Kindertageseinrichtungen gehört es, Eltern für die Nutzung niederschwelliger und präventiver Angebote zu gewinnen, um positive Erziehung zu fördern und Familien zu stärken. Im Kreis und in der Stadt Borken im Westmünsterland haben Kindertageseinrichtungen und Erziehungsberatung daher auf Initiative der zuständigen Jugendämter eine intensive Kooperation zur Durchführung von Elterntrainings aufgebaut.

In Kindertageseinrichtungen bestehen vielfältige Erfahrungen über die Entwicklung eines Kindes und positive Kontakte zu seinen Eltern. Zudem sind Kindertageseinrichtungen Orte, an denen unterschiedliche elterliche Erziehungsstile zusammentreffen und zwischen Fachkräften und Eltern ein regelmäßiger Austausch zu Erziehungsfragen stattfindet. Dieser Austausch sollte durch Elternwerkstätten und unter Mitwirkung der Erziehungsberatungsstellen noch weiter systematisiert und intensiviert werden. Die Kindertageseinrichtung organisiert diese Elternwerkstätten, macht Eltern auf das Angebot aufmerksam, sie stellt auch die Räumlichkeiten, die den Eltern bekannt und vertraut sind. Aufgabe der Erziehungsberatungsstelle ist es, die Elternwerkstatt inhaltlich vorzubereiten, sie durchzuführen und zu moderieren.

Elternwerkstatt als Ort des Lernens und der Reflektion

Elternwerkstätten sind ein präventives und niederschwelliges Gruppenangebot an Eltern von Kindergartenkindern im Kreis Borken. Ihr Ziel ist es, frühzeitig konstruktiv eine positive Entwicklung von Kindern und Familien zu unterstützen. Dabei sollen Kompetenzen von Eltern gestärkt werden; gleichzeitig werden die Eltern zur Erziehung ihrer Kinder ermutigt. Eine Elternwerkstatt hat zum Ziel, die Eltern zu sensibilisieren, sodass sie ihre Kinder in ihren Aktionen, Reaktionen und Bedürfnissen noch besser verstehen. Im Vordergrund steht ein Perspektivenaustausch zu Themen aus dem Erziehungsalltag.

In Elternwerkstätten wird jedes Elternteil als Experte für sein eigenes Kind und seine Familie gesehen. Die Eltern haben die Möglichkeit, entsprechend ihrer aktuellen Situation Themen auszuwählen, sich mit diesen von Beratern der Erziehungsberatungsstelle fachlich angeleitet auseinander zu setzen und sich mit anderen Eltern auszutauschen. Diese interaktive Konzeption ermöglicht eine direkte Orientierung am konkreten Bedarf der Teilnehmer und des jeweiligen Sozialraumes mit seinen individuellen Charakteristika. Dadurch soll ermöglicht werden, jeden einzelnen Teilnehmer individuell zu erreichen.

Elternwerkstätten sind kein vorgefertigtes standardisiertes Erziehungsprogramm. Während der Begriff Elterntraining eine instruierende und lehrende Beziehung von Laien und Experten beinhaltet, soll der Begriff der Elternwerkstatt den explorativen, experimentellen Aspekt gemeinsamer Arbeit an einem Thema hervorheben. Elternwerkstätten verstehen sich nicht als ein Experten-Laien-Forum, in denen die Fachleute als Experten Eltern instruieren, wie ihre Familie ideal funktioniert. Die Berater verstehen sich vielmehr als Experten für die Prozessgestaltung, die die Verantwortung für Erziehung und familiäres Zusammenleben bei den Eltern belassen, die wiederum die Experten für ihre Familie sind. Elternwerkstätten können in Problemfällen keine Einzelberatung ersetzen, sondern diese nur unterstützen.

Leitideen zu elterlichen Erziehungs- und Beziehungskompetenzen

Eltern können die Selbständigkeit ihrer Kinder unterstützen, indem sie eine ausgewogene Kombination elterlicher Autorität und Berücksichtigung der Bedürfnisse ihres Kindes herstellen. Dabei unterscheiden die Experten des Wissenschaftlichen Beirates für Familienfragen mit Bezug auf entsprechende Forschungsergebnisse Erziehungsziele hinsichtlich dreier Perspektiven:

  1. In der individuellen Perspektive steht die Entfaltung der Begabungen, Interessen und Selbstentwicklungspotentiale des Kindes im Vordergrund. Kinder sollen zu einer autonomen und eigenverantwortlichen Lebensführung befähigt werden.
  2. Die soziale Perspektive fokussiert das Ziel, zufrieden stellende zwischenmenschliche Beziehungen herstellen zu können, d.h. Bedürfnisse anderer wahrzunehmen und diese anzuerkennen, Verpflichtungen zu übernehmen und Vereinbarungen einzuhalten sowie kooperieren und Konflikte lösen zu können.
  3. In der moralischen Perspektive gilt es, Wertmassstäbe aufzubauen zur Beurteilung von richtig und falsch, von zulässig und unzulässig, von gerecht und ungerecht.

Für elterliche Erziehungs- und Beziehungskompetenzen werden von den Experten des Wissenschaftlichen Beirates für Familienfragen vier Arten von Kompetenzen beschrieben:

  1. Kindbezogene Kompetenzen. Dies betrifft die Fähigkeit der Eltern, den Entwicklungsstand des Kindes berücksichtigend, sensibel und responsiv auf ihr Kind einzugehen.
  2. Kontextbezogene Kompetenzen beziehen sich auf die elterliche Fähigkeit, für ihr Kind förderliche Entwicklungsarrangements im außerfamiliären Bereich herzustellen.
  3. Selbstbezogene Kompetenzen beziehen sich auf elterliche Selbststeuerung. Eltern sollten dementsprechend ihre Erziehung reflektieren und sich Wissen über die Entwicklung ihres Kindes aneignen. In diesen Bereich fällt auch die Fähigkeit der Eltern, negative Emotionen kontrollieren zu können und diese nicht impulsiv auszuagieren.
  4. Handlungsbezogene Kompetenzen beziehen sich auf die Fähigkeit der Eltern, Vertrauen in die eigene Selbstwirksamkeit zu entwickeln, Zusagen und Versprechen verbindlich einzuhalten, sich in der Interaktion mit dem Kind konsistent zu verhalten und sich flexibel an neue Gegebenheiten anzupassen (a.a.O., S. 51 ff.).

Für die Praxis von Elternkurskonzepten fordern Wahl und Sann (2006, S. 153) die Vermittlung unterschiedlicher Ebenen von Information, Sensibilisierungen und Verhaltensoptionen:

  • Selbsterfahrung, Reflektion der Elternrolle einschließlich der dabei relevanten Emotionen und Einübung von Impulskontrolle,
  • Wissensvermittlung und Sensibilität für die Entwicklungsstufen der Kinder schaffen,
  • Einstellungsveränderungen bewirken und Vertrauen in die Selbstwirksamkeit der Eltern fördern, Vermeidung von Widersprüchen in der Erziehung und Anpassung an neue Gegebenheiten,
  • Erweiterung von Handlungsoptionen,
  • Ausbau des sozialen Netzwerkes.

Die von uns durchgeführten Elternwerkstätten sollen in den genannten Bereichen elterlicher Erziehungs- und Beziehungskompetenzen zur Reflektion anregen, neue Impulse vermitteln und konstruktive Erziehungspraxis fördern.

Konzeption von Elternwerkstätten

Das für Eltern freiwillige Angebot wird an sechs Terminen zu jeweils zweieinhalb Stunden durchgeführt. Die für die Durchführung verantwortlichen Fachleute bringen eine pädagogische bzw. psychologische Basisqualifikation sowie einschlägige Zusatzqualifikationen mit. Durch ihre tägliche Arbeit in der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Erwachsene verfügen sie überdies an Kompetenzen in den Bereichen der Diagnostik, Prozessgestaltung, Gesprächsführung, Gruppenleitung und Beratung, sowie ein breit gefächertes Wissensrepertoire in Entwicklungsfragen und weiteren pädagogisch-psychologischen Themengebieten. Die Zahl der eingesetzten Fachleute ist dabei abhängig von der Teilnehmerzahl der Eltern; ab acht Teilnehmern können zwei Fachleute eingesetzt werden. Es hat sich gezeigt, dass die Arbeit mit bis zu 15 Teilnehmern produktiv für jeden Einzelnen bleibt und somit als maximale Gruppengröße ratsam ist.

Die Elternwerkstätten finden in den Kindertageseinrichtungen statt, da dort für die Eltern ein positiver und niederschwelliger Zugang möglich ist. Dabei ist bedeutsam, dass die Kindertageseinrichtung eine Elternwerkstatt in ihrem Haus aktiv selbst organisiert und als Motor für das Zustandekommen fungiert. Die Zusammenarbeit von Erziehungsberatung mit den Kindertageseinrichtungen und den Eltern ermöglicht einen umfassenden Blick auf die Erziehung der Kinder und darauf aufbauend eine umfassende Beratung für die Eltern über den Abschluss der im Folgenden beschriebenen Elternwerkstatt hinaus.

Ablauf einer Elternwerkstatt

Bei einem ersten Zusammentreffen der Elternwerkstatt lernt sich die Gruppe kennen. Daran anschließend überlegen sich die Eltern, welche Themengebiete rund um Erziehung sie vorrangig interessieren oder wo sie in ihrem Familienalltag aktuelle Entwicklungs- und Veränderungswünsche haben. Außerdem schlagen die Fachleute gegebenenfalls weitere Themengebiete vor, die Eltern erfahrungsgemäß in ihrem familiären Alltag unterstützen. Alle Themen werden gesammelt, gemeinsam diskutiert und zu fachlich angemessenen Themenblöcken zusammengefasst. Anschließend wählen die Eltern zwischen den vorhandenen Themengruppen die fünf Wichtigsten aus. So lernen sich die Teilnehmer untereinander in der ersten Sitzung kennen und festigen die Arbeitsgruppe der Elternwerkstatt, indem sie gemeinsam den Ablauf der weiteren Sitzungen bestimmen.

Elternwerkstätten sind, was die Organisation, die Themenfindung und die Durchführung angeht, ein Metamodell für Fragestellungen, die sich auch im Zusammenwirken von Menschen innerhalb einer Familie ergeben. Es geht um vielfältige Fragen, beispielsweise darum, wie Entscheidungsprozesse gleichsam partnerschaftlich und effizient durchgeführt werden können. Die Einbindung der Eltern in die Themenfindung stärkt die Motivation für die Elternwerkstatt, denn das Programm wird nicht vorgegeben, sondern es ist Produkt eines gemeinsamen Gestaltungsprozesses. Die interaktive Themenfindung erzeugt eine stabile Bindungswirkung, die sich beispielsweise in einer anhaltend hohen Teilnahmenquote über den Veranstaltungsverlauf zeigt.

Die Vereinbarung der Themengebiete in der ersten Sitzung zeigt einen ersten Weg an, den die Gruppe gehen möchte. Stellt sich in einer der weiteren Veranstaltungen heraus, dass der Weg sich ändert und sich die Interessensgebiete verlagern, so ist für die Fachleute jederzeit eine flexible Umgestaltung der Elternwerkstatt möglich. Auch hier zeigt sich, dass die Qualität von Beziehungen und die Regeln des Zusammenlebens immer wieder neu verhandelt und den aktuellen Erfordernissen entsprechend gestaltet werden müssen - wie im Familienleben.

Häufig durchgeführte Themenblöcke - Inhalte und Ziele

Inzwischen haben wir 15 Elternwerkstätten durchgeführt und neben individuellen Merkmalen dabei auch eine Vielzahl an strukturellen Gemeinsamkeiten festgestellt. Um eine Vorstellung von den Inhalten der Elternwerkstätten zu vermitteln, stellen wir im Folgenden häufig von den Eltern gewählte Themenblöcke vor. Zu jedem Themenblock hat die Erziehungsberatungsstelle diverse Unterthemen in einem Ordner zusammengestellt, der sich mit jeder Elternwerkstatt weiterentwickelt. So kann für jede Elternwerkstatt individuell bestimmt werden, welche Übung zu der Gruppe oder zu den zuvor behandelten Themengebieten passt. Auf diesem Wege entwickelt sich das Konzept Elternwerkstatt fortlaufend; die Berater lernen selbst kontinuierlich weiter.

Bei der Durchführung der Themenblöcke ist es den Fachleuten ein Anliegen neben konkreten, nützlichen und praktischen Tipps, kurzen Impulsvorträgen und alltagsnahen Übungen die Reflexion des eigenen Handelns nicht zu kurz kommen zu lassen. So werden durch Übungen und Gruppendiskussionen Werte und Haltungen hinterfragt und - falls gewünscht und angemessen - Beziehungen und deren Interaktionen innerhalb der Familien reflektiert. So soll den Eltern ermöglicht werden, ihr Handeln einzuschätzen, verschiedene Perspektiven einzunehmen und ihre Entscheidungen und handlungsleitenden Erziehungsgrundsätze zu überprüfen, zu klären oder zu festigen. Diese Reflexionsübungen geben den Eltern die Möglichkeit, sich nicht nur in dem Moment der Elternwerkstatt Rat zu holen, sondern zeigt ihnen Wege, eigene Antworten zu finden. Die Berater orientieren sich dabei - ihren Ausbildungsschwerpunkten entsprechend - an systemischen bzw. bindungstheoretischen Leitideen.

In den meisten der bisherigen Elternwerkstätten finden sich die nachstehend dargestellten methodischen und thematischen Module.

Aufwärmübungen

Aufwärmübungen haben den Sinn, die Gruppe arbeitsfähig zu machen und den Beginn der Stunde zu markieren. Darunter sind beispielsweise Übungen zu verstehen, die dazu führen, dass sich die Teilnehmer untereinander noch besser kennen lernen und dass jede Person die Möglichkeit hat, etwas von sich zu berichten, ohne dabei ins Detail zu gehen. So hat jeder Teilnehmer schon mal vor der Gruppe gesprochen, und die Gruppe hat schon eine allgemeine Vorstellung von dessen Familie und den Erwartungen. "Sätze vervollständigen" oder "Vorstellen anhand des Schlüsselbundes" sind dabei zwei Beispiele für verwendete Methoden.

Kommunikation

Das Thema Kommunikation spielt in Familien eine zentrale Rolle und taucht daher auch bei den Themenwünschen der Eltern immer wieder auf. Es werden in Theorieinputs und Rollenspielen beispielsweise Themen wie "analysierende Befragung", "Aussagen statt Fragen", "absichtliches Ignorieren", "klare Anweisungen" und "konstruktiv Kritik üben" mit der Gruppe diskutiert und in Rollenspielen geübt. Diese Themenblöcke zeigen bei den Eltern große Wirkung, da sie gemeinsam mit anderen Eltern ihren alltäglichen Umgang mit den eigenen Kindern reflektieren, üben, ausprobieren und anschließend wieder mit der Gruppe diskutieren können. Dadurch können die Eltern ihre Rolle flexibel erproben, Neues üben und dann selbstbewusst in der Familie anwenden.

Umgang mit Gefühlen

Gefühle regulieren das Zusammenleben von Familien und haben einen bedeutenden Stellenwert. Viele Eltern zeigen sich verunsichert, wie sie insbesondere mit als negativ erlebten Gefühlen umgehen möchten, wie sie diese ausdrücken können. Gerade weil die emotionale Gestaltung von Interaktionen eng mit der emotionalen Selbstregulation zusammenhängt, hat die Arbeit in Elternwerkstätten zu diesem Thema einen eher selbsterfahrungsorientierten und reflexiven Charakter. Übungen wie z.B. "die Wuttreppe" verdeutlichen Eltern das Phänomen der Einschätzbarkeit von Gefühlen und erleichtern ihnen den Umgang mit ihnen.

Konsequentes Verhalten

Für viele der teilnehmenden Eltern ist es schwer, Grenzen als etwas Positives für ihre Kinder zu sehen. In diesem Themenblock wird durch Gruppenübungen an der Frage gearbeitet, was Grenzen für einen selbst sind, wie Grenzen Kindern Halt und Orientierung geben. Darauf aufbauend werden Themen wie beispielsweise "Familienregeln" und deren Durchsetzbarkeit erarbeitet. Da diese Thematik in jeder Familie individuell verschieden aussieht, werden viele Gruppenarbeiten und Gesprächsrunden durchgeführt, wo jeder eigene Beispiele einbringen kann.

In einer Übung malen die Eltern zentrale Familienregeln und erarbeiten sich ein vertieftes Verständnis von Bereichen, die in ihrer Familie der Regelung bedürfen, von der Art, wie Regeln formuliert werden sollten, von der Klarheit, dem Nutzen und der Prägnanz einer Regel. Während dieses Blocks ist es Ziel, Eltern Unsicherheiten bezüglich Grenzen zu nehmen und einen Austausch zwischen den Eltern zu fördern, damit auch ein Erleichterungseffekt eintritt: die meisten Eltern kennen oder haben ähnliche Probleme.

Stress und Selbstmanagement

In einem dynamischen und veränderungsreichen gesellschaftlichen Kontext, in dem Menschen Entscheidungen zunehmend in Eigenverantwortung treffen müssen, kommt Fähigkeiten zur Selbststeuerung eine wachsende Bedeutung zu. Viele Eltern erleben die parallelen Anforderungen, die sich in Familienleben, Partnerschaft, Elternschaft, Berufsleben und Alltag stellen, als hoch, nicht selten sogar als überfordernd. Daraus kann Stress resultieren, mit dem eine nachhaltige Belastung sozialer Beziehungen einhergeht und aus dem gravierende Folgeprobleme entstehen können (z.B. Trennung und Scheidung). In diesem Modul geht es um die Erkennung von allgemeinen und individuellen Stresstreibern, die Reflektion eigener Erwartungen und Anforderungen und Möglichkeiten eines nachhaltigen und verantwortlichen Umgangs mit diesen Bedingungen.

Werte

Erzieherisches Handeln wird von Werten geleitet und hat eine innere Philosophie, auch wenn die zugrunde liegenden Werte nicht bewusst oder explizit sind. Zudem sind Werte wie beispielsweise Gemeinsinn und Selbstverwirklichung gegensätzlich. Daher steht dieses Thema bei vielen Eltern auf der Liste der Themenwünsche. In einer Beispielsübung geben wir den Eltern eine Liste mit 15 Werten, die sie in eine für sich verbindliche Rangfolge bringen sollen. Im zweiten Schritt soll in einer Kleingruppe dann eine gemeinsame Reihenfolge festgelegt werden, und schließlich soll sich die Großgruppe auf eine gemeinsame Reihenfolge einigen. Dabei kommt eine Reihe an Themen zur Sprache, die im Umgang mit im menschlichen und familiären Zusammenleben üblichen Wertverschiedenheiten nützlich sind. Dies sind Aushandlungsfähigkeiten, Toleranz und Toleranzgrenzen, aber auch Ambiguitäts- und Spannungsfähigkeiten.

Rückmeldungen zu bisher durchgeführten Elternwerkstätten

Rückmeldungen am Ende von Elternwerkstätten, Tür- und Angelgespräche mit den Eltern in den Pausen und Gespräche mit Erziehern und Erzieherinnen geben uns Aufschluss über die Erfahrungen der Eltern mit Elternwerkstätten. So wird uns oftmals ein verbesserter, offener und intensiver Austausch der Teilnehmer über Erziehungsthemen im Kindergartenalltag berichtet. Das wird vielfach damit begründet, dass ungezwungenes Ansprechen von Erziehungsthemen leichter fällt, da alle wissen, dass jeder Probleme und auch Ressourcen in seiner Familie erlebt und man somit nicht allein dasteht.

Wir interpretieren diese Rückmeldung als einen Hinweis auf ein gestiegenes erziehungsbezogenes Selbstbewusstsein der Teilnehmer: Erziehung wird in den Selbstoffenbarungen der Eltern aktiv und öffentlich zum Thema gemacht.

Die Eltern erleben durch die anderen Teilnehmer und durch die Leitung der Fachleute überdies, dass sie mit ihren Problemen nicht alleine dastehen und dass sie in ihrer Situation ernst genommen werden. So ist es möglich, sich gegenseitig zu unterstützen. Durch diesen Prozess des Austauschs, des Annehmens und der Unterstützung werden die Teilnehmer - je nach Entwicklungsstand der Gruppe - durch die Fachleute angeregt, begleitet und geführt. Der durch die gemeinsame Arbeit entstandene Gruppenprozess lässt die Teilnehmer sowohl im Kindergarten als auch im Freundeskreis und in ihren Familien selbstbewusster auftreten, da sie sich selbst durch Rollenspiele und individuelle konstruktive Kritik besser kennen gelernt haben und sich eventuell mehr zutrauen.

Manche Eltern wurden gerade durch die Werkstatt an sich und durch den Kontakt der Erzieherinnen zu den Fachleuten dazu angeregt, bei speziellen Fragen, die in der Elternwerkstatt nicht besprochen und geklärt werden konnten, individuell eine Beratungsstelle aufzusuchen, da sie merkten, dass ihre Probleme für so eine Gruppe zu persönlich sind. Die Hemmschwelle, die Beratungsstelle aufzusuchen, wurde durch die Bekanntheit der Fachleute gemildert. Es zeigte sich, dass Bezüge aufgebaut wurden und Eltern sich beispielsweise für einen speziellen Berater anmelden. Somit ist der Weg zu einer Beratung erleichtert, wodurch den Eltern und in erster Linie den Kindern frühzeitig Hilfe angeboten werden kann.

Die gute und regelmäßige Zusammenarbeit zwischen der jeweiligen Kindertageseinrichtung und der Erziehungsberatungsstelle erleichterte überdies die gegenseitige Kontaktnahme und verbesserte die Qualität der Zusammenarbeit in anderen Fällen. Dieses Ergebnis führen wir auf die intensiver vernetzte Arbeit der Kindertagesstätten und der Beratungsstelle durch die Elternwerkstätten zurück.

An der Universität Münster findet im Rahmen einer Lehrveranstaltung zu Methoden der Evaluation eine wissenschaftliche Auswertung der Elternwerkstätten statt, deren Ergebnisse noch ausstehen. Dazu sind vor Beginn und nach Abschluss der Elternwerkstatt eigens dafür entwickelte Fragebögen zum Einsatz gekommen.

Nutzen der Elterwerkstatt

Der Nutzen einer Elternwerkstatt ergibt sich aus dem systematischen Zusammenwirken von Eltern, Kindertageseinrichtungen und Erziehungsberatung. Elternwerkstätten sind damit ein fachkraftorientierter Handlungsansatz, in dem die Beteiligten Fachleute ihre Spezialkompetenzen für die Eltern bündeln. Als breit greifende Sozialisationseinrichtung gehen die meisten Kinder in unserem Sozialraum in eine Kindertageseinrichtung. Dies erleichtert die Ansprache der Eltern; es erzeugt Sogwirkungen, wenn viele Eltern sich zu dem Angebot anmelden, und es vermittelt Gefühle einer geteilten Norm, wenn Eltern gemeinsam Erziehung reflektieren.

Die Konzeption der Elternwerkstätten ermöglicht den Fachleuten aus Kindertageseinrichtung und Erziehungsberatungsstelle gemeinsam eine präventive und flexible Arbeit mit Eltern. Durch die Gruppe von Eltern mit gleichaltrigen Kindern ergibt sich zumeist eine intensive Austauschkultur, die sich die Eltern nach den bisherigen Erfahrungen in vielen Fällen auch über die sechs Termine hinaus bewahren. Weiterhin verringert sich die Hemmschwelle der Eltern, sich gegenseitig als Ansprechpartner mit Kompetenzen und Ressourcen zu nutzen.

Aber auch ein eventueller Gang zur Beratungsstelle gestaltet sich frühzeitiger und ungezwungener. In der alltäglichen Beratungssituation zeigt sich, dass präventiv geschulte Klienten die Beratungsstelle häufig bereits aufsuchen, wenn sie an einer Weggabelung stehen und nicht genau wissen, wie sie weitergehen können oder möchten. Eltern kommen in solchen Fällen frühzeitiger in Erziehungsberatung, und häufig ist dann in wenigen Terminen effektive individuelle Beratung möglich.

Literatur

Wahl, K./ Hees, K. (Hg.): Helfen "Super Nanny" und Co? Ratlose Eltern - Herausforderung für die Elternbildung. Weinheim, Basel: Beltz 2006

Wissenschaftlicher Beirat für Familienfragen: Familiale Erziehungskompetenzen. Beziehungsklima und Erziehungsleistungen in der Familie als Problem und Aufgabe. Gutachten für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Weinheim, München: Juventa 2005

Autor/in

Kristina Timm und Dr. Stephan Rietmann (Leitung) sind Diplompsychologen und arbeiten in der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern des Caritasverbandes für das Dekanat Borken.

Adresse

Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern
Turmstrasse 14
46325 Borken
Tel.: 02861/945750
Email: beratungsstelle@caritas-borken.de

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