Familien- und Kinderhäuser in Deutschland - eine Allianz für Bedürfnisse von Familien

Aus: Martin R. Textor (Hrsg.): Erziehungs- und Bildungspartnerschaft mit Eltern. Gemeinsam Verantwortung übernehmen. Freiburg, Basel, Wien: Herder 2006, S. 163-174

Ilse Wehrmann

Eine Gesellschaft offenbart sich nirgendwo deutlicher
als in der Art und Weise wie sie mit ihren Kindern umgeht.
Unser Erfolg muss am Glück und Wohlergehen unserer Kinder
gemessen werden, die in einer jeden Gesellschaft
zugleich die verwundbarsten Bürger und deren größter Reichtum sind.

(Nelson Mandela)

Ausgangslage der Familien in Deutschland

Kindergarten und Schule sind seit den PISA-Studien erfreulicherweise in den Blickpunkt der öffentlichen Diskussion gerückt und endlich zum Anliegen aller bundespolitischen Parteien geworden. Die Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte sind unübersehbar: Die Bundesrepublik droht ihren internationalen Stellenwert sowohl als Wirtschafts- als auch als Bildungsstandort zu verlieren. Ohne nationale Kraftanstrengung wird die gegenwärtige Situation nicht zu überwinden sein. Das deutsche System der Tageseinrichtungen für Kinder unter sechs Jahren bedarf der dringenden Reform. Es weist im europäischen und internationalen Vergleich einen erheblichen Entwicklungsbedarf auf.

Tiefgreifende gesellschaftliche Wandlungsprozesse, die in der Öffentlichkeit auch unter den Stichworten "Globalisierung" und "Modernisierung" diskutiert werden, haben erheblichen Einfluss auf familiale Lebensbedingungen. Zu nennen sind hier etwa die hohen Anforderungen an die Mobilität und zeitliche Flexibilität von Arbeitnehmer/innen, der steigende Anteil von Familien mit Migrationshintergrund, die gesunkene Stabilität von elterlichen Partnerschaften oder die wachsende Zahl von Alleinerziehenden. Das führt dazu, dass Kinder je nach familiärer Herkunft sehr unterschiedliche Chancen auf eine erfolgreiche Bildungskarriere mit weiterführenden Schulabschlüssen haben. Beide PISA-Studien bestätigen dies.

Realität ist, dass in Deutschland etwa 15 Prozent aller Kinder als arm gelten und mit ihren Eltern unterhalb der definierten Armutsgrenze (weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens) leben. Anders ausgedrückt: Rund 1,5 Millionen Kinder leben auf Sozialhilfeniveau. Die Dunkelziffer wird auf ca. 200.000 geschätzt. In Westdeutschland beträgt die Kinderarmutsquote 12,4 Prozent, im Osten 23,7 Prozent. Mehr als eine Million der Familienhaushalte in Deutschland sind überschuldet, mit all dem Druck, der zu dieser Lebenslage gehört (DPWV 2005).

Hinzu kommen die aktuellen Sozialreformen, insbesondere die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe (Hartz IV). Sie betreffen rund 5,8 Millionen Menschen (Arbeitslose und ihre Angehörigen in ca. 2,8 Millionen Bedarfsgemeinschaften), davon etwa 1,8 Millionen minderjährige Kinder. Hierzu zwei Beispiele:

  1. Rund 500.000 Haushalte (mit ca. 1,1 Millionen Menschen), die heute Arbeitslosenhilfe erhalten, verlieren künftig diesen Anspruch nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II. Dies betrifft insbesondere Frauen, die durch die Absenkung der Grenzen für die Anrechnung des Einkommens ihrer Partner aus dem Leistungsbezug herausfallen. Betroffen sind auch rund 300.000 Kinder.
  2. Rund 2,2 Millionen Haushalte mit ca. 4,5 Millionen Personen, davon etwa 1,5 Millionen Kinder, werden Sozialgeld oder Arbeitslosenhilfe (ALF) erhalten. Damit wäre mit einer Quote von 9,7 Prozent fast jedes zehnte Kind in Deutschland betroffen.

Das Ergebnis: rund ein Drittel aller Kinder in Deutschland sind vom normalen gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen (DPWV 2005). Zudem stehen die Anforderungen des Arbeitsmarktes den Bedürfnissen von Familien nach Zeit für Beziehung und adäquate Versorgung von Kindern oft diametral entgegen, wozu Kontinuität und Verlässlichkeit gehören.

Konsequenzen für die frühkindliche Erziehung, Bildung und Betreuung

Eine Gesellschaft, die von Eltern ein derartiges Höchstmaß an Einsatz, Mobilität und Flexibilität fordert, muss neue Wege auch in der Kinderbetreuung beschreiten, die den Blick auf die gesamte Familie richtet. Sie muss allen Kindern die gleichen Chancen zur Bildung, persönlichen Entwicklung und Entfaltung sowie zur gesellschaftlichen Teilhabe bieten, unabhängig von der sozialen, ethnischen und kulturellen Herkunft ihrer Eltern. Die dafür erforderlichen Angebote müssen ausgebaut und - wenn nicht kostenfrei - zumindest kostengünstig angeboten werden. Dafür muss die frühkindliche Erziehung, Bildung und Betreuung folgende Kriterien erfüllen:

  • Orientierung der Angebote in der Kindertagesbetreuung an den Bedürfnissen von Familien, und nicht an staatlichen Sparmaßnahmen;
  • Unterstützung der Familien bei der Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familienarbeit, insbesondere mit Blick auf diejenigen Frauen, die eine verlässliche Infrastruktur benötigen, um ihre Lebensentwürfe in Bezug auf Berufstätigkeit und Qualifizierung umsetzen zu können;
  • Ausbau von Ganztagsangeboten, um Familien, die durch zunehmend flexible Arbeitszeiten belastet werden, zu entlasten;
  • unbehinderter Zugang zu qualifizierten Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsangeboten für alle Kinder, insbesondere solche in prekären Lebenslagen.

Angesichts dieser Anforderungen an die frühkindliche Erziehung, Bildung und Betreuung gewinnt die Tagespflege als Angebot, das spezifische Bedarfslagen von Familien abdeckt und ergänzend zu institutionellen Angeboten Familien entlasten kann, zunehmend an Bedeutung. Daher ist es zu begrüßen, dass das neue Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG) eine Grundqualifizierung für Tagespflegepersonen ausdrücklich fordert.

Die Begleitung in schwierigen Lebenslagen durch familienunterstützende und -entlastende Dienste ist ein Kernangebot in evangelischen Kindertageseinrichtungen

Eine familienfreundliche Infrastruktur schließt Erziehungsberatung, Paar- und Familienberatung, Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatung, Schuldnerberatung und Migrationsdienste ebenso mit ein wie Angebote der Familienbildung oder für Alleinerziehende. Ihre Bedeutung verstärkt sich mit der zunehmenden Auseinanderentwicklung der Lebensverhältnisse in unserem Land. In Anbetracht der beschriebenen gesellschaftlichen Veränderungen gewinnen insbesondere zwei Aspekte der Förderung und Entlastung von Familien mit Kindern im Vorschulalter zunehmend an Bedeutung: (1) Stärkung der Alltags- und Elternkompetenz sowie (2) Bildung von Netzwerken.

Stärkung der Alltags- und Elternkompetenz

Viele Eltern sind in Bezug auf Bildung, Lebensziele oder Erziehungsstile hochgradig verunsichert. Deshalb müssen Kindertageseinrichtungen ihre Angebote zur Orientierung, Wertebildung und Vergewisserung erhöhen. Kinder aus Familien mit nicht genügend ausgebildeten Elternkompetenzen sind latent der Gefahr von Benachteiligungen ausgesetzt. Diese Tatsache müssen die Bildungskonzepte von Tagesbetreuung, aber auch von Schule berücksichtigen. Die evangelische Familienbildung hat bereits Konzepte zur Unterstützung der Handlungs- und Bewältigungskompetenzen bei Eltern und zur Stabilisierung ihrer Erziehungsfähigkeit entwickelt. Damit leistet sie einen wichtigen Beitrag, die soziale Vererbung von Bildungsarmut zu durchbrechen.

Hinzu kommen niedrigschwellige Angebote zur Steigerung von Kompetenzen der Alltagsbewältigung, wie z.B. Erreichbarkeit der Berater und Beraterinnen im Lebensumfeld der Familien, an der Berufstätigkeit der Eltern orientierte Öffnungszeiten oder Komm-Strukturen in den Einrichtungen. Komplettiert wird das Angebot durch Hilfen wie Schuldnerberatung bzw. Angebote zur Existenzbewältigung (angesichts des dramatischen Anstiegs von privaten Insolvenzen immer häufiger nachgefragt) bis hin zur Freizeitgestaltung.

Bildung von Netzwerken

Bei der Förderung der Erziehungskompetenzen von Eltern und der Unterstützung von Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten ihrer Kinder kommt sozialen und institutionellen Netzwerken immer mehr Bedeutung zu. Diese Netzwerke müssen aus den verschiedensten Akteuren innerhalb einer Region bzw. Kommune bestehen. Ihre Träger - Kindertageseinrichtungen und Schulen, freie Träger der Bildung und Beratung sowie kommunale Ämter und Dienste - sollten bei erkennbaren Krisen in der Familie im Sinne eines interdisziplinären Fallmanagements zusammenarbeiten, um die notwendigen Hilfen zu mobilisieren. Kindertageseinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft bieten hier wichtige Anstöße, weil sie über ein breites Netz an unterschiedlichen Angeboten und Hilfen für Familien verfügen. Gemeinsame Planung auf der Grundlage von Bedarfserhebung und eine abgestimmte Konzeptentwicklung der verschiedenen Dienste in der Region könnten die Angebote (ohne höheren Mittelbedarf) noch effizienter machen.

Kindergärten als Familien- und Kinderhäuser

Angesichts des oben beschriebenen enormen Handlungsbedarfes sowohl im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf als auch die Neudefinition des Kindergartenauftrags, die Erziehung, Bildung und Betreuung zu vereinen, müssen sich Kindertagesstätten mehr zu Häusern für Kinder und Familien entwickeln. Konkret bedeutet dies, dass sie dazu beitragen, die Lebensqualität von Familien zu verbessern und zu unterstützen, die elterliche Erziehungskompetenz zu fördern, sich konzeptionell etablierten Institutionen zu öffnen und an den Schnittstellen neue Angebote zu entwickeln. Häuser für Kinder und Familien müssen ein zentraler Baustein in einer Familie und in einer kindorientierten Infrastruktur sein und sollten im Kontext einer neuen Allianz für Familien stehen. Dies setzt nicht nur eine hochwertige und verlässliche Ganztagsbetreuung in Kindergärten und Schulen voraus. Außerdem sind die Kindertagesstätten gefordert, flexible Angebotsformen zu entwickeln, die in einen verlässlichen Bildungsauftrag eingebettet sind.

Bei näherer Betrachtung bieten sich Kindergärten zahlreiche Möglichkeiten, ihr bestehendes Leistungsspektrum in diese Richtung zu erweitern und den Familien in ihrem Stadtteil weitere attraktive Angebote zur Verfügung zu stellen, ohne dabei ihre Struktur verändern zu müssen. Einige dieser Ideen werden bereits vereinzelt in einigen Kindertagesheimen umgesetzt, in Bremen zum Beispiel folgende:

  • Babysitter- und Tagemüttervermittlung,
  • flexible kurzfristige Betreuungsangebote außerhalb der üblichen Betreuungszeiten,
  • Betreuung an einem Samstag im Monat,
  • Übernachtungsangebot im Kinderhotel, einmal im Monat,
  • mehrtägige Familienfreizeiten,
  • Ferienprogramme für Kinder zwischen fünf und acht Jahren,
  • betriebsnahe Krippen für unter Dreijährige,
  • Familienservice für Firmen,
  • Beratungssprechstunden für Eltern,
  • Angebote zur Elternbildung,
  • Nutzungsmöglichkeiten der Räume im Kindergarten für Kindergeburtstage, Gruppentreffen etc.

Mit Angeboten wie diesen können sich Kindergärten als Begegnungsstätten für Familien empfehlen und einen Teil der Eltern im Stadtteil an sich binden (bei sinkenden Kinderzahlen und angesichts des Wettbewerbs mit anderen Einrichtungen ein nicht unwichtiger Aspekt).

Nicht jedes Angebot passt zu jeder Kindertageseinrichtung. In einer Region mit hoher Arbeitslosigkeit und eher bildungsfernen Eltern ist es vielleicht wichtiger, Hilfe beim Ausfüllen behördlicher Formulare anzubieten als Babysitter zu vermitteln. Die für solche Angebote erforderlichen Räumlichkeiten sind in vielen Häusern vorhanden; die Frage aber ist, wer alle diese Maßnahmen umsetzen soll und wie sie finanziert werden.

Zunächst einmal müssen nicht alle Angebote von den Mitarbeiter/innen der Einrichtungen offeriert werden. Angebote wie Betreuung von Tagesmüttern oder Babysittervermittlung könnten grundsätzlich auch interessierte Eltern übernehmen. Außerdem spricht nichts dagegen, dass Eltern, die beispielsweise ein Angebot am Wochenende in Anspruch nehmen, auch bereit sein sollten, für diesen zusätzlichen Service zu bezahlen. Denkbar ist ferner, für die Überlassung der Räumlichkeiten ebenfalls eine kleine Gebühr zu erheben.

Ein Wandel von einem Kindertagesheim zu einem Kinderhaus, das sich an den Wünschen und Bedarfen von Familien orientiert, ist ohne Veränderungen in der Struktur der Tageseinrichtung nicht umsetzbar. Was für die Einrichtung eines Kinderhauses spricht und wie es in der Praxis aussehen könnte, beschreibt der folgende Konzeptentwurf.

Das Bremer Modellprojekt Kinderhaus

Dem Modellprojekt Kinderhaus, das visionär die Kindertageseinrichtung der Zukunft beschreibt und bislang nur punktuell in die Praxis umgesetzt ist, liegt folgende Überlegung zugrunde: Wo früher in einer großen Familie Großeltern oder andere Familienmitglieder die Eltern bei der Betreuung und Versorgung der Kinder unterstützt haben, klafft heute ein großes Loch. Deshalb drängen sich in Bremen, wo die Versorgung von Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren für einige Stunden am Tag durch diverse Kindertageseinrichtungen insgesamt relativ gut abgedeckt ist, bei näherer Betrachtung dennoch Fragen auf:

  • Wie ist die Versorgung der unter drei- und über sechsjährigen Kinder?
  • Wohin mit Kindern, die nur leicht krank sind, aber nicht in die Einrichtung gehen können?
  • Wo finden Eltern Entlastung, wenn sie ohne Kind(er) weggehen möchten oder einen wichtigen Termin wahrnehmen müssen?
  • Wer betreut die Kinder außerhalb der üblichen Betreuungszeiten oder in den Ferien?
  • Wo finden Eltern behinderter Kinder eine Betreuung und Beratung außerhalb einer Institution?

Ein Kinderhaus kann Bereiche wie diese zum Teil abdecken, bietet vor allem aber den Vorteil, dass es auf vielerlei Weise genutzt werden kann und ein breites Angebotsspektrum ermöglicht. Alle im Folgenden vorgestellten Angebote sollten auch behinderten Kinder bzw. deren Eltern offen stehen. Optimal wäre natürlich eine Verbindung mit einem schon vorhandenen Betreuungsangebot für drei- bis sechsjährige Kinder.

Kinderhotel (Kurzzeitunterbringung mit Übernachtungsmöglichkeit)

Kinderhotels sind für die Kurzzeitunterbringung mit Übernachtung für Kinder bis zu zwölf Jahren vorgesehen. Die Betreuungszeit dauert von 17.00 Uhr bis 11.00 Uhr des nachfolgenden Tages. Die Kosten betragen inklusive Abendessen und Frühstück ca. 25 Euro pro Übernachtung und Kind. Für die Unterbringung eines Kindes über mehrere Tage im Hotel ist ein Tagessatz in Höhe von ca. 50 Euro veranschlagt. Es sollten zwei Räume mit einer Bettenkapazität von insgesamt sechs bis acht Betten für die Kinder zur Verfügung stehen. Neben jeweils einem Aufenthaltsraum für Kinder und Betreuer/innen müssen eine Teeküche, ein Waschraum und Toiletten vorhanden sein.

Kinderstation (zur Betreuung von leicht erkrankten Kindern)

Die Kinderstation ist für die Betreuung von leicht erkrankten oder behinderten Kindern gedacht. Dafür sollte im Kindergarten ein Raum zur Verfügung stehen, der zwei bis vier Kindern Platz bietet. Die Station kann auch an das Kinderhotel angebunden sein, wodurch eine gemeinsame Nutzung der sanitären Anlagen und des Betreuerraums möglich wird. Die Kosten orientieren sich an denen des Kinderhotels. Hier wären eventuell Möglichkeiten der Abrechnung über die Krankenkassen zu prüfen.

Bei diesem Angebot geht es nicht darum, schwer kranke Kinder in die Betreuung zu geben - die sind natürlich zu Hause am besten aufgehoben -, sondern vielmehr darum, dass sich Kinder, die nach einer Krankheit noch ein bisschen "schlapp" sind, dort noch ein paar Tage in Ruhe erholen können, bevor sie wieder in ihre Kindergruppe zurückkehren.

Flexible Betreuung (back-up-care) für Kinder von drei bis zwölf Jahren

Hier werden Kinder im Alter von drei bis zwölf Jahren stunden- oder tageweise betreut, z.B. wenn die übliche Betreuung ausfällt, ihre Eltern wichtige Termine wahrnehmen müssen oder als Touristen die Sehenswürdigkeiten der Stadt allein erkunden möchten, wenn Kinder auf einen Regelbetreuungsplatz warten oder wenn Neubürger, die noch keine Kontakte haben, Betreuung für ihre Kinder brauchen.

Es werden maximal 20 Kinder gleichzeitig betreut. Dafür sollten zwei Spielräume zur Verfügung stehen, des Weiteren Küche, Waschraum und Toiletten sowie ein Außengelände zum Spielen im Freien. Die Betreuungszeiten sollten idealerweise von Montag bis Freitag jeweils von 10.00 bis 20.00 Uhr stattfinden, an Samstagen von 10.00 bis 16.00 Uhr. Die Betreuung kostet 5 Euro pro Kind und Stunde. Bei längerfristiger Betreuung werden die Zeiten und anfallenden Kosten individuell vereinbart. Nach Möglichkeit sollten die Kinder vorher angemeldet werden.

Pflegenest (Betreuung für Kinder unter drei Jahren)

In Pflegenestern werden Kinder unter drei Jahren betreut. Die Nester bieten Platz für maximal zehn Kinder; für die Stammgruppe sind sieben bis acht Plätze vorgesehen, bei verbleibenden zwei bis drei Notfallplätzen. Die Betreuung sollte von 8.00 bis 16.00 Uhr stattfinden. Die Betreuungskosten belaufen sich für Kinder der Stammgruppe auf ca. 500 Euro pro Kind und Monat. Bei stundenweiser Betreuung beträgt der Preis aufgrund des höheren Personalaufwands ca. 7 Euro pro Stunde. Für die Kinder sollten jeweils ein Spiel- und ein Ruheraum zur Verfügung stehen, ebenso Küche und sanitäre Anlagen. Letztere könnten mit den Kindern der flexiblen Betreuung gemeinsam genutzt werden.

Babysitterservice

Dieses Angebot erfordert vorab den Aufbau eines Pools von Babysitter/innen, aus dem Eltern in ihrer Wohnortnähe eine qualifizierte Person für die Betreuung ihrer Kinder wählen können. Die Eltern sollten die Möglichkeit haben, sich im Kinderhaus über die zur Verfügung stehenden Betreuer/innen und über die Kosten und Bedingungen bei Inanspruchnahme dieses Service zu informieren.

Beratungsangebote für Eltern

Eltern erhalten die Möglichkeit, sich mit ihren Fragen und Problemen an das Fachpersonal bzw. die Fachberater/innen zu wenden.

Elternbildung

Die räumliche und personelle Ausstattung des Hauses sollte Möglichkeiten bieten, Eltern beim Austausch über Erziehungsfragen zu unterstützen und ihnen Angebote zu unterbreiten.

Voraussetzungen für die praktische Umsetzung

Möglicher Personalbedarf

Der Betrieb des Kinderhotels und der Kinderstation würde zwei Betreuer/innen erfordern, die bei voller Auslastung eventuell zusätzlich von einer stundenweisen Hilfe unterstützt werden. Sie sollten eine abgeschlossene Ausbildung als Erzieher/in, Kinderpfleger/in oder Kinderkrankenschwester bzw. -pfleger vorweisen können. Für die flexible Betreuung der Kinder sind je nach Auslastung zwei bis drei Erzieher/innen erforderlich. Die Betreuung der Kinder im Pflegenest könnten von zwei Kinderpfleger/innen übernommen werden. Zusätzlich wäre noch eine Springkraft erforderlich, zur Unterstützung eventuell noch ein Zivildienstleistender oder ein/e Praktikant/in.

Des Weiteren werden noch für die Organisation und die Beratung eine Hausleitung, z.B. ein/e qualifizierte/r Erzieher/in, Sozialpädagogin bzw. Sozialpädagoge o.Ä., für die Abwicklung der anfallenden Büroarbeiten eine Verwaltungskraft sowie eine Reinigungskraft und eine hauswirtschaftliche Hilfe benötigt.

Finanzierung

Für die Finanzierung dieses Modellprojektes sind mehrere Möglichkeiten denkbar: zunächst die direkte Finanzierung durch die Anspruchnehmer über die Beiträge der Eltern, wobei diese Elternbeiträge nur zu halten sind, wenn das Amt für Soziale Dienste für dieses Projekt eine Grundförderung leistet. Je nach Zielgruppe kommen Gelder über Krankenkassen, Arbeitsämter, die Aktion Mensch (früher Aktion Sorgenkind), die Kirchen oder die kommunalen Fremdenverkehrsämter bzw. Tourismusverbände infrage, letztere beispielsweise bei der kurzzeitigen Betreuung von Kindern von Touristen. Einnahmen ließen sich ebenfalls erzielen durch den Verkauf von Back-up-Plätzen an Firmen oder durch Unterstützung seitens privater Sponsoren aus der Umgebung. Infrage käme auch die Bereitstellung von Übergangspflegeplätzen für das Jugendamt gegen Entgelt.

Das Kinderhaus als Ort für Familien

Ausschlaggebend für die Planung des Modellprojektes Kinderhaus waren Überlegungen, wie Eltern noch besser unterstützt und entlastet werden können. Gleichermaßen kam es uns darauf an, mit dieser Einrichtung einen Ort zu schaffen, an dem sich Kinder wohl und geborgen fühlen können - auch für kurze Zeit. Sie sollen hier gute Bedingungen vorfinden, ein Klima von Wärme und Angenommensein und eine Betreuung und Förderung durch qualifizierte Mitarbeiter/innen.

Das Kinderhaus versteht sich als Institution, in der sich die verschiedenen Betreuungsbereiche so gut wie möglich miteinander verknüpfen lassen. Demzufolge sind Besuche der Kinder aus den verschiedenen Gruppen untereinander durchaus erwünscht und beabsichtigt.

Um die Kinder und Eltern mit dem Haus und den Gegebenheiten vertraut zu machen, sollte regelmäßig ein Schnuppertag für Familien stattfinden, an dem die Eltern gemeinsam mit den Kindern spielen und das Haus kennen lernen können. So ist ihnen im Bedarfsfall die Einrichtung nicht mehr fremd.

Sofern es die räumlichen Bedingungen zulassen, sollte in dem Haus auch für die Eltern ein Raum zur Verfügung stehen, in dem sie sich treffen, austauschen und bei Bedarf auch fachliche Beratung in Anspruch nehmen können. Ebenso denkbar ist eine Zusammenarbeit mit anderen Gruppen und Organisationen, die sich mit Kindern und Familien befassen, wie Tagesmutterbörse, Verein "Kinder haben Rechte" etc.

Zusammenfassend eine Auflistung der wichtigsten Argumente für die Einrichtung eines solchen Kinderhauses:

  • Entlastung für Eltern und besonders für allein erziehende Elternteile,
  • Möglichkeit zum Austausch mit den Eltern, für Information und Beratung,
  • Ort der Begegnung für Kinder und Familien,
  • qualifizierte und bedarfsgerechte Betreuung von Kindern auch außerhalb der üblichen Betreuungszeiten,
  • Entlastung des Jugendamtes durch Bereitstellung von Übergangspflegeplätzen,
  • Möglichkeit für Firmen und Sponsoren zu zeigen, dass sie Eltern unterstützen wollen in dem Bemühen, Familie und Beruf zu vereinbaren,
  • Bremen als familienfreundliche Stadt auch für Besucher mit diesem Angebot noch attraktiver zu machen.

Dieser Vision werden derzeit nicht nur in finanzieller Hinsicht Grenzen gesetzt, auch hat sich der Gedanke vom Kindergarten als Anbieter von Dienstleistungen noch nicht recht durchsetzen können. Viele Erzieher/innen fürchten den Verlust von Strukturen und pädagogischen Inhalten. Trotz aller Befürchtungen: Kinder sind Teil der Familien, in denen sie leben. Wenn es den Familien leichter gemacht wird, Kinder und Beruf zu vereinbaren, wird es sich auch positiv auf die Kinder auswirken.

Es geht nicht darum, Eltern aus ihrer Erziehungsverantwortung zu entlassen und die Kinder möglichst oft und lange fremdbetreut unterzubringen. Aber Kinder haben auch ein Recht auf Förderung und Begleitung ihrer Entwicklung, dem nicht immer in allen Familien entsprochen wird. Und es geht auch um das Recht der Eltern, frei entscheiden zu können, welchen Lebensentwurf sie für sich und ihre Familie umsetzten möchten. Diese Wahlfreiheit haben sie aber nur dann, wenn es auch entsprechend finanzierbare und für alle ausreichend nutzbare Angebote gibt.

Es darf nicht mehr heißen: Kind oder Beruf - Beides muss möglich sein! Dazu muss nicht nur der Staat seinen Anteil leisten, auch Firmen, freie Träger und Einrichtungen können dazu beitragen.

Literatur

Der Paritätische Wohlfahrtsverband (DPWV): "Zum Leben zu wenig..." - Expertise zu Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II. Berlin 2005

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