Martin R. Textor
Allgemein bekannt ist, dass Kindertagesstätten ihre Wurzel im Kinderschutz haben: Arbeiterkinder, deren Eltern 12 und mehr Stunden pro Tag arbeiten mussten, sollten in sogenannten "Kinderbewahranstalten" vor Verwahrlosung geschützt werden. Weitgehend vergessen ist hingegen, dass der Kindergarten auch zur Elternbildung geschaffen wurde: Friedrich Fröbel nannte als Aufgabe des von ihm 1840 gegründeten Kindergartens, "Personen, namentlich junge Menschen beiderlei Geschlechts, in der rechten Leitung und Beschäftigung der Kinder zu unterweisen ..." (zitiert nach Textor 1980, S. 35). Fröbel führte weiter aus, dass diese Personen über die stufenweise Entwicklung des Kindes, sein Wesen, die Bedeutung des Spielens und das richtige - also das Fröbelsche - Spielmaterial unterrichtet werden sollten. Ein Jahrzehnt später schrieb Diesterweg, ein anderer großer Pädagoge dieser Epoche: Im Fröbelschen Kindergarten "können Mütter und Jungfrauen lernen, wie man in naturgemäßer Weise kleine Kinder beschäftigt, entwickelt und bildet; kommt, wie es recht und schön ist, die nöthige Belehrung und Aufklärung über das Wesen des Kindes, seine Bedürfnisse, Triebe, Strebungen etc. hinzu, so kann die Erziehung unserer Kinder und damit das Glück der Familien und des Staats unendlich gewinnen" (zitiert nach Textor 1980, S. 36).
Für Fröbel war der Kindergarten somit von Anfang an eine elternbildende Einrichtung. Die Elternbildung sollte zum einen praktisch erfolgen: Junge Erwachsene und Eltern könnten in der "Musteranstalt Kindergarten" z.B. anschaulich in den Sinn des Spiels eingeführt werden und den richtigen Umgang mit Kleinkindern erlernen. Zum anderen dürfe die Theorie nicht zu kurz kommen: Die jungen Erwachsenen und Eltern sollten im Kindergarten z.B. auch über die Entwicklung des Kindes und dessen allseitige Förderung belehrt werden.
Wie dem Zitat von Diesterweg entnommen werden kann, wurde aus der Elternbildung sehr schnell eine "Mütterbildung". Dementsprechend schrieb Albert Reble in seiner "Geschichte der Pädagogik" über den Fröbelschen Kindergarten: "Jede Mutter und jedes junge Mädchen sollte eine echte 'Kindergärtnerin' werden und sich ihres hohen Berufes als Pflegerin gerade der frühen Kindheit bewusst sein". Der Kindergarten sollte "nicht eigentlich die Mütter von der Erziehungsarbeit entlasten, sondern sie gerade an das rechte Erziehen heranführen" (zitiert nach Textor 1980, S. 36).
Eltern als Störer
Wie so oft in der Geschichte der Pädagogik wurde diese elternbildende Funktion des Kindergartens - insbesondere ihre praktische Seite - im Verlauf der Zeit vergessen. So waren in den 60er Jahren dieses Jahrhunderts Eltern im Kindergarten nicht mehr willkommen. Sie mussten ihre Kinder zu einer bestimmten Zeit vor dem Kindergarten oder in einem Vorraum abgeben und zu einer genau bestimmten Zeit wieder abholen; die Gruppenräume durften von ihnen nicht betreten werden. Ihr Einfluss auf die Kinder wurde eher negativ gesehen - je nach politisch-pädagogischer Ausrichtung aus einem anderen Grund:
- Für die antiautoritäre Tradition wurden die Kinder in ihren Familien unterdrückt und an dem Ausleben ihrer Gefühle gehindert.
- Für die sozialistische Tradition reproduzierten die Eltern in ihren Familien die abgelehnte bürgerliche Gesellschaft und den Kapitalismus.
- Für die Vertreter/innen einer kompensatorischen Erziehung waren vor allem Kinder in Unterschichtfamilien benachteiligt, weil sie einen "falschen" Sprach- und Denkstil von ihren Eltern übernehmen mussten.
- Für die Bildungstradition war der Kindergarten zu einer reinen Bildungseinrichtung, zum Elementarbereich des Bildungswesens, geworden, in der Eltern wie in der Schule nichts zu suchen hatten. Kleinkinder sollten im Kindergarten "gebildet" werden, also z.B. das Lesen erlernen.
Eltern hatten also keinen Platz mehr im Kindergarten. Die einzige Ausnahme waren die Elternabende, die eher spärlich angeboten und zumeist als reine Vortragsabende gestaltet wurden: Die Kindergartenleiterin arbeitete ein Referat über die "richtige" Erziehung von Kleinkindern aus und "bildete" auf diese Weise die Eltern. Diese hatten zuzuhören und konnten anschließend noch etwas diskutieren. Waren Eltern mit einzelnen Aussagen nicht einverstanden, wollten sie genauere Informationen über die Erziehung ihrer Kinder haben oder gar diese mitbestimmen, wurden sie als "Störenfriede" betrachtet. Manche Eltern lösten dieses Problem mit der "Institution Kindergarten", indem sie eine Elterninitiative gründeten oder einer beitraten.
Elternarbeit im Situationsansatz
Es ist nicht verwunderlich, dass in diesem Kontext der in den 70er Jahren entstandene Situationsansatz zunächst wie ein Fremdkörper wirkte, betonte er doch die große Bedeutung der Elternarbeit. Und somit ist es nicht überraschend, dass er trotz eines millionenschweren Erprobungsprogramms und Dutzender von Verfechter beim Deutschen Jugendinstitut nur langsam Anhänger/innen in der Praxis fand. Auch heute gibt es noch Fachschulen für Sozialpädagogik und Kindertageseinrichtungen, die den Situationsansatz ablehnen und der Elternarbeit nur eine geringe Bedeutung zusprechen. So hat vielleicht die eine oder andere jüngere Kollegin unter uns in der Ausbildung noch ein Referat für einen "klassischen" Vortragselternabend ausarbeiten müssen.
Auch ist es nicht verwunderlich, dass nahezu alle Kolleg/innen, die den Situationsansatz praktizieren, dessen Vorstellungen zur Elternarbeit nicht in deren ganzer Radikalität übernommen haben: Zum einen sind manche noch zu sehr in der Tradition - Eltern bleiben draußen vor - verhaftet. Zum anderen sind die Anforderungen des Situationsansatzes vielleicht bei weitem zu anspruchsvoll: Für viele Kindertagesstätten ist schon Folgendes nicht machbar, was laut Jürgen Zimmer (1985) in den Modellkindergärten zur Regel wurde: "Wichtiger als der Typus von Elternversammlungen war die Vielfalt der informellen Kommunikation, die Zunahme der nur wenig institutionalisierbaren Formen der Zusammenarbeit zwischen Erziehern und Eltern, sei es bei der Planung von Vorhaben, bei der Organisation von Außenkontakten, der Beschaffung von Materialien oder der gemeinsamen Durchführung von Projekten" (S. 30). Selbst heute, 30 Jahre später, haben viele Kindertageseinrichtungen diesen Sprung vom alten Paradigma - Eltern als Störende und Auszuschließende - hin zum neuen Paradigma - Eltern als Mitarbeitende und Kooperierende - noch nicht geschafft.
Aber der Situationsansatz ist noch radikaler: Auch die "Situation" war von Anfang an Sache von Erzieher/innen und Eltern. Nur der- bzw. diejenige Kollegin setzt den Situationsansatz wirklich in ihrer Kindertagesstätte um, wenn "die situationsspezifische Kompetenz von Erziehern, Eltern, zum Teil auch von Kindern, weitgehend die Aussagen von Experten bei der Erschließung von Situationen und der Bestimmung pädagogischer Zielsetzungen" ersetzt - wie Zimmer 1985 (S. 26) formulierte. Nur derjenige Kindergarten arbeitet also wirklich situationsorientiert, der Eltern an der Analyse bildungsrelevanter Situationen und an der Bestimmung der Lernziele und -inhalte, also auch an der Konzeptionsentwicklung, beteiligt! So schrieb Hedi Colberg-Schrader (1994), "dass im Kindergarten die Beteiligten selbst - die ErzieherInnen, die Kinder, die Eltern - aushandeln sollen, was jeweils Ziele und Inhalte des gemeinsamen Lernens sind. In der Praxis des Situationsansatzes bedeutet dies, dass die Erschließung von bedeutsamen Lebenssituationen, die Gegenstand gemeinsamen Lernens sind, ein Schritt der Zusammenarbeit mit Kindern und beteiligten Erwachsenen ist" (S. 40).
Wenn man diesen Anspruch des Situationsansatzes mit der Realität in Kindertageseinrichtungen vergleicht, muss man feststellen, dass vielerorts der Begriff "Situation" verflacht wurde, eine Situationsanalyse mit Erschließung zu erwerbender Kompetenzen ausbleibt, eine Einbeziehung der Eltern in die pädagogische Planung und praktische Arbeit nicht erfolgt. Kein Wunder, dass Marianne Krug (1995) klagt, dass vielerorts die Kinder nicht ernsthaft beteiligt und Eltern mit ihren Einschätzungen und Wirkungsmöglichkeiten nicht respektiert werden (S. 10). Überspitzt ausgedrückt, scheinen mancherorts die Erzieher/innen dazusitzen und zu warten, dass sich zufällig irgendwelche Situationen ergeben, wo sie kurzzeitig "situationsorientiert" arbeiten können. Marianne Krug schreibt: "Eine verhängnisvolle Tendenz sehe ich z.B. dann, wenn 'Bedürfnisorientierung' und Differenzierung in der pädagogischen Arbeit soweit gehen, dass an die Kinder gar keine Anforderungen mehr gestellt werden und jeglicher Regression stattgegeben wird, ohne zu überlegen, woher diese kommt und was ein Kind damit ausdrücken will. Geht es Ihnen nicht auch manchmal so, dass Sie gelangweilte Kinder in Einrichtungen entdecken oder Kinder, die sich aggressiv verhalten, weil sie 'Null Bock auf nichts' haben?" (S. 10). Und kurz darauf schreibt Krug: "Das Hauptmotiv vieler junger Erwachsener, die sich heute für [die Erziehertätigkeit] entscheiden, scheint mir manchmal zu sein, das Kind (und sich selbst mit ihm) vor einer unüberschaubaren, übertechnisierten, gefährlichen Welt schützen zu wollen. Lernen, Leistung, Förderung durch Anforderungen - solche Begriffe scheinen heute manchmal neue Tabus unter Erzieherinnen zu sein" (S. 10). Wenn schon früher in vielen situationsorientierten Kindertageseinrichtungen die Beteiligung der Eltern an der Konzeptionsentwicklung, der Situationsanalyse, der pädagogischen Arbeit und an Projekten zu kurz kam, so wird heute mancherorts der Situationsansatz als Begründung für eine "Laissez-faire"-Pädagogik, für ein Gewährenlassen, für tagelanges Freispiel und totale Selbstbestimmung des Kindes missbraucht.
Die Bedeutung der Eltern
In den gerade charakterisierten Kindertagesstätten wird auch wieder die Bedeutung der Familie und der Zusammenarbeit mit Eltern negiert. Gestatten Sie mir deshalb hierzu einen kurzen Exkurs: In vielen Ländern wie z.B. den USA, Großbritannien oder Australien gibt es keine Schulpflicht - was Sie sicherlich überrascht. Alleine in den USA besuchen 150.000 bis 300.000 Kinder keine Schule, sondern werden von ihren Eltern unterrichtet. Diese Situation wurde von Lehrer/innen und anderen Personen kritisiert. Daraufhin führten Wissenschaftler/innen viele Untersuchungen durch, bei denen sie die Leistungen und das Sozialverhalten der betroffenen Kinder mit denjenigen von Schulkindern verglichen. Alle Untersuchungen überraschten mit demselben Ergebnis, das von dem Salzburger Pädagogikprofessor Krumm (1995) wie folgt zusammengefasst wurde: "Im Durchschnitt gleichen die Schulleistungen der von ihren Eltern unterrichteten Schüler den Leistungen von Schülern öffentlicher Schulen und zwar in allen Fächern und in allen Klassenstufen. Wenn die Leistungen ... vom Durchschnitt abweichen, dann häufiger nach oben als nach unten" (S. 7). Keinerlei Unterschiede wurden hinsichtlich des Selbstkonzepts, der psychischen Gesundheit, der sozialen Kompetenz, der Stellung der Kinder in der Gruppe usw. ermittelt.
Ähnlich überraschend sind andere Forschungsergebnisse, die auch in Deutschland gesammelt wurden: Es wurde festgestellt, dass Kinder - familienbedingt - mit einem unterschiedlichen Ausgangszustand eingeschult werden. Obwohl dann - zumindest in den ersten vier Jahren - alle Kinder dieselbe Schule durchlaufen, gelingt es den Lehrer/innen nicht, solche Unterschiede auszugleichen. Professor Krumm (1995) kommentiert diese Forschungsergebnisse wie folgt: "Die Differenzen in den kognitiven oder affektiven Lernvoraussetzungen zu Beginn der ersten Klasse werden im Verlauf der Schulzeit nicht kleiner, sondern größer. Das heißt natürlich nicht, dass in der Schule nicht viel gelernt wird. Es heißt lediglich, dass Kinder, die vor und während der Schulzeit von den Eltern viel Förderung erhalten, die Lernchancen in der Schule besser nutzen können..." (S. 8). Die Schulleistungen von Kindern lassen sich eher durch Bedingungen in der Familie als durch solche in der Schule erklären (bis zu zwei Dritteln der Varianz).
Alle diese Untersuchungen verdeutlichen die große Bedeutung der Familie für das Kind. Offensichtlich ist, dass in der Familie extrem viel gelernt wird, vor allem aber Kompetenzen und Einstellungen, die für das ganze weitere Leben wichtig sind. Dazu gehören Sprachfertigkeiten, Grob- und Feinmotorik, Lernmotivation, Neugier, Leistungsbereitschaft, Interessen, Werte, Selbstkontrolle, Selbstbewusstsein, soziale Fertigkeiten usw.
Dies bedeutet für Kindertageseinrichtungen: Die Leistungen der Eltern dürfen keinesfalls unterschätzt werden: Sie haben den Kleinkindern erfolgreich z.B. das Gehen und Laufen, das Sprechen und den Umgang mit anderen gelehrt. Sie verbringen ein Vielfaches an Zeit mit ihrem Kind, als sozialpädagogische Fachkräfte dem einzelnen Kind in ihren oft recht großen Gruppen widmen können. Auch sind sie wichtigere "Liebesobjekte" als Erzieher/innen, wobei solche Gefühle Modellernen bzw. Nachahmung fördern. Zugleich sind Eltern "Spezialisten" für ihr Kind: Sie kennen es länger und aus unterschiedlicheren Situationen als Erzieher/innen - und Kinder können sich dort ganz anders als im Kindergarten verhalten.
Die letzten Aussagen verdeutlichen, wie wichtig der Austausch zwischen Kindergarten und Familie über das Kind, seine Lebenssituationen und seine Erziehung ist. Erzieher/innen und Eltern haben Wissenslücken - die einen über die Familiensituation sowie das Verhalten und Erleben des Kindes außerhalb der Einrichtung, die anderen über den Erziehungsalltag und die Entwicklung des Kindes in der Tagesstätte. Nur in einem Dialog, bei dem die Partner gleichberechtigt sind und einander als Person akzeptieren, können beide Seiten erfahren, wie sich das Kind in der jeweils anderen Lebenswelt verhält.
Eltern als Erziehungspartner
Dieser Gesprächsaustausch ist die Grundlage für eine Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Erzieher/innen, d.h. für eine offene, vertrauensvolle und intensive Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten beim gemeinsamen "Geschäft" der Erziehung und Bildung von Kindern (Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit 1996). Eine solche Erziehungspartnerschaft stellt am ehesten das Kindeswohl sicher. So ist es nicht überraschend, dass sie den Kindertageseinrichtungen vom Bundesgesetzgeber aufgetragen wird. Im Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) heißt es: "Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben sollen die in den Einrichtungen tätigen Fachkräfte und anderen Mitarbeiter mit den Erziehungsberechtigten zum Wohl der Kinder zusammenarbeiten" (§ 22 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII).
Erziehungspartnerschaft geht aber noch weiter: Sie umfasst auch den wechselseitigen Austausch über Erziehungsziele und -methoden. Nur wenn sich Eltern und Erzieher/innen abstimmen und "am gleichen Strang ziehen", kann es zu einer entwicklungsfördernden Kontinuität von privater und öffentlicher Erziehung kommen. Hier muss sich der Dialog zwischen beiden Seiten bewähren, da oft unterschiedliche Erziehungsvorstellungen und -stile vertreten werden. Dies gilt in besonderem Maße für Familien aus anderen Kulturkreisen. "Abstimmung" kann somit nicht heißen, dass die eine Seite die andere "bekehrt" und ihr den eigenen Erziehungsstil überstülpt. Vielmehr geht es um das wechselseitige Kennenlernen und Respektieren von Erziehungszielen und -praktiken. Dann wird die Gefahr gebannt, dass Kindergarten und Elternhaus gegeneinander arbeiten und einander vor dem jeweiligen Kind schlecht machen. Ansonsten belegen viele Forschungsergebnisse, dass sich Kinder - auch Drei- bis Sechsjährige - an verschiedene Erziehungsstile und Normen anpassen können. Ihre Entwicklung wird also nicht geschädigt, wenn sie sich im Kindergarten anders als in der Familie verhalten müssen - vorausgesetzt, Erzieher/innen und Eltern achten einander und zeigen dies auch deutlich dem jeweiligen Kind.
Besonders wichtig sind der Austausch über das eigene erzieherische Verhalten und die Abstimmung von Erziehungsmaßnahmen, wenn ein Kind verhaltensauffällig oder "schwierig" ist. In diesen Fällen muss der dialoghafte Gesprächsaustausch zwischen Erzieher/innen und Eltern zur praktischen Erziehungspartnerschaft erweitert werden (Textor 1996). Diese umfasst die gemeinsame Reflexion des Verhaltens des jeweiligen Kindes, die Abklärung der Ursachen von Problemen und die Suche nach geeigneten Lösungsmöglichkeiten, die Beratung der Eltern über ein besseres Erziehungsverhalten und die Abstimmung erzieherischer Maßnahmen vonseiten des Kindergartens und der Familie. Hier übernehmen die sozialpädagogischen Fachkräfte eine familienunterstützende Funktion, die sich u.U. auch darin zeigt, dass Hilfsangebote psychosozialer Dienste vermittelt werden (Textor 1996).
Dies macht zugleich deutlich, dass Kindertageseinrichtungen außerdem präventiv tätig werden und Fehlentwicklungen frühzeitig entgegenwirken müssen. Erziehungspartnerschaft umfasst aufseiten der Erzieher/innen somit elternbildende Elemente. Insbesondere soll erreicht werden, dass Eltern (1) ihr Wissen über die Entwicklung, Pflege und Erziehung von Kindern erweitern, (2) Beobachtungsfertigkeiten entwickeln, sodass sie ihr Kind alters- und bedürfnisgerecht fördern können, (3) gute Erziehungsmethoden einsetzen, sodass positive Verhaltensweisen verstärkt und Erziehungsprobleme vermieden werden, (4) ihrem Kind absichtlich Lernerfahrungen im Gespräch, im Haushalt oder Spiel vermitteln sowie (5) einen dem Alter ihres Kindes entsprechenden Sprachstil verwenden und seine Kommunikationsfertigkeiten fördern. Honig, eine bekannte amerikanische Pädagogin, schrieb schon 1976: "Vor allem sollten Eltern empfinden, was für einen Unterschied sie im Leben ihrer Kinder machen. Die gezeigte Aufmerksamkeit, die ausgedrückte Freude, ihr Zuhören, ihr Interesse - all dies nährt das sich entwickelnde Selbst des Kindes wie Nahrung seinen oder ihren Körper nährt und wie Spielsachen und Erblicktes, Töne und Gerüche die Sinne nähren" (S. 5).
Auch für die Planung der pädagogischen Arbeit ist der Gesprächsaustausch mit den Eltern letztlich unverzichtbar. Erzieher/innen können nur den familienergänzenden Bildungsauftrag von Kindertageseinrichtungen erfüllen, wenn sie die familiale Lebenswelt der ihnen anvertrauten Kinder kennen. Nur dann können den Kindern "ergänzende" Erfahrungen vermittelt werden, z.B. durch eine Öffnung der Tagesstätte zum Umfeld hin, durch Kontakte zu Senioren, durch religiöse, Sozial- oder Medienerziehung.
So wie aus den gerade genannten Erwägungen heraus Eltern die familiale Lebenswelt den Erzieher/innen transparent machen sollten, müssten umgekehrt die Fachkräfte die Eltern über ihre Arbeit und das Verhalten der einzelnen Kinder informieren. Eltern von Kleinkindern sind in der Regel viel interessierter als Eltern von Schulkindern an Informationen über den pädagogischen Alltag. Zudem wollen sie wissen, wie sie "kindergartenergänzend" tätig werden können, wie sie die dortige kindliche Entwicklung fördern und das Lernen ihres Kindes in der Tageseinrichtung unterstützen können.
Ferner bedeutet Erziehungspartnerschaft, dass Eltern auch Mitwirkungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten im Kindergarten erhalten. Im Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) heißt es: "Die Erziehungsberechtigten sind an den Entscheidungen in wesentlichen Angelegenheiten der Tageseinrichtung zu beteiligen" (§ 22 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII). Ihre Rechte sind zumeist in den Ländergesetzen geregelt. Über diese Rechte hinaus können sie aber durchaus auch an der Konzeptionsentwicklung, an der Jahres-, Monats- und Projektplanung, an besonderen Aktivitäten usw. beteiligt werden. Eltern können in Beschäftigungen für Kinder als aktiv Mitwirkende einbezogen werden, wobei dies den Kindergartenalltag bereichert, Kindern neue Bildungsmöglichkeiten eröffnet und ihnen einen umfassenderen Einblick in die Erwachsenenwelt ermöglicht. Auch kann das Kindergartenpersonal Eltern motivieren, ihre besonderen Fähigkeiten (wie Schreinern, Töpfern, Weben) in den Kindergartenalltag einzubringen, Kinder an ihren Arbeitsplatz einzuladen, für sie ein Theater- oder Kasperlestück einzuüben, für sie einen Besuch im Museum, Rathaus, Theater, bei der Müllabfuhr usw. zu organisieren oder die Gruppe bei Ausflügen zu begleiten (vgl. Textor 2013). Schließlich können die Eltern selbst Elternveranstaltungen planen und eigenständig durchführen.
Fachkräfte, die nach einer Erziehungspartnerschaft mit Eltern trachten, nehmen auch deren sozialen Bedürfnisse ernst. Harald Seehausen (1996) schrieb: "Eltern möchten nicht mehr als 'Zaungäste' des Kindergartengeschehens angesehen werden. Sie suchen nach Wegen der Begegnung und des Gedankenaustausches über Alltagserfahrungen mit anderen Familien, insbesondere über das Zusammenleben mit ihren Kindern und in der Partnerschaft. Kommunikation und Geselligkeiten werden gewünscht" (S. 71). Seehausen und andere Mitarbeiter/innen des Deutschen Jugendinstituts haben in den letzten Jahren immer wieder betont, dass Kindertageseinrichtungen den Gesprächsaustausch zwischen Eltern und die Entstehung sozialer Netze fördern sollen und können. Dadurch könnten Familien integriert und stabilisiert werden: "Die Befunde der modernen Netzwerkforschung zeigen, dass soziale Netzwerke das seelische und soziale Wohlbefinden von Eltern und Kindern unterstützen. Sie können vorbeugende, heilende und wiederherstellende Wirkungen persönlicher Bindungen anbieten" (Seehausen 1996, S. 72). Erzieher/innen können auch die Familienselbsthilfe fördern, indem sie beispielsweise Eltern erlauben, am "schwarzen Brett" Hinweise auf ihre Babysitterdienste oder Angebote von "Second-Hand-Kleidung", gebrauchtem Spielzeug oder anderen Gegenständen anzubringen.
Wird eine intensive Zusammenarbeit angestrebt, darf sich Elternarbeit nicht in Tür- und Angel-Gesprächen, drei oder vier Elternabenden und ein oder zwei Festen erschöpfen. Vielmehr sind ganz verschiedene Angebote nötig, wenn den Bedürfnissen aller Eltern entsprochen werden soll (Textor 1998). So ist es ganz selbstverständlich, dass nicht jede Mutter/jeder Vater auf jedes Angebot "anspringt". Je bedarfsgerechter die Methoden der Elternarbeit sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass Erzieher/innen mit allen "erreichbaren" Eltern in Kontakt kommen. Allerdings dürfen sie dann nicht enttäuscht sein, wenn bestimmte Eltern nur zu Bastelnachmittagen kommen, während andere einen Vortragsabend oder Gesprächskreis besuchen. Erzieher/innen müssen sich bewusst machen, dass Eltern unterschiedliche Bedürfnisse haben und deshalb verschiedene Angebote nutzen; prinzipiell sollten sie alle Angebote als gleichwertig betrachten. Sie dürfen sich aber nicht damit zufrieden geben, wenn viele Mütter erreicht werden; die Väter sind in der Erziehung ebenso wichtig. Die Kindertageseinrichtung braucht den Dialog mit Müttern und Vätern. Sie muss deshalb ganz individuelle Wege gehen und neue Formen der Zusammenarbeit erproben, um mehr Väter zu erreichen.
Väter im Kindergarten
Bitte gestatten Sie mir hierzu einen zweiten Exkurs: Elternarbeit in Kindertageseinrichtungen ist in der Regel Mütterarbeit. Mitbedingt durch die in unserer Gesellschaft immer noch weit verbreiteten traditionellen Geschlechtsrollenleitbilder und die extrem große Präsenz von Frauen in Kindergärten (als Erzieher/innen und Mütter) sehen Väter in der Kindertageseinrichtung einen von Frauen geprägten und bestimmten Lebensbereich. Es ist verständlich, dass sich ein einzelner Vater - der sich z.B. in einen Elternabend "verirrt" hat - unter so vielen Frauen unwohl fühlt und dem nächsten Termin fernbleibt. Und so ist es nicht verwunderlich, dass sich die Präsenz von Vätern im Kindergarten auf das gelegentliche Bringen und Abholen von Kindern (wobei sie beim Bringen oft nicht die Schwelle der Einrichtung überschreiten!) sowie auf die Teilnahme an Veranstaltungen mit einem traditionell höheren Männeranteil (z.B. Sommer- oder Grillfest) beschränkt.
Jedoch spielen Väter eine wichtige Rolle in der Entwicklung ihrer Kinder. Dies gilt um so mehr, wenn sie eine intensive, emotional geprägte Beziehung zu ihren Kindern aufgebaut haben und sich viel mit ihnen beschäftigen. Die Kindertageseinrichtung kann einen wichtigen Beitrag zur Ausbildung eines positiven Vater-Kind-Verhältnisses leisten, wenn es ihr gelingt, Väter vermehrt in die Kindergarten- und Elternarbeit einzubeziehen und sie in Aktivitäten mit ihren Kindern zu involvieren. Dies ist aber leichter gesagt als getan - viele Erzieher/innen haben schon frustrierende Erfahrungen gemacht, wenn sie Väter zu erreichen versuchten. Ich möchte nun auf der Grundlage eines Buches von Levine, Murphy und Wilson (1993) einige relevante Empfehlungen geben.
1. Schritt: den Kindergarten "väterfreundlich" gestalten
Wenn sich Männer in der "Frauenwelt" des Kindergartens unwohl und unwillkommen fühlen, muss zunächst diesem Eindruck entgegengewirkt werden. Levine, Murphy und Wilson (a.a.O.) schlagen eine ganze Reihe von Aktivitäten vor, durch die eine Kindertageseinrichtung "väterfreundlich" wirken kann:
- Vom ersten Kontakt mit Eltern an sollte immer wieder die Botschaft vermittelt werden, dass Väter im Kindergarten willkommen sind und dass von ihnen erwartet wird, dass sie dort auch präsent sind. Das bedeutet beispielsweise, dass schon zum Anmeldegespräch beide Eltern eingeladen werden - und ein Termin vereinbart wird, wo beide kommen können. Dasselbe gilt natürlich auch für spätere Elterngespräche.
- Und dies bedeutet, dass bei der Anmeldung die Namen, Anschriften und Telefonnummern getrenntlebender, geschiedener oder unverheirateter Väter erfasst werden - aber auch von Stiefvätern und von Lebenspartnern, die nicht leibliche Väter sind, aber die soziale Vaterrolle weitgehend ausüben. Diese werden zu Elternveranstaltungen eingeladen (per Brief oder Telefon) sowie über die Entwicklung der Kinder persönlich oder telefonisch informiert. Auch erhalten sie die Elternbriefe und andere Informationen. Sind getrenntlebende oder geschiedene Mütter mit alleinigem Sorgerecht hiermit nicht einverstanden, verlangt das Kindeswohl, dass mit ihnen über die Bedeutung des Vaters für die Entwicklung von "Scheidungskindern" gesprochen wird und sie möglichst umgestimmt werden. Die einzige akzeptable Ausnahme ist letztlich, wenn dem Vater der Umgang mit seinem Kind vom Familiengericht untersagt wurde.
- Elternbriefe, Plakate, Einladungen und andere Schriftstücke sollten sich immer explizit an Mütter und Väter richten.
- Möglichst jede Gelegenheit, bei der ein Vater in den Kindergarten kommt (z.B. beim Bringen oder Abholen von Kindern), sollte genützt werden, um ihn anzusprechen, mit ihm kurz über sein Kind zu reden oder ihn direkt zur Mitarbeit im Kindergarten bzw. zu Elternveranstaltungen einzuladen. Dieses aktive Auf-Väter-Zugehen ist oft sehr erfolgreich.
- Ferner ist es sinnvoll, Väter nach ihrem Beruf, ihren Interessen und Hobbys zu fragen (hierzu kann auch ein allen Vätern zugesandter Fragebogen hilfreich sein). Diese Informationen können z.B. genutzt werden, um Väter in die Kindergruppe einzuladen, damit sie über ihren Beruf sprechen, bestimmte Fertigkeiten vorführen oder bei einem Projekt mitwirken, um Aktivitäten nur für Väter zu planen oder um deren Kompetenzen in der Elternarbeit zu nutzen.
- Schließlich sollte die ganze Kindergartenatmosphäre "väterfreundlich" sein. Dies kann dadurch erreicht werden, dass z.B. Fotos von Vätern und ihren Kindern aufgehängt oder in der Konzeption abgedruckt werden, dass mit den Kindern aus Anzeigen, die Männer und Kinder zeigen, eine Collage gemacht wird oder dass in der Elternecke einige für Männer interessante Zeitschriften ausliegen (es muss ja nicht gerade der Playboy sein...).
In diesem Kontext ist es wichtig, dass bei Teamsitzungen die Einstellungen der Kolleg/innen diskutiert und verdeckte Widerstände angesprochen werden. Alle Mitarbeiter/innen sollten sich am Projekt "väterfreundlicher Kindergarten" aktiv beteiligen. Häufig ist auch mit Widerständen bei Müttern zu rechnen, insbesondere wenn sie negative Erfahrungen mit Männern gemacht haben (Trennung, Scheidung) oder wenn sie sich als Nichterwerbstätige vor allem über die Mutterrolle definieren und nichts von ihrem "Territorium" an den Vater abtreten wollen. Auf solche Widerstände kann z.B. in Müttergruppen mit einem eher unverfänglichen Thema wie "Mutterschaft - Chancen und Probleme" oder in Einzelgesprächen eingegangen werden. Schließlich müssen die Ängste vieler Väter berücksichtigt werden, die sich im Umgang mit ihren Kindern inkompetent fühlen und befürchten, dass dies bei einer Präsenz im Kindergarten offensichtlich werden könnte. Diese Väter können oft zunächst nur durch reine "Männeraktivitäten" erreicht werden.
2. Schritt: Männer aktivieren
Ich habe gerade bewusst das Wort "Männer" verwendet: Sind irgendwelche Männer - also z.B. Großväter, Onkel, Träger, männliche Praktikanten, Hausmeister, Zivildienstleistende oder Projektmitarbeiter - oft im Kindergarten präsent, dann werden auch die Väter häufiger kommen. Jeder Mann, der sich in der Kindertageseinrichtung engagiert, ist potentiell ein "Anwerber" von Vätern.
Aber auch den Müttern kommt hier eine zentrale Rolle zu: Gelingt es, sie davon zu überzeugen, dass Väter (auch soziale Väter) wichtig für die Entwicklung ihrer Kinder sind, sich für die Kindergartenarbeit interessieren und gelegentlich in der Einrichtung präsent sein sollten - dann werden sie oft ihre (Ehe-)Partner (und manchmal sogar getrenntlebende oder geschiedene Väter) entsprechend motivieren: Sie kommen gemeinsam zu Elterngesprächen und -veranstaltungen oder wechseln sich ab.
Manchmal gelingt die Aktivierung von Vätern auch durch reine "Männeraktivitäten": Hier organisieren Kindertagesstätten z.B. Skatabende oder belegen eine Kegelbahn, einen Fußballplatz bzw. eine Turnhalle, sodass Väter dort gemeinsam Sport treiben können. Lernen die Väter einander auf diese Weise kennen, fällt es ihnen leichter, gemeinsam an anderen Kindergartenveranstaltungen teilzunehmen. Es ist empfehlenswert, solche "Männeraktivitäten" auch von Männern organisieren und leiten zu lassen. Durch Fotos im Eingangsbereich, Berichte im Elternbrief oder durch das direkte Ansprechen (z.B. beim Anmeldegespräch, beim Bringen der Kinder, bei Festen) können mit der Zeit weitere Väter als Teilnehmer gewonnen werden.
3. Schritt: ein Programm für Väter zusammenstellen
Wurden die ersten Väter aktiviert, können sie praktisch in alle Angebote der Elternarbeit einbezogen werden (siehe Textor 1998). Neben der Teilnahme an Elternveranstaltungen ist hier auch an die Hospitation von Vätern in der Kindergruppe zu denken: Sie können mit Kindern spielen, ihnen vorlesen, mit ihnen Sport treiben, sie über ihren Beruf oder ihr Hobby informieren, mit ihnen am Computer "arbeiten", sie bei Ausflügen begleiten usw. Bedenkt man, wie viele Kinder intensivere Vaterkontakte entbehren müssen (weil der Vater beruflich überlastet ist, sich nur wenig mit seinem Kind beschäftigt oder nicht in der Familie lebt), dann ist es nicht verwunderlich, dass Väter in der Kindergruppe wie "Magnete auf zwei Beinen" wirken und immer von Kindern umringt sind.
Für Väter können auch besondere Angebote wie die folgenden gemacht werden:
- Männergruppen: Hier können Väter mit anderen Männern zusammenkommen, um entweder an den vorgenannten "Männeraktivitäten" teilzunehmen oder um sich über bestimmte, vorgegebene bzw. selbst gewählte Themen auszutauschen. Gesprächsgruppen sind eher erfolgreich, wenn sie von einem Mann geleitet werden, mit einer gemeinsamen, von den Teilnehmern zubereiteten Mahlzeit beginnen und viel Raum für Diskussionen lassen. Neben Themen wie Vaterschaft, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, frühkindliche Entwicklung oder Erziehungsfragen kann auch über den praktischen Umgang mit Kleinkindern gesprochen werden (altersgemäße Spiele und Aktivitäten). In Männergruppen aktive Väter haben oft großen Erfolg, wenn sie persönlich inaktive Väter ansprechen und für ihre Gruppe "anwerben".
- Ausflüge: Die Väter können z.B. den Besuch eines Bundesligaspiels, einen Vatertagsausflug oder einen Campingtrip organisieren.
- Handwerkliche Tätigkeiten: Viele Väter kommen gerne an einem Samstagnachmittag oder an einem Abend in den Kindergarten, um Spielsachen zu reparieren, Gartenarbeit zu erledigen, das Außengelände neu zu gestalten, ein Baumhaus zu bauen, Wände zu streichen usw.
- Mitwirkung an Veranstaltungen für die ganze Familie: Manche Väter sind gerne bereit, beim Sommerfest auszuhelfen, eine Familienwanderung oder eine Wochenendfreizeit zu organisieren, ein Grillfest zu gestalten usw.
- Vater-Kind-Angebote: Darunter fallen z.B. ein Samstagvormittag mit Spiel- und Bastelaktivitäten für Väter und Kinder, eine gemeinsame "Monsterparty" an einem Spätnachmittag, ein Projekt "Werken mit Holz" (Väter stellen das Werkzeug zur Verfügung und leiten die Kinder an), ein gemeinsamer Ausflug, ein Frühstück oder Abendessen an einem Werktag - nur für Väter und Kinder.
- Gruppenhospitation: Eine Gruppe von Vätern wird zur Hospitation in der Kindergruppe eingeladen. Anschließend werden die gemachten Erfahrungen und Beobachtungen mit der Gruppenleiterin diskutiert, während die Kinder mit der Kinderpflegerin zusammen z.B. einen gemeinsamen Imbiß vorbereiten.
- Wettbewerbe: Beispielsweise kann ein Vater-Kind-Turnier veranstaltet werden, bei dem Vater-Kind-Teams gegeneinander antreten.
- Vater-Kind-Feste: Hierzu bietet sich vor allem der Vatertag an - die Kinder "feiern" ihre Väter und gestalten weitgehend den Tagesablauf. Natürlich kann ein Vater-Kind-Fest auch zu einem anderen Zeitpunkt stattfinden und dann z.B. einem bestimmten Motto folgen.
Wie bereits erwähnt, müssen sich solche Angebote nicht nur an die "Familienväter" richten. Genauso gut können getrenntlebende, geschiedene oder unverheiratete Väter, Stiefväter, Lebenspartner der Mütter, Großväter oder andere "signifikante Männer" im Leben der Kindergartenkinder eingeladen werden.
4. Schritt: Beteiligung der Väter aufrechterhalten
Ein "Väterprogramm" muss "gepflegt" werden, wenn es längere Zeit bestehen soll. Das bedeutet, dass möglichst viele Personen (Männer!) Verantwortung für einzelne Maßnahmen übernehmen sollten - und für ihre Bemühungen positives Feedback, Lob und Wertschätzung erfahren (auch durch Berichte im Elternbrief oder in Tageszeitungen, durch das Aufhängen von Fotos, durch entsprechende Aussagen während Elternabenden usw.). Da engagierte Väter in der Regel nicht länger als zwei Jahre zur Verfügung stehen, muss bei Neuaufnahmen immer darauf geachtet werden, ob sich neue Väter als "Nachfolger" eignen würden. Schließlich sollte von Zeit zu Zeit geprüft werden, inwieweit die Maßnahmen zur Intensivierung des Väterengagements erfolgreich sind und wo Verbesserungen möglich sind. Hierzu eignen sich z.B. Teambesprechungen, Gespräche mit Vätern und Müttern oder eine schriftliche Befragung.
Und ganz wichtig ist: Man darf sich nicht entmutigen lassen! Oft sind nur kleine Fortschritte zu erzielen. Auch muss immer wieder experimentiert werden: Was in einem anderen Kindergarten funktioniert hat, muss nicht in der eigenen Einrichtung zum Erfolg führen.
Eltern als Kunden
Durch ein solches Vaterprogramm erschließt sich eine Kindertagesstätte eine neue Zielgruppe bzw. neue "Kunden". "Von der Elternarbeit zur Kundenpflege" heißt der provokante Titel eines vor kurzem veröffentlichten Buches, das von zwei Repräsentanten des Caritasverbandes verfasst wurde (Jansen/Wenzel 1999). Werden sich Kindertageseinrichtungen in den kommenden Jahren zu Dienstleistungsunternehmen wandeln, in denen sich alles nach den Kunden - den Eltern - richtet?
Diese Entwicklung hat schon längst begonnen. Lassen Sie mich nur zwei Beispiele nennen: In den letzten Jahren sind die Öffnungszeiten vieler Kindertageseinrichtungen verlängert sowie die Bring- und Abholzeiten flexibler gestaltet worden, um den Wünschen berufstätiger Eltern zu entsprechen. Im Kinder- und Jugendhilfegesetz - dem ersten Bundesgesetz, in dem Kindertageseinrichtungen erwähnt wurden - wird die "Betreuung, Bildung und Erziehung des Kindes" als ein (Dienst-)Leistungsangebot definiert. Es soll laut § 22 Abs. 2 SGB VIII "sich pädagogisch und organisatorisch an den Bedürfnissen der Kinder und ihrer Familien orientieren". Und in § 5 SGB VIII heißt es: Die Eltern als "Leistungsberechtigte haben das Recht, zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger zu wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe [d.i. hier die Kinderbetreuung] zu äußern. Der Wahl und den Wünschen soll entsprochen werden, sofern dies nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Die Leistungsberechtigten sind auf dieses Recht hinzuweisen".
Werden wir in Zukunft als Dienstleistende versuchen, den Vorstellungen der Eltern zu entsprechen und sie in allem zufrieden zu stellen? Werden wir uns immer sofort Zeit für sie nehmen, ihnen genau zuhören und dann eilen, ihre Wünsche zu erfüllen? Werden wir sie jeden Tag höflich begrüßen, immer freundlich zu ihnen sein, jedem Konflikt mit ihnen aus dem Wege gehen? Werden wir unser Serviceangebot so gestalten, dass Eltern mit uns - je nach Beginn und Dauer ihrer Arbeitstages - ganz individuelle Betreuungszeiten für ihr Kind vereinbaren können, und die Elternbeiträge nach der Aufenthaltsdauer variieren? Werden wir freundlich lächeln, wenn sie ihr Kind verspätet abholen oder sich bei uns über irgendetwas beschweren? Werden wir ihre Erziehungsvorstellungen erfragen und dann unsere pädagogische Arbeit entsprechend gestalten? Werden wir Sonderwünsche nach Computer-, Sprach-, Musikkursen u. Ä. berücksichtigen? Werden wir sie regelmäßig anhand von Aufzeichnungen, Beobachtungsprotokollen und Testergebnissen über die Fortschritte ihrer Kinder informieren? Werden wir für Eltern besondere Angebote wie Skat- und Kegelabende, "Aerobic für Mütter" und "Fußball für Väter", Familienbildungskurse und Gesprächskreise machen?
Bedenken wir, dass aufgrund der zurückgehenden Kinderzahlen schon bald ein Wettkampf um Kinder beginnen wird - sofern er nicht schon begonnen hat -, so werden wir nur dann zu den Siegern gehören, wenn wir mehr als bisher Eltern als Kunden sehen, unsere Abhängigkeit von ihnen erkennen, um sie mit Hochglanzbroschüren werben und ihren Bedürfnissen zu entsprechen versuchen. Aber wir müssen auch die Grenzen dieser Sicht- und Handlungsweise sehen: Deutsche Eltern übernehmen nicht wie amerikanische 95 % der Kinderbetreuungskosten - z.B. in Bayern sind es noch nicht einmal 20 %. Im Gegensatz zu Kunden in der Wirtschaft zahlen sie also nur einen Bruchteil der Kosten für die erworbene Ware bzw. Dienstleistung. Sollten wir also nicht auch die "Wünsche" unserer anderen Geldgeber - Land, Kommune, Träger - beachten? Neben der Dienstleistung "Kinderbetreuung" erwirtschaften wir außerdem das Produkt "erzogenes Kind"; diese "Ware" geben wir dann an die Grundschule ab. Sollten wir so nicht auch die Erwartungen der Schule berücksichtigen? Und wo bleiben bei all dem die Kinder mit ihren Bedürfnissen und Interessen?
Bei einer zu starken Orientierung an Elternwünschen wird ebenfalls ignoriert, dass Eltern keine aufgeklärten Verbraucher sind. Sie kennen nicht die wichtigsten frühpädagogischen Ansätze (z.B. den Situationsansatz), die ganze Bandbreite der Methoden und Beschäftigungen, die Grundsätze der Arbeit mit einer Gruppe von 25 Kleinkindern usw. Amerikanische und deutsche Untersuchungen haben gezeigt, dass Eltern in der Regel die erzieherische Tätigkeit und die Elternarbeit in jeder Kindertagesstätte gleich gut bewerten - unabhängig von der objektiv nachweisbaren Qualität. Auch wählen sie zumeist die nächstgelegene Einrichtung, selbst wenn diese schlecht arbeitet und etwas weiter entfernt eine bessere ist. Wie würde wohl die Entscheidung mancher Eltern ausfallen, wenn sie zwischen höheren Elternbeiträgen zugunsten besserer Standards und niedrigeren Elternbeiträgen bei gleichzeitiger Absenkung der Standards wählen müssten?
Es bleibt dabei: Erziehungspartnerschaft ist besser
Selbst wenn in Zukunft mehr Kundenorientierung notwendig und auch sinnvoll ist, sind wir besser beraten, wenn wir - wie bereits erwähnt - nach einer Erziehungspartnerschaft mit Eltern streben. Hier steht das Wohl des Kindes im Mittelpunkt allen Handelns. Eine Erziehungspartnerschaft ist möglich, da es nach wissenschaftlichen Studien einen Grundkonsens zwischen Erzieher/innen und Eltern über Früherziehung und die Aufgaben von Kindertageseinrichtungen gibt: Beide Seiten betonen z.B. die Eigenständigkeit des Kindes und die Förderung des eigeninitiativen und selbstgesteuerten Lernens, der Kreativität und der Entwicklung eines positiven Selbstbildes. Darüber hinaus zeigen Befragungen, dass Eltern ihre Beziehung zu Erzieher/innen sehr positiv sehen, deren Kompetenz achten und großes Vertrauen in sie haben.
Auf dieser Grundlage aufbauend sollten wir einen zweifachen Dialog anstreben:
- mit allen Eltern: Hier geht es darum, im Gespräch mit allen (interessierten) Eltern eine möglichst große Übereinstimmung hinsichtlich der Erziehungsziele und -methoden sowie der pädagogischen Angebote zu erreichen. Dies kann z.B. an einem Elternabend geschehen, wo wir mit den Eltern (in Kleingruppen) Fragen wie die Folgenden diskutieren: "Wie soll mein Kind mit 12 (oder 18) Jahren sein? Über welche Kenntnisse, Fertigkeiten und Einstellungen soll es dann verfügen?" - "Sind diese Vorstellungen realistisch? Sind sie mit den Erwartungen der anderen Eltern und der Erzieher/innen vereinbar?" - "Welche Erziehungsziele für die nächsten Monate ergeben sich daraus? Wie können sie in Familie und Kindertageseinrichtung erreicht werden? Was wird von der jeweils anderen Seite erwartet?" Bei solchen Elternabenden - zumeist wird es nicht bei einem bleiben - übernehmen Eltern und Erzieher/innen bewusst die Verantwortung für die gemeinsame Erziehung der Kinder und erreichen oft eine hohe Übereinstimmung hinsichtlich der Erziehungsziele, -vorstellungen und -methoden. Daran können sich ähnliche Gesprächsabende anschließen - oder eine Arbeitsgruppe, in der Erzieher/innen und Eltern gemeinsam die Konzeption der Kindertagesstätte überarbeiten oder diskutieren, wie die kindlichen Entwicklungsbedingungen weiter verbessert werden können.
- mit jedem Elternpaar bzw. allein erziehenden Elternteil: Bei solchen Termingesprächen, die direkt nach der Aufnahme eines Kindes und dann mindestens einmal im Jahr stattfinden sollten, geht es um den Gesprächsaustausch hinsichtlich des jeweiligen Kindes und seiner bisherigen bzw. gegenwärtigen Entwicklung. Erzieher/in und Elternpaar bzw. Alleinerziehende/r erfahren, wie sich das Kind in der jeweils anderen, ihnen nicht zugänglichen Lebenswelt "Familie" bzw. "Kindertageseinrichtung" verhält und wie es von der anderen Seite erlebt wird. So entwickeln sie mehr Verständnis für das Kind, aber auch für ihr Gegenüber. Sie besprechen, wie das Kind erzogen werden soll und wie sie dabei am besten miteinander kooperieren können. In diesem Kontext kann auch über besondere Bedürfnisse, Stärken und Schwächen, Auffälligkeiten, Erziehungsschwierigkeiten u. Ä. oder über besondere Förderangebote gesprochen werden.
Es geht also immer darum, wie wir gemeinsam mit den Eltern das Wohl jedes einzelnen Kindes und seine bestmögliche Erziehung gewährleisten können. Dabei muss jeder Erziehungspartner Verantwortung übernehmen und das Gefühl haben, einen bedeutsamen und wertvollen Beitrag zur Erreichen der (vereinbarten) Ziele zu leisten. Das bedeutet auch, dass Eltern in der Kindertageseinrichtung mitarbeiten können - weniger bei der Vorbereitung von Festen u. Ä., sondern vielmehr bei der Erziehung und Bildung von Kindern: im Rahmen von Projekten, als "Spezialisten" für besondere Themen, durch Beiträge im Rahmen des Wochenplanes usw. Ferner ist es selbstverständlich, dass beide Seiten Konflikte und Probleme offen ansprechen und gemeinsam lösen sowie einander emotional unterstützen.
Schlusswort
Elternarbeit in Kindertagesstätten sollte also m.E. in Richtung auf eine Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Fachkräften fortentwickelt werden. Dies ist nicht einfach zu erreichen. Auf der einen Seite haben Eltern z.B. nicht nur unterschiedliche, sondern oft auch widersprüchliche oder überhöhte Erwartungen, stehen den Vorstellungen und der Arbeit der Erzieher/innen manchmal kritisch gegenüber und wollen gelegentlich in zu hohem Maße mitbestimmen oder mitarbeiten. Außerdem werden sozialpädagogische Fachkräfte auch mit Eltern konfrontiert, die an einer Zusammenarbeit mit ihnen nicht interessiert sind und ihr Kind lediglich gut aufbewahrt wissen wollen. Auf der anderen Seite haben Erzieher/innen nicht selten an Eltern etwas "auszusetzen", haben Angst vor zu enger Kooperation oder werten Interesse der Eltern als Einmischung. Diese Situation führt also auf beiden Seiten zu Ängsten, Unsicherheiten, Hemmungen, Missverständnissen usw.
Im Blick auf eine wünschenswerte Erziehungspartnerschaft gilt es, diese Ängste abzubauen. Insbesondere die sozialpädagogischen Aus- und Fortbildungsstätten sind gefordert, Erzieher/innen positive Einstellungen hinsichtlich der Zusammenarbeit mit Eltern zu vermitteln und ihnen auch das nötige "Rüstzeug" mitzugeben. Die Fachkräfte selbst sollten schon bei den ersten Kontakten mit Eltern "neuer" Kinder eine positive Haltung gegenüber der Erziehungspartnerschaft wecken.
Natürlich entsteht eine solche Erziehungspartnerschaft nicht unmittelbar, sondern sie muss wachsen: an Gesprächen, an gemeinsamen Erlebnissen, am Miteinander-Tun, an in Kooperation gelösten Problemen. Respekt und Vertrauen müssen zunehmen, ein Wir-Gefühl muss sich entwickeln, Dialogbereitschaft, Offenheit und Toleranz sind unverzichtbar. Diese Haltungen wirken sich übrigens auch auf die Kinder positiv aus: Sehen sie, dass die Erzieher/innen ihre Familie wertschätzen, werden sie eher Selbstachtung entwickeln. Merken sie, dass ihre Eltern die Fachkräfte respektieren, fördert dies den pädagogischen Bezug und die Lernmotivation. So sollte immer der Wille da sein, den Dialog mit der anderen Seite zu suchen und nach einer Erziehungspartnerschaft zu trachten.
Anmerkung
Eine umfassendere Darstellung der Thematik finden Sie in meinen Büchern "Elternarbeit im Kindergarten. Ziele, Formen, Methoden" (Books on Demand, 4. Aufl. 2021) und "Bildungs- und Erziehungspartnerschaft in Kindertageseinrichtungen" (Books on Demand, 3. Aufl. 2020), die im Buchhandel und z.B. bei Amazon erhältlich sind.
Literatur
Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit (Hrsg.): Elternmitarbeit: Auf dem Wege zur Erziehungspartnerschaft. München: Selbstverlag 1996
Buber, M.: Reden über Erziehung. 2 Bände. Heidelberg: Schneider Lambert 1962
Colberg-Schrader, H.: Der Situationsansatz. Kinderzeit 1994, Heft 4, S. 40-43
Honig, A.S.: Parent involvement in early childhood education. Washington: National Association for the Education of Young Children, 2. Aufl. 1976
Jansen, F./Wenzel, P.: Von der Elternarbeit zur Kundenpflege. Kindertageseinrichtungen auf dem Weg zu Dienstleistungsunternehmen. München: Don Bosco Verlag 1999
Krug, M.: Der Situationsansatz. Zwanzig Jahre in der Diskussion. Eine Antwort auf den Bildungsauftrag in der Jugendhilfe. Klein & gross 1995, Heft 4, S. 7-13
Krumm, V.: Über die Vernachlässigung der Eltern durch Lehrer und Erziehungswissenschaft. Plädoyer für eine veränderte Rolle der Lehrer bei der Erziehung der Kinder. Manuskript. Salzburg: Universität Salzburg 1995 (später erschienen in: Zeitschrift für Pädagogik 1996, Sonderheft 34, S. 119-140)
Levine, J.A./Murphy, D.T./Wilson, S.: Getting men involved: strategies for early childhood programs. New York: Scholastic Inc. 1993
Seehausen, H.: Soziale Netzwerke für Kinder und Eltern - "Orte für Familien". KinderTageseinrichtungen aktuell, KiTa BY 1996, 8, S. 71-75
Textor, M.R.: Jede Mutter eine Kindergärtnerin. Elternbildung bei Fröbel. Welt des Kindes 1990, 68 (6), S. 35-37
Textor, M.R. (Hrsg.): Problemkinder? Auffällige Kinder in Kindergarten und Hort. Weinheim: Beltz 1996
Textor, M.R. (Hrsg.): Elternarbeit mit neuen Akzenten. Reflexion und Praxis. Freiburg, Basel, Wien: Herder, 4. Aufl. 1998
Textor, M.R.: Projektarbeit im Kindergarten. Planung, Durchführung, Nachbereitung. Norderstedt: Books on Demand, 2. Aufl. 2013
Zimmer, J.: Der Situationsansatz als Bezugsrahmen der Kindergartenreform. In: Zimmer, J. (Hrsg.): Erziehung in früher Kindheit. Enzyklopädie Erziehungswissenschaft, Band 6. Stuttgart: Klett-Cotta 1985, S. 21-37