"Ich kann schon englisch blockflöten". Englisch-Unterricht im KindergartenInterview mit Illo Dieper, Lehrerin für Englisch im Kindergarten Zwergnase in Troisdorf

Aus: Norbert Kühne: Wie Kinder Sprache lernen. Grundlagen - Strategien - Bildungschancen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, ca. 200 Seiten, Darmstadt 2003

Norbert Kühne: Frau Dieper, Sie unterrichten etwas, was es hierzulande kaum jemand unterrichtet: Englisch im Vorschulalter. Wo arbeiten Sie?

Illo Dieper: In Kindergärten und -tagesstätten, wobei das Wort "unterrichten" meine Tätigkeit nicht ganz trifft. Ich spiele mit Kindern auf Englisch, und "nebenbei" lernen Kinder die Sprache.

N.K.: Haben Sie ein innigeres Verhältnis zu der Sprache als andere Englisch-Lehrer/innen oder Erzieherinnen? Wie kommen Sie dazu, dieses Projekt zu verfolgen?

I.D.: Meine persönlichen Erfahrungen mit meinen Kindern in Irland, meine Arbeit in englischen Kindergruppen und meine Fachkenntnisse in Pädagogik und Lernpsychologie führten zur Erkenntnis: early learning - easy learning!

N.K.: Wie gehen Ihre Kinder damit um - in Familie und unter Gleichaltrigen?

I.D.: Meine Kinder sind heute erwachsen: 15, 20, 21 und 26 Jahre alt. Als sie im Vorschulalter waren, lernten sie in Irland irisch gefärbtes Englisch. Probleme gab es nur später in Deutschland - in der Schule, wenn Lehrer mit "reinem Oxford English" Aussprache und Redewendungen kritisierten oder wenn sie den irischen Dialekt nicht verstanden. Meine Kinder konnten sich jedoch schnell auf das "richtige" Englisch umstellen. Die Lehrer waren oft nicht so flexibel!

N.K.: Nun gibt es ja in Deutschland kaum Unterrichtsbücher oder Anleitungen zu "Englisch im Kindergarten"? Woher nehmen Sie Ihr Material? Bei meinen Recherchen bin ich lediglich auf Publikationen gestoßen, die kaum der Rede wert waren.

I.D.: Ich erstelle mein Material selbst, benutze nur authentische Kinderlieder, -reime und -spiele, die ich im englischsprachigen Ausland gesammelt habe. Selbst auf der diesjährigen Bildungsmesse in Köln (2002) gab es nur 2 Verlage, die geeignetes Material für diese Altersgruppe anboten.

N.K.: Wie lange haben Sie schon Erfahrungen gesammelt? Worauf achten Sie besonders, denn Sie haben ja sicherlich keine 25 Kinder vor sich in Bänken sitzen, die irgendetwas aus einem Buch abschreiben.

I.D: Erfahrungen mit frühem Spracherwerb habe ich seit 20 Jahren gesammelt, seit 2 Jahren arbeite ich kontinuierlich in kleinen Gruppen von 6 - 8 Kindern. Am Tisch sitzen die Kinder höchstens beim Malen, ansonsten hat alles mit Bewegung, Musik, Spiel und vor allem Spaß und Humor zu tun.

N.K.: Bedarf es also besonderer Methoden - wenn man etwa mit dem Fremdsprachen-Unterricht am Gymnasium vergleicht?

I.D.: Ja - wichtig ist die vertraute Umgebung, in der die Kinder sich wohlfühlen. Vorschulkinder lernen multisensorisch am besten, also spreche ich alle Sinne an. Beispiel: Thema Essen und Trinken: Wir sehen ein Buch - etwa "The big fat Pancake -, wir hören Lieder - etwa "The muffin man", "I'm a little Teapot" -, wir fühlen, indem wir Muffins backen, Pfannkuchen machen, wir schmecken, indem wir die Muffins essen und Tee trinken, wir spielen ein Rollenspiel und verkleiden uns als muffin man, Polly put the kettle on - usw. Kinder brauchen bei all dem wenig "Übersetzung", sie erfassen die Bedeutung am Modell. Grammatik ist unwichtig, lernt sich, wie beim Muttersprachenerwerb, von selbst und mit der Zeit. Das sind die wichtigsten Unterschiede, abgesehen von der Lesefähigkeit, der Gruppengröße und der Dauer der Konzentrationsfähigkeit.

N.K.: Gibt es etwas, was die Arbeit mit Kindern im Elementarbereich besonders reizvoll macht?

I.D.: Kinder ab 3 Jahren sind meist von Natur aus "chatterboxes" (Plappermäuler) und haben keine Scheu, ja sogar Spaß daran, fremde Laute aus- und nachzusprechen. Sie sind über Bewegung, Musik und Humor leicht zu motivieren und aufgrund ihrer Neugier auch meist sehr aufmerksam.

N.K.: Wurden Ihre Bemühungen noch nie als pädagogische Spinnerei abgetan? Nach der Devise: Dafür sind die Kleinen aber noch zu klein! In unserer Bildungslandschaft ist Ihre Arbeit doch ein Juwel!

I.D.: Die meisten Eltern und Erzieher wissen heute: Nie wieder ist Fremdsprachenerwerb so einfach wie in den ersten 6 Lebensjahren. Als Spinnerei tun es nur Leute ab, die Kinder unterschätzen und die wissenschaftlichen Ergebnisse nicht kennen. Sogar ältere Menschen sind neidisch und sagen mir: "Ach, hätten wir diese Chance doch früher auch gehabt!"

N.K.: Linguistik und Neurologie gehen heute davon aus, dass Kinder bis zum sechsten Lebensjahr eine bis zwei Fremdsprachen gelernt haben sollten, weil sie dann später keinerlei Probleme mehr mit Fremdsprachen hätten. Können Sie diese Aussage mit Ihren Erfahrungen untermauern?

I.D: Unbedingt! Darüber hinaus stärkt der frühe Kontakt mit Fremdsprachen das Selbstvertrauen, denn es gibt keine Mißerfolge: Alle Kinder können eine fremde Sprache lernen, wenn sie nur früh genug und ohne Leistungsdruck altersgemäß herangeführt werden.

N.K.: Frau Dieper, ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg und Spaß im Unterricht - und danke Ihnen herzlich für Ihre Informationen.

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