Das ist ein wunderbares Alter, um Fremdsprachen zu lernen - Englisch in Kita und Grundschule

Aus: Marler Zeitung vom 07.07.2003 (Zeitungshaus Bauer: Recklinghäuser Zeitung, Buersche Zeitung usw.)

Norbert Kühne

Interview mit Nicola Hanstein (Bochum; nicola.hanstein@freenet.de). Frau Hanstein wurde 1971 in Kalifornien geboren und ist dort zweisprachig aufgewachsen. Sie konnte mit sieben Jahren Deutsch und Englisch schreiben und lesen. Sie lebt seit 1978 in Deutschland.

Norbert Kühne: Noch vor wenigen Jahren hätte man es als pädagogisch irrwitzig bezeichnet, Kinder im Vorschulalter mit einer Fremdsprache zu konfrontieren. Wissenschaftliche Diskussionen in Linguistik und Neurologie aber haben der Pädagogik Beine gemacht. Nun ist der Englisch-Unterricht in der Grundschule in einigen Bundesländern eingeführt, und in vielen Kindergärten hierzulande denkt man über Englisch-Unterricht nach. In Essen und in Troisdorf etwa gibt es Kitas, die Kinder Englisch lernen lassen - mit Einverständnis der Eltern natürlich. Was halten Sie vom Erwerb der Zweit- oder Drittsprache in diesem Alter?

Nicola Hanstein: Das ist ein wunderbares Alter, um Fremdsprachen zu lernen - allerdings spielerisch und unbedingt ohne Leistungsdruck. Also sollte man Englisch in der 3. Klasse auch nicht benoten. Die Benotung kommt früh genug. Es kommt darauf an, die Sprache zu lernen und die Kinder auf natürliche Weise in die Sprache hineinwachsen zu lassen. Das ist nämlich eine Frage der Motivation. Die Kinder sollen selbst Spaß am Lernen entwickeln.

Norbert Kühne: Man kann sich natürlich vorstellen, dass Englisch-Unterricht im Kindergarten anders aussehen muss als am Gymnasium. Könnten Sie etwas darüber sagen, wie Sie Kinder im Vorschulalter in Englisch unterrichten?

Nicola Hanstein: Frontalunterricht kommt überhaupt nicht in Frage. Es sollte eher ein interaktiver Unterricht in Kleingruppen sein. Die Sprache wird spielerisch vermittelt und der Unterricht lebendig gestaltet, an Hand von Liedern, Tänzen, Malaktionen, Geschichten und spannenden Aufgaben. Der Einzelne muss in der Gruppe seinen Platz haben für seinen persönlichen Ausdruck, während das Gruppengefühl fortwährend gefördert wird. Wenn ein Kind etwa einen Bruder bekommen hat, ziehe ich mein Thema zurück und beziehe dieses aktuelle Erlebnis als etwas Besonderes in den Unterricht mit ein, indem ich z.B. mit der Gruppe spontan ein happy-birthday-Lied für das neue Brüderchen singe.

Spontaneität und Flexibilität in der Arbeit mit Kindern ist äußerst wertvoll und wirksam. Das Wichtigste ist, den Kindern Begeisterung und Lernmotivation zu vermitteln. Die Kinder reagieren bei dieser Art des Unterrichts mit so viel Begeisterung, dass sie praktisch Englisch lernen, ohne es zu bemerken. Wenn ich den Kindern Hausaufgaben gebe, dann sind sie freiwillig, was dazu führt, dass die Kinder sie praktisch immer machen.

Norbert Kühne: Was ist Ihnen bei Kindern im Vorschul- und Grundschulalter aufgefallen, wenn sie Englisch lernen? Wie gehen die Kinder damit um?

Nicola Hanstein: Es gibt einen deutlichen Unterschied im Vor- und Grundschulalter. Allein schon durch die Tatsache, dass die einen Kinder schreiben können - die anderen nicht. Somit ist der Zugang zu Sprache auch ein anderer. Bei den Kindern im Vorschulalter geht es nicht um abrufbares Wissen, sondern um ein spielerisches Hinweinwachsen in die neue Sprache. Sie sind sich des Lernprozesses nicht wirklich bewusst. Bei den Grundschulkindern hingegen geht die Lernentwicklung schneller und bewusster voran, da sie schon schreiben können und damit ein anderes Gedächtnispotential haben. Allen gemeinsam sind jedoch die Begeisterung und das Interesse.

Es gibt aber auch Kinder, denen deutlich anzumerken ist, dass sie wenig Interesse am Erlernen einer neuen Sprache haben. Dies kann u.a. daran liegen, dass dem Kind eine sportliche oder musikalische Förderung in diesem Moment seiner Entwicklung eher nützen würde. Kein Kind sollte gezwungen werden, eine neue Sprache zu erwerben, auch wenn es gerade modern ist.

Norbert Kühne: In welchen Gruppen unterrichten Sie? Arbeiten Sie freiberuflich?

Nicola Hanstein: Ja, ich arbeite freiberuflich - in Kleingruppen mit maximal 10 Teilnehmern, sowohl in Kultur- und Bildungszentren als auch in Kindergärten bzw. Kitas.

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