Janine von Zabern und Christine Jilg
Abstract
Der Begriff Tiergestützte Intervention (TGI) ist inzwischen in aller Munde und längst besteht in Wissenschaft und Praxis Konsens über die zahlreichen positiven Wirkmechanismen der Mensch-Tier-Interaktion (vgl. Beetz, Wohlfahrt, Kotrschal, 2018, S. 24 ff.). Diese unterscheiden sich in positive soziale, psychologische und neurobiologische Effekte. Entsprechend vielfältig sind die Einsatzmöglichkeiten und unterschiedlichen Zielstellungen der Interventionen, ob psychische, physische, sozial-emotionale oder kognitive Förderung. Da im schulischen Kontext übergreifend alle Kinder und Jugendliche erreicht werden, ist dies ein besonders geeigneter Ort für die Umsetzung tiergestützter Fördermaßnahmen.
Im Rahmen des Beitrages wird die begriffliche Abgrenzung der verschiedenen Formen tiergestützter Maßnahmen geklärt und Wirkmechanismen des Einsatzes von Tieren erläutert. Als Praxisbeispiel werden tiergestützte Interventionen mit Hunden im Lebensraum Schule näher beleuchtet. Neben den pädagogischen Einsatzmöglichkeiten im Klassenraum und der gezielten Förderung von geistig beeinträchtigten Schüler*innen, werden Voraussetzungen für den Einsatz von Hunden in der Schule sowie Möglichkeiten und Grenzen des tiergestützten Einsatzes diskutiert.
1. Einleitung
Tiere haben eine wohltuende und beruhigende Wirkung auf den Menschen – diese Effekte und zahlreiche weitere sind inzwischen durch wissenschaftliche Untersuchungen umfassend belegt und weisen positive soziale, psychologische und neurobiologische Effekte nach (vgl. Beetz, Wohlfahrt, Kotrschal, 2018, S. 24 ff.). Daher sind die Einsatzmöglichkeiten und Zielstellungen der Tiergestützten Interventionen (psychische, physische, sozial-emotionale oder kognitive Förderung) sehr vielfältig.
Kinder reagieren auf die Anwesenheit von Tieren in der Regel besonders positiv und profitieren sehr von tiergestützten Interventionen. Da im schulischen Kontext unabhängig von der sozialen Herkunft, dem sozioökonomischen Status sowie Förderbedarfen alle Kinder und Jugendliche erreicht werden, ist dies ein geeigneter Ort für die Umsetzung tiergestützter Förderung. Daher liegt der Fokus des Artikels auf die tiergestützten Einsatz- und Fördermöglichkeiten in der Schule. Beispielhaft wird dabei auf die Förderung durch Schulhunde eingegangen.
Zunächst werden zentrale Begrifflichkeiten rund um das Thema Tiergestützte Interventionen geklärt, um anschließend die positiven Wirkungen der Mensch-Tier-Interaktion näher zu beleuchten. Daraufhin werden anhand eines Beispiels der Weg zum Schulhund und Einblicke in die Praxis vorgestellt.
2. Begriffsbestimmung und Abgrenzung verschiedener tiergestützter Maßnahmen
2.1 Tiergestützte Intervention
Unter dem Begriff Tiergestützte Intervention (TGI) werden alle Formen tiergestützter Tätigkeiten, wie die Tiergestützte Therapie, Tiergestützte Pädagogik, Tiergestützte Fördermaßnahmen und Tiergestützte Aktivitäten zusammengefasst.
Der Begriff bezeichnet somit alle Maßnahmen, in denen bewusst Tiere in die Gesundheitsfürsorge, Pädagogik und Soziale Arbeit einbezogen und integriert werden, um psychische, kognitive oder soziale Verbesserungen bei Menschen zu erreichen (IAHAIO, International Association of Human Animal Interaction Organizations, 2014, https://www.esaat.org/definition-tiergestuetzter-therapie/).
Eine erweitere Definition der IAHAIO bezeichnet den „tiergestützten Einsatz“ als fachlich geplante Angebote mit speziell dazu ausgebildeten und artgerecht gehaltenen Tieren, für Menschen jeden Alters und unterschiedlichen Zielstellungen. Als Mindestanforderung werden eine klare Zielstellung der Interventionen und der Grundberuf (pädagogisch, therapeutischer Beruf etc.) der Durchführenden angesehen (vgl. Beetz, Turner, Wohlfarth, 2018, S. 21).
2.2 Tiergestützte Pädagogik
Die Tiergestützte Pädagogik verbreitete sich zunächst in den USA unter dem Begriff Animal Assistent Education (AAE). Der Begriff beschreibt einen von Tieren begleiteten pädagogischen Erziehungs- und Förderansatz. Das Tier soll dabei die Erziehungs- und Fördermöglichkeiten erweitern und bereichern und nicht den Kontakt und die Beziehung zu den Pädagogen ersetzen. Zusammenfassend versteht man darunter verschiedene Interventionen in Verbindung mit Tieren, welche auf der Basis konkreter Zielvorgaben Lernprozesse initiieren, wodurch insbesondere die emotionale und soziale (kognitive) Kompetenz verbessert werden soll (vgl. Vernooij, Schneider, 2018, S. 26 ff.).
2.3 Tiergestützte Therapie
Unter diesem Begriff sind tiergestützte Interventionen zu verstehen, welche auf eine Situations- und Problemanalyse fußen und denen ein festgelegter Therapieplan und Therapieziel/e zugrunde liegen. Ziele sind dabei, körperliche, kognitive und emotionale Funktionen wiederherzustellen und zu erhalten sowie die Förderung der Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Durchführung von Aktivitäten und Handlungen, die Förderung des Einbezogen-Seins in die jeweiligen Lebenssituation, die Verbesserung der Lebensgestaltungskompetenzen und die Stärkung der Erlebens-/ Verhaltens- und Konfliktbearbeitung (vgl. ebd.).
2.4 Tiergestützte Fördermaßnahmen
In der tiergestützten Förderung, auch bekannt als „Animal Assisted Activity“ (AAA), werden definitionsgemäß keinen therapeutischen oder pädagogischen Methoden eingesetzt, denn in der tiergestützten Förderung soll es um zielgruppenspezifische Förderung mit definierten Förderzielen gehen, etwa der sozialen Aktivierung, der Motivierung oder der Anregung von Kommunikation. Im Allgemeinen geht es um die Förderung von Entwicklungsfortschritten (vgl. ebd.)
2.5 Tiergestützte Aktivitäten
Tiergestützte Aktivitäten verfolgen nach bisheriger Definition keine bestimmten Förderziele, sondern bestehen aus Aktivitäten im Beisein von Tieren bestehen Ziele sind: erzieherische, rehabilitative und soziale Prozesse zu unterstützen und eine allgemeine Verbesserung des Wohlbefindens und Steigerung der Lebensqualität. Die Umsetzung erfolgt z.B. als Tierbesuchsdienst in Altenheimen, im Streichelzoo, durch Spaziergänge mit Tieren (z.B. Eselwanderung) etc. (vgl. ebd.).
3. Was bewirken tiergestützte Interventionen bei Kindern?
Wie bereits erwähnt, belegen zahlreiche Studien die vielfältigen positiven Wirkmechanismen der Mensch-Tier-Interaktion (vgl. Beetz, Wohlfahrt, Kotrschal, 2018, S. 24 ff.). Diese unterscheiden sich in positive soziale, psychologische und neurobiologische Effekte, wie folgende Abbildung veranschaulicht:
Abbildung 1: Positive Effekte der Mensch-Tier-Interaktion. Abbildung = eigene Darstellung in Anlehnung an Beetz, Wohlfarth, Kotrschal, 2018, S. 27[1])
„Insgesamt unterstützen Tiere die psychische und physische Gesundheit, wie diese im Konzept der Salutogenese als Prozess und als Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens beschrieben wird“ (Beetz, 2014, S. 44).
Aufgrund der zahlreichen positiven Wirkmechanismen ist der Einsatz von Tieren vermehrt auch im schulischen Kontext anzutreffen.
Daher werden im Folgenden die Möglichkeiten der Implementierung eines Hundes in der Schule exemplarisch dargestellt und Beispiele der praktischen Einsatzmöglichkeiten vorgestellt.
4. Voraussetzungen der tiergestützten Arbeit
Um die tiergestützte Pädagogik auf professioneller Ebene umsetzen zu können sind zahlreiche
Voraussetzungen und Rahmenbedingung zu beachten, wie folgende Abbildung zeigt und in den weiteren Ausführungen kurz erläutert wird:
Abbildung 2: Voraussetzungen der Tiergestützten Arbeit
Voraussetzungen auf Seiten des Menschen
Eine grundlegende Voraussetzung für den Einsatz von Tieren ist eine vertrauensvolle, Sicherheit gewährleistende Bindung zwischen Mensch und Tier. Dies erfordert von Seiten des Menschen, über gewisse Führungsqualitäten zu verfügen, wie beispielsweise Klarheit, Souveränität, Vertrauenswürdigkeit und Entschlossenheit. Zudem ist das Erkennen und eine adäquate Reaktion auf die feinen Kommunikationssignale des Tieres eine weitere Kompetenz, die der Besitzer mitbringen sollte (vgl. Vernooij, Schneider, 2018, S. 105ff.).
„Das Verhalten“ des Tieres ist immer so gut wie das Verhalten des Besitzers an seiner Seite. Der geübte Tierhalter kennt das Wesen, die körperliche und seelische Belastbarkeit seines Tieres genau. Er weiß sein Tier zu motivieren und z.B. bei einem Tierbesuch dem Betroffenen Hilfestellung zu geben, auf welche individuelle Art und Weise das Tier besonders gerne in Kontakt mit Menschen tritt (Otterstedt, 2001, S. 119).
Um diese Kompetenzen zu erwerben bzw. weiter auszubilden, ist eine professionelle Weiterbildung/Qualifizierung zum Thema tiergestützte Intervention eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg. Zudem sollten die Fachkräfte über Kenntnisse der physischen und emotionalen Bedürfnisse der Tiere besitzen, einschließlich der Zeichen von Stress und Unwohlsein (IAHAIO, 2014, S. 3 ff.). Neben einer einschlägigen pädagogischen Ausbildung und mehrjähriger Berufserfahrung ist daher eine Zusatzqualifizierung für die tiergestützte Arbeit nach ISAAT/ESAT grundlegend. Zudem gilt es, vor dem Einsatz eine positive Bindung zu seinem Tier aufzubauen und das Tier langsam an den Einsatzort und die dortigen Rahmenbedingungen zu gewöhnen (vgl. Vernooij, Schneider, 2018, S. 105ff.).
Voraussetzungen auf Seiten der eingesetzten Tiere
Die eingesetzten Tiere sollten in ihrem Verhalten für den Besitzer zuverlässig und einschätzbar sowie über Kommandosicherheit verfügen. Neben einer wie bereits angesprochen stabilen und vertrauensvollen Bindung zwischen Mensch und Tier können diese Aspekte durch Training gefördert werden (vgl. ebd.).
Zudem ist selbstverständlich die psychische und physische Eignung des Tieres eine grundlegende Voraussetzung. Hierbei ist eine Passung zwischen dem Wohle des Tieres, des Klientel und den Voraussetzungen der Einrichtung herzustellen. Hinsichtlich des Tieres sind Parameter wie die Größe des Tieres, Wesen und Temperament, Belastbarkeit, Alter des Tieres etc. für die Passung zu berücksichtigen. Wichtig ist, dass das Tier Freude beim Einsatz hat.
„Nur, wenn sich das Tier wohlfühlt, ist eine freie und ungezwungene Begegnung zwischen Mensch und Tier möglich“ (Vernooij, Schneider, 2018, S. 107).
Der Gesundheitszustand sollte regelmäßig tierärztlich überprüft sowie bestätigt und die regulären Impfungen sowie Prophylaxen gegen Edo-/Ektoparasiten durchgeführt werden.
Voraussetzungen hinsichtlich der Ausstattung und der räumlichen Rahmenbedingung am Setting
Des Weiteren müssen geeignete Räumlichkeiten (z.B. je nach Tierart Offenstall, Gartenhäuschen für Materialien, Lagerplätze, Wiesen, usw.) sowie eine adäquate materielle Ausstattung vorhanden sein. Ebenso ist der ausreichende Platz für die Ausübung der Tätigkeiten Voraussetzung (z.B. große Wiese bzw. Platz, große offene Ställe). Zudem ist der Rückzugsbereich für die eingesetzten Tiere einzuplanen. Darüber hinaus bleibt zu erwähnen, dass die weiteren Mitarbeitenden der Einrichtung bzw. am Setting über den tiergestützten Einsatz informiert sind und diesen mittragen. Ebenso gilt es, hygienische Voraussetzungen und Bedingungen am Einsatzort zu erfüllen (vgl. Vernoooij, Schneider, 2018, S. 113).
Voraussetzungen zur Gewährleistung des Tierschutzes
Der Tierschutz und eine artgerechte Tierhaltung haben oberste Priorität im tiergestützten Einsatz. Kenntnisse über das hedonische Budget der eingesetzten Tierarten sind daher unabdingbar, um die Rahmenbedingung so zu gestalten, dass das Wohlergehen der Tiere gewährleistet ist. Eine umfangreiche Weiterbildung/Qualifikation zum Themengebiet tiergestützter Interventionen sowie das fortlaufende Literatur-Studium sind erforderlich, um das Wissen aktuell zu halten.
Die tierärztliche Vereinigung benennt zu diesem Zwecke umfassende Hinweise für den tiergestützten Einsatz sämtlicher Tierarten. Hierbei werden die Indikatoren von Stressanzeichen der Tierart und Möglichkeiten für Ausgleichsaktivitäten und Entspannung sowie Voraussetzungen und erforderliche Rahmenbedingung für den Einsatz der Tiere aufgeführt. Zudem enthält das Tierschutzgesetzt (TierSchG) zentrale Vorgaben für tiergestützte Einsätze. Ebenso liefert die Fachliteratur zum Teil umfangreiche Informationen und Hinweise zu den Voraussetzungen tiergestützter Interventionen (vgl. Vernooij, Schneider, 2018; IAHAIO, 2014, Arnold, Beetz, 2018), die unbedingt zu berücksichtigen sind.
Qualitätssicherung
Die Qualitätssicherung spielt ebenso eine wichtige Rolle, denn sie zielt darauf ab, tiergestützte Interventionen bedarfs- und fachgerecht sowie passend für die Zielgruppe und unter Berücksichtigung des Tierschutzes zu planen und weiterzuentwickeln (vgl. Kotrschal, 2018, S. 53). Qualität entsteht immer dann, wenn das Handeln durchgehend an den jeweils vorgefundenen Bedingungen optimal angepasst ist (vgl. SOS Kinderdorf e.V., S. 10). Das bedeutet auch, dass die Qualität im Zusammenhang mit dem konkreten Tun des Mitarbeiters steht. Die oben beschriebene professionelle Grundausbildung des Fachpersonals sowie entsprechende tiergestützte Weiterbildungen tragen somit enorm zur Qualitätssicherung bei. Dabei muss das Fachpersonal die notwendigen Kompetenzen und Kenntnisse für das Angebot und die zum Einsatz kommenden Tiere mitbringen sowie selbst von dem Angebot und deren Wirkung überzeugt sein. Darüber hinaus sollte das Angebot protokolliert, dokumentiert und reflektiert werden sowie die Ziele in einer Evaluation überprüft werden, um die Strukturqualität, Prozessqualität und Ergebnisqualität sicher zu stellen (vgl. Kotrschal, 2018, S. 55). Weitere Bausteine zur Qualitätssicherung sind: kontinuierliche Reflexion der pädagogischen Arbeit sowie Supervisionen und kollegiale Beratungen, regelmäßige Gespräche mit weiteren Beteiligten wie beispielsweise den Eltern bzw. Bezugspersonen und auch Lehrern der Kinder sowie die Vernetzungsarbeit und Kooperation zu beispielsweise umliegenden landwirtschaftlichen Betrieben oder Tierärzten, das Führen eines Tierbestandsbuches und kontinuierliche Überprüfung der Haltungsbedingungen der Tiere und deren Gesundheitszustand (vgl. Vernooij, Schneider, 2018, S. 215).
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5. Der Weg zum Schulhund – Implementierungsbeispiel einer weiterführenden Schule
Der Weg vom privaten (Familien-)Hund zum Schulhund ist durch zahlreiche, z.T. bürokratische Schritte gekennzeichnet. Bereits vor der Entscheidung mit den am Schulleben beteiligten Personen, ob ein tiergestützter Einsatz gewünscht und umsetzbar ist, gilt es einige Voraussetzungen zu klären.
Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf das Beispiel der Implementierung eines Schulbesuch-Hundes an einer weiterführenden Schule in Rheinland-Pfalz.
Zu klären vor den Einsätzen an der Schule und dem Beginn einer Ausbildung:
Eignung des Hundes
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Ausbildung von Mensch und Tier
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Räumliche Gegebenheiten
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- Testung des Temperaments
- Testung der Gesundheit
- Alter des Tieres
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- z.B. Besuchshund
- Schulhund
- Therapiehund etc.
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- Rahmenbedingungen am Einsatzort
-Rückzugs- und Ruhemöglichkeiten
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Tabelle 1: Klärung der Einsatzmöglichkeiten eines Schulhundes
Eignung des Hundes
Ganz zu Beginn sollte sicher die Frage geklärt werden, ob der Hund für die Arbeit mit Kindern im Rahmen einer Schule überhaupt geeignet ist. Nicht jeder familientaugliche und kinderfreundliche Hund fühlt sich im Schulalltag, mit den ganz eigenen Rahmenbedingungen, Gerüchen, Geräuschen, Turbulenzen und vielen Menschen unterschiedlichen Alters wohl. Das Wohlbefinden und die Freude des Tieres bei den Einsätzen sollte Dreh- und Angelpunkt für eine Entscheidung darstellen. Ein in der Schule schnell gestresster Hund kann mit der Zeit überfordert sein, so dass die Einsätze weder Tier noch Mensch bereichern und unter Umständen Gefahren bergen.
Die Eignung ist vor Ausbildungsbeginn durch einen Hundetrainer für TGI-Maßnahmen zu testen. Die Testung bezieht sich auf das Gemüt, die Stressresistenz, Lärmempfindlichkeit, Toleranz gegenüber grobmotorischen, hektischen Bewegungen und auch Berührungen sowie den Grundgehorsam und die Mensch-Tier-Bindung. Dabei ist es nicht Aufgabe des Tieres, alles zu „ertragen“ um für den Einsatz geeignet zu sein. Vielmehr geht es darum herauszufinden, ob und wie das Tier auf verschiedene stressreiche Situationen reagiert.
Ebenso gilt es, den einwandfreien Gesundheitszustand durch einen Tierarzt untersuchen und in regelmäßigen Abständen bestätigen zu lassen. Hier geht es natürlich einerseits um den Schutz und die Sicherheit des Menschen, indem Zoonosen bestmöglich ausgeschlossen werden durch die Sicherstellung, dass das Tier frei von Endo- und Ektoparasiten ist und auch keine weiteren Krankheiten hat. Andererseits geht es aber auch hier wieder um das Wohlergehen des Tieres. Denn Tiere, die Schmerzen leiden und ggf. durch Erkrankungen eingeschränkt sind, benötigen unter Umständen mehr Ruhe und sind schneller in stressreichen Situationen überfordert. Auch das Alter des Tieres spielt in diesem Kontext eine zu beachtende Rolle. Welpen dürfen nicht im Schuldienst eingesetzt werden. Um eine weitestgehend gefestigte Persönlichkeit des Tieres zu gewährleisten, empfiehlt sich ein Einsatz ab 18 Monaten. Auch ist darauf zu achten, wann der Hund seine wohlverdiente Altersteilzeit oder den Ruhestand benötigt.
Ausbildung von Mensch und Tier
Zahlreiche Ausbildungswege, z.B. die Ausbildung zum Besuchshund, Schulhund, Therapiehund sind möglich, um Hund und Mensch für die gemeinsamen Einsätze an der Schule zu rüsten. Grundlegend ist, dass die Ausbildung immer im Mensch-Hund-Team erfolgt.
Der Einsatz als Schulhund sollte erst nach Abschluss einer Ausbildung und ab einem Alter von 18 Monaten erfolgen, doch bereits im Rahmen der Ausbildung sind gezielte und begrenzte Einsätze in der Schule möglich und sinnvoll.
Zudem wird eine regelmäßige Rezertifizierung empfohlen, welche dazu dient, die Sicherheit der Kinder und den Schutz des Hundes dauerhaft zu gewährleisten, da sich jeder Hund weiterentwickelt und sich die Rahmenbedingungen möglicherweise verändern (vgl. www.schulhund-bildung.rp).
Räumliche Gegebenheiten
Hinsichtlich der geeigneten Räumlichkeiten am Einsatzort Schule ist zu prüfen, ob hinreichend ruhige Rückzugsmöglichkeiten für das Tier am Einsatzort zur Verfügung stehen. Dieser Bereich (z.B. ein Körbchen, Decke) sollte vom Hund eigenständig nach Bedarf jederzeit aufgesucht werden können und dann für den Menschen eine Zone darstellen, in der der Hund in Ruhe liegen darf, ohne Kontaktaufnahme durch die Schüler*innen. Da die Schule ein sehr lebhafter Ort ist, empfiehlt es sich zudem, dem Hund bei längeren Einsätzen einen eigenen Raum oder Bereich zum Rückzug zur Verfügung zu stellen, der ihm vertraut ist und in dem er auch zeitweise ganz für sich ruhen darf. Außerdem ist ein eigener Bereich zum Fressen und Trinken sicherzustellen. Zu prüfen ist auch, ob der Weg zum Arbeitsplatz, Klassenraum über die Schulflure „hundetauglich“ ist. Im Idealfall darf der Hund außerhalb der Zeiten des „Hochbetriebs“ die Wege passieren. Denn schnell ist ein Hund in einer großen Menschenmenge, wie sie unter Umständen in den Pausen und zu Schulbeginn und – Ende zentriert im Schulgebäude und auf den Fluren vorkommen, gestresst bzw. überfordert. Weiter gilt es zu prüfen, ob Auslaufmöglichkeiten im nahen Umfeld der Schule vorhanden sind.
Beispielhafte Vorgehensweise der Implementierung an einer weiterführenden Schule
Folgende Hinweise für die Implementierung eines Schulhundes stehen exemplarisch für eine weiterführende Schule in Rheinland-Pfalz. Einzelne Vorgaben bzw. Richtlinien können von Bundesland zu Bundesland variieren:
Zu Beginn des Vorhabens sollte die Beratung mit und das Einverständnis der Schulleitung stehen. Als zweiter Schritt steht die Information und Zustimmung des gesamten (Lehrer*innen-)Kollegiums (Mehrheitsentscheid im Rahmen einer Gesamtkonferenz) an. Als weiterer Punkt sind ggf. Vorgaben des Landes beachten[1], bevor es an die Konzepterstellung und schriftliche Information aller Beteiligter (z.B. die Elternschaft, ADD, Schulträger, Gesundheitsamt, das pädagogische Landesinstitut etc.) geht.
Zeitgleich erfolgt die Beratung und Ausbildung durch eine anerkannte Hundeschule bzw. einen anerkannten, zertifizierten Ausbildungsträger (Kurse für tiergestützte Maßnahmen).
Bevor der tiergestützte Einsatz erfolgen kann, bedarf es zudem einer privaten Tierhalterhaftpflichtversicherung mit dem Hinweis des dienstlichen Einsatzes.
Vor Ort sind außerdem vorab verschiedene Rahmenbedingungen des Einsatzes und des Tierschutzes zu klären (vgl. Kap. 5). Ein weiterer Schritt der Vorarbeit besteht in der Erstellung des Hygieneplans.
Sind alle Vorarbeiten erfüllt, gilt es den Hund behutsam und schrittweise an das Arbeitsfeld zu gewöhnen und die Verweilzeiten an der Schule nur langsam zu steigern. Hilfreich kann es sein, das Tier zunächst an schulfreien bzw. unterrichtsfreien Zeiten an das Gebäude und die dortigen Gerüche zu gewöhnen und erst danach den Kontakt mit Schüler*innen langsam einzuführen.
Für den Einsatz des Hundes sind zudem Regeln mit den Teilnehmer*innen bzw. Schüler*innen für den Umgang mit den Tieren zu erarbeiten.
6. Tiergestützte Interventionen im Klassenzimmer
Weshalb ist der Einsatz von Tieren – und im Besonderen von Hunden – in der Schule sinnvoll? Tiere haben keine Erwartungen und es entsteht so kein Erwartungsdruck. Tiere sind einfach präsent. Therapeuten und Pädagogen gehen dagegen mit Erwartungen und Zielsetzungen in die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen heran. Tiere hingegen sind authentisch. Wenn sie zeigen, dass sie sich freuen, freuen sie sich tatsächlich. Sie kennen keine Höflichkeitsfloskeln. Bei der Versorgung der Tiere erleben Kinder und Jugendliche, dass sie etwas bewirken können. Damit erleben sie Selbstwirksamkeit. Wissenschaftlich erforscht wird der Einfluss von Tieren auf Gesundheit und Wohlbefinden seit den 1970er Jahren (vgl. Wolf, 2009). Ebenso sind die Fördermöglichkeiten belegt. Folgende Abbildung veranschaulicht die Vielfalt:
Abbildung 3: Fördermöglichkeiten durch tiergestützte Interventionen. Quelle: https://www.tierisch-gute-schule.de/tiergest%C3%BCtzte-p%C3%A4dagogik/f%C3%B6rderbereiche/
Im Folgenden einige Anmerkungen zur Förderung der Sozialkompetenz und der Fachkompetenz:
Vor der Kontaktaufnahme mit dem Schulhund sind vorab durch die Schüler*innen die Regeln im Umgang mit dem Hund zu lernen und zu berücksichtigen. Dies ist u.a. die Rücksichtnahme im Umgang mit dem Hund (insbesondere bezüglich Lautstärke, hektischer, grobmotorischer Bewegungen). Was ohne den Motivator Hund oft schwer erscheint, wird erfolgreich umgesetzt, um in Kontakt mit dem Hund zu kommen bzw. zu bleiben.
Ein weiterer positiver Aspekt hinsichtlich der Sozialkompetenz liegt in der Förderung des Selbst-/Vertrauens. Schüler*innen, die ihre eventuellen Hemmschwellen und Ängste im Umgang mit dem Schulhund abbauen und einen positiven Kontakt zum Tier erleben und bei Übungen mit dem Hund Erfolgserlebnisse verspüren, können sich selbstwirksam wahrnehmen und gewinnen Kenntnisse über und Vertrauen in die eigenen Kompetenzen.
Die Schülerschaft vieler Schulen zeichnet sich durch eine kulturelle Vielfalt aus. Viele Kinder leben im städtischen Raum, wo unmittelbare Naturerfahrungen und der Umgang mit Tieren häufig nicht mehr zu Selbstverständlichkeiten des Aufwachsens zählen.
Oft ist zu beobachten, dass Kinder und Jugendliche auf der einen Seite zurückhaltend bis zum Teil ängstlich auf ihnen unbekannte Tiere reagieren. Viele sind insbesondere den Umgang mit Hunden nicht gewohnt und zum Teil verbinden sie negative, beängstigende Erlebnisse mit Hunden.
Auf der anderen Seite sind jedoch auch gegenteilige Verhaltensweisen zu beobachten. Denn manche Kinder zeigen ein eher distanzloses Verhalten Tieren gegenüber und suchen sehr viel Nähe und Körperkontakt. Auch dieses Verhalten lässt darauf schließen, dass die Bedürfnisse und ein artgerechter Umgang mit Tieren nicht bekannt und geübt sind. Daher besteht Bedarf, den Schüler*innen Fachkompetenzen hinsichtlich der Bedürfnisse und des artgerechten Kontakts und Umgangs mit dem Hund zu vermitteln (vgl. Greiffenhagen, Buck-Werner, 2018, S. 84). Dies beinhaltet auch, dass Ausdrucksverhalten des Hundes zu verstehen und adäquat darauf zu reagieren.
6.1 Praxisbeispiele zum Einsatz von Schulhunden
Die folgende Tabelle verdeutlicht die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in der (Schul-) Praxis und der Sozialen Arbeit an Schulen:
Physische &
Physiologische
Wirkungen
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Körperkontakt, entspannte Interaktion, Beruhigung, Bewegung an der frischen Luft
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Kognition
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Anregung des Gedächtnisses, Austausch und Gespräch, Motivation, Konzentrationsfähigkeit, Kurz- und Langzeitgedächtnis, logisches Denken, Problemlösungsstrategie, Handlungsplanung, Analysefähigkeit
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Emotionale Stabilität
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Akzeptanz, Zuwendung, Bestätigung, Trost, Ermunterung, Zärtlichkeit, Begeisterung, Abbau von Ängsten und Unsicherheiten, Frustrationstoleranz
Sozialverhalten: Rücksichtnahme, Regeleinhaltung, Kontaktverhalten, Zuwendung, Hilfsbereitschaft, Integration/Inklusion, Zusammengehörigkeitsgefühl, Konfliktlösung, Pflichtbewusstsein, Sensibilisierung für die Bedürfnisse Anderer
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Selbstbild/Selbstwert
/Selbstbewusstsein
Selbstsicherheit
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konstante Wertschätzung, Gefühl gebraucht zu werden, Verantwortung übernehmen, Bewältigungskompetenz, unbedingte Akzeptanz, konstante und kontinuierliche Zuneigung, unkritische Bewunderung, unbedrohliche und belastungsfreie Kommunikationsphasen
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Selbst und
Umweltkontrolle
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Kontrollerfahrung in Pflege, Versorgung, Kontrollerfahrung in Führung und Gehorsam, Erfordernis der Selbstkontrolle, Kompetenzerfahrung, Zutrauen, Vermittlung von Bewältigungskompetenz
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Stressreduktion, Beruhigung,
Entspannung
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Wahrnehmungs- und Interpretationsveränderung von Belastung, gelassenere Stressbewertung, Trost und Beruhigung, Aufwertung kleinerer Freuden, Entspannungsmöglichkeiten
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Soziale Integration
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Erfüllung von Bedürfnissen nach Zusammensein, Geborgenheit, Erfahrung von Nähe, Erfahrung von Gemeinsamkeit, nicht alleine sein, Vertrauen und Geborgenheit, Verantwortungsbewusstsein, Aufheben sozialer Isolation, Förderung des Kontaktverhaltens, Eisbrecher-Funktion
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Regressions- und Entlastungs-
Möglichkeiten
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Ermöglichung offenen emotionalen Ausdruckes, Erinnerungsmöglichkeiten, Identifikationsmöglichkeiten, Spontaneität und Freude erleben, Hund als sozialer Katalysator von Entspannung und Zufriedenheit
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Interesse und Aufmerksamkeit
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Ansprechbarkeit, Vermehrtes Reagieren auf Außenreize, Fokussierung der Aufmerksamkeit, längere Zeit bei einer Aufgabe bleiben, Aufgaben selbständig zu Ende bringen
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Wahrnehmung
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Visuell, taktil, auditiv, propriozeptiv, vestibular, olfaktorisch, Verbesserung der Wahrnehmungsqualität, Verbesserung der Wahrnehmungsdifferenzierung
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Motorik
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Spaß an Bewegung, Grobmotorik, Feinmotorik, Veränderung in Tonus und Haltung, Koordinationsfähigkeit, Handlungsplanung und Handlungssteuerung
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Lern- und Arbeits-
verhalten
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Lärmprävention, Sorgfalt und Ordnung, Selbständigkeit/Kreativität, Lern- und Anstrengungsbereitschaft, Ruhe und Entspannung, Verringerung der Aggressionsbereitschaft, Eigenverantwortung, planvolles, strukturiertes Handeln
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Kommunikation
Interaktion
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Soziale Nähe, Initiieren von Sozialkontakten verstärken, Bemühen sich körpersprachlich, sprachlicher Ausdruck, Einsatz von Mimik und Gestik, Kommunikationsfähigkeit
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Tabelle 2: Überblick über die speziellen Wirkungsweisen durch den Schulhund. Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Schulhundkonzept des Gymnasium Athenaeum Strade, S. 9-13.
Im Weiteren werden einige Beispiele der Praxis näher erläutert:
Konzentrationstraining mit Hund für Kinder mit ADHS/ADS
Frau Professor Christine Ettrich (Professorin und Fachärztin für Kinder und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie an der Universität Leipzig) entwickelte Ende der 1990er Jahre ein Konzentrationsprogramm zu einem tierintegrierten, verhaltenstherapeutischen Programm für Kinder mit ADHS-Symptomatik (vgl. Saumweber, 2017). Das Programm wird momentan im Rahmen der ambulanten und teilstationären Behandlung von betroffenen Kindern am Klinikum Aschaffenburg umgesetzt. Die Therapiegruppe besteht aus vier bis fünf Kindern im Grundschulalter mit der Diagnose ADS/ADHS, die zweimal in der Woche über einen Zeitraum von fünf Wochen in diesem Projekt arbeiten (vgl. ebd.). Das Ziel ist es, dass die Kinder in die Lage versetzt werden, ihre Aufgaben selbständig zu organisieren und ihre Leistungen realistisch einzuschätzen. Durch positive Lernerfolge in diesem Programm soll Schulfrust abgebaut werden (vgl. ebd.). Die Hunde wirken entspannend auf die Atmosphäre des Trainings. Sie dienen als Verstärker, mit dem die Kinder einerseits zur Teilnahme und andererseits zur Durchführung der Konzentrationsaufgaben motiviert werden sollen (ebd.). Verschiedene Spiele und Aufgaben werden gemeinsam mit dem Schulhund durchgeführt. Bereits nach der Hälfte des Trainings waren positive Effekte feststellbar. Die Eltern berichteten, dass es zu einer positiven Kommunikation im häuslichen Umfeld bezüglich des Themas „Hundes“ kam, ein Phänomen, was nicht zu unterschätzen ist, da die Kommunikation zu Hause mit ADHS-Kindern oft eher von zahlreichen Konflikten begleitet wird (ebd.). Daneben konnten die Kinder die Aufgaben strukturierter lösen. Im Bereich Wahrnehmung gab es auch positive Effekte, die in den schulischen Alltag übertragen werden konnten (vgl. ebd.). Eine ähnliche Umsetzung im schulischen Kontext durch geschulte Fachkräfte kann die Fördermöglichkeiten für betroffene Kinder deutlich erweitern.
Hunde in der Lese- und Sprachentwicklung
Das Projekt LESEMUT wurde seit Frühjahr 2008 im Bereich der tiergestützten Pädagogik von der Forschungsgruppe „Mensch und Tier“ wissenschaftlich begleitet. LESEMUT ist ein auf Freude beruhendes und durch besonders trainierte Tiere beruhendes Programm zur Steigerung der Lese- und Sprachfähigkeit von Kindern. LESEMUT setzt Hunde ein, die Eigenschaften wie ruhiges Temperament und Freunde am Umgang mit Kindern haben und zusätzlich entsprechend trainiert werden (vgl. Friedrich-Alexander-Universität Erlangen/LESEMUT, 2017). Die Anwesenheit des Hundes erzeugt eine motivierende Atmosphäre, so dass die Kinder die Scheu vor der Kommunikation verlieren. Sie unterhalten sich mit dem Hund, lesen ihm vor oder sprechen untereinander über den Hund. Insgesamt werden acht unterschiedliche Bücher gelesen (vgl. ebd.). Die Teilnehmerzahl ist auf zwölf Kinder im Alter von 9-11 Jahren begrenzt. Eine erste Lesekompetenz der Kinder sollte vorliegen. Da die Altersgruppe das Ende der Grundschulzeit erreicht und vor Beginn der weiterführenden Schule steht, ist die Sprach- und Lesekompetenz von enormer Bedeutung (vgl. ebd.).
Hunde in der sozialpädagogischen Arbeit der Schule
Das Projekt „Wir schaffen es, Bello! Gemeinsame Abenteuer auf dem Hundespielplatz“ wurde von Sabrina Jez und Nicole Schmid im Rahmen konzipiert. Die Zielgruppe dieses Projektes waren verhaltensauffällige Kinder im Alter von zehn bis 13 Jahren. Das Projekt wurde von der Forschungsgruppe Mensch-Tier wissenschaftlich betreut (vgl. Jez/Schmid 2017). Das Projekt ist für drei bis vier Kinder ausgerichtet, die durch zwei pädagogische Fachkräfte mit Hundeerfahrung betreut wurden. Zusätzlich bestand eine Kooperation mit dem Tierheim Erlangen, welches geeignete Hunde und einen Hundeplatz zur Verfügung stellte (vgl. ebd.). Das wöchentliche Training fand mit wechselnden Hunden statt (vgl. ebd.). Die Kinder konnten sich sehr gut darauf einstellen und mit den individuellen Eigenheiten der Hunde umgehen. Die Kinder arbeiteten drei aufeinander folgende Projektstunden mit dem gleichen Hund (vgl. ebd.). Eine Förderung dieser Art ist im schulischen Kontext ist beispielsweise durch die Schulsozialarbeit oder pädagogische Fachkräfte, die tiergestützt arbeiten, denkbar.
6.2 Der Einsatz von Schulhunden im Förderunterricht
Verschiedene Fördereinheiten im Bereich Mathematik, Deutsch und Lesen sind mit Schulhunden umsetzbar. Durch die Anwesenheit des Hundes entsteht eine entspannte und offene Lernatmosphäre, in der Kinder das Gefühl haben sich frei entfalten zu können (vgl. Reiter, 2021). Die Inhalte dieser Förderstunden richten sich nach dem Wissenstand der Kinder und müssen vorab individuell erstellt werden. Nebenbei üben Kinder den richtigen Umgang mit dem Hund und erwerben so soziale Kompetenz (vgl. ebd.).
Beispiele für Fördereinheiten (üben, wiederholen und festigen)
- Grundrechenarten
- Maße, Gewichte und Längeneinheiten
- Geldwerte und Beträge
- Präpositionen, Subjekt, Prädikat, Objekt
- Zeitformen
- Wortarten: Verben/Verbformen, Nomen und Adjektive (u.v.m.) (vgl. ebd.)
Im Bereich der Wahrnehmungsförderung kann das Kind durch gezielte Beobachtungsaufgaben in seiner visuellen Wahrnehmung geschult werden. Das bewusste Erkennen der Beschwichtigungssignale des Hundes hilft auch Mimik und Gestik bei Menschen besser wahrzunehmen (vgl. Zinganell 2017, S. 7). Der Bereich der taktilen Wahrnehmung wird durch das Streicheln und Bürsten des Hundes gefördert. Die unterschiedliche Fellbeschaffenheit trägt ebenfalls zur Förderung diesen Wahrnehmungsbereiches bei.
Im Förderbereich Deutsch steht die Kommunikationsfähigkeit im Vordergrund. Die Kommunikation mit dem Hund erhöht die Gesprächsbereitschaft zurückhaltender Kinder. In der Sprachförderung von Kindern mit Migrationshintergrund ergeben sich natürliche und sehr motivierende Gesprächsanlässe (vgl. ebd., S. 8).
Der Hund ist auch ein Motivator im Bereich Mathematik. Neben den bereits oben beschriebenen Förderinhalten, können Alltagssituationen mathematisiert werden, z.B. das Abwiegen und Ausrechnen von Futtermengen, Wassermengen und Kostenermittlung der Hundehaltung. Daneben ist der Förderunterricht mit Hund wesentlich motivierender, als der reguläre Förderunterricht (vgl. ebd., S. 9).
6.3 Tiergestützte Arbeit mit geistig behinderten Kindern und Jugendlichen
Der Einsatz mit dem Therapiehund löst bei Kindern und Jugendlichen mit einer Behinderung viele therapeutische Prozesse aus. Die Zusammenarbeit mit dem Hund kann so motivierend sein, dass die basale Stimulation auf eine spielerische und dadurch unterschwellige Art befördert wird (vgl. Taut/Schmitz-Philipp, 2021). Beim Lösen von individuell angepassten Aufgaben werden die Koordination, kognitive Fähigkeiten und Konzentration geschult. Daneben begegnet der Hund den Kindern und Jugendlichen mit Behinderung ohne jegliche Bewertung seiner/ihrer geistigen und körperlichen Situation (vgl. ebd.). Auch Kinder und Jugendlichen (sowie Erwachsenen) mit einer Sehbehinderung können durch den Therapiehund förderliche Anreize und Impulse erfahren. Therapiehunde können darüber hinaus in verschiedenen therapeutischen Settings als Co-Therapeut eingesetzt werden (vgl. ebd.). Ferner gibt es die tiergestützte Kurzzeittherapie, die eine Verbindung zwischen Mensch und Tier schafft. Die tiergestützte Therapie geht von dem Wunsch des Kindes/Jugendlichen nach dem Kontakt zu einem Tier und gemeinsamen Aktivitäten aus (vgl. Stephan, 2020). Das Kind darf in der Regel frei wählen, mit welchem Tier es zusammen sein möchte. Das betreute Team besteht hier aus Sozialpädagog*innen, Physiotherapeut*innen, Ergotherapeut*innen, Psycholog*innen und Tiertrainer*innen (vgl. ebd.). Die tiergestützte Kurzzeittherapie richtet sich vor allem an Familien mit Kindern und Jugendlichen, die hochgradige Kommunikations- und Kontaktstörungen und körperliche Einschränkungen aufweisen (vgl. ebd.). Während der Tiergestützten Kurzzeittherapie wird das Kind/Jugendliche mit Behinderung von einer Sozialpädagog*in und Ergotherapeut*in begleitet, die klientenzentriert arbeiten (vgl. ebd.). Der Ablauf gestaltet sich so, dass das Kind/der Jugendliche vormittags eine 45-minütige Therapieeinheit mit dem Hund erfährt. Die Auswahl des Therapiehundes hängt vom Behinderungsbild, Charakter, Interesse und Wunsch des Kindes/Jugendlichen ab (vgl. ebd.). Die Therapieeinheiten mit dem Kind/Jugendlichen werden auf Video aufgenommen und nachmittags mit den Eltern besprochen (ebd.). Dies bietet die Möglichkeit zu ergründen, wie das Kind im direkten Kontakt mit dem Tier reagiert. Die Eltern können hier mehr über die Emotionalität und sozialen Interaktionen ihres Kindes/Jugendlichen lernen. Daneben gibt es zusätzliche Abende zum Austausch mit anderen Familien (vgl. ebd.).
7. Zusammenfassung und Diskussion: Herausforderungen und Chancen beim Einsatz von Hunden in der Schule
Im Rahmen des Beitrages werden neben den zentralen Begrifflichkeiten tiergestützter Interventionen und die positiven Wirkmechanismen durch den Einsatz von Tieren, die Möglichkeiten der Einführung eines Hunds in den schulischen Kontext dargestellt. Dabei werden insbesondere die Voraussetzungen der tiergestützten Arbeit in den Blick genommen, um die Arbeit für Tier und Mensch gewinnbringend gestalten zu können. Wenn die Voraussetzungen erfüllt werden können, bietet die Arbeit mit Tieren im schulischen Kontext zahlreiche Fördermöglichkeiten, wie die Praxisbeispiele verdeutlichen.
Doch nicht jeder Hund, welcher gutmütig ist, ist für den Einsatz als Schulhund geeignet. Die charakterliche und physische Eignung des Hundes ist genauso wichtig wie Gehorsamsausbildung und sehr gute Bindung an den Halter/die Halterin. Natürlich gibt es nicht den perfekten Schulhund, denn wie auch jeder Mensch hat auch jeder Hund Stärken und Schwächen (vgl. Schulhundkonzept des Gymnasium Athenaeum Strade, S. 4-6). Der oder die Hundeführer*in muss seinen/ihren Hund kennen und wichtige Kommunikationssignale seines/ihres Hundes lesen und deuten können, um kritische Situationen im Arbeitsfeld Schule vermeiden zu können. Bei einem Einsatz entsprechend der Stärken des Hundes, können positive Effekte entstehen. Ein Hund, der gestresst und verunsichert ist, birgt nicht nur eine Gefahr im Schulalltag, sondern es entspricht auch einer Tierschutzmissachtung. Die Schüler und Schülerinnen dürfen nicht alleine mit dem Hund agieren. Wie in einem Menschenleben durchläuft auch ein Hund verschiedene Phasen, die durch Erlebnisse und Ereignisse geprägt sind, so dass auch ein Hund nicht ein Leben lang für den Schuldienst geeignet ist (vgl. ebd.).
Es gibt vielfältige Wirkungsweisen eines Schulhundes (physiologische, psychologische, psychologische und emotionale, soziale und sonderpädagogische Wirkungen), die natürlich nicht alle gleichzeitig zutreffen. Die Wirkungsweise wird von der entsprechenden Lehrkraft oder Schulsozialarbeiter*in phasenweise und individuell eingesetzt bzw. ausgewählt (vgl. ebd., S. 8).
Hinsichtlich der Umsetzbarkeit des tiergestützten Einsatzes im Arbeitsfeld Schule bleibt zudem anzumerken, dass der Zeitaufwand für den schulischen Kontext, insbesondere im Rahmen der Einzelförderung, recht hoch ist und dieser ggf. nicht immer möglich sein wird.
Ein weiterer Diskussionspunkt ist der Einsatz verschiedener Tierarten im schulischen Kontext. Hat sich der Schulhund inzwischen in der Schule recht gut etabliert, ist der Einsatz anderer Tiere häufig kein Thema. Es stellt einen hohen zeitlichen, organisatorischen und z.T. auch finanziellen Aufwand dar, wenn Tiere in der Schule leben. Hier wäre ein mobiler Einsatz der Tiere denkbar. Entweder, indem ausgebildete Pädagog*innen ihre eigenen Tiere in der Schule punktuell einsetzen, oder durch die Kooperation mit einer außerschulischen TGI-Einrichtung.
Der Einsatz von Tieren im schulischen Kontext ist trotz der gennannten kritischen Punkte sehr lohnenswert und übersteigt aufgrund der vielfältigen Wirkungs- und Fördermöglichkeiten den Aufwand, der erforderlich ist, um tiergestützt arbeiten zu können. So sind die Chancen der Förderung und positiven Wirkungen durch ihre Vielfalt ein großer Gewinn für die pädagogische Arbeit.
Endnoten
[1] Weitere ausführliche Erklärungen zu den Wirkmechanismen tiergestützter Interventionen sind u.a. bei Julius et al. (2014) nachzulesen.
[1] Implementierungshilfen für das Land Rheinland-Pfalz sind zu finden unter: https://lms.bildung-rp.de/schulhund-rlp/
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Positive Effekte der Mensch-Tier-Interaktion. 4
Abbildung 2: Voraussetzungen der Tiergestützten Arbeit. 5
Abbildung 3: Fördermöglichkeiten durch tiergestützte Interventionen. 10
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Klärung der Einsatzmöglichkeiten eines Schulhundes. 7
Tabelle 2: Tabelle Überblick über die speziellen Wirkungsweisen durch den Schulhund. 11
Autorinnen
Janine von Zabern, (Dr. Phil.), Jahrgang 1977, wohnhaft in Koblenz, Diplom Erziehungswissenschaftlerin mit den Schwerpunkten Sozialpädagogik und Pädagogik der frühen Kindheit, Promotion zum Thema Scheidungsbewältigung im Kindesalter. Weiterbildung zum Systemischen Coach, Erlebnispädagogin, Therapiehunde-Ausbildung im Mensch-Hund-Team, Fachkraft für Tiergestützte Intervention.
Berufserfahrung in verschiedenen Feldern der Sozialen Arbeit (Offene Kinder- und Jugendarbeit, Schulsozialarbeit, Leitung einer außerschulischen Bildungseinrichtung), Mitarbeit in zahlreichen universitären und hochschulischen Forschungsprojekten und seit 2004 in der universitären / hochschulischen Lehre tätig.
Christine Jilg, Jahrgang 1978, wohnhaft in Köln, Dipl.-Sozialpädagogin/Dipl. Sozialarbeiterin (FH), Klinische Sozialarbeiterin (M.A.), systemische Beraterin (i.A.), Fachwirtin für Organisation und Führung (Schwerpunkt Sozialwesen), Erzieherin. Berufserfahrung in verschiedenen Feldern der Sozialen Arbeit (Schulsozialarbeit, Frühe Hilfen, Kindergartenpädagogik, Heimpädagogik, Frühe Hilfen für Familien, zur Zeit beschäftigt als sozialpädagogische Fachkraft in der Schuleingangsphase / Schulkindergarten), in der hochschulischen Lehre tätig.