Freya Pausewang
Sozialkompetenzen entsprechen dem Bedürfnis des Kindes. Kinder entwickeln sie von sich aus, benötigen aber Unterstützung und Hilfe durch die Erwachsenen. Ausgewogene Sozialkompetenzen machen Kinder im Miteinander glücklich. Nicht nur das! Verinnerlichte Sozialkompetenzen stärken die Kinder für spätere Herausforderungen, wenn sie um die Mitte des Jahrhunderts erwachsen sein und die gesellschaftlichen Geschicke mitbestimmen werden. Mehr noch: Der politische Blick auf Sozialkompetenzen in der Bildung könnte ein Stein im Bauwerk einer veränderten Weltpolitik werden, die nicht mehr nur die Gegenwart verwaltet, sondern die Zukunft gestaltet.
Was ist unter Sozialkompetenzen zu verstehen?
Sozialkompetenzen sind Fähigkeiten und Einstellungen, die im Sinne des Miteinanders, also der Kooperation, nützlich sind. Sie können nicht mit gleicher Genauigkeit erfasst werden wie viele der anderen Fachkompetenzen, etwa der Mathematik oder Grammatik.
Es gibt unzählige Sozialkompetenzen. Beispiele: Kontakt aufnehmen, vor-, mit-, und nachmachen, andere begeistern, gemeinsam etwas erstellen, sich gegenseitig wertschätzen, andere integrieren, Konflikte bearbeiten, Probleme miteinander lösen, Ideen gemeinsam entwickeln, Verantwortung für die Gemeinschaft übernehmen - und vieles mehr.
Jede einzelne Fähigkeit kann sehr unterschiedlich geäußert werden. Dabei ist der Umgang miteinander nicht grundsätzlich für alle Betroffenen entwicklungsfördernd. Ein Beispiel: Anderen zu helfen ist als solches eine empfehlenswerte Fähigkeit. Sie kann aber auch ungünstig wirken. Das geschieht beispielsweise,
- wenn der Helfende nicht berücksichtigt, dass er diejenigen, denen er hilft, dadurch in ihrer Entwicklung ungünstig beeinflusst (wenn z.B. das Kind, dem geholfen wird, sich selbst nicht anstrengen mag),
- wenn der Helfer sein eigenes Selbstwertgefühl vorrangig von seiner Hilfsbereitschaft ableitet (Helfersyndrom) oder
- wenn der Helfende gar nicht wirklich helfen will, sondern mit der Bereitschaft zu helfen eigene Interessen verfolgt, etwa (Spiel-) Kameraden braucht, die sich unterordnen oder die "zuarbeiten".
Genauso kann zum Beispiel eine Konfliktbearbeitung nur zum eigenen Vorteil geregelt werden, oder ein Kind nutzt die Spielführung nur als "Bestimmer", ohne die Wünsche der mitspielenden Kinder zu beachten.
Kinder äußern Sozialkompetenzen im Miteinander mit anderen, in der Kita im Zusammenleben in der Gruppe, in der Familie mit Erwachsenen und Geschwistern, in jedem Zusammensein mit anderen. Wenn Kinder sich sicher fühlen, gehen sie mit Interesse auf andere zu.
Die Richtung seiner Sozialkompetenzen, etwa kooperierend oder mehr konkurrierend, übernimmt das Kind vor allem von seinen wichtigen Bezugspersonen, aber auch von den vielfältigen Anregungen durch die gesellschaftliche Umwelt.
Zum Aufbau einer starken Persönlichkeit tragen gut entwickelte Sozialkompetenzen deutlich bei. Damit Kinder Sozialkompetenzen so entwickeln, dass sie ihren Persönlichkeitsaufbau stärken, aber zugleich auch andere möglichst nicht in ihrer Entwicklung beeinträchtigen, benötigen die Kinder eine sensible und verantwortungsvolle pädagogische Begleitung. Der bewusste pädagogische Einfluss beginnt in der Familie, braucht in der Kita als erster regelmäßig besuchter Bildungsstätte mit gleichberechtigten Gruppenmitgliedern eine besonders sensibel wahrgenommene und umgesetzte Pädagogik und setzt sich in den folgenden Bildungseinrichtungen weiter fort.
Um Sozialkompetenzen wirklich sozial auszurichten, muss die Schule sich allerdings deutlich verändern. Beispiele für eine stärker sozial und kooperativ ausgerichtete Schule entstehen zurzeit langsam, aber zunehmend. Schließlich könnten sozialer ausgerichtete Sozialkompetenzen auch die (globale) Politik beeinflussen, die trotz Wissen um die todbringenden Krisen mit "Weiter-so-wie-bisher" zu wenig an die Gestaltung der global überaus krisenbelasteten Zukunft denkt.
Bedeutung der Sozialkompetenzen für die Gegenwart des Kindes
Wie bereits gesagt: Soziale Kompetenzen unterstützen das Miteinander, die Kooperation. Seit einigen Jahren wissen Psychologie und Hirnforschung, dass der Mensch die Fähigkeit zur Kooperation von Geburt an mitbringt (Tomasello 2010; Hüther 2011, 2015). Selbst zweijährige Kinder können Mitgefühl empfinden, sie können andere zu trösten versuchen, sie nehmen Kontakt mit anderen auf und wollen schon sehr früh kooperieren, das heißt, etwas gemeinsam mit anderen gestalten oder unternehmen. Kinder sind glücklich, wenn sie eine Idee einbringen, die von anderen übernommen wird. Spielführung übernehmen die meisten Kinder gern.
Sozialkompetenzen entsprechen dem Bedürfnis des Menschen und auch bereits dem Bedürfnis des Kita-Kindes. Neben dem Wunsch zu wachsen, das heißt, die Welt zu verstehen und das Können zu erweitern, ist das zweite große Bedürfnis von Kindern (und von Erwachsenen), sichere soziale Beziehungen zu haben. Menschen sind aufeinander angewiesen. Sie brauchen einander. Der Neurologe Gerald Hüther (2011, S. 107) sagt: Menschen (auch Kinder) sind dann besonders glücklich, wenn sie die beiden Grundbedürfnisse zur gleichen Zeit stillen können, nämlich wenn sie in der Beziehung mit anderen über sich hinauswachsen. Das geschieht, wenn Kinder im Spiel Gedanken, Ideen oder kooperierende Handlungen einbringen und die anderen fangen sie auf und beziehen sie ein. Kinder machen sich gegenseitig glücklich. Sie lernen ganz von allein, miteinander umzugehen und ihr kooperierendes Handeln zu erweitern.
In der Kita leben die meisten Kinder zum ersten Mal regelmäßig in einer Gruppe mit gleichberechtigten Gruppenmitgliedern in ähnlichem Alter. Der Besuch der Kita bedeutet für viele Kinder durch den Schritt von der Familie in das Miteinander mit gleichberechtigten Gruppenmitgliedern und den gegenseitigen Einfluss einen großen Schritt in die Öffnung der Welt - ein Schritt so groß in der Erweiterung ihrer Welt und ihrer Handlungsmöglichkeiten, wie er später im Leben wohl kaum noch einmal vorkommt. Da die so wichtigen Sozialkompetenzen eine sensible Be(ob)achtung und einen einfühlsamen und durchdachten pädagogischen Einfluss benötigen, muss die Kita von den Entscheidungsträgern ernster genommen und mit einem besseren Personalschlüssel versorgt werden.
Wenn für das Kind dieser erste Schritt in die gleichberechtigte Gemeinschaft mit Wohlgefühl verbunden ist, bringt das nicht nur Freude im Hier und Jetzt für das Kind, sondern weit mehr.
Bedeutung der Sozialkompetenzen für die individuelle und gesellschaftliche Zukunft
Freudiges Miteinander und die gegenseitige Bestärkung und Begeisterung in der Kita wird das Kind später in andere Gemeinschaften, auch in die Schule, mitnehmen. Mag sein, dass das Wohlgefühl dort verloren geht, aber es wird wieder leichter zu wecken sein, denn die Kita war der Beginn des regelmäßigen Zusammenlebens mit Altersgenossen und hat eine Basis gelegt. Die Kinder werden später leichter Kontakte aufnehmen, sich in Gemeinschaften leichter wohlfühlen und (immateriell) geben und nehmen können. Sie werden sich bei schwierigen Herausforderungen leichter Hilfe holen können. Die erste wegweisende Basisbildung der Sozialkompetenzen und der Persönlichkeitsentwicklung außerhalb der Bildung in der Familie geschieht fast immer in der Kita.
Abgesehen vom individuellen Lebensweg des Kindes haben die Sozialkompetenzen eine überaus breite Bedeutung für die globale gesellschaftliche Zukunft. Kinder in einer guten Kita haben Partizipation (Mitbestimmung) erlebt und die Kita-Gemeinschaft selbst mitgestaltet. Wenn die späteren Bildungseinrichtungen Mitbestimmung deutlich weiterführen, könnten politisches Interesse und politische Beteiligung bei Jugendlichen zunehmen. Jugendliche dürften dann Voraussetzungen haben, um ihr Wir-Denken auch global aufzufassen und demokratische Mitverantwortung mit dem Blick auf die Krisenbewältigung der globalen gesellschaftlichen Zukunft zu entwickeln.
Was ist mit gesellschaftlicher Zukunft gemeint?
Wir - die Menschen - wissen, dass wir vor globalen Krisen stehen, die in dieser Form noch nie existiert haben: Wir beschädigen die Bewohnbarkeit für den Menschen auf unserer gemeinsamen Heimat, dem Planeten Erde. Konkret äußert sich die krisenbeladene Zukunft neben der so schwer in den Griff zu bekommenden Klimakrise im zu großen Verbrauch mineralischer und lebender Ressourcen und in dem ungerechten Miteinander der Nationen. Zu Letzterem gehören vor allem unfaire Handelsverträge, zu denen die reichen Industrieländer arme Länder zwingen, unfaire Ausbeutung von Ressourcen in den armen Ländern durch die Großkonzerne der reichen Länder und eine völlig ungleiche Verteilung der lebensnotwendigen - und nicht lebensnotwendigen - Güter.
Darüber hinaus bevorzugt das Schicksal ausgerechnet die Länder auf der nördlichen Erdhälfte. Das sind genau diejenigen Länder, die die Umweltschäden vorrangig verursachen. Folgen des hohen Konsums und der sozialer Ungerechtigkeit zeigen sich viel stärker in den Ländern der südlichen Erdhälfte. Landflächen werden durch Trockenheit oder Überschwemmungen unfruchtbar. Flüchtlinge strömen zunächst als Binnenflüchtlinge vom Land in die Slums der Städte, seit Jahren auch in die weniger betroffenen Länder auf der Nordhalbkugel des Planeten. Kämpfe, Kriege und Terror nehmen zu.
Schuld daran ist vor allem der hohe Konsum in den Industrieländern. Trotz dieses Wissens sind wir nicht in der Lage, unseren Konsum zu reduzieren. Warum nicht?
- Weil der Konsum Freude macht,
- weil die Konzerne ihn uns werbend und verlockend zur Verfügung stellen (während die Menschen in armen Ländern darben),
- weil wir im gesellschaftlichen Strom mitschwimmen (jeder macht das, was alle tun) und
- weil die Politik nur dann Veränderungen durchsetzen kann, wenn der größte Teil der Bevölkerung dahinter steht, denn sonst würden die entsprechenden Parteien nicht mehr gewählt. Kurze Wahlperioden sind zudem ein Hemmnis für zukunftsorientierte Politik, weil sie die Vertreter/innen der politischen Parteien veranlassen, nur kurzfristig zu denken, denn sie wollen wiedergewählt werden.
Weil Demokratie erhalten bleiben muss, bedeutet das, dass das Wahlvolk sozial gerechteres Denken und Handeln entwickeln muss.
Zurück zum Thema "Sozialkompetenzen in der Kita": Was haben diese ungelöste globale Problematik und der schädliche hohe Konsum mit Sozialkompetenzen in der Kindheit zu tun?
Sozialkompetenzen bieten eine Quelle für Wohlgefühl und stärken für Herausforderungen
Wenn uns Konsum Freude macht, auch solcher Konsum, der nicht lebensnotwendig ist, dann können uns vielleicht andere Quellen für Wohlgefühl helfen, unnötigen Konsum zu reduzieren. Das immaterielle (nicht materielle) Geben und Nehmen in Gemeinschaften kann dem Einzelnen viel Daseinsfreude vermitteln. Echtes und anhaltendes Glücklichsein geschieht nicht oder nur selten durch materiellen Besitz (vorausgesetzt, die Grundbedürfnisse wie Ernährung, Kleidung, Wohnung, Wärme und gesellschaftliche Teilhabe sind befriedigt). Das Sein erfüllt den Menschen, auch Kinder, ganz anders mit Lebenszufriedenheit als das Haben. Wir wissen, dass psychische Mangelerlebnisse, vor allem Mangel an verlässlichen Beziehungen, massive Entwicklungsschäden beim Kind verursachen und seine Resilienz (Widerstandkraft) schwächen.
Zudem bedeutet Freude am Konsum oft gar nicht die Lust am Gegenstand selbst. Der neue Gegenstand erzeugt bei vielen Menschen ein Hochgefühl durch die erwartete Anerkennung von Menschen aus der Umwelt, etwa beim Kauf eines schicken Kleidungsstücks oder eines Autos. Die Freude am materiellen Besitz hat also auch mit den sozialen Kompetenzen, nämlich der gegenseitigen Anerkennung und vielleicht auch der gegenseitigen Zuwendung und Freundschaft, zu tun. Deshalb: Das Miteinander in überschaubaren Gruppen, die Freude durch immaterielles Geben und die emotionale Nähe durch das Teilen und Erhalten können immerhin einen Teil der Freude durch Konsum ersetzen.
Davon abgesehen wird das wackelige Selbstwertgefühl durch das Haben (des Kleidungsstücks oder des Autos) bei ausgeglichenen Sozialkompetenzen deutlich durch überzeugtes Selbstwertgefühl des Seins ersetzt, nämlich durch das Miteinander, durch Zuwendung und emotionales Geben bei gemeinsamen Aktionen. Herausforderungen werden auch leichter angenommen und bewältigt, wenn man sich von Freunden emotional unterstützt empfindet, wenn man in Gruppen handelt oder sich durch Gruppen gestärkt fühlt.
Ein gutes Selbstwertgefühl trägt zur Entwicklung einer starken Persönlichkeit bei - einer Persönlichkeit, die Herausforderungen annimmt und die gegen den gesellschaftlichen Strom schwimmen kann. Dabei übernimmt eine kooperativ ausgerichtete Persönlichkeit nicht nur Verantwortung für eigenes, sondern auch für gemeinsames Handeln.
In der frühen Kindheit entsteht die Basis für solch eine Persönlichkeit, und das geschieht vor allem durch pädagogisch unterstützte Sozialkompetenzen.
Sozialkompetenzen bilden das Fundament für den Aufbau der Persönlichkeit
Im deutschen Sozialgesetzbuch wird das Ziel der Erziehung und Bildung so formuliert: "Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit" (§ 1 SGB VIII).
Was ist das für eine Persönlichkeit, die im deutschen Gesetz gefordert wird? Nicht eine wissensreiche, sondern eine eigenverantwortliche und gemeinschaftsfähige Persönlichkeit! Zur Eigenverantwortlichkeit: Sie wird durch Sozialkompetenzen unterstützt und aufgebaut: Kinder nehmen mit ihren sozialen Kompetenzen andere wahr, etwa wenn sie helfen, trösten, oder sonst wie kooperieren. Dabei ist es ein Ziel, dass sie selbst entscheiden und verantworten, wie sie handeln, und sich nicht nur nach Vorgaben von oben richten: Wenn sie sich beispielsweise um ein Spielzeug streiten, soll jeder auch die Interessen des anderen berücksichtigen und als Ziel das auch eigenverantwortlich schaffen. Später wird die Eigenverantwortlichkeit breitere Bereiche anstreben.
Die Beachtung der dem Alter angemessenen eigenen Verantwortlichkeit ist eine der Funktionen, die die Erzieherin im Blick haben muss bei ihrer pädagogischen Begleitung. Darüber wird weiter unten noch einiges gesagt werden.
Das zweite Ziel der Erziehung im Sozialgesetzbuch ist die Gemeinschaftsfähigkeit der Persönlichkeit, also ebenfalls ein deutliches Ziel in Richtung Sozialkompetenzen. Gemeinschaftsfähigkeit ist geradezu deren Kern, denn Sozialkompetenzen sind Fähigkeiten und Einstellungen im Sinne des Miteinanders, im Sinne der Kooperation. Sozialkompetenzen gehören also zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.
Zu einer solchen starken Persönlichkeit gehört auch ein stabiles Selbstwertgefühl. Dieses entsteht vor allem durch die Anerkennung durch andere. Die Pädagogin Irene Klein (1992) formuliert das Bedürfnis des Menschen nach Anerkennung durch andere und die Entwicklung von Selbstwertgefühl so: "Menschen sind so angelegt, dass sie einander zu ihrem Mensch-Werden brauchen. Sie stehen so eng miteinander im Zusammenhang, dass einer aus der Zuwendung des anderen lebt. ... Wenn andere mit mir einverstanden sind, kann ich leichter mit mir einverstanden sein. Wenn andere mich wertvoll und wichtig finden, kann ich leichter an mich glauben. Kein Mensch kann wohl am Bewusstsein seines eigenen Wertes festhalten, wenn er nicht durch andere bestätigt wird" (S. 20 ff.). Es ist eben nicht das Materielle, das uns im Aufbau einer stabilen Persönlichkeit stärkt, sondern vor allem das soziale Miteinander.
An anderer Stelle sagt Irene Klein in ihrem Buch "Gruppenleiten ohne Angst": "Es ist eine Grundtatsache menschlichen Lebens, dass wir miteinander in enger Wechselbeziehung stehen, in wechselseitiger Abhängigkeit. Gleichzeitig sind wir zur Selbstbestimmung fähige, denkende Individuen. Beides ist immer gleichzeitig" (a.a.O., S. 25).
Da soziale Kompetenzen nichts mit kognitiver Intelligenz zu tun haben, sondern von Geburt an die soziale Entwicklung und den Aufbau der Persönlichkeit stärken - oder leider oft auch nicht - beeinflussen die frühen sozialen Erfahrungen in der Kita die Basisbildung der Persönlichkeit überaus stark, natürlich auch die Erfahrungen in der eigenen Familie.
Die Zukunft braucht allerdings nicht nur Menschen, die in ihrer direkten Umwelt eigenverantwortlich und gemeinschaftsfähig handeln, sondern Menschen mit einem globalen sozialen Verantwortungsgefühl, so etwas wie ein globales Wir-Denken.
In der Kita entsteht die Basis für globales Wir-Denken
In der Zeit des Kitabesuchs entwickelt das Kind die Wahrnehmung für die eigene Person: Das Kind gebraucht das Wort "Ich". Damit entsteht auch die Abgrenzung zum Du. Mit etwa vier bis fünf Jahren kommt das Wir dazu. Kinder fangen dann manchmal an, "Banden" zu bilden. Sie wollen das Wir erproben. Erzieher/innen bemühen sich in dieser Zeit oft, ihnen ein "Bandenkennzeichen" anzubieten: ein selbst hergestelltes Freundschaftsbändchen, eine Brosche oder weiße Kappen, die von Spielzeugfirmen vertrieben werden. Die Kinder bemalen dann in der Gruppe ihre Kappe mit Stofffarben, etwa die Kinder, die im kommenden Jahr in die Schule gehen werden. Erzieher/innen wollen damit das Wir-Denken unterstützen und zugleich vermeiden, dass Kinder teure Marken-Kleidungsstücke als Zeichen für die Zugehörigkeit von den "Bandenmitgliedern" fordern, etwa Schuhe oder Rucksäcke. Kinder, deren Eltern sich das nicht leisten können, wären dann ausgeschlossen - abgesehen von der unnötigen materiellen Ausrichtung.
Dieses Wir-Denken kann bei den älteren Kitakindern bereits über den eigenen Gartenzaun hinaus erweitert werden, etwa wenn sie die Gemeinde oder den Stadtteil erkunden und vielleicht dort aktiv werden. Sie können sogar für anonyme Menschen (und Tiere) und für Menschen in der Zukunft aktiv werden, beispielsweise, wenn sie für unbekannte Passanten die Umgebung ihrer Kita von Müll reinigen, wenn sie Regenwürmer vom trocken werdenden Asphalt retten, wenn sie Verschmutzung im Wald wahrnehmen und wenn sie bei einem Tümpel oder Parkplatz ein selbstgemaltes Schild mit durchgestrichenem Müll oder Öl anbringen. Dann ist der erste Schritt in ein globales Wir-Denken mit Einbezug der nächsten Generationen schon vorbereitet. Die einfühlsame Integration von Kindern mit Migrationshintergrund ist ein weiteres Thema, den Wir-Radius schon in der Kita zu erweitern.
Es muss den Industrieländern gelingen, eine global kooperativere Wirtschaft zu entwickeln, etwa
- durch gerechtere Handelsverträge,
- durch das Beenden von egoistischem Ausbeuten der Ressourcen in schwachen Ländern durch Konzerne, die aus den Industrieländern kommen, und
- durch Hilfe zu ehrlichem und ökologisch sauberem Aufbau von Wirtschaft in den arm gemachten Ländern.
Erst dann werden Chancen entstehen, dass Kämpfe, Krieg, Terror und Flüchtlingsströme abnehmen.
Ein entsprechendes nationales und internationales Handeln setzt voraus, dass der Großteil der wählenden Bevölkerung eine solche gerechtere Politik will, denn auf Demokratie kann nicht verzichtet werden. Sozialkompetenzen mit dem Blick auf eine Globalisierung des Wir-Denkens können - wenn diese Denkrichtung in der Schule fortgesetzt wird - vielleicht dazu beitragen, später ein gerechteres und friedlicheres internationales Miteinander in breiteren Bevölkerungskreisen zu verankern. Das wird aber eben nur dann geschehen, wenn die Mehrheit der Bevölkerung in den Industriestaaten aus starken, eigenverantwortlichen und global-gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten besteht und sich nicht nur auf die Gegenwart einstellt, sondern vor allem die Zukunft in den Blick nimmt.
Da bei uns in Deutschland und vielen weiteren Industrieländern sowohl das Wahlvolk als auch die politischen Volksvertreter und die wirtschaftlichen Entscheidungsträger vorrangig aus älteren Menschen bestehen, wird in der Politik die Zukunft der jungen Menschen leider weitgehend ausgeblendet. Die ältere Generation kann sich angesichts der todbringenden Krisen noch sicher fühlen, dass in ihrem restlichen Leben nichts gravierendes passieren wird, insbesondere weil sich der Klimawandel auf der nördlichen Halbkugel weniger stark auswirkt und die abnehmenden Ressourcen in den Industrieländern kaum auffallen. Also verlässt man sich darauf, dass die technische Forschung bei gleich bleibendem Lebensstandard einen sparsameren Verbrauch von Ressourcen und eine geringere Produktion von schädlichen Gasen erreichen wird.
Ausgerechnet diejenigen, die die Folgen der gegenwärtigen Politik zu tragen haben, also die jungen Menschen, sind bei der augenblicklichen demographischen Entwicklung der zahlenmäßig und in ihrem Einfluss schwächste Teil in unserer Demokratie. Desto wichtiger ist es, dass die Jugendlichen, die jungen Berufstätigen, die jungen Eltern (und auch die Großeltern im Gedenken an ihre Enkel und Großenkel!) zukunftsorientiert und global denken. In dieser Denkrichtung müssen sie deutlich ihre Forderungen stellen und selbst entsprechend handeln und entscheiden! Wolfgang Gründinger, ein junger Politik- und Sozialwissenschaftler, der für sein Schaffen bereits mehrfach ausgezeichnet wurde, verdeutlicht die heutige fragwürdige politische Ausrichtung in seinem Buch "Alte Säcke Politik. Wie wir unsere Zukunft verspielen" (2016).
Alternative zukunftsorientierte Verhaltensweisen können durch Sozialkompetenzen vorbereitet und unterstützt werden
Auch für die Entwicklung alternativer Verhaltensweisen kann die Kita mit dem Aufbau sozialer Kompetenzen bereits den Einstieg bieten.
Für ökologisches Verhalten hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten die UNESCO stark gemacht (leider noch nicht für soziales Verhalten!). Sie hat alle Bildungsbereiche von der Kita bis zur Erwachsenenbildung international dazu aufgerufen, ökologische Nachhaltigkeit zu vermitteln und zu bestärken. In Deutschland haben sich zahlreiche Kitas in diesem Bereich engagiert und mit den Kindern Projekte entwickelt, bei denen Kinder auch an anonyme und zukünftige Menschen dachten, etwa beim Umgang mit Müll, Energie und Wasser. Für Naturbezug legten manche Kitas kleine Gemüsegärten an oder bauten mit Hilfe von Eltern eine Kräuterschnecke im Kitahof. In Deutschland wurde die nachhaltige Bildung für Kitas von der Deutschen UNESCO-Kommission e.V., Bildung für nachhaltige Entwicklung, unterstützt (http://www.bne-portal.de). Bücher wie "KITA 21 - Die Zukunftsgestalter" (Stoltenberg/ Thielebein-Pohl 2011) bringen die Arbeit solcher Kitas in die Öffentlichkeit.
Sozialkompetenzen, vor allem wenn sie in der Schule weitergeführt werden, können zu mehr Verbreitung von alternativen Verhaltensweisen beitragen. Wenn sich ein einzelner Mensch (Jugendlicher) für etwas engagiert, etwa für vegetarische oder vegane Ernährung, kein eigenes Auto besitzen will oder sich politisch beteiligt, wirkt er nicht sehr "ansteckend". Aber sobald sich ein zweiter oder dritter dazu gesellt, wird die Gruppe schnell größer und kann zu einem Trend führen.
Partizipation ist Vorbereitung auf (globale) Demokratie
Partizipation als Vorbereitung auf spätere Demokratie wird in den Kitas heute ernst genommen, allerdings in seinen Möglichkeiten noch viel zu wenig erkannt. Partizipation beginnt nämlich nicht mit Kinderkonferenzen, wie oft angenommen wird. Die Kinder fangen Mitbestimmung, also Partizipation, ganz von selbst in ihren Spielgruppen an, wenn sie die "Bestimmerrolle" übernehmen oder sich in einer gut funktionierenden Spielgruppe mitbestimmend beteiligen. Sozial fähige ältere Kita-Kinder können Spielgruppen, etwa bei Rollen- und Bauspielen, mit einer solch fähigen und umsichtigen sozialen Kompetenz anleiten, dass Erwachsene von ihnen lernen könnten (Michael Ende beschreibt in seinem Buch Momo eine solche Spielfähigkeit des Mädchens Momo). Diese Kinder
- lehnen selten andere Kinder ab, die in der Spielgruppe mitspielen wollen,
- haben Spielideen und verwenden spontan einfachstes Material,
- können die Mitspieler begeistern,
- fangen die Beiträge der anderen auf, integrieren deren Ideen oder suchen Kompromisse,
- geben dem Spiel wieder Leben, wenn es verflacht, oder
- erkennen, dass der Abschluss jetzt angebracht ist.
Deshalb: In den kleinen Spielgruppen liegt der Beginn der Mitbestimmung und Mitverantwortung, also der Beginn der Partizipation bzw. der Vorbereitung auf Demokratie!
Die Mitverantwortung der beteiligten Kinder soll allerdings nicht nur im selbstbestimmten Kinderspiel zum Ausdruck kommen, sondern muss von den Erzieher/innen auch im Tagesablauf wo immer möglich einbezogen werden. Die Mitbestimmung der Kinder kann zum Beispiel von den Fachkräften initiiert werden
- bei der täglichen Gestaltung und Nutzung des Innen- und Außenraums,
- bei der Programmgestaltung, den Regeln und deren Einhaltung,
- bei allen Entscheidungen, die die Kinder betreffen und von ihnen durchschaut werden können.
Im Alltag muss die Partizipation gelebt und die Demokratie vorbereitet werden, und zwar nicht nur in Gruppenentscheidungen, sondern auch in der verantwortlichen Mitbestimmung einzelner Kinder, etwa wie sie mit anderen umgehen; wenn sie einen Gruppendienst übernehmen, wenn sie neue Kinder in das Geschehen integrieren oder selbst erkennen, dass ihr Einsatz jetzt für einen reibungslosen Ablauf gebraucht wird.
Kinderkonferenzen sind also nur ein kleiner Teil der Mitbestimmung. Bei Kinderkonferenzen im Stuhlkreis werden breitere oder problembeladene Entscheidungen getroffen.
Auch in Schulen werden die Selbst- und Mitbestimmung zwar langsam, aber doch zunehmend ernster genommen und einbezogen, ganz besonders in den Schulen mit alternativen Konzepten (vgl. Rasfeld: "Schulen im Aufbruch - Eine Anstiftung", 2014).
Wenn Kinder und Jugendliche in ihren Bildungseinrichtungen bis zum Erwachsenwerden Mitbestimmung als Selbstverständlichkeit erleben, besteht die Chance, dass später eine größere Zahl von ihnen als heute die Mitbestimmung als demokratische Beteiligung in größere Kreise, auf die nationale Ebene und in die globale Politik überträgt. Mehr global-soziale Gerechtigkeit wird dann vielleicht möglich werden.
Zusammenfassung: Bedeutung von Sozialkompetenzen in der Kita für die individuelle und globale Zukunft
- Gut begleitete Sozialkompetenzen in der Kita unterstützen das Kind beim Aufbau einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.
- In Anbetracht der lebenzerstörenden Krisen auf unserem Planeten muss der lebensunnötige Konsum in den reichen Ländern reduziert werden. Sozialkompetenzen - bereits in der Kita erfahren - können durch das Wohlgefühl, das sie bedeuten, Glücksgefühle durch Konsum ersetzen, können durch ihr Gemeinschaftsgefühl stärken und dadurch dazu beitragen, Konsum zu reduzieren.
- Die soziale Fähigkeit "Partizipation" wird in Kitas heute ernst genommen. Wenn sie in der Schule und den Berufsausbildungen fortgesetzt wird, kann sie soziale Einstellungen und Handlungsweisen sowie spätere demokratische Mitbestimmung - nicht nur über Wahlbeteiligung - verstärken.
- Für eine Veränderung der globalen Zukunftsaussichten reicht es nicht, sich lediglich an Wahlen zu beteiligen. Eine Überzeugung entspricht einer Haltung, einer Gesinnung. Sie zeigt sich vielseitig im Leben der Einzelnen. Die Zahl der Menschen, die alternative Lebensformen suchen und sich gegenseitig dabei unterstützen, dürfte durch erlebte Sozialkompetenzen, durch Partizipation und Demokratie in der Jugend später in der Bevölkerung zunehmen.
- Auf der Nordhälfte des Planeten kann sich die älter werdende Generation - der größte Teil der jeweiligen Wahl-Bevölkerung - noch während ihrer Lebenszeit einigermaßen sicher fühlen. Sie kann gegen Terror kämpfen und eine Politik des "Weiter wie bisher" verfolgen. Sie braucht die Zukunft nicht in Betracht zu ziehen, wenn sie nur an sich denkt. Politische und wirtschaftliche Entscheidungsträger dürfen aber nicht nur die Gegenwart verwalten, sondern müssen die Zukunft gestalten. Deshalb müssen sie sensibler für die junge Generation werden, die die Zukunft vor sich hat und sie später gestalten muss.
- Die pädagogisch durchdachte Unterstützung der Sozialkompetenzen in der Kita wird die Zukunftsprobleme nicht lösen können, aber sie wird - wie oben gesagt - ein tragender Stein im Bauwerk der Weltpolitik zur Zukunftsbewältigung sein.
Unterstützung der Sozialkompetenzen durch das Team
Eine gute pädagogische Begleitung und Unterstützung der sozialen Kompetenzen in der Kita ist nicht einfach. Das hat verschiedene Gründe. In drei Bereichen wird das im Folgenden erläutert.
1. Die Wirkung auf die Betroffenen einschätzen
Die breite Spanne der sozialen Kompetenzen und der Blick auf die Folgen für alle Betroffenen verlangen von den Erwachsenen in der Kita ein kritisches Durchdenken, wie sie auf die sozialen Handlungen der Kinder reagieren wollen bzw. sollten. Dafür müssen sie u.a. erkennen, mit welcher Motivation das initiierende Kind handelt (siehe das Beispiel Hilfsbereitschaft im ersten Abschnitt). Unterschiedliche Motivationen können bei vielen sozialen Kompetenzen eine Rolle spielen, etwa bei Konfliktbearbeitung, bei gemeinsamer Gestaltung und Ideenfindung oder beim Teilen und Abwechseln. Handelt das führende Kind nur aus eigenen Interessen oder denkt es sich in die Bedürfnisse der anderen Betroffenen ein? Die Erzieherin wird deshalb auf die Motivation spielführender Kinder achten, aber auch berücksichtigen, wie die Führung eines Kindes auf die anderen in der Gruppe wirkt.
Eine andere Schwierigkeit für das Team besteht darin zu erkennen, ob das aktive Kind aus eigenem Wunsch so handelt: Unternimmt es diese Aktion, weil es weiß oder annimmt, dass es dann von den Eltern oder der Erzieherin gelobt wird? Wenn so eine Motivation hinter der Handlung steht, fehlt das Eindenken in die betroffenen Gruppenmitglieder. Nicht nur das: Das führende Kind entscheidet nicht aus eigener Motivation oder Verantwortung, sondern führt aus, was andere für gut halten. Und das tut es, um für sich selbst einen Vorteil zu gewinnen. Das Team muss deshalb verschiedene Gründe im Blick haben, einfühlsam lenken und sich in pädagogischen Entscheidungen miteinander absprechen.
Zu beachten ist auch, dass - wenn möglich - ein Spiel nicht unterbrochen werden soll. Die oft abgehobene Spielstimmung wird dadurch gestört und kann von den Kindern meist nicht wieder aufgebaut werden. Die Kinder brechen das Spiel dann ab.
Dazu kommt der Blick auf diejenigen Kinder, die außerhalb der direkt Beteiligten betroffen sind: Der Lärm des Spiels einer Kleingruppe kann andere stören, das Material wird vielleicht auch von anderen gebraucht, oder auch die Räumlichkeiten. Vielleicht muss irgendetwas abgewechselt werden. Ein weiterer Handlungsbereich für das Team ist, diejenigen Kinder zu beachten, die sich zu wenig zutrauen.
Erzieher/innen können mit älteren Kitakindern den Wir-Rahmen bei ihrem täglichen Miteinander bewusst einbeziehen, etwa die ökologische Nachhaltigkeit: Energie und (warmes) Wasser dürfen nicht verschwendet werden. Es wird wo immer möglich Recycling-Papier benutzt. Vielleicht werden Bücher aus einer Bibliothek geliehen, um mit den Kindern den Radius des gemeinsamen Benutzens von Material zu erweitern und entsprechende Regeln einzuproben. Eine Gruppe älterer Kinder kann einen öffentlichen Spielplatz reinigen, den sie mit benutzt, um einen Beitrag für die größere Gemeinschaft - das Gemeinwesen - zu erbringen.
Dies verlangt vielseitige Beobachtung von der Erzieherin. Sie muss Dinge im Gedächtnis behalten (oder sich notieren), weil es oft nicht auf kurzfristiges Handeln ankommt, sondern eine längere Beobachtung sinnvoll ist. Außerdem ist es manchmal hilfreich, mit Kolleg/innen über Wahrnehmungen zu sprechen, um evtl. subjektive Deutungen zu vermeiden oder zu reduzieren. Manches wird auch sinnvollerweise im Gesamtteam zu besprechen sein, weil auch andere betroffen sind oder mit dem gleichen Thema zu tun haben. Abgesehen davon, kann bereits das Aussprechen eine erste Klärung eines Problems bringen.
Hilfe bei der Standortfindung und Beratung zum eigenen pädagogischen Verhalten bietet auch die Supervision. Diese kann zudem helfen, insgesamt sensibler für die Wahrnehmung von Verhaltensweisen der Kinder und deren Auswirkungen zu werden.
2. Ideen der Kinder stärken und sich selbst zurückhalten
Ich nenne zwei Gründe, weshalb die Erwachsenen sich mit Anleitungen und anderen Vorgaben - nicht nur bei den Sozialkompetenzen - zurückhalten sollen:
- Wenn wir Erwachsenen Anweisungen geben, vermitteln wir dem Kind unausgesprochen in etwa: "Du bist noch klein, du weißt noch nicht viel, nimm den Rat von mir an, hier bin ich die kompetente Fachfrau." So eine Haltung kann dazu beitragen, dass die nächste Generation weniger selbst Lösungen sucht, sondern die Verantwortung nach "oben" verschiebt. Dieser Weg führt nicht zu demokratischer Mitverantwortung sondern eher zu verantwortungslosem Mitläufertum und stärkt auch nicht die Ideenfindung und Problemlösefähigkeit der Kinder.
- "Man muss so einfach denken wie ein Kind. Man kann die Probleme nicht mit den Denkweisen lösen, die zu ihnen geführt haben" (Albert Einstein). Wir Erwachsenen tragen mit unserem Verhalten dazu bei, dass die globalen lebensbedrohenden Krisen zunehmen, denn wir stecken in dieser Denkstruktur und in dieser Lebensweise fest. Unser Denken und manche unserer Handlungen entspringen der konsumbetonten und der international überheblichen Lebensform der Menschen in den Industrieländern, auch wenn uns das nicht bewusst ist.
Es ist natürlich nicht einfach, als Erzieherin zur gleichen Zeit als Gruppenleiterin für einen geregelten Tagesablauf zu sorgen und dem Spiel der Kinder gegenüber zurückhaltend zu sein - und zusätzlich auch noch zu beachten, dass sich starke Kinder nicht selbstbezogen durchsetzen. Es können Kleinigkeiten im Umgang mit den Kindern sein, die der Erzieherin helfen, vom Podest der dominanten Person herunterzusteigen. Eine Verstärkung muss z.B. nicht immer in Form von Lob gegeben werden. Manchmal bestärken sich Kinder gegenseitig. Das kann ausreichen, um eine Handlung zu bestätigen. Vielleicht kann ein hergestelltes Werk ausgestellt, also z.B. eine Zeitlang auf das Fensterbrett gestellt werden. Ein Foto kann bestärken; es kann zunächst an die Pinnwand geheftet oder später ins Portfolio geklebt werden. Mitspielende Kinder können gefragt werden, wie sie das Spiel empfunden haben.
Lob, das natürlich auch nötig ist, sollte in Ich-Botschaften gegeben werden: "Ich bin überrascht, wie gut du das gemacht hast!" Die Ich-Botschaft bedeutet weniger Dominanz als eine objektive Beurteilung in Form der Du-Botschaft: "Das hast du gut gemacht!" Mit dieser Du-Botschaft stellt sich die Gruppenleiterin als objektive Beurteilerin dar. Ihr wird in dieser Funktion nicht widersprochen, und sie wird nicht kritisiert oder in Frage gestellt.
Wenn es der Erzieherin gelingt, in ihrem Sosein die eigene Zurückhaltung zu verinnerlichen und sie als Haltung in sich zu verankern, dann wird sie spontan und ohne Überlegung ihre Dominanz zurücknehmen, weil ein solches Handeln ihrem Wesen entspricht. Sie wird Dominanz nur dann einsetzen, wenn ihre Funktion als Gruppenleiterin das verlangt. Zurückhaltende Reaktionen werden ihr zur Selbstverständlichkeit.
3. An der eigenen authentischen Haltung arbeiten
Eine Haltung entsteht durch verinnerlichte Werte; sie ist eine gefestigte Gesinnung. Erzieher/innen können soziale Kompetenzen nicht authentisch (echt) vermitteln, wenn sie nicht selbst voll dahinter stehen. Da reicht es auch nicht, wenn sie vor den Kindern entsprechend handeln - etwa Recyclingpapier verwenden, wenn diese Regel in der Kita eingeführt wurde. Wenn sie diese Regel nicht auch privat einhalten, werden Erzieher/innen nicht reibungslos überzeugen. Kinder haben ein feines Gespür für fehlende Echtheit.
Die eigenen Haltungen müssen auch im Team immer wieder zur Sprache kommen. Absprachen sind nötig. Regeln für das Team und für die Kinder müssen erstellt werden und eventuell Ausnahmen geklärt und miteinander vereinbart werden. Eine Ausnahme kann sich auf Kinder beziehen, etwa wenn einzelne Kinder sich selbst zu sehr überschätzen oder fest vereinbarte Regeln - beispielsweise im Verkehrsverhalten - nicht befolgen (können).
Aber auch Teammitglieder können bei Vereinbarungen Ausnahmen für sich beanspruchen. Ein Beispiel: Eine ältere Erzieherin kann die Risikobereitschaft der anderen nicht mittragen: Sie steht zwar dahinter, dass Kinder auch Risiken eingehen dürfen und sollen, kann aber manche Verhaltensweisen nicht verantworten. Sie möchte z.B. Kinder beim Waldspaziergang nicht auf Bäume klettern lassen, weil sie sich nicht in der Lage fühlt, bei Schwierigkeiten nachzuklettern und ihnen beim Herunterkommen zu helfen. Das Team wird für sie Verständnis haben, wird aber erwarten, dass sie den Kindern die Einschränkung begründet.
Schwieriger ist es, wenn Erzieher/innen eine Einstellung aus was für Gründen auch immer nicht verinnerlichen und zu ihrer eigenen Haltung machen können, weil sie ihrem Denken nicht entspricht. Das kann z.B. sein, wenn sie Kindern grundsätzlich keine Verantwortung zutrauen oder Kinder mit Migrationshintergrund nicht als gleichwertig ansehen. Kritik müssen Teammitglieder dann natürlich äußern, allerdings ist es hilfreich, bedacht damit umzugehen. Verständnis für Schwächen oder die Suche nach Kompromissen helfen dem Gegenüber eher als harte Konfrontation.
Bedeutung für die politischen Entscheidungsträger
Die Bedeutung der Sozialkompetenzen ist nur einer der Gründe, warum Vermittlung von Wissen und Können in der pädagogischen Arbeit in der Kita nicht mehr im Mittelpunkt stehen sollte. Wissenschaftler/innen aus dem Bereich der Entwicklungspsychologie und der Pädagogik verlangen seit Jahren, die durch die PISA-Studien betonte Wissensvermittlung wieder zurück zu nehmen, weil sie der Entwicklung und dem Wesen des Kleinkindes nicht entspricht. Der Neurobiologe Gerald Hüther beispielsweise macht deutlich: Kinder lernen mit großer Lust, aber nur das, was ihnen wichtig ist. Inhalte, die den Erwachsenen wichtig sind, gehören in der Regel nicht dazu. Lustvolles Lernen bringt Kinder in begeisterte Stimmung. Kinder begeistern sich viele Mal am Tag am eigenen Wachsen, aber eben nicht an dem, was objektiv wichtig oder richtig ist, sondern an dem, was ihnen selbst wichtig ist. "Jeder dieser kleinen Begeisterungsstürme führt gewissermaßen dazu, dass im Hirn die Gießkanne mit dem Dünger angestellt wird, der für alle Wachstums- und Umbauprozesse von neuronalen Netzwerken gebraucht wird" (Hüther 2012, S. 95). Lernbegeisterung stärkt demnach nicht nur das Lernen der Kinder, sondern auch ihre Lernlust. Und Lernlust werden die Menschen der Zukunft bei unseren immer schneller werdenden Entwicklungen bis an ihr Lebensende benötigen!
Ein Team, das differenziert jedes einzelne Kind in seiner Entwicklung beachtet und dabei Wert auf die Sozialkompetenzen und die individuelle Lernlust der Kinder legt und das die Kinder durchdacht in ihrer Entwicklung stärkt, braucht wesentlich mehr Zeit für die pädagogische Arbeit. Zudem müssen die Gruppen verkleinert werden. Der Personalschlüssel muss diesen hohen Anforderungen angepasst werden. Landesregierungen und die Bundesregierung sowie die Parteienvertreter müssen endlich erkennen, dass auf die Kita als erster Bildungseinrichtung weit mehr Wert gelegt werden muss.
Berufsausbildungen und Fortbildung müssen der Stärkung von Sozialkompetenzen und dem Persönlichkeitsaufbau den Standort geben, der ihnen gebührt, und müssen insgesamt den Blick in die Zukunft ganz anders einbeziehen.
Darüber hinaus ist es dringend notwendig, dass die junge Generation in der Politik weit mehr gesehen und berücksichtigt wird, denn sie trägt die Zukunft und muss später mit den Schäden umgehen, die bis dahin angerichtet wurden und dann noch werden.
Parteien richten sich nach der Zahl der Wähler/innen, unabhängig davon, ob sie die Politik für richtig finden oder nicht. So werden die Rentner/innen bei politischen Entscheidungen etwa hinsichtlich der Renten geschont (vor allem diejenigen, die reichlich erhalten). Die junge Generation mit ihrem geringen Stimmenanteil wird hingegen kaum beachtet: Kitas, Schul- und Berufsausbildung einschließlich der Universitäten sind unterfinanziert. Familien benötigen eine gesicherte Finanzierung für ihre Kinder.
So fordert Gründinger (2012): "Wir brauchen Fürsprecher der Generation von morgen: ein Zukunftsgewissen. Also eine Art Umbudsgremium, das mit der schwierigen, aber ehrenwerten Aufgabe betraut ist, die Stimme der nachrückenden Generationen zu vertreten - nicht bloß als weiteres Beratungsorgan, sondern als prominenter Akteur im politischen Verhandlungsprozess, ohne dabei allerdings die Hoheitsrechte des demokratisch gewählten Parlaments zu berühren" (S. 123). Und etwas später heißt es dann: "Die junge Generation wird links liegen gelassen und mit Rhetorik und Symbolpolitik abgespeist. Wir müssen den Ausverkauf der Zukunft stoppen" (S. 126). Eltern und Großeltern sollten sich diese Tatsache bewusst machen und sich politisch - und darüber hinaus - für das Starkwerden der jungen Generation einsetzen.
Literatur
Bergmann, Wolfgang: Lasst eure Kinder in Ruhe! Gegen den Förderwahn in der Erziehung. München: Kösel 2011
Brandes, Holger: Selbstbildung in Kindergruppen. Die Konstruktion sozialer Beziehungen. München: Ernst Reinhardt 2008
Felber, Christian: Gemeinwohl-Ökonomie. Wien: Deuticke, 2. Aufl. 2012
Franz, Margit: "Heute wieder nur gespielt" - und dabei viel gelernt. Den Stellenwert des kindlichen Spiels überzeugend darstellen. München: Don Bosco 2016
Greffrath, Mathias: Das Tier, das "Wir" sagt. Michael Tomasello sucht nach der Einzigartigkeit des Menschen und findet sie in dessen Kooperationsfähigkeit. DIE ZEIT, 08.04.2009, http://www.zeit.de/2009/16/PD-Tomasello (12.04.2017)
Gronemeyer, Reimer/Fink, Michaela: Unsere Kinder. Was sie für die Zukunft wirklich stark macht. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2016
Gründinger, Wolfgang: Alte Säcke Politik. Wie wir unsere Zukunft verspielen. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2016
Hüther, Gerald: Was wir sind und was wir sein könnten. Frankfurt am Main: S. Fischer 2011
Hüther, Gerald: Etwas mehr Hirn, bitte. Eine Einladung zur Wiederentdeckung der Freude am eigenen Denken und der Lust am gemeinsamen Gestalten. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2015
Klein, Irene: Gruppenleiten ohne Angst. Ein Handbuch für Gruppenleiter. München: J. Pfeiffer, 4. Aufl. 1992
Pausewang, Freya: Macht mich stark für meine Zukunft. Wie Eltern und ErzieherInnen die Kinder in der frühen Kindheit stärken können. München: oekom 2012
Pausewang, Freya/Christophel, Sigrid: Zukunftsorientierte Pädagogik. Themenkarten für Teamarbeit, Elternabende und Seminare. München: Don Bosco 2016
Pausewang, Freya: Sozialkompetenz. Themenkarten für Teamarbeit, Elternabende und Seminare. München: Don Bosco in Druck (erscheint im September 2017)
Rasfeld, Margret/Breidenbach, Stefan: Schulen im Aufbruch - eine Anstiftung. München: Kösel 2014
Rätz, Werner/Paternoga, Dagmar/Mahler Hermann: Solidarisch aus der Krise wirtschaften. Hamburg: VSA Verlag 2014
Stoltenberg, Ute/Thielebein-Pohl, Ralf (Hrsg.): KITA 21 - Die Zukunftsgestalter. Mit Bildung für eine nachhaltige Entwicklung Gegenwart und Zukunft gestalten. München: oekom 2011
Tomasello, Michael: Warum wir kooperieren. Berlin: Suhrkamp 2010
Wagenhöfer, Erwin: Alphabet - Angst oder Liebe. Dokumentarfilm. Pandora Filmverleih 2013
Wilkinson, Richard/Picket, Kate: Gleichheit ist Glück. Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind. Berlin: Tolkemitt 2009
Zimpel, Frank: Spielen macht schlau! Warum Fördern gut ist, Vertrauen in die Stärken Ihres Kindes aber besser. München: Gräfe und Unzer 2014