Frühe Prävention wirkt nachhaltig: Sozial-emotionale Kompetenzen schützen vor Sucht- und Gewaltentwicklung

Heidrun Mayer

Mit Sucht- und Gewaltprävention schon im Kindergarten beginnen? Ja, denn sein grundlegendes soziales Verhalten lernt der Mensch nach Erkenntnissen der Entwicklungspsychologie im Kindergartenalter. Sozial-emotionale Kompetenzen spielen hierbei eine zentrale Rolle. Sie bestimmen, wie gut wir zum Beispiel mit eigenen Emotionen und den Emotionen und Wünschen anderer umgehen und soziale Konflikte bewältigen können. Sich in andere hineinfühlen können, Mitgefühl zeigen, hilfsbereit sein, andere ausreden lassen, respektvoll mit Mitmenschen umgehen, Konflikte verbal lösen - all dies sind Zeichen von sozialen und emotionalen Kompetenzen. Sie sind nicht nur für das spätere Berufsleben wichtig (als sogenannte Soft Skills, die neben fachlichen Kenntnissen auch immer stärker gefragt sind), sondern auch für ein friedliches Miteinander in der Gesellschaft. Die Basis dafür wird bis zum Alter von etwa sieben Jahren gelegt. Darum ist der Erwerb dieser Kompetenzen eine wichtige Entwicklungsaufgabe in der Vorschulzeit. Auch erste Verhaltensauffälligkeiten, die später zu Sucht- und Gewaltentwicklung führen können, werden dadurch reduziert. Sozial-emotional kompetente Kinder sind später im Jugendalter weniger gewaltbereit als solche, denen diese Kompetenzen fehlen. Deshalb muss Sucht- und Gewaltprävention früh beginnen, um eine nachhaltige Wirkung zu erzielen. Pädagogische Fachkräfte können den Erwerb sozial-emotionaler Kompetenzen bei Kindern gezielt fördern - am besten durch Programme, deren Wirksamkeit wissenschaftlich nachgewiesen ist.

Emotionale und soziale Kompetenzen fördern

In der frühen Förderung sollten zunächst soziale und emotionale Kompetenzen im Mittelpunkt stehen, denn sie sind die Basis für das Erlernen aller weiteren Fertigkeiten. Das Fehlen dieser Kompetenzen wird als Ursache für viele Probleme angenommen, etwa für Verhaltensauffälligkeiten, Aggressionen, Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) oder extreme Formen von Schüchternheit. Für die Lernprozesse der sozial-emotionalen Kompetenzen spielt der Kindergarten eine zentrale Rolle, denn sie finden dort meist unbewusst im gemeinsamen Zusammenleben statt. Die pädagogischen Fachkräfte in der Kita können diese Prozesse jedoch gezielt fördern und in den pädagogischen Alltag integrieren.

Emotionale Kompetenz

Emotionen werden als kurzlebige, vorübergehende Gefühlszustände und als Reaktion auf äußere Ereignisse verstanden. Sie haben Einfluss darauf, was und wie schnell wir etwas wahrnehmen, wie wir auf diese Sinneseindrücke reagieren und was wir dabei denken. Emotionen bilden die motivationale Grundlage für unser Handeln und nehmen somit entscheidenden Einfluss auf die Qualität zwischenmenschlicher Interaktionen und sozialer Beziehungen. Ein umfassendes Wissen über Emotionen und die Fähigkeit, mit eigenen Emotionen umzugehen, sind daher entscheidend für das Erleben positiver sozialer Interaktionen und den Aufbau stabiler Beziehungen zu anderen Menschen.

Kinder müssen den Umgang mit eigenen und fremden Emotionen erst lernen. Aufgrund der herausragenden Bedeutung von Emotionen für die soziale Interaktion kann der Erwerb emotionaler Kompetenz als eine der wichtigsten Entwicklungsaufgaben im Kleinkind- und Vorschulalter bezeichnet werden. Sie fördert und bildet eine Grundlage für andere Entwicklungsbereiche.

Soziale Kompetenz

Soziale Kompetenz umfasst eine Vielzahl von sozialen Fertigkeiten und Verhaltensweisen im Umgang mit anderen. Sie setzt die kognitive Fähigkeit voraus, sich selbst von anderen unterscheiden zu können - eine Fähigkeit, die Kinder in der Regel ab dem zweiten Lebensjahr entwickeln. Sie lernen dadurch, in die Rolle anderer zu schlüpfen und deren Perspektive zu übernehmen. Selbstaufmerksamkeit und die Fähigkeit zur Rollen- und kognitiven Perspektivübernahme sind die Voraussetzungen, um Empathie zu zeigen. Wir sehen dies, wenn Kinder anderen Kindern helfen oder sie trösten. Durch soziale Kompetenz erkennen Kinder die Bedeutung von Freundschaften und entwickeln moralische Wertvorstellungen. Und sie lernen, soziale Regeln anzuerkennen und angemessen auf Kritik zu reagieren. Des Weiteren fördert soziale Kompetenz auch den Spracherwerb, da die Fertigkeiten zur Kommunikation gestärkt werden.

Emotionale und soziale Kompetenz stehen in enger Beziehung zueinander, weshalb häufig von sozial-emotionalen Kompetenzen die Rede ist. Bestimmte emotionale Fertigkeiten sind die Grundlage für sozial kompetentes Verhalten. Eine hohe emotionale Kompetenz geht mit einer höheren sozialen Kompetenz und mit weniger Problemen mit Gleichaltrigen einher. So weisen beispielsweise Fünfjährige, die den mimischen Emotionsausdruck anderer besser erkennen und benennen können, ein ausgeprägtes, positives Sozialverhalten und häufigere soziale Kontakte mit Gleichaltrigen auf.

Risikofaktoren reduzieren - Schutzfaktoren stärken

Sozial-emotionale Kompetenzen sind nicht nur die Basis für das Erlernen vieler anderer Fertigkeiten, sie gelten auch als Schutzfaktoren vor problematischen Entwicklungen. Verschiedene Studien haben herausgefunden, dass Verhaltensstörungen wie Aggression oder Rückzugsverhalten bei Kindern der Hauptrisikofaktor für Sucht- und Gewaltentwicklung im Jugendalter sind. Wenn zu einer Verhaltensstörung weitere Risikofaktoren dazukommen, wie beispielsweise die Ablehnung durch Gleichaltrige oder eine negative Bindungsqualität zu den Eltern, steigt das Risiko, dass die Kinder in späteren Jahren zu Sucht- und Gewaltentwicklung neigen. Verhaltensstörungen verfestigen sich im Alter von etwa acht Jahren. Daher besteht im Vorschulalter die beste Chance, positiv Einfluss auf die kindliche Entwicklung zu nehmen.

Mit einer entwicklungsorientierten Prävention, die bereits im Kindergartenalter ansetzt, lassen sich die Risikofaktoren reduzieren und Schutzfaktoren frühzeitig stärken. Dadurch kann man der späteren Entwicklung von aggressivem Verhalten und der Neigung zu gewalttätigen Handlungen sowie der Bereitschaft zu Substanzmissbrauch oder -abhängigkeit vorbeugen. Außerdem fördern diese Schutzfaktoren die Resilienz bei Kindern, wodurch sie die Fähigkeit erlangen, auch belastende Lebensumstände zu bewältigen, z.B. durch positives Selbstwertgefühl, Selbstwirksamkeitsüberzeugung und ihr Sozialverhalten.

Sozial-emotionale Kompetenzen lernen Kinder bis zum neunten Lebensjahr. Sie lernen, mit sich und anderen umzugehen, Freunde zu finden, Ideen einzubringen und Regeln einzuhalten. Kinder, die das können, sind vor späteren Risiken wie Sucht und Gewalt gut geschützt. Die Schutzfaktoren der Kinder zu stärken heißt auch, ihre psychosoziale Gesundheit zu fördern und die Basis für ein selbstbestimmtes und verantwortungsbewusstes Leben im Erwachsenenalter zu legen.

Nutzen der frühen Förderung in der Kita

Für all diese Lernprozesse spielt der Kindergarten eine zentrale Rolle, denn sie finden dort meist unbewusst im gemeinsamen Zusammenleben statt. Die pädagogischen Fachkräfte können diese Prozesse aber gezielt fördern und in den Kindergartenalltag integrieren. Für diese gezielte Förderung müssen die Fachkräfte jedoch qualifiziert werden, und das ist - wie andere Präventionsmaßnahmen auch - mit Kosten verbunden. Eine Investition, die sich langfristig rechnet!

Der Psychologe Prof. Dr. Thomas Kliche von der Hochschule Magdeburg-Stendal ging der Frage nach, was frühe Förderung den Kindern und der Gesellschaft nützt und wie wir diesen Nutzen sicherstellen. Die Ergebnisse seiner Forschung stellte er im September 2012 auf einem Fachsymposium zur frühen Prävention in Hamburg vor. Sein Fazit lautete: "Frühe Förderung und Betreuung tragen nachweislich zu größerem Bildungserfolg, höheren Lebenseinkommen, geringerer Arbeitslosigkeit und Kriminalität bei." Deshalb seien Kitas für unsere Gesellschaft auch ungeheuer rentabel (Kliche 2013). In seiner nutzenorientierten Untersuchung zeigte Kliche den Return on Investment (ROI) auf, den frühe Förderung und Betreuung in Kitas für die Gesellschaft haben können. Die Kita beeinflusst das Leben der Kinder langfristig über Jahrzehnte: Der Einfluss zeigt sich im Bildungserfolg, beim Lebenseinkommen (Steueraufkommen, Transfergeldempfang), in der Gesundheit und im Risikoverhalten (Alkohol, Rauchen, Drogen).

Die Jahresverzinsung von Investitionen in Kitas werde in internationalen Studien auf jährlich 8 bis 25 Prozent über einen Zeitraum von 25 Jahren geschätzt. Indirekte Effekte wie weniger Kriminalitätsopfer, kleinerer Justizapparat, bessere Lebensqualität, höheres Einkommen etc. seien darin noch nicht eingerechnet. Schätzungen zufolge brächten diese indirekten Effekte der Gesellschaft schon einen ROI von 1 zu 26.

Jedoch reicht es laut Kliche nicht, Kinder nur in irgendeine Betreuung zu stecken. Um die Möglichkeiten der Kita für Bildungs- und Gesundheitsförderung voll auszuschöpfen, brauchen die Kinder gezielte Förderung und Zuwendung. Die Normalversorgung in Kitas solle deshalb durch gezielte, nachweislich wirkungsvolle Förderprogramme ergänzt werden. Der ROI von evidenzgestützten Programmen könne bei 1 zu 6 bis 1 zu 10 liegen.

Ein gutes Förderprogramm sollte folgende Anforderungen erfüllen (Kliche 2013):

  • Es ist nachweislich wirksam (evidenzgestützt).
  • Es passt zum Profil und zur Zielgruppe.
  • Es bietet gut verständliche, vollständige Unterlagen.
  • Es gibt Fort- und Weiterbildungen dazu.
  • Die Fachkräfte werden bei der Umsetzung des Programms begleitet und unterstützt.

Darüber hinaus sei es auch wichtig, die Qualität in der Umsetzung zu sichern. Ein hochwertiges Förderprogramm könne langfristig zu einem Qualitätsmerkmal für Kitas werden. Dadurch werde die gesellschaftliche Rendite der Kitas über die ohnehin schon hohen Grundleistungen der Einrichtungen hinaus verbessert. Als ein Beispiel für ein solches evidenzgestütztes Programm nannte Kliche Papilio, da es sämtliche von ihm aufgeführten Anforderungen erfülle.

Präventionsprogramm Papilio

Papilio wurde vor mehr als zehn Jahren auf wissenschaftlicher Grundlage entwickelt und 2003/2004 als Modellprojekt mit rund 700 Kindern in der Praxis umgesetzt und evaluiert. Eine wissenschaftliche Studie begleitete das Modellprojekt, um die Wirksamkeit zu untersuchen. Das wichtigste Ergebnis war, dass Kinder mit Papilio erste Verhaltensauffälligkeiten abbauen und mehr sozial-emotionale Kompetenzen aufbauen als Kinder ohne Papilio (Mayer et al. 2007). Die Wirksamkeit wurde auch später immer wieder bestätigt: 2011 erhielt Papilio in der Datenbank "Grüne Liste Prävention" die bestmögliche Bewertung (3: Effektivität nachgewiesen). Das Phineo-Wirkt-Siegel bestätigte 2012 die nachhaltige, wirksame Förderung des Programms. Im Jahr 2016 wurde von Phineo auch die Wirksamkeit des Papilio-ElternClubs geprüft und bestätigt. Bei der Aktion "Gewalt verhindern - Integration fördern" (von der Zeitbild-Stiftung durchgeführt) wurde Papilio 2013 für sein Engagement in der Gewaltprävention und Integrationsförderung ausgezeichnet.

Das universelle Präventionsprogramm wirkt langfristig und fördert die Entwicklung der Kinder nachhaltig. Es setzt auf drei Ebenen an: bei Kindern, Erzieher/innen und Eltern. Die Papilio-Maßnahmen lassen sich einfach in den Kindergartenalltag integrieren und dauerhaft umsetzen. Der Vorteil: Alle Kinder, die einen Papilio-Kindergarten besuchen, profitieren von dem Programm, sodass auffällige Kinder nicht stigmatisiert werden, indem sie eine Sonderbehandlung erfahren.

Ein zentraler Baustein des Programms ist das entwicklungsfördernde Erziehungsverhalten der Fachkräfte, denn sie fördern die altersgerechte Entwicklung der Kinder durch ihr eigenes Verhalten. Dieses Erziehungsverhalten ist die Basis für den Umgang mit dem Kind und der Gruppe. Verbalisieren von Lob und Handlungsanweisungen sowie der Umgang mit unerwünschtem Verhalten sind wichtige Elemente (Mayer et al. 2015).

Für Kinder gibt es drei kindorientierte Maßnahmen, mit denen sie spielerisch soziale und emotionale Kompetenzen erwerben.

1. Mit Kobolden Gefühle lernen

Die wohl bekannteste ist "Paula und die Kistenkobolde". Grundlage ist die Geschichte um die vier Kobolde Heulibold, Zornibold, Bibberbold und Freudibold, welche für die vier Basisgefühle stehen, die Kinder als erstes lernen: Traurigkeit, Ärger/Wut, Angst und Freude. Mit Hilfe der Kobolde lernen die Kinder ihre Gefühle kennen - und das ist auch das Ziel der Maßnahme: Sie erwerben emotionale Kompetenzen. Die Kinder lernen den Umgang mit den eigenen Gefühlen und den Gefühlen anderer. Die Koboldgeschichte entstand zusammen mit der Augsburger Puppenkiste und wurde auch als Bühnenstück inszeniert. Das Stück geht regelmäßig mit Papilio auf Tournee durch Deutschland, um über die Bedeutung der frühen Prävention aufzuklären, und wurde bereits vor vielen Tausenden von Kindern aufgeführt.

Im Kindergartenalltag werden die Kobolde und die damit verbundenen Emotionen nach und nach eingeführt. Danach begleiten sie die regelmäßigen Gespräche über Emotionen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Visualisierung, z.B. einen Koboldraum zu gestalten oder eine Pinnwand mit selbstgemalten Kobolden einzurichten, auf der die Kinder ihr eigenes Bild je nach Gefühlslage einem Kobold zuordnen können.

2. Wenn das Spielzeug Ferien macht

Beim "Spielzeug-macht-Ferien-Tag" spielen die Kinder einmal pro Woche ohne herkömmliches Spielzeug wie Brettspiele, Puppen oder Konstruktionsspielzeug. Anhand einer Geschichte wird ihnen erklärt, warum auch das Spielzeug mal Ferien braucht, und fortan gibt es im Kindergarten immer einen Tag in der Woche, an dem das Spielzeug in den Schränken bleibt. Diese Maßnahme unterstützt das interaktive Spielen der Kinder miteinander. Die Kinder können sich nicht mehr hinter dem Spielzeug "verstecken". Vielmehr werden sie angeregt, sich mit anderen Kindern über mögliche Spiele auszutauschen und sich darauf zu einigen, was sie spielen möchten, zum Beispiel Rollenspiele. Sie wenden soziale und emotionale Fertigkeiten im direkten Kontakt mit anderen Kindern an.

Der Spielzeug-macht-Ferien-Tag trägt dazu bei, dass sich Kinder im Spiel begegnen, die sonst nicht viel miteinander zu tun haben. Somit ergeben sich mehr soziale Austauschmöglichkeiten, was besonders für schüchterne, zurückgezogene Kinder wichtig ist. Die Maßnahme fördert auch, dass die Kinder Freundschaften knüpfen.

3. Spielerisch soziale Regeln lernen

Das Meins-deinsdeins-unser-Spiel unterstützt Kinder beim Erlernen und Einhalten sozialer Regeln, fördert prosoziales Verhalten und reduziert unerwünschtes Verhalten. Diese Maßnahme geht das vermeintlich strenge Thema Regeln spielerisch an und integriert es in den normalen Kindergartenalltag. Die Kinder vereinbaren eine Regel gemeinsam mit der Erzieherin, beispielsweise: "Ich lasse den anderen ausreden." Dabei sind die Kinder in Gruppen eingeteilt. Jede Gruppe, die die Regel in der vereinbarten Spielzeit einhält, erhält einen Punkt. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass sich die Kinder einer Gruppe gegenseitig beim Einhalten der Regel unterstützen. Die Gruppe, die am Ende einer Spielphase, also nach ein bis zwei Wochen, die meisten Punkte erreicht hat, darf sich etwas wünschen - was aber allen Kindern zugutekommen muss, zum Beispiel eine Lieblingsgeschichte vorlesen oder gemeinsames Kuchenbacken.

Einbeziehung der Eltern

Erziehungsarbeit muss als gemeinsame Aufgabe von pädagogischen Fachkräften und Eltern verstanden werden. Deshalb ist für eine nachhaltige Prävention auch die Einbeziehung der Eltern wichtig. Bei Papilio erfolgt dies über Infoabende, Gespräche mit den Kita-Fachkräften, ergänzende Materialien zu den Maßnahmen und den Papilio-ElternClub. Ziel des ElternClubs ist es, die Erziehungskompetenz von Eltern zu stärken und damit die soziale und emotionale Entwicklung der Kinder im familiären Umfeld zu fördern. Der ElternClub umfasst fünf Elterntreffen zu folgenden Themen: Umgang mit Lob, Formulieren von Aufforderungen, Regeln in der Familie, Umgang mit Gefühlen und mit dem Kind die Welt entdecken. In einem sechsten Treffen entscheiden die Eltern selbst, zu welchem Erziehungsthema sie sich austauschen möchten.

Der Papilio-ElternClub wurde im Rahmen eines wissenschaftlich begleiteten Modellprojekts entwickelt, das von 2012 bis 2014 in Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Bayern mit rund 350 Eltern, 45 Kita-Fachkräften und acht Papilio-Trainern erprobt wurde. Die Ergebnisse der ElternClub-Studie zeigten, dass besonders die positive, wertschätzende und offene Atmosphäre bei den ElternClub-Treffen die Bedürfnisse der Eltern trifft und man mit den Eltern sehr intensiv ins Gespräch kommt. Über 95 Prozent der befragten Fachkräfte und Eltern empfahlen die Fortbildung und die Teilnahme am ElternClub weiter. Eltern betonten zum Beispiel, wie sehr ihnen der Austausch mit anderen Eltern nützt, da sie hierdurch Unterstützung und Anregungen für ihren Familienalltag mitnehmen können. Aus Sicht der Fachkräfte ist die im Papilio-ElternClub vermittelte Haltung und Wertschätzung aller Beteiligten eine besondere Bereicherung.

Seit 2015 wird der ElternClub über die Modellregionen hinaus verbreitet. Er steht allen Papilio-Kitas als zusätzliches Angebot zur Verfügung. Die Fachkräfte erhalten dafür eine spezielle Aufbaufortbildung zum ElternClub-Begleiter. Dabei geht es nicht nur um die fachlichen Inhalte der Treffen, sondern immer wieder auch um die Haltung.

Qualifizierung der Fachkräfte und Programmumsetzung in der Kita

Die Einführung des Präventionsprogramms Papilio im Kindergarten setzt eine Fortbildung der pädagogischen Fachkräfte voraus. Sie besteht aus einem Basis- und einem Vertiefungsseminar und dauert insgesamt sieben Tage. Dabei werden die Grundlagen des Programms und die wesentlichen Bausteine vermittelt. Auch lernen die Fachkräfte, wie diese Bausteine in den Kindergartenalltag eingeführt und wie die Eltern einbezogen werden. Die Fortbildung der Fachkräfte erfolgt in den Kindergärten vor Ort durch qualifizierte Trainer/innen. Bereits im Zuge der Fortbildung setzen die Fachkräfte Papilio in ihren Gruppen ein, um den Praxistransfer zu sichern. Zusätzlich werden kollegiale Supervisionstreffen zum gegenseitigen Austausch angeboten. Unter bestimmten Voraussetzungen ist eine Zertifizierung der Teilnehmer/innen bzw. der gesamten Kindertagesstätte möglich. Um eine dauerhafte Qualitätssicherung zu gewährleisten, nehmen die Fachkräfte regelmäßig an Qualitätsverbund-Tagungen teil.

Ist Papilio einmal in einem Kindergarten implementiert worden, merken die Fachkräfte (und auch die Eltern) die positive Wirkung des Programms sehr bald. Besonders verhaltensauffällige Kinder werden dadurch sozial kompetenter und können Konflikte entsprechend ihrer Entwicklung verbal lösen. Auch der Aufwand für das pädagogische Fachpersonal reduziert sich durch den alltäglichen Einsatz der Maßnahmen, sodass dieses sogar entlastet wird.

Einbindung der Papilio-Fortbildung in die Erzieherausbildung an Fachschulen

Einige Fachschulen haben Papilio bereits in die Erzieherausbildung eingebunden und bieten ihren Schüler/innen damit eine zusätzliche Qualifikation an, durch die sie die Papilio-Maßnahmen direkt nach ihrer Ausbildung in einem Kindergarten umsetzen können. Die Einbindung von Papilio an Fachschulen erfolgt über Lehrkräfte, die zu Papilio-Trainern fortgebildet werden. Sie vermitteln die Inhalte des Programms, integrieren sie lernfeldorientiert in die theoretische Ausbildung der Schüler und belegen die Ausbildung durch schulinterne Nachweise. Die angehenden Fachkräfte setzen die Papilio-Inhalte dann im Berufspraktikum oder Anerkennungsjahr um. Sie dokumentieren und reflektieren ihre Arbeit und erhalten nach erfolgreicher Teilnahme ihr Papilio-Zertifikat.

Bisher haben folgende Fachschulen die Papilio-Fortbildung in die Erzieherausbildung mit eingebunden: das Sozialpflegerische Berufsbildungszentrum Saarbrücken (SBBZ) seit 2009 und die Fachschule für Sozialpädagogik der Beruflichen Schulen Bad Hersfeld (Hessen) seit 2010. Im Herbst 2013 sind beide Schulen auch als Papilio-Fachschulen zertifiziert worden. Weitere Ausbildungsinstitute wie die Fachschule für Sozialpädagogik am Berufskolleg Beckum (NRW) und die AWO-Fachschule für Sozialwesen in Potsdam (Brandenburg) werden ab dem Schuljahr 2016/2017 beginnen, die Papilio-Fortbildung in die Erzieherausbildung einbinden.

Bundesweite Verbreitung dank Kooperationspartner

Verantwortlich für das Präventionsprogramm, die Fortbildung und die wissenschaftliche Basisarbeit ist das Sozialunternehmen Papilio e.V. in Augsburg, das mit Partnern in ganz Deutschland zusammenarbeitet. Inzwischen ist das Programm in zwölf Bundesländern eingeführt worden. Mehr als 6.400 pädagogische Fachkräfte haben sich darin fortbilden lassen - sie erreichen bundesweit mehr als 129.000 Kinder (Stand: Juli 2016).

Die bundesweite Verbreitung des Programms ist nur dank der Förderung zahlreicher Partner möglich. Präventionspartner sind beispielsweise Krankenkassen wie die AOK Hessen und die BARMER GEK. Sie haben erkannt, dass eine Investition in das Präventionsprogramm sinnvoll ist, weil dadurch langfristig weniger Kosten in der Behandlung von suchtkranken Jugendlichen entstehen. Aber auch Ministerien, Präventionsfachstellen, Stiftungen (Auridis, Deutsches Forum für Kriminalprävention und Robert Bosch) und weitere Organisationen wie DEUTSCHLAND RUNDET AUF fördern und unterstützen das Programm.

Literatur

Kliche, T. (2013): Kitas vor dem "Kritischen Jahrzehnt"? Schlüsselkompetenzen für den Praxistransfer der kommenden Jahre (Präsentationsfolien auf Papilio-Fachsymposium in Saarbrücken). http://www.papilio.de/download/fachsymposium13-kliche-folien.pdf (25.09.2016)

Mayer, H./Heim, P./Scheithauer, H. (2007): Papilio. Ein Programm für Kindergärten zur Primärprävention von Verhaltensproblemen und zur Förderung sozial-emotionaler Kompetenz. Ein Beitrag zur Sucht- und Gewaltprävention. Theorie und Grundlagen. Augsburg: Beta-Instituts-Verlag

Mayer, H./Heim, P./Scheithauer, H. (2015): Papilio. Ein Programm für Kindergärten zur Primärprävention von Verhaltensproblemen und zur Förderung sozial-emotionaler Kompetenz. Ein Beitrag zur Sucht- und Gewaltprävention. Praxis- und Methodenhandbuch für Erzieher. Augsburg: Papilio-Verlag

Themenreport 2012 "Kinder in Armut - Armut an Kindheit. Report über wirkungsvolles zivilgesellschaftliches Engagement" der Stiftung Stifter für Stifter. http://stifter-fuer-stifter.de/wp-content/uploads/2013/04/PHINEO_Report_Kinder-in-Armut.pdf (25.09.2016)

Zeitbild-Stiftung: Projektvorstellung "Papilio - Projekt zur Förderung sozial-emotionaler Kompetenz im Kindergarten". http://www.jugendgewalt-vorbeugen.de/projekte/papilio-projekt-zur-foerderung-sozial-emotionaler-kompetenz-im-kindergarten.html (25.09.2016)

Autorin

Heidrun Mayer war geschäftsführende erste Vorsitzende des Sozialunternehmens Papilio e.V. Das vor 14 Jahren entwickelte Präventionsprogramm Papilio hat sie von Anfang an mit aufgebaut. 2010 wurde sie als Ashoka Fellow (Sozialunternehmerin) ausgewählt und 2011 von der Robert-Bosch-Stiftung für ihr zukunftweisendes Engagement ausgezeichnet. Im August 2016 starb sie nach einem Fahrradunfall im Alter von 55 Jahren.

Weitere Informationen

Papilio e.V.
Ulmer Str. 94
86156 Augsburg
Tel.: 0821/44805670
Email: info@papilio.de
Website: http://www.papilio.de

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