Patricia Wennemann-Gößling
Wenn wir das Wort Religionspädagogik hören, empfinden wir unterschiedlichste Dinge und Gefühle. Erwartungen und Ängste machen sich breit. Einige von uns denken an ihre Kindheit und an ihre Erfahrungen mit Religion und Kirche. Meist sind diese Erinnerungen von Ängsten und Unbehagen geprägt. Es hagelte Strafen wegen kindlicher Vergehen, und in den seltensten Fällen haben wir ein gutes Gefühl bei unseren Erinnerungen. Denken wir an die religiösen Unterweisungen, erinnern wir uns an auswendig zu lernende Gebete und Litaneien.
Dieses alles wollen wir in der Regel für unsere Kinder nicht! Wenn wir ehrlich sind, wollen wir ihnen nur positive Erinnerungen bereiten. Wir wollen, dass sie sich wohl fühlen mit dem, was sie erleben. Dieses soll der Weg sein, den wir mit unseren Kindern gehen.
Und genau hier setzt Religionspädagogik heute an. Sie will positive Grundlagen schaffen, die es dem Kind oder besser dem Menschen später ermöglichen, seinen Glauben zu entwickeln.
Die Grundlagen der Religionspädagogik sind die so genannten vier Säulen:
Die konkrete Lebenssituation von Kindern aufgreifen |
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Positive Grunderfahrungen ermöglichen |
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Sich Jesus ähnlich verhalten |
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Sich auf einen spirituellen Weg begeben |
Was bedeutet dieses nun für die Arbeit mit den Kindern im Kindergarten?
I. Säule - konkrete Lebenssituation von Kindern aufgreifen: Das Wissen um die Bedürfnisse und den Bedarf der Kinder
Hierbei ist es notwendig, das Lebensumfeld, die Entwicklung und die Alltagssituation der Kinder zu kennen. Es geht hier nicht darum, jedem aktuellen Bedürfnis der Kinder gerecht zu werden, sondern den Bedarf, der dahinter steht, zu sehen.
Ein Beispiel zur Erläuterung: Ein Kind geht ständig in der Gruppe herum und nimmt den Kindern das Spielzeug, mit dem sie spielen, weg! Das aktuelle Bedürfnis des Kindes ist es, das Spielzeug zu besitzen, der dahinterstehende Bedarf ist jedoch Zuwendung, Aufmerksamkeit und Liebe.
Es ist also wichtig, immer ein Stück weit dahinter zu schauen, wirklich zu sehen, was das Kind benötigt, was es für seine individuelle Entwicklung braucht. Es gilt dann, genau hier anzusetzen, diese Lebenssituationen und den dahinter liegenden Bedarf aufzugreifen.
II. Säule - positive Grunderfahrungen vermitteln: Stärkung des Urvertrauens
Das Vermitteln von positiven Grunderfahrungen macht es den Kindern möglich, sich im Leben getragen zu fühlen. Nur so können sie mit beiden Beinen auf dem Boden stehen. Ein Kind, das erfahren konnte, dass es geliebt wird, dass auf andere Verlass ist, dass es wertgeschätzt wird mit allen Stärken und Schwächen, ist in der Lage, auch Enttäuschungen zu verkraften und Spannungen auszuhalten. Zuerst sind es die Eltern, die diese positiven Grunderfahrungen vermitteln. Im Kindergarten sind es dann die Erzieherinnen, die in dieser Weise gefordert sind. Und auch hier geht es um konkrete Alltagssituationen.
Ein Beispiel zur Erläuterung: Ein Kind wirft den Malbecher mit Wasser um. Die Erzieherin geht hin, tröstet das Kind und wischt gemeinsam mit ihm das Wasser auf. Das Kind konnte erfahren, dass es nicht notwendig ist, perfekt zu sein, - und vor allem, dass es gemocht und geliebt wird, so wie es ist, ohne Vorbehalte.
Erst wenn ein Kind diese positiven Grunderfahrungen machen konnte, wird es in der Lage sein, "Glaubenswurzeln" zu bilden. Es wird an einen "Gott" glauben können.
III. Säule - sich Jesus ähnlich verhalten: Vorbehaltlose Annahme
Hier geht es darum, dem Kind erlebbar zu machen, dass es vorbehaltlos angenommen wird. Nichts an seinem Äußeren, seinem Charakter oder an seinen Lebensumständen halten die Erzieherin davon ab, es zu mögen, es zu lieben. Das Kind soll erfahren, dass die Erzieherin um seine Bedürfnisse und den dahinter liegenden Bedarf weiß. Sie erkennt auch seine Nöte und weiß, dass das Kind hierin ernstgenommen werden muss. Es reicht nicht aus, dass eine Erzieherin dieses sagt, sondern sie muss es für das Kind erfahrbar machen. Sie muss diese Einstellung leben.
Ein Beispiel zur Erläuterung: Ein Kind wird zornig und tritt nach der Erzieherin. Es wäre nun sicherlich nicht angebracht, das Kind fortzuschicken. Die Erzieherin wird dem Kind mitteilen, dass sie nicht getreten werden möchte, aber sie wird dieses Kind nicht beschämen, indem sie es von nun an ignoriert. Auch hier geht es wieder um das Erfahrbarmachen von positiven Grunderfahrungen. Die Erzieherin macht sie erlebbar, lebt sie vor.
IV. Säule - sich auf einen spirituellen Weg begeben: Glaubenstraditionen vermitteln
Diese Säule betrifft nun die konkret-praktische Arbeit: Hier geht es um das Weitergeben von Traditionen und Werten. Kinder erleben die christlichen Symbole spielerisch, wie z.B. Wasser, Erde und Licht. Legenden und biblische Geschichten zeigen den Kindern, dass andere Menschen die gleichen Sorgen, Ängste und Bedürfnisse haben und hatten wie sie selbst. So wird es den Kindern erleichtert, mit ihren Ängsten umzugehen. Sie können darauf vertrauen, dass sie nicht allein sind.