Norbert Huppertz
Vorbemerkung
Die hier anstehenden Begriffe abschließend zu klären, ist nicht möglich. Es werden auch keine fertigen Definitionen herangeholt und zitiert, sondern wir versuchen sog. phänomenologisch-hermeneutische Annäherungen, d.h. u.a.: Wir fragen zunächst etymologisch nach der Wortwurzel eines Begriffes (z.B. „Theologie“ kommt von (griech.) theos, d.h. Gott, und Logos (griech., d.h. Lehre). Außerdem wird gefragt nach dem Wesen oder Wesentlichen der „Sache selbst“ (z.B.: Was gehört auf jeden Fall dazu, und was ist evtl. „nur“ akzidentell und insofern ggf. „nur“ unwesentlich?)
1. Zum Verständnis von Religion
Die Sprachforschung konnte bislang keine Einigkeit darüber erzielen, von welchem Ursprungswort das Wort „Religion“ sich herleitet. Drei lateinische Wörter (Wurzeln) werden immer wieder genannt, wobei es gerne dem Interpreten überlassen wird, wofür er sich entscheidet. Diese sind:
- relegere: sich immer wieder hinwenden zu,
- religari: sich zurückbinden,
- religere: wiedererwählen.
Wer daraus eine Umschreibung (s)einer Religion herleitet, könnte sagen: Bei Religion geht es darum, dass jemand sich an „etwas“ bindet, sich „diesem“ immer wieder zuwendet und „es“ je neu wiedererwählt. Mit viel Wohlwollen mag man so auch eine Verbindung zur These des berühmten protestantischen, deutsch-amerikanischen Theologen und Religionsphilosophen Paul Tillich (1896-1965) sehen, wenn dieser sagt: „Religion ist im weitesten und tiefsten Sinne das, was uns unbedingt angeht.“ (zit. Nach Jung, K.: Evangelisch verstehen. Haan-Gruiten, Europa-Lehrmittel, 2016, S. 66). Zu denken ist wohl auch an Martin Luthers Ausspruch „Woran du dein Herz hängst, das ist eigentlich dein Gott.“ Allerdings wollte Luther seine Aussage wohl nicht missverstanden wissen.
Wenn wir uns dem Phänomen Religion wissenschaftlich annähern wollen, ist es wichtig zu schauen, was manchen, vielen oder eventuell sogar allen Religionen gemeinsam ist, also der Frage nachzugehen, welche Merkmale bei „den“ Religionen – mehr oder weniger ausgeprägt – vorzufinden sind. Im Folgenden will ich solche Merkmale kurz nennen.
Zunächst ist interessant, wenn Religionswissenschaftler auf die sog. Universalismusthese hinweisen, d.h.: Man kann davon ausgehen, dass Religion in dem Sinne universell sei, dass es so gut wie keine Gesellschaft gebe oder jemals gegeben habe, in der nicht in irgendeiner Weise auch Religion bzw. Religiöses vorhanden war bzw. sei. Selbstverständlich muss dabei in Betracht gezogen werden, wie unterschiedlich Religionen entwickelt, ausgeprägt und anerkannt sind.
Ein erstes gemeinsames Merkmal von Religion betrifft das Phänomen des Glaubens, d.h. Religionen haben Angehörige als Gläubige. Mögen Religionssoziologen auch von sog. „Glaubenswissen“ sprechen, so muss doch bei Religion klar unterschieden werden zwischen Glauben und Wissen. Glauben meint u. a., etwas fest für wahr zu halten, Wissen heißt u. a., etwas verlässlich, transparent und überprüfbar aufweisen zu können.
Ein anderes übergreifendes Phänomen von Religion ist „das Heilige“. Das Heilige kann den Menschen faszinieren und ihn ebenfalls erschüttern. Der Religionsphilosoph Rudolph Otto (1869-1937) hat das Phänomen des Heiligen in Religionen umfassend erforscht und in dem unbedingt lesenswerten Buch „Das Heilige“ (1917) umfassend beschrieben. „Das Heilige“ fordert den Glaubenden Ehrfurcht ab. Otto spricht vom mysterium tremendum: ehrfürchtiges Erschauern (Otto, R.: Das Heilige. München 2014, C.H. Beck)
Religionen werden sichtbar, u.a. in Form von Riten und Ritualen bei den sog. Kultereignissen.- Religion kann bestimmte Formen bei Kleidung, Ernährung und Körperhaltung verlangen.
Religionen sind des Weiteren nicht denkbar ohne Gemeinschaftlichkeit. Dabei spielen die Aufnahme in die sowie der Ausschluss aus der Religionsgemeinschaft eine wichtige Rolle: Was muss bei einem Menschen erfüllt sein für die Aufnahme in die betreffende Religionsgemeinschaft? Was, z.B. welches Vergehen, kann zum Ausschluss führen? – Religionen kennen Stufen der Zugehörigkeit, sog. „Stände“, z.B. geweihte Personen und Laien.
- Religionen haben - je nach Entwicklungsstand oder kultureller Entfaltung – eine Theologie (eine eigene Lehre von Gott) als Alleinstellungsmerkmal.- Religionen verfügen über ein eigenes Menschen- und Weltbild, wobei Vorstellungen von Toleranz gegenüber anderen Religionen, Ausbreitung und evtl. Missionen, aber auch Gewalt und Fanatismus eine Rolle spielen können. Leider haben Religionen schon viel zu oft sogar zu Religionskriegen geführt.
Im Zusammenhang von Gewalt und Fanatismus durch Religionen sei besonders das von mir in meiner Pädagogik betonte Erziehungsziel des „Weltbürgers“ erwähnt, dass nicht nur in der Allgemeinen Pädagogik des von mir entwickelten Lebensbezogenen Ansatzes eine Rolle spielt, sondern ganz besonders in einer Religionspädagogik im heutigen Verständnis. Eine „Nulla-salus-These“ (Nulla salus extra ecclesiam: Kein Heil außerhalb der Kirche) bzw. sogar ein entsprechendes Dogma, wie es die älteste christliche Kirche vertreten hat, scheint heute wohl auch theologisch mehr oder weniger (jedenfalls nach außen hin) obsolet geworden zu sein. Die katholische Kirche hat diese ihre Haltung in späteren Enzykliken deutlich relativiert. Der von mir als Weltbürger bezeichnete Mensch - auch der religiöse - denkt und lebt nach dem Motto „Ich bin gut, und du bist gut.“
Erwähnenswert bleibt noch die Frage nach dem sog. Organon des Religiösen, was in etwa die Frage meint: Welches Organon (d.h.: welche anthropologische Dimension des Menschen) aktiviert sich oder wird aktiviert, wenn der Mensch praktisch religiös ist und handelt, z.B. betet oder meditiert? Es kann wohl nicht allein die kognitive Dimension des Menschen sein. In den Antwortversuchen auf diese Frage wird nicht selten auf die anthropologische Dimension des Fühlens verwiesen – etwa im Zusammenhang mit mystischen Erfahrungen o.ä.
2. Religionspädagogik vs. Religionswissenschaft – eine wichtige Unterscheidung
Eine Vorbemerkung darf an dieser Stelle erlaubt sein:
Religionspädagogik wird sich nicht so verstehen, als sei „der Glaube“ „anerziehbar“ – wohl gerade in heutiger Zeit eine trügerische Hoffnung. Möge hier das gegenwärtig vielfach gängige Sprechen von Mystagogie oder mystagogischen Zugängen durchaus hilfreich sein.
Im Zusammenhang mit der religionspädagogischen Aufgabe in der Praxis halte ich Kenntnisse über die Unterscheidung und wenigstens eine rudimentäre Klärung von Religionspädagogik einerseits und Religionswissenschaft andererseits für unverzichtbar. Ich versuche, es zu verdeutlichen am baden-württembergischen sog. Orientierungsplan, genau: „Orientierungsplan für Bildung und Erziehung in baden-württembergischen Kindergärten und weiteren Kindertageseinrichtungen“. Gemäß diesem Plan, an dessen Erarbeitung und Evaluation in der Praxis in den Jahren 2006-2009 ich die Ehre hatte mitzuwirken, ist es wohl die Aufgabe einer evangelischen, katholischen, jüdischen oder islamischen Erzieherin in einer von der jeweiligen Religion getragenen Einrichtung, Kinder zu der entsprechenden Religionsgemeinschaft hinzuführen – heute wäre gewiss angebrachter zu sagen: dorthin zu „begleiten“. Allerdings beauftragt der Orientierungsplan mit aller Deutlichkeit alle Kindergärten und weiteren Kindertageseinrichtungen, unabhängig davon, ob religiös oder kommunal, betrieblich o.ä. getragen, verpflichtend mit der religiösen bzw. weltanschaulichen Bildung. Auf Seite 13 heißt es: „Die Zielformulierungen aller Bildungs- und Entwicklungsfelder sowie die übergreifenden Ziele haben für die Einrichtungen und Träger verbindlichen Charakter.“ (Das Bildungsfeld 6 hat den Titel „Sinn, Werte und Religion“.) Beteuert und unterstrichen wird diese Sicht noch einmal auf S. 98, indem es dort erneut heißt: „Die Zielformulierungen aller Bildungs- und Entwicklungsfelder sowie die übergreifenden Ziele haben für die Einrichtungen und die Träger verbindlichen Charakter.“ Schließlich betont das Gleiche noch einmal der Rückentext des Orientierungsplanes: „Verbindlich in den Zielen gibt er Orientierung und Impulse für die pädagogische Arbeit …“
Der Plan setzt im Bildungsfeld 6 auf das Philosophieren und Theologisieren mit Kindern, und zwar in den 10 Zielsetzungen für alle Einrichtungen verbindlich. Die Unterscheidungskategorie lautet „religiöse bzw. weltanschauliche Grundüberzeugungen“, um deren Vermittlung sich alle Einrichtungen zu bemühen haben. Die Zielformulierungen sprechen hier im Sinne von religionspädagogischer, religionswissenschaftlicher und philosophischer Bildung eine deutliche, aber vornehme und tolerante Sprache. Z.B.: „Kinder kennen und verstehen die christliche Prägung unserer Kultur.“ (verbindliches Ziel 3); „Kinder kennen die Wirkung sakraler Räume, Rituale und Symbole, die die Erfahrung von Geborgenheit, Gemeinschaft, Stille, Konzentration ermöglichen“ (verbindliches Ziel 4); „Kinder kennen ihre religiösen bzw. weltanschaulichen Wurzeln“ (verbindliches Ziel 7); „Kinder sind in der Kindertageseinrichtung angenommen und geborgen – auch mit ihren religiösen bzw. weltanschaulichen Prägungen, Haltungen und Meinungen“ (verbindliches Ziel 10); „Kinder können in ihrem Philosophieren und/oder Theologisieren über das Leben und die Welt verständnisvolle Partner finden“ (verbindliches Ziel 5) usw.
Fazit: Nach dem Orientierungsplan werden alle Kinder in Baden-Württemberg in irgendeiner Form mit Religiösem bekannt gemacht. Das kann geschehen religionspädagogisch über die Hinführung zu einer Religion bzw. in eine Religionsgemeinschaft, z.B. in den religiös getragenen Einrichtungen, oder aber über eine Art religionswissenschaftlicher Bildung, z.B. durch das Kennenlernen von religiösen Räumen (Kirche, Moschee, Synagoge o.ä.) und Orten u.a. mehr. Je nach Trägerschaft haben die pädagogischen Fachkräfte dann auch entsprechende Formulierungen, z.B. als sog. Tendenzklausel, in ihren Arbeitsverträgen. Alle Einrichtungen aber haben verpflichtend die Aufgabe der religiösen und interreligiösen Bildung.
Exkurs: Unterscheidung von Bildung und Erziehung – Mein Verständnis
Manchmal werden heute die beiden Begriffe „Bildung“ und „Erziehung“ nicht mehr unterschieden oder des Öfteren etwas skurril verstanden und verwendet. Das ist aber nicht sinnvoll; denn man kann und sollte beide Begriffe und Phänomene sehr wohl voneinander unterscheiden.
Am meisten irregeleitet ist das pädagogische Denken dort, wo man die Begrifflichkeit von Erziehung und Bildung dahingehend definiert, dass Erziehung das sei, was von der Erzieherin bzw. dem Erzieher „ausgehe“ (z.B. ein gezieltes Angebot), Bildung jedoch das sei, was das Kind sich selbst aneigne. Meine Bewertung: Unvernünftiger und geschichtsvergessener geht es kaum. Als gäbe es neben dem Bildungsbegriff nicht den Begriff der „Selbstbildung“, über den die Pädagogik längst in ihrer Tradition verfügt. (Wer Kinder heute am Handy oder an anderen digitalen Medien sieht, erkennt leicht, was „Selbstbildung“ auch sein kann – in welch fataler Weise auch immer – und zugleich, wie wichtig verantwortete Erziehung und (!) Bildung gerade jetzt sind. Verantwortungsvolle Bildung und (!) Erziehung müssen beide das Werk und die Aufgabe verantwortlicher Fachkräfte bleiben. Ohne derlei ethische Grundlegung degeneriert das Anliegen der Pädagogik. (Als Beispiel für das hier beschriebene Fehlverstehen von „Bildung“ und „Erziehung“ sehe ich im – an sich gelungenen und empfehlenswerten – Orientierungsplan von Baden-Württemberg S. 22). Ähnliche Verwirrung liegt vor, wenn das „Bildungs-“Angebot der pädagogischen Fachkraft, wie in der Schrift „Religionspädagogische Bildung“ der evangelischen Kirche Stuttgart zu lesen (S. 3,2,1), als „Zumutung“ bezeichnet wird. Dort liest man: „So werden Kinder der „Zumutung“ ausgesetzt, sich mit den religiösen Traditionen unseres Kulturkreises zu beschäftigen“ (a.a.O.). Nun: „Zumutbar ist, was jemand schwer oder nicht leisten kann“, so das Bedeutungswörterbuch Duden (S. 780). Eine solche Wortwahl passt doch nicht zur „Frohen Botschaft“ des Christentums. In religionspädagogischen Äußerungen tun die Autoren gut daran, die Terminologie der klassischen Pädagogik nicht nur nicht aus den Augen zu lassen, sondern sich auch ihrer zu bedienen und sie beizubehalten. Alles andere schadet dem eigenen Anliegen.
Bildung und Erziehung unterscheiden wir voneinander wie zwei Seiten ein und derselben Medaille. Bei Erziehung steht mehr (!) der Wert-Norm-Aspekt im Vordergrund (z.B. Gemeinschaftserziehung), bei Bildung ist mehr (!) der thematisch-inhaltliche Aspekt betont.
Beide können tendenziell deutlich voneinander getrennt gesehen werden, gehören aber der Sache und Wirkung nach auch durchaus zusammen. Dass der Inhalt oder das Thema etwa eines Bilderbuches, z.B. über Achtsamkeit – durch seinen Bildungsgehalt – auch erzieherisch eine Wert-Norm-Vermittlung von Respekt und Aufmerksamkeit bewirken soll und wird, das leuchtet wohl ein. Dass eine biblische Geschichte als Thema und Inhalt eines didaktischen Angebotes auch im Sinne einer ethischen Werteerziehung wirksam sein dürfte, ist ebenfalls evident. Das spricht also dafür, die beiden Begriffe zwar auseinander zu halten, aber nicht völlig voneinander zu trennen.
In beiden - also sowohl bei Erziehung als auch Bildung – ereignet sich Lernen im Sinne der Verhaltensänderung im engeren und weiteren Verständnis. Erziehung i.e.S. endet mit der Mündigkeit des Menschen. Danach erfolgt aber weiterhin Lernen, u.a. verstanden als Sozialisation. (Vgl. des Genaueren dazu Huppertz, N./Schinzler, E.: Grundfragen der Pädagogik. Eine Einführung für sozialpädagogische Berufe. Köln: H. Stam GmbH, o.J. 10. Aufl., S. 49f.; S. 178f.)
3. Religionspädagogik
Es klang bereits an, was unter Religionswissenschaft zu verstehen ist: religionswissenschaftliche Bildung kann als Information über Religion(en) verstanden werden – unabhängig von den religiösen Überzeugungen der pädagogischen Fachkräfte. Wie soll nun aber Religionspädagogik des Näheren verstanden werden? Auch diese Frage wurde hier bereits berührt, muss aber noch besser bedacht werden.
Was heißt Pädagogik?
Es schadet bei dieser Fragestellung wiederum nicht, auf den ursprünglich wörtlichen Sinn der Wortwurzel von „Pädagogik“ zu schauen. „Pädagogik“ hat etymologisch gesehen zwei Wurzeln, und zwar: pais (griech.): das Kind – sowie agein (griech.): führen. Pädagogik wäre demnach wörtlich die Lehre von der „Kinderführung“. Natürlich hört man hier leicht heraus, dass Pädagogik in einem derartig verengten Verständnis die Sache und das Anliegen von Erziehung, Bildung und Betreuung im modernen Sinne niemals treffen würde – aber: Andererseits darf auch nicht übersehen werden, dass der Grundgedanke einer Führung des Kindes nicht völlig verloren gehen soll. Allerdings kommt es auf die Art und Weise an, und selbstverständlich darf auch und gerade in der Religionspädagogik niemals vergessen werden, dass man auf einen absolut sozialintegrativen, demokratischen, partnerschaftlichen Erziehungsstil verpflichtet ist, der u.a. jedes autoritäre Gebaren ausschließt (s. dazu Huppertz, N./Schinzler, E.: Grundfragen der Pädagogik, S. 72ff.). Stattdessen nun allerdings das viel schwächere und sanfter klingende Wort „begleiten“ alleine zu nehmen, wie es derzeit des Öfteren geschieht, kann nicht ausreichen. Deshalb schlage ich den Begriff „pädagogisch begleiten“ bzw. „pädagogische Begleitung“ vor. Damit werden wir einerseits dem Anspruch des partnerschaftlichen Erziehungsstils gerecht und vernachlässigen andererseits nicht völlig die Führungskomponente. Dies scheint mir vor allen Dingen auch für die Religionspädagogik zu gelten.
Was ist Erziehung?
Erziehung kann in zweierlei Bedeutung verstanden werden: a) als Ergebnis (der Volksmund sagt(e) „Jemand hat eine gute Erziehung“), hier aber besser b) als Prozess. Dann können wir als Definitionselemente nennen und Erziehung demgemäß verstehen als:
- Hilfe eines verantwortlichen Menschen
- gegenüber einem ihm anvertrauten jungen Menschen
- mit bestimmten Erziehungsmitteln, mit seiner Persönlichkeit und einem bestimmten Erzieherverhalten (Erziehungsstil)
- mit bestimmten Vorstellungen (Erziehungszielen)
- bei bestimmten Voraussetzungen (Anlage und Umwelt)
- in der Absicht und dem Wunsche, dass der junge Mensch als eigenständige, demokratiefähige, verantwortungsbereite Persönlichkeit ein gelingendes Leben haben möge. (nach Huppertz, N./ Schinzler, E.: Grundfragen der Pädagogik, S. 49)
Folglich kann nun auch gemäß dem bisher Gesagten Erziehung und Bildung im Bereich des Religiösen, d.h. in der Religionspädagogik, verstanden werden, und zwar auf der theoretisch-begrifflichen Ebene wie auch auf der praktischen in den Einrichtungen. Da scheint mir nun allerdings ein ziemlicher Klärungsbedarf vorzuliegen.
Die große Vielfalt - man könnte es auch anders nennen - an Begriffen, Verständnissen, Positionen u.ä., die mir als Erziehungswissenschaftler bei der Sichtung „der“ religionspädagogischen Literatur begegnet, ist erstaunlich. Mein Eindruck: Sie könnte durchaus klarer und deutlicher sein. Jedenfalls dürfte es wohl für Menschen in der Praxis nicht unbedingt hilfreich sein, wenn ungeklärt mit Begriffen wie etwa „integrierte Religionspädagogik“ o.ä., gearbeitet wird, wobei einzelne solcher Begriffe in der Allgemeinen Erziehungswissenschaft längst geklärt sind. Der Hintergrund für die festgestellte ungeklärte Lage der Religionspädagogik scheint mir eine zu geringe Grundlagenkenntnis aus der traditionellen Allgemeinen Pädagogik, gepaart mit einer gewissen Mutlosigkeit und Unentschlossenheit in Sachen Religion zu sein.
Es dürfte von Vertretern der theoretischen Religionspädagogik nicht zu viel verlangt sein, wenn sie schlicht und einfach z.B. der Frage in der Pädagogischen Psychologie nachgingen, wie religiöse Erziehung unter pädagogisch-psychologischen Aspekten überhaupt gelingen kann. Dazu seien hier nur die drei Gegebenheiten genannt, die vorliegen müssen, wenn religiöse Erziehung und Bildung gelingen sollen:
- Vorbildlernen,
- Nachdenken und Sprechen über die Inhalte und
- Einüben.
Das ließe sich problemlos – selbstverständlich gemäß allen didaktischen Prinzipien modifiziert und angepasst – auf die Themen und Inhalte des Religiösen übertragen und anwenden. Religionspädagogischer Praxis dürften die drei Punkte hilfreich sein.
Wer nun eine Umschreibung von Religionspädagogik erwarten mag, dem biete ich den folgenden Definitionsvorschlag zum eigenen Nachdenken an:
Religionspädagogik befasst sich mit
- der Theorie von eigener Religion sowie der Religion anderer
- und verwirklicht die praktische Umsetzung, besonders der eigenen. gemäß dem heutigen Verständnis von
- Erziehung,
- Bildung und
- Sozialisation.
4. Interreligiöse Bildung und Erziehung
Praktische wie auch theoretische Religionspädagogik kann heute gar nicht anders, als sich u.a. auch mit Interreligiosität zu befassen. Kinder auch mit anderen Religionen als mit der eigenen bekannt zu machen, stellt sich nach den Bildungsplänen der Bundesländer den Einrichtungen als obligatorische Aufgabe. Dies sollte nun allerdings nicht allein aus der Ableitung von den in der Einrichtung „vertretenen“ Religionen geschehen. Im Übrigen kann diese Auffassung nicht mehr gelten, da etwa ein Drittel der Kinder in deutschen Kindergärten und Krippen einen Migrationshintergrund haben und insofern auch vielfältige religionspädagogische Bedarfe vorliegen.
Was heißt interreligöse Bildung und Erziehung?
„Inter“ ist ein lateinisches Wort und heißt „zwischen“. „Interreligiosität“ bezieht sich somit auf ein „Zwischen“ der Religionen. Dieses Zwischen meint jedoch nicht Leere o.ä., sondern will kommunikativ verstanden sein. Es betrifft (ähnlich wie „zwischenmenschliche Kommunikation“) den Austausch und das Verstehen der Religionen untereinander und miteinander.
Interreligiöse Erziehung und Bildung hat als Ziel und Gegenstand eine interreligiöse Kompetenz, die in Kindheit und Jugendalter vermittelt und erworben werden soll. Kompetenzen implizieren Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, Einstellungen und Haltungen.
Wir definieren interreligiöse Kompetenz mit Blick auf drei Dimensionen des Menschen:
Wissen, Können und Einstellung im Zusammenhang mit Religion bzw. Religionen in deren Theorie und Praxis. Ganz unabhängig davon, ob jemand selber (schon) religiös (oder gar „tief“ religiös) ist, bedarf es für ein gelingendes Zusammenleben in unserer hoch zivilisierten Gesellschaft der interreligiösen Kompetenz.
Die wünschenswerte Einstellung (Haltung, Überzeugung o.ä.) in unserem Zusammenhang muss sich verstehen nach dem Motto „Ich bin gut, und du bist gut“ - hier: „Meine Religion ist gut, und deine ist gut.“ Deshalb muss man nicht jedes Detail an jeder Religion gut finden, was auf Grund einer eigenen religiösen oder kulturellen Sozialisation wohl auch kaum möglich ist. Ich schlage hier allen Religionen den Begriff und das Verständnis einer „aktiven Toleranz“ vor. Dabei käme zu Toleranz, meist verstanden als Duldung, besonders das Interesse an und Wohlwollen gegenüber Andersgläubigen und Ihrem Glaubensgut zum Tragen.
Als Voraussetzung einer wünschenswerten Haltung gegenüber einer Religion muss aber das Wissen über diese Religion betont werden. Deshalb bedarf es im Rahmen der interreligiösen Erziehung und Bildung unbedingt auch der Information über Religion(en). Es wird, wie bereits erwähnt, derzeitig in der pädagogischen Debatte oft betont, wie wichtig es sei, das Kind als Akteur, oft als Hauptakteur, zu sehen. Das klingt gut und ist gewiss gut gemeint; um wen soll es denn auch sonst gehen, wenn nicht um das Kind? Oft wird aber dabei zu wenig unterstrichen, welche Aufgabe, vor allem welche Zuständigkeit und Verantwortung, dabei der pädagogischen Fachkraft (dem Erzieher bzw. der Erzieherin) zufällt. Kinder müssen zuerst einmal Bekanntschaft machen mit und Informationen erhalten über Religion(en). Von allein verfügen sie nicht über das erforderliche Wissen bezüglich Religion(en). (Welch eine Binsenweisheit!) Selbstverständlich müssen sich alle Informationen nach einer Weise des Er-lebens sowie in Toleranz und Wohlwollen vermitteln sowie gelehrt und gelebt werden.
Ebenso bedeutsam wie Wissen und Einstellung ist aber im Zusammenhang mit interreligiöser Kompetenz auch das Können. Wie nicht jeder gleich gut mit „Fremden“ und „Fremdem“ umgehen kann, verhält es sich auch mit Blick auf andere („fremde“) Religionen. Wenn jemand von frühester Kindheit an in seiner (und nur in seiner) Religion sozialisiert (evtl. sogar streng erzogen) wurde, dann kann nicht erwartet werden, dass er von heute auf morgen über das nötige Einfühlungsvermögen (Empathie) oder die aktive Toleranz gegenüber einer anderen Religion verfügt. Allerdings darf und muss erwartet werden, dass er oder sie sich bemüht um den Erwerb von interreligiöser Kenntnis und Empathie, das meint u.a.: sich einfühlen können in den Anderen und dessen religiöse Empfindungen. Dabei wird im Sinne des pädagogischen Optimismus auf die Lernfähigkeit vertraut, d.h. die Änderungsfähigkeit in Wissen, Können und Einstellung.
Die praktische interreligiöse Erziehung und Bildung ereignet sich, wie in anderen Bildungsbereichen auch, u.a.
- im Alltagsumgang und Alltagsgespräch mit den Kindern,
- in didaktischen Angeboten und Projekten,
- durch Exkursionen zu heiligen Stätten und Orten,
- nicht zuletzt aber durch die didaktische Arbeit mit dem Bilderbuch, z.B. mit dem gelungenen Bilderbuch über die Geschichte von Nathan dem Weisen (Ringparabel).
Ich möchte, besonders beim Philosophieren, Theologisieren sowie bei der interreligiösen Erziehung und Bildung für das Arbeiten mit Hilfe des Bilderbuches plädieren. Zu den großen Fragen der Menschheit (Gott, Sinn, Werte, Glück, Freundschaft, Friede, Gerechtigkeit, Leid, Tod, Glaube und Religionen usw.) gibt es inzwischen größtenteils sehr gute Bilderbücher. (s. auch unsere Publikation: Huppertz, N./ Barleben, M.: Freude am Philosophieren. Didaktische Einheiten für Kindergarten und Grundschule, Berlin 2016)
Ein praktikabler Ansatz zur pädagogischen Arbeit bei der interreligösen Bildung könnten z.B. auch die Symbole der Religionen sein. Somit findet man reichlich Ideen und Materialien. Allein, das hilft nur, wenn es praktisch genutzt wird.
Unmissverständlich möchte ich an dieser Stelle auf den, wie es scheint, großen Bedarf an interreligiöser Bildung und Erziehung hinweisen. Deshalb hier meine Anregungen:
- Erzieherinnen und Erzieher müssen sich thematisch-inhaltlich schulen in Sachen Religion(en). Viel mehr wirksame Fortbildung in diesem Bereich ist gefragt und erforderlich. Einrichtungsträger müssen zum Besuch solcher Fortbildungen ihr Personal anhalten.
- Alle Kinder brauchen bereits im Elementar- und Primarbereich dringend Grundkenntnisse über Religionen. Je weniger sie über die religiösen Bräuche anderer Religionen wissen, umso größer ist die Gefahr der Vorurteilsbildung, vor allem aber auch der Ausgrenzung und Desintegration.
- Besonders auch die interreligöse Bildung bedarf des geplanten und gezielten Arbeitens, und zwar in regelmäßigen Projekten und Aktivitätsangeboten als didaktische Einheiten. Dies gelingt nur unter verantwortlicher pädagogischer Begleitung durch das Fachpersonal.
- Es reicht keineswegs aus, wenn Einrichtungen bzw. deren Personal sich sagen „Wir leben das Religiöse im Alltag“, wobei dann (gezielte) didaktische Angebote und Projekte so gut wie keine Rolle spielen.
Nur wenn Kinder andere Religionen rechtzeitig kennenlernen und verstehen, nur dann ist es möglich, dass sich keine Vorurteile bei ihnen bilden und dass sie den Menschen anderer Religionen mit Respekt und Achtung begegnen.
5. Umsetzung in der Praxis – Formen und Methoden
Religiöse Bildung und Erziehung kann in der praktischen pädagogischen Arbeit nicht erfolgen wie das Lehren und Lernen eines Musikinstrumentes, sondern immer aus dem Grundgedanken heraus, dass es sich in jedweder Hinsicht um höchst komplexe, existenzielle Phänomene des menschlichen Lebens handelt. Demgemäß ist auch bei allem pädagogischen Tun in diesem Bereich – vor allem dann, wenn es sich um intentionales Arbeiten handelt – feinfühlig und achtsam vorzugehen und niemals, ohne die anthropogenen und soziokulturellen Voraussetzungen der Betroffenen zu berücksichtigen.
Nach meiner Position gemäß dem Lebensbezogenen Ansatz – dazu u.a. in Kita-Handbuch: Der Lebenszogene Ansatz in thesenhafter Kurzdarstellung. Leben für alle und alles - kann religiöse Bildung und Erziehung sich selbstverständlich bei allen Begegnungen und Gelegenheiten des Alltags ereignen. Als zentral sind allerdings gerade auch in der Religionspädagogik die klassischen Formen des didaktischen Angebotes und der Projektarbeit anzusehen. Das scheint auch von den bekannten theologischen Vertretern der Religionspädagogik sowohl auf katholischer wie auf evangelischer Seite so gesehen zu werden, mögen diese auch im Bereich der klassischen Allgemeinen Didaktik als Teildisziplin der Erziehungswissenschaft nicht so zu Hause sein.
Allerdings ist nicht zu übersehen, mit welch großem Engagement und in welch großer Fülle anerkannte Personen in der Religionspädagogik während der letzten Jahre gearbeitet und veröffentlicht haben. (Es könnte hier ein Dutzend Namen allein aus dem deutschsprachigen Raum genannt werden.) Ein Blick in die Literaturlandschaft zeigt den großen Reichtum, der vorliegt – aber: Leider finden wir wohl auch eine große Diskrepanz zwischen diesem teilweise großartigen Material einerseits und dessen praktischer Umsetzung in den elementarpädagogischen Einrichtungen andererseits. Das gilt wohl für die religiöse Erziehung und Bildung wie besonders auch für die interreligiöse. (Diese Kritik will ausdrücklich die erfreulichen Beispiele, die es natürlich auch gibt, anerkannt und gewürdigt wissen!)
Mein Kindergarten hätte eine Art Jahres-, Monats-, Wochen- und Tagesplanung. Besonders möchte ich den Jahresprojektkalender betonen, z.B. in der Religionspädagogik bezogen auf den Festkreis des Jahres, wobei es selbstverständlich immer nur um eine offene Planung gehen kann – verbunden mit ausgeprägter Flexibilität, Kreativität und Spontaneität auf Seiten des pädagogischen Personals in der Umsetzung. Keine Einrichtung sollte, vor allem angesichts der Vielfalt der Kinder und Familien nahezu überall, als „religiös verplant“ erscheinen – andererseits aber auch nicht orientierungs- oder profillos. Auch für religiös gebundene Einrichtungen gilt die saloppe Formel: Es sollte drin sein, was draufsteht. „Der Martin jedes Jahr hängt mir zum Halse raus“ - gemeint war das Fest St. Martin -, so eine Erzieherin aus einem konfessionellen Kindergarten. Sie hatte nicht verstanden, welch ein Potenzial, nicht zuletzt von den Kindern her, sich aus einem solchen Thema heraus aktiviert, wenn es als Projekt – allerdings echt und nach allen Regeln der didaktischen Kunst der Projektarbeit – durchgeführt wird. Dann kommen, um bei dem Beispiel zu bleiben, Tiefe und spiritueller Reichtum des Themas St. Martin zum Tragen. Ich empfehle – auch und gerade in der religiösen Erziehung und Bildung – dringend einen solchen Jahreskalender. Das didaktische Angebot, also die gezielte didaktische Einheit (wie man auch sagen kann, hoffentlich ohne missverstanden zu werden) halte ich besonders gut geeignet für das Theologisieren und Philosophieren mit Kindern.
6. Philosophieren und Theologisieren
Philosophieren und Theologisieren mit Kindern, beides inzwischen in Elementar- und Primarpädagogik gängig gewordene Begriffe, verstehe ich so: Beim Philosophieren und Theologisieren mit Kindern geht es inhaltlich um die sogenannten „großen Fragen“, z.B. die Gottesfrage, Ziel des menschlichen Lebens, also etwa die Frage: Was ist der Sinn des Daseins des einzelnen Menschen? (Könnten wir auch nicht da sein?) Was ist der Sinn des Daseins der Menschheit überhaupt?
Beim Philosophieren und Theologisieren mit Kindern denken, sprechen und handeln wir mit ihnen, wo immer möglich, „auf Augenhöhe“.
Dies kann, wie bereits gesagt, mit Kindern spontan und aus der Gegebenheit heraus geschehen (gleichsam situativ), oder aber in gezielt geplanten Bildungsereignissen (vorbereitet und, wie man sagen könnte, didaktisch inszeniert). Beides (!) hat für das Philosophieren und Theologisieren mit Kindern seine Bedeutung und Wirkung.
Ich möchte Philosophieren und Theologisieren mit Kindern so definieren: Es ist das ausdrückliche Nachdenken, Sprechen und – wenn möglich – praktische Tun mit Kindern über große und letzte Lebensfragen, aber auch über kleinere erstaunliche Dinge, die uns berühren und bewegen – ohne bzw. mit expliziten(m) und intentionalen(m) Bezug und Rückgriff auf Glaube und Offenbarung. Eine scharfe Trennung von Philosophieren und Theologisieren mit Kindern ist nicht immer möglich.
Noch einmal als Anregung: Im hier in Rede stehenden Zusammenhang finde ich erstaunlich und bemerkenswert, dass nach meiner (auch wissenschaftlich fundierten) Erfahrung in so wenigen Kindergärten echte Projektarbeit überhaupt – vor allem aber auch im religiösen Bildungsbereich – stattfindet. Auffällig ist auch, dass in religionspädagogischen Abhandlungen die Projektarbeit, aber auch das religionsbezogene didaktische Angebot nicht genügend zur Sprache kommen, stattdessen aber gerne auf situative Kurzszenen aus der Praxis verwiesen wird. Damit allein wird man dem Bildungsauftrag nicht gerecht.
7. Selbstevaluation – auch im Religiösen möglich?
Genau so wenig wie ich annehme, dass man zu echtem Glauben „hinführen“ kann, so wenig ist davon auszugehen, dass die Glaubensfrage als solche mit Evaluation in Verbindung zu bringen ist, mögen auch die empirischen Untersuchungen in Religions- und Glaubensfragen in letzter Zeit zunehmen. Nun wurde ja eingangs versucht, sich dem Phänomen des Religiösen und der Religion überhaupt anzunähern. Von dort her gesehen, ist es sehr wohl möglich, die praktizierte religiöse Erziehung und Bildung, evtl. besser gesagt: „deren Voraussetzungen“ in einer Einrichtung zu evaluieren, und zwar nicht nur derer in konfessioneller Trägerschaft. Gerne verweise ich hier auf unser kleines Selbstevaluationsinstrument, angepasst dem Instrument im Qualitätshandbuch.
In unserem Qualitätshandbuch zur Umsetzung des baden-württembergischen Orientierungsplanes heißt es im Item 10: „Kinder werden bei mir dazu angeregt, über Anfang, Ziel und Ende des menschlichen Lebens zu philosophieren bzw. zu theologisieren.“ (Huppertz, N./Karch, T.: Qualitätshandbuch zum Orientierungsplan Baden-Württemberg, Oberried, PAIS-Verlag 2012, S. 132)
Das folgende Schema als Beispiel aus diesem Qualitätshandbuch mag als Selbstevaluationsinstrument und Anregung dienen.
Ein wenig Kommentierung kann helfen, dass dieses Instrument der Selbstevaluation nicht missverstanden wird, sondern weitere Akzeptanz und Anwendung findet. Zunächst sei angemerkt: Wer überhaupt derlei Instrumente der Auswertung seiner eigenen Arbeit verwendet oder empfiehlt, sollte nicht gleich mit „Fliegenbeinzählerei“ in Verbindung gebracht werden – auch dann nicht, wenn die eine oder andere Zahl vorkommt.
Die Punktevergabe in der Spalte rechts ist keineswegs willkürlich entstanden, sondern das Ergebnis langer und kreativer Diskussionen von Theoretikern und vor allem auch Praktikern. Selbstverständlich ist es hilfreich für die praktische religionspädagogische Arbeit, wenn in der Einrichtung gutes und genügend didaktisches Material vorhanden ist. Andererseits leuchtet aber auch ein, dass dieses allein noch keineswegs ausreichend ist, wenn es, wie es durchaus vorkommt, „nur herum liegt oder steht“. Viel wichtiger (dreimal so wichtig?) sind Persönlichkeit und Engagement der pädagogischen Fachkraft. Allerdings muss diese dann tatsächlich ihre Aufgabe als verantwortliche pädagogische Begleitung auch professionell wahrnehmen und nicht nur wollen. Deshalb wird der didaktischen Einheit als konkretes Aktivitätsangebot und, wie oben betont, der praktizierten Projektarbeit so viel Bedeutung beigemessen und eine entsprechende Punktzahl vergeben. Aber auch die organisatorischen und strukturellen Voraussetzungen, verbunden mit dem, was eine sog. Atmosphäre überhaupt erst möglich macht, ist nach unserer Auffassung nicht unerheblich. Schließlich müssen die Fragen der religiösen Bildung und Erziehung auch in der Eltern- sowie Teamarbeit regelmäßig ihren Platz haben und erhalten deshalb die ihnen gebührende Punktzahl.
Das Instrument hat sich – gerade wegen seiner Schlichtheit und leichten Anwendbarkeit – bei unseren Evaluationsprojekten gut bewährt. Entwickelt wurde es unter meiner Leitung in meinen Forschungsseminaren unter Beteiligung erfahrener Praktiker*innen.
(Auf Literaturangaben zur Religionspädagogik i.e.S. wird hier absichtlich verzichtet. Die hier notwendigen Literaturangaben befinden sich im Text.)
Weitere Fachbeiträge:
http://www.pais-verlag.de/shop/qualitaetshandbuch-zum-orientierungsplan/
http://www.lebensbezogener-ansatz.de/
http://www.pais-verlag.de/shop/der-lebensbezogene-ansatz/
http://www.pais-verlag.de/thema/lehrfilme/
Verwiesen sei auch auf die Beiträge von N. Huppertz in diesem Kita-Handbuch.
Zum Autor
Prof. Dr. Norbert Huppertz; Professor (emer.) für Erziehungswissenschaft (Schwerpunkt Elementarpädagogik) an der Pädagogischen Hochschule Freiburg (University of Education); Studium der Pädagogik, Philosophie und Klassischen Philologie an der Universität Freiburg; Enkelschüler von Edmund Husserl; zahlreiche Publikationen zur Allgemeinen Pädagogik, Elementarpädagogik und Anthropologie (Gesamtauflage über 300.000); wissenschaftliche Begleitung von vielen Forschungs- und Entwicklungsprojekten; Mitarbeit am baden-württembergischen Orientierungsplan und wissenschaftliche Begleitung von dessen Umsetzung (Näheres siehe Homepage: www.wibeor-baden.de/huppertz und Eintrag Norbert Huppertz in Wikipedia). Prof. Huppertz ist der Begründer des Lebensbezogenen Ansatzes, der in den 1990er Jahren an der Pädagogischen Hochschule Freiburg unter seiner Leitung entwickelt wurde und seitdem vielfach erprobt und verwirklicht ist.