Evelyne Muck
Welcher Kindergarten ist für uns der richtig? Und was zeichnet eigentlich die katholischen Kindergärten aus? Diese Frage haben sich schon viele Eltern gestellt. So soll dieser Artikel die Entscheidungsfindung bei der Wahl des richtigen Kindergartens erleichtern.
1. Wesensmerkmale katholischer Kindergärten
1.1 Das Mitarbeiterinnenprofil
Für alle Mitarbeiterinnen in katholische Kindergärten gilt: Durch ihre Tätigkeit tragen diese dazu bei, dass die jeweilige Einrichtung ihren Teil am Sendungsauftrag der katholischen Kirche erfüllen kann. Deshalb muss sich das gesamte Handeln und "Sein" der Einrichtung an der Glaubens- und Sittenlehre der katholischen Kirche ausrichten. "Der kirchliche Dienstgeber kann pastorale, katechetische sowie in der Regel erzieherische und leitende Aufgaben nur einer Person übertragen, die der katholischen Kirche angehört."
Die Folge davon ist, dass
- alle Erzieherinnen in katholischen Kindergärten katholisch sind, und
- "die rechte Gesinnung" nachgewiesen werden muss.
Dies sorgt erwartungsgemäß für eine starke Selektion der Bewerberinnen für Stellen in diesen Kindergärten.
1.2 Die Verknüpfung von religions- und allgemeinpädagogischen Zielen
Die religiöse Erziehung von Kindern gehört seit Bestehen der katholischen Tageseinrichtungen für Kinder zu ihren Wesensmerkmalen und grundlegenden Aufgaben. Es wird gebetet, von Gott, Jesus, biblischen Gestalten und Heiligen erzählt; es werden religiöse Lieder gesungen und kirchliche Feste gefeiert. Manches jedoch, was eigentlich aus christlicher Intention an Themen behandelt, an Verhalten ausprobiert und erlernt, an Einstellungen und Werten vermittelt wird, unterscheidet sich rein äußerlich kaum von einem humanistisch geprägten Erziehungsstil. Die Besonderheit der religiösen Erziehung kann darin gesehen werden, dass mit dem Kind auf eine Art und Weise umgegangen wird, die ihm hilft, zum Leben - trotz seiner Widrigkeiten und leidvollen Geschehnisse (die auch das kleine Kind schon erfährt) - eine positive, bejahende, erwartungs- und hoffnungsfrohe Einstellung zu finden.
1.3 Das Bild des Kindes im katholischen Kindergarten
Katholische Kindergärten orientieren sich in ihrem Bild vom Kind am christlichen Menschenbild. Das bedeutet: Der Mensch ist Mensch von Beginn an sowie "Person". Dabei bedeutet "Personsein" im christlichen Menschenbild, die elementare Menschenwürde zu besitzen, die im Geschaffensein durch Gott und als Abbild Gottes begründet ist (= "Imago-Dei-Gedanke", die Natur wird als "Spur Gottes" gesehen). Diese Grundannahme der Personalität des Kindes hat zur Konsequenz, dass ihm ebenso Akzeptanz und Respekt gebührt wie einem Erwachsenen. Dem Kind wird zwar ein fundamentales Vertrauen in seine Anlagen und Begabungen, sein Wachstumsstreben und seinen Entfaltungswillen entgegengebracht, es wird aber auch als erziehungsbedürftig angesehen. Deshalb braucht es bei der Entwicklung seiner Ich-Identität Anregung, Unterstützung und die beistehende Nähe von Erziehenden sowie die Auseinandersetzung mit ihnen. Dabei bedeutet religiöse Erziehung das Eingehen auf die grundlegenden Lebensfragen, die bereits schon für das kleine Kind relevant sind. Solche können sein: "Woher komme ich?", "Was kommt nach dem Tod?" Die religiöse Erziehung erfolgt situationsorientiert, d.h., dass sie die religiösen Inhalte nach Möglichkeit mit Blick auf die Situation des Kindes thematisiert (siehe Beispiel III). Das Kind muss in seiner momentanen Verfassung, mit seinen Fragen und Anliegen, mit seinen Möglichkeiten und Grenzen des Verstehens, mit seiner eigentümlichen Art, Dinge und Geschehnisse emotional zu erfassen und zu verarbeiten, erkannt und berücksichtigt werden. Ein solches Eingehen auf das Kind ist die Bedingung dafür, dass der Glaube einen Platz in seinem Leben und in der Gemeinschaft der Kinder finden kann. Konkret bedeutet dies, dass die religiöse Erziehung auf der Ebene geschieht, auf der sich das Kind im Erkennen und Erfassen seiner selbst und der Welt gerade befindet.
2. Beispiele für die Arbeit eines katholischen Kindergartens
Die folgenden Beispiele wurden aus einem Buch von Ilse Jüntschke und Werner Böse (1992) entnommen.
Beispiel I
Im Advent bastelte die Erzieherin mit ihren Kindern eine Weihnachtskrippe: Jörg betrat den Gruppenraum und begrüßte die Erzieherin. Er blieb stehen und beobachtete die bastelnden Kinder. Die Erzieherin fragte ihn: "Magst du dich zu uns setzen und auch basteln?" Jörg zögerte mit seiner Antwort und fragte dann: "Was bastelt ihr?" "Eine Krippe" riefen die Kinder. Jörg schüttelte den Kopf: "Ach nein! Wenn ich die mit nach Hause bringe, kriegt meine Mutter wieder einen Wutanfall." - "Warum denn?" - "Na du weißt doch, meine Mutter sagt immer, sie will von dem Quatsch nichts wissen. Und meinen gebastelten Engel hat sie in den Papierkorb geschmissen."
Die Erzieherin hatte ihm sehr aufmerksam zugehört. Dann fragte sie: "Möchtest du etwas anderes basteln?" - "Nee, lieber eine Krippe, wie die anderen." - "Du, ich würde mich freuen, wenn du für mich eine Krippe bastelst."
Jörg strahlte über das ganze Gesicht. Als er später der Erzieherin die Krippe schenkte, wirkte er dabei sehr glücklich. Schade, dachte sich die Erzieherin, dass seine Mutter dieses Leuchten in seinen Augen nicht sehen kann. Sie nahm sich vor, sobald wie möglich mit den Eltern von Jörg über diesen Konflikt zu sprechen.
Beispiel II
Eines Morgens betrat Jennifer den Gruppenraum und stellte sich schweigend neben die Erzieherin. Als diese sich zu ihr hinunterbeugte, flüsterte sie ihr ins Ohr: "Du, gestern ist meine Mutti ins Krankenhaus gekommen. Betest du mit uns, damit sie wieder gesund wird?" Die Erzieherin spürte, dass es Jennifer mit ihrer Bitte ernst war. "Wollen wir dieses Gebet gemeinsam sprechen?" fragte sie. Jeniffers Augen strahlten. Die Erzieherin baute dem Kind im richtigen Moment eine Brücke und machte ihm Mut, mit eigenen Worten Gott um Hilfe zu bitten.
Beispiel III
In einem Kindergarten wurde das Thema "Abgelehnt werden" erarbeitet und mit der Zachäus-Geschichte verbunden. Anlass für das Thema und die Wahl dieser biblischen Geschichte war die Abneigung, die der fünfjährige Sascha gegenüber einer Erzieherin deutlich werden ließ. Verbal begründen konnte Sascha diese Abneigung nicht. Zu diesem Sachverhalt wurde natürlich während der Beschäftigung mit der Geschichte keine Beziehung hergestellt.
Die Gruppenleiterin ging so vor: Eines Morgens fanden die Kinder in ihrem Gruppenraum eine aus Bauklötzen erbaute runde Mauer mit einem Tor vor. Die Kinder waren neugierig und überlegten, was dieses Gebilde wohl darstellen sollte. Eifrige Gespräche wurden geführt. Gemeinsam mit der Gruppenleiterin stellten sie Häuser, Bäume und Menschen innerhalb dieser Stadtmauer auf. Danach wurden die Kinder angeregt, zu überlegen, welchen Zweck die Mauer haben könnte. Dieses Gespräch leitete zur biblischen Geschichte über. Die Gruppenleiterin erzählte die Geschichte mit ihren Worten.
Die Stadt mit der Mauer blieb einige Tage stehen. Es entwickelten sich Rollenspiele, und die Kinder konnten die Geschichte immer wieder neu durchleben. Da sie zunächst keine Bilder zu der Geschichte gesehen hatten, wurden einige Tage später die Fenster des Gruppenraumes mit einzelnen Szenen bemalt. So bekamen die Kinder eine weitere Möglichkeit, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen. Zum weiteren Entdecken der Geschichte wurde ein Bilderbuch aufgestellt, damit die Kinder als freies Angebot die einzelnen Bildszenen betrachten konnten.
Nach einigen Tagen ging Sascha während des Freispiels auf die oben erwähnte Erzieherin zu. Er stupste sie am Arm und fragte: "Baust du mit mir einen Turm?" Während der gemeinsamen Tätigkeit in der Bauecke wirkte Sascha sehr aufgeschlossen, ja geradezu erleichtert.
Nach dem Freispiel finden sich die Kinder und die Erzieherinnen dieser Gruppe regelmäßig zu einem Morgenkreis zusammen. Es wird gesungen, gebetet und aktuelle Themen werden vertieft. An diesem Morgen äußerte Sascha den Wunsch, die Geschichte von Zachäus zu erzählen. Er erzählte: "Zachäus saß am Tor. Dann kamen Menschen. Die mußten Zachäus Geld geben, und die Leute mochten den Zachäus nicht. Und an einem Tag , da rennen alle so fürchterlich. 'Was ist denn', fragt Zachäus. 'Jesus kommt zu uns!' Und Jesus ist gekommen, und Zachäus konnte nichts sehen, weil er doch so klein war. Da hatte Zachäus eine Idee. Er hatte sich auf einen Baum gesetzt. Dann hat Jesus die Leute zur Seite geschoben und ist mit seinen Freunden zu Zachäus gegangen. Er hat gesagt: 'Ich schlafe heute bei dir.' Drinnen haben sie gegessen und getrunken. Da hörten sie die Leute sagen: 'Warum geht Jesus ausgerechnet zu Zachäus?' Und da hat Jesus gesagt: 'Weil der keinen Freund hat.' Da hat sich Zachäus sehr gefreut."
Während des Erzählens spürten die Erzieherinnen, dass die Geschichte in Sascha weiterlebte. Sie hatte etwas in ihm bewegt, dass es ihm möglich machte, seine ablehnende Haltung der Erzieherin gegenüber aufzugeben.
3. Fazit
Wenn Eltern ihr Kind in einen katholischen Kindergarten bringen, haben sie es automatisch mit einer eingeschränkten Auswahl an Erzieherinnen zu tun. Das kann für Eltern, die ihr Kind mit verschiedenartigen Menschen aufwachsen sehen wollen, ein Problem sein.
Ebenso verhält es sich mit den Kindern: Zwar sollen katholische Kindergärten auch nicht-katholische und ausländische Kinder aufnehmen - das geschieht in der Praxis aber eher selten, da dies die Erzieherinnen vor Probleme stellen kann. Die stark auf das Religiöse ausgerichtete Erziehung ist manchen Eltern - wie in Beispiel II ersichtlich - ein Dorn im Auge, was wiederum deren Kinder in Gewissenskonflikte stürzen kann ("Soll ich so sein, wie die im Kindergarten, oder so wie meine Eltern es wollen?").
Aufgrund dieser beiden Punkte könnte man bemängeln, dass katholische Kindergärten eine Art Insel in einer immer pluraler werdenden Welt darstellen - schließlich kennzeichnen hohe Zahlen an ausländischen Mitbürgern und eine Abnahme der Religiosität unsere gesellschaftliche Situation. Dies mögen Eltern, die ihre Kinder in die Realität hineinwachsen sehen möchten, als nicht passend empfinden. Auch könnte einem die Diskriminierung, die eine geschiedene und wiederverheiratete Erzieherin erfährt, negativ auffallen. Diese muss mit Kündigung rechnen, da sie sich nicht gemäß der katholischen "Glaubens- und Sittenlehre" verhält und damit ihren Teil am "Sendungsauftrag" der Kirche nicht erfüllt. Ebenso kann man die Tatsache, dass ein türkisches Kind moslemischen Glaubens wahrscheinlich gar keinen Kindergartenplatz bekommt, als diskriminierend bezeichnen.
Damit passen sich die katholischen Kindergärten den Erfordernissen der heutigen Zeit nicht an, was sich auch in den oft berufsunfreundlichen Öffnungszeiten widerspiegelt. Sie sind während der Schulferien meistens geschlossen und stellen somit berufstätige Eltern vor unüberwindliche Schwierigkeiten. So eignet sich der katholische Kindergarten eher für Familien, die nach traditionellen Rollenvorbildern leben (Mutter = Hausfrau, Vater = Familienernährer).
Gut eignet sich der Kindergarten vor allem für Familien, die christlich eingestellt sind und hinter den vermittelten Inhalten stehen. Die Erziehung ist stark wertgebunden und vermittelt biblische Begründungen für erwünschtes Verhalten. Diese starke Wertorientierung ist für viele Eltern, die ihr Kind in einen katholischen Kindergarten geben, gerade wegen der fortschreitenden Individualisierung und Pluralisierung in unserer modernen Gesellschaft wichtig. Ein weiterer Grund für die Entscheidung kann sein, dass nur dem Papier nach christliche Eltern ihrem Kind ein solides Glaubensgerüst mitgeben wollen. So können die Kinder später einmal selbst entscheiden, ob sie dem Glauben und der Kirche angehören wollen. Denn für diese Entscheidung sind Kenntnisse über Glaubensinhalte unerlässlich. So sollte also die Entscheidung für oder gegen einen katholischen Kindergarten - wenn möglich - bewusst und nicht aus rein praktischen Erwägungen, wie der örtlichen Nähe oder einem vorhandenem Platz, erfolgen.
Literatur
Jansen, Frank, und Wunderlich, Theresia: Katholische Kindergärten auf Entwicklungskurs. Freiburg 1997
Jüntschke, Ilse, und Böse, Werner: Im Kindergarten Glauben erleben. Anregungen und Hilfen für Erzieherinnen. Lahr 1992
Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Erklärung der deutschen Bischöfe zum kirchlichen Dienst. Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse. Bonn 1993
Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (Hg.): Lebensräume erschließen. Überlegungen zur religiösen Erziehung im Elementarbereich. Freiburg 1996
Autorin
Evelyne Muck, Dipl.-Sozialpädagogin (FH)