Barbara Perras
Ich war sehr überrascht, als bei einem eher zufälligen Gespräch über meine Hühnerküken viele unserer Kinder sagten, sie hätten noch nie Küken gesehen. Unser großer "Forscher" Sidney war noch mehr an der Technik des Brutautomaten interessiert, als ich erzählte, dass es neben der Naturbrut auch möglich ist, Küken in einer Maschine auszubrüten. Das konnte ich gut verstehen, denn ich versuchte früher auch immer, mir etwas unter "Brutautomat" vorzustellen.
Der Brutautomat ist eine 55 cm lange, 40 cm breite und 22 cm hohe Styroporkiste und so zu öffnen, dass genau eine Hälfte Bodenteil und die andere Deckel ist. Im Boden sind elf Querrillen, die mittlere und die beiden äußeren mit Ablauflöchern. Rechts und links der Mittelrinne werden je zwei blaue Einsätze aus Plastik gedrückt, genau in drei vorgegebene Mulden passend, welche je nach Herkunft der Eier (Hühner, Enten, Gänse, Wachteln, Fasane usw.) mit Wasser gefüllt werden. Sie sind von der Mitte nach außen mit Wasserrinne 1, 2 und 3 bezeichnet.
An den Längsseiten der Styroporkiste befinden sich quer zu den Rillen Vorsprünge, auf die der Rollenwender mit seinen fest stehenden Seiten auf kleinen Rädchen gelegt wird. Dann befinden sich parallel zu den Rinnen über dem Wasser die Rollen, auf welche die Eier gelegt werden. 3 Tage vor dem errechneten Schlüpftag wird der Rollenwender gegen einen Drahtrost ausgetauscht, damit die schlüpfenden Küken nicht ins Wasser fallen oder sich verletzen können.
Im Deckel befindet sich innen mit blauen Leitungen die Heizung, außen sichtbar durch einen erhöhten schwarzen Deckel mit Stromkabelanschluss. An einer Schmalseite sind zwei Plastikfenster ca. 10 mal 10 cm; an der anderen endet das Kabel für den Eierwender in einem blauen Deckel. Innen führt ein Plastikstab, welcher im rechten Winkel gebogen ist, zu den Rollen und greift in den schmalen Zwischenraum. Mittels der Drehung im Uhrzeigersinn wird der Rollenwender von einer kurzen Seite zur anderen geschoben. Auf den beweglichen Rollen drehen sich dann die Eier mit.
Bei Hühnern und Zwerghühnern dauert die Brutzeit 21 Tage. Benötigte Bruttemperatur: 38,3°C. Feuchtigkeit: ab dem 10. Tag 45%, d.h. beide Wasserrinnen 1 füllen; ab dem 18. Tag 55% - Wasserrinnen Nr. 1 und 2 füllen. Ab dem 3. Tag werden die Eier dreimal täglich gewendet, das ist bei unserem Gerät mit automatischem Wendeeinsatz nicht nötig, und einmal täglich 10 Minuten gekühlt.
Für unsere Wachteln mit einer Brutzeit von 16 bis 17 Tagen benötigten wir ebenfalls 38,3°C, jedoch von Anfang an eine Luftfeuchtigkeit von 60%. Während der ersten 60 Stunden blieben die Eier ruhig liegen und wurden dann bis zum 14. Tag automatisch gewendet. Ab dem 14. Tag wurden zusätzlich die Wasserrinnen Nr. 3 gefüllt. Kleine Eier müssen nicht gekühlt werden.
Bei meinem ersten Versuch zuhause habe ich die Eier von Hand gewendet, weil es nur einen Einsatz für Hühner-/ Zwerghühnereier und einen für große Eier, wie z.B. von Gänsen gibt. Die Erfolgsquote betrug leider nur 20%. Deshalb wollten wir im Kindergarten die Eier automatisch wenden. Wir machten einen Versuch, indem wir die kleinen Wachtel- und die noch kleineren Zwergwachteleier in Papprollen von Küchentüchern steckten. Damit sie nicht herausrollen können, knickten wir beide Enden in zwei Halbkreisen zur Mitte, sodass noch ein Schlitz in der Mitte offen war. Gleichzeitig überlegten wir, ob wir durch die Pappe dieselbe Temperatur und Luftfeuchtigkeit erreichen können, und kamen zu dem Schluss, dass beides die Eier etwas verzögert erreichen würde. Wir hätten natürlich die Papprollen "vorwärmen" und auch der Luftfeuchtigkeit anpassen können, indem wir sie einen Tag vorher bereits ohne Eier in den Brutautomaten legten.
Als die 8 größeren und die 10 kleinen Wachteleier untergebracht waren, legten wir ein Thermometer dazu und schlossen den Kasten. Den Stecker für die Heizung schlossen wir sofort an. Ein winziges Blinklicht auf dem Deckel zeigte an, dass das Gerät arbeitete. Nach ca. zwei Stunden war die Temperatur erreicht. Am dritten Tag durften wir den vollautomatischen Wendeeinsatz ans Netz stecken, und die Eier wurden nun langsam gewendet.
Am 13. Tag erhöhten wir die Luftfeuchtigkeit, indem wir auch die dritten Rinnen mit Wasser füllten. Wir nahmen die Eier aus den Pappröhren und vom Rollenwender und legten sie auf den Drahtgitterrost. Zum Schlüpfen benötigen alle Küken erhöhte Luftfeuchtigkeit. Nun begann das Warten. Als am Freitagmorgen, dem 17. Tag, sich noch immer nichts regte, glaubten wir, der Versuch sei gescheitert. Immer wieder spähten wir durch die kleinen Gucklöcher - aber nichts geschah. Gegen 11.00 Uhr gingen alle in den Garten. Ich blieb noch kurz im Raum, um aufzuräumen. Da hörte ich ein Piep-Piep! Die Küken versuchten schon vor dem Schlüpfen, Rufkontakt zur Mutter herzustellen, wenn sie die Eierschale aufpickten.
Der Schlüpfvorgang dauerte einige Stunden. Deshalb konnten unsere Kinder leider nur ein Kücken schlüpfen sehen, weil sie abgeholt wurden und ich den Brutkasten samt Inhalt mit nach Hause nahm. Die Küken müssen nach 24 Stunden aus dem Automaten genommen werden. Schade!
Ich brachte die Küken noch einmal mit in den Kindergarten, doch der Aufwand mit Rotlichtlampe und Thermometer war sehr groß. Dazu kamen die extremen Temperaturen in diesem Sommer - nicht nur beim Autofahren, welche vielen Jungvögeln das Leben kostete. Doch auch das gehört dazu: Zu erleben, dass die Natur vor allem mit Eiern und Jungvögeln großzügig umgeht; sie sind ein wichtiges Glied in der Nahrungskette. Wenn die Naturschützer anprangern, dass oft noch "Spätschlüpfer" in den Eiern sind, welche in Zuchtbetrieben entsorgt werden, kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass gerade diese geretteten Nachzügler die sind, welche dann doch als erste sterben. Instinktiv verlassen die Hühner ihr Nest, wenn die starken Küken trocken sind - ich denke, sie "wissen", dass ohnehin nur die Stärksten überleben werden und die Nesträuber schon unterwegs sind. Aber auch mir fällt es immer wieder sehr schwer, dies zu akzeptieren.
Ich persönlich habe lieber Naturbruten, was im Kindergarten leider nicht möglich ist. Aber einige Vögel, unter anderem meine Wachteln, brüten trotz Volierenhaltung kaum in Gefangenschaft, sodass man zu technischen Mitteln greifen muss. So konnte ich beides sinnvoll verbinden.
...und in der erlebten Situation lernten die Kinder Bruch- und Prozentrechnungen
Von 10 Eiern schlüpften 5 Zwergwachteln - von 8 Eiern 4 große Wachteln: Immer die Hälfte. Wir zeigten das Ergebnis mit den Fingern und Händen: einmal 5 Finger zu 5 Fingern und einmal 4 Finger zu 4 Fingern jeweils ohne Daumen. So richtig verstanden haben die Kinder die Rechnung dann erst anhand unserer "Rechentorte": ein rundes Sortiertablett aus Holz, das durch einen Mittelpunkt und Holzstäbchen in Halbe, Viertel oder Achtel geteilt werden kann. Wir legten jede Hand in eine Hälfte, einmal mit der Zahl 10 und einmal mit der Zahl Acht. Die Hälfte meint 50%, und der Ausdruck Prozent oder hundertprozentig ist den Kindern bereits ein sprachlicher Begriff.
Erweitert haben wir die Rechenaufgabe mit Achteln aus dem transparenten Bruchrechenkasten. In jede Hälfte des Holztabletts kam immer abwechselnd ein Teil, sodass - wie bei den Eiern oder den Fingern - auf jeder Seite vier waren. Und diese vier transparent roten konnten wir wiederum unter die halben orangefarbenen Teile legen und erkennen, dass sie in Größe genau übereinstimmen.
Wenn die Kinder Anschauungsmaterial aus dem Alltag verwenden und in verschiedene Bereiche übertragen können, gelingt es ihnen später auch, sich von diesem Arbeitsmaterial, mit dem sie sich selbst einen Zahlenbegriff erarbeiten konnten, zu lösen. Ziffern muss eine Menge zugeordnet werden können, sonst bleiben sie ein leerer hohler Begriff ohne Bedeutung.