Naturwissenschaften im Kindergarten

Gabriele Dahle

Dass "naturwissenschaftliche Bildung in der Kita" als Schlagwort in aller Munde ist, ist ein relativ neues Phänomen - eine der zahlreichen Folgen des "PISA-Schocks", die - unberechtigterweise - den Elementarbereich derzeit stärker treffen als die Schulen. Aber es ist beileibe nicht so, dass es in Kitas nicht bereits Erfahrungen mit naturwissenschaftlichen Aktivitäten gäbe: Die verbargen sich in vergangener Zeit beispielsweise hinter Bezeichnungen wie "Wasserprojekt", "Die Elemente", "Erfahrung mit allen Sinnen" oder "Ganzheitlich die Natur erleben". Insofern muss das Thema nicht wirklich "neu erfunden" werden.

Diese Tatsache kann allerdings andererseits kein Vorwand sein, um sich nun beruhigt zurückzulehnen mit der erleichterten Feststellung: "Machen wir doch alles schon längst!" Ehrlicherweise wird man nämlich eingestehen müssen, dass sich die durchschnittliche naturwissenschaftliche Betätigung in der Kita auf ganz bestimmte Einzelbereiche beschränkt. Beispielsweise ist die Biologie eher vertreten als die unbelebte Natur: Zum Beispiel lässt man 'mal Kresse wachsen oder macht das beliebte Experiment "weiße Nelke in Tinte". Für die meisten Erzieher/innen gilt, dass sie ein schier unerschöpfliches Repertoire an Liedern, Spielen und Kreativtechniken haben, welches sie bei allen möglichen Gelegenheiten aus dem Ärmel schütteln können - aber wem fällt schon beispielsweise ein veranschaulichendes Experiment ein, wenn ein Kind nach einem physikalischen oder chemischen Phänomen fragt? Beispielsweise: "Woher kommt der Regenbogen?" Oder: "Warum tun wir Backpulver in den Plätzchenteig?" Hier gibt es sicherlich noch einiges zu verbessern.

Das Stichwort "Naturwissenschaft in der Kita" löst bei verschiedenen Akteuren ganz unterschiedliche Reaktionen aus. Für Bildungspolitiker ist es Bestandteil ihrer Hoffnung, mit mehr früher Bildung einen Ausweg aus dem deutschen PISA-Desaster zu finden. Ängstliche und verunsicherte Eltern sehen sich bestärkt in ihren Erwartungen, die Kita soll ihre Kinder frühestmöglich auf eine optimale Leistungsschiene bringen - dahinter steckt oft einfach die Panik, irgendwelche Chancen zu verpassen. Elementarpädagog/innen befürchten angesichts des Drucks, der da aufgebaut wird, eine pädagogische Rolle rückwärts zurück zum Kindergarten als Dressuranstalt. Viele Erzieher/innen fühlen sich in der Praxis überfordert von den neuen Anforderungen, oder sie haben Berührungsängste mit dem Thema - viele haben sich allerdings auch längst auf den Weg gemacht und experimentieren selbst: nämlich damit, wie sie eine geeignete Form finden, das Experimentieren in ihre Kitas zu holen.

Und die Kinder? Kinder haben, das ist ganz einhellige Erfahrung aller Menschen, die in irgendeiner Form naturwissenschaftliches Forschen und Experimentieren mit Kindergartenkindern betreiben, ein ganz großes Interesse und viel Spaß daran. Da gibt es zum Beispiel eine Kita, die sogar einen eigenen Laborraum hat, in dem täglich experimentiert wird - und die Kinder lieben es und sind begeistert. Jetzt, nach über einem Jahr, immer noch. In anderen Kitas, so wurde mir berichtet, sind solche Räume in Planung, andere haben bereits eine Forscherkiste, eine Forscherecke und/ oder einen wöchentlichen "Forschertag".

Von einer Chemielehrerin hörte ich einmal die Klage, dass in der Schule Chemie erst in der 7. oder 8. Klasse unterrichtet wird. Ihr Eindruck war, dass dies ungefähr der Zeitpunkt ist, zu dem bei den Kindern auch das letzte Interesse an dieser Thematik erloschen ist - zumindest vorübergehend, weil mit 13, 14 Jahren andere Dinge im Vordergrund stehen. Über mangelndes Interesse kann man aber bei den jüngeren Kindern wirklich nicht klagen. Vielleicht begründet sich aber aus diesem späten Einstieg in den naturwissenschaftlichen Schulunterricht die Einschätzung, die so viele Erwachsene haben: Naturwissenschaften sind schwer - das müssen sie ja sein, wenn sie erst für die Großen unterrichtet werden! Dabei machen schon Babys im Kinderwagen ausdauernde naturwissenschaftliche Testreihen, wenn sie Dinge immer wieder hinauswerfen, um festzustellen, ob es wirklich eine Regel ist, dass die Dinge immer nach unten fallen.

Es ist überhaupt das Problem bei uns Erwachsenen - das gilt für alle Beteiligten, ob Bildungspolitiker, Eltern oder Erzieher/innen -, dass uns beim Stichwort "Bildung" zunächst immer das einfällt, was wir in unserer Schulzeit erlebt haben. Und das ist meist: Wissen ansammeln (vielleicht gar unter Druck) und Lernen im Gleichschritt: am besten am Ende mit einer Prüfung. Weil es das ist, was so viele als "Bildung" verstehen, besteht in der Tat die Gefahr, dass die derzeitige "Bildungsbewegung" im Kita-Bereich am Ende nicht zu einer Weitung führt - also zu mehr Möglichkeiten für die Kinder -, sondern zu einer Verengung: Der Blick wird fokussiert auf Leistung, Bewertung und Beurteilung. Kurz: Schule (wie sie eben heute bei uns stattfindet: mit Leistungsdruck und früher Selektion) könnte einfach vorverlagert werden. Das würde in der Tat circa 40 Jahre entwicklungspädagogischer und -psychologischer Entwicklung zurückdrehen.

Dem gegenüber steht ein Bildungsbegriff, der besagt: Bildung bildet Persönlichkeit. Ziel naturwissenschaftlicher Bildung im Elementarbereich wäre dann die Entwicklung von Forscherpersönlichkeiten: neugierig, selbstbewusst, hartnäckig und kreativ. Kinder sind dies von Natur aus - "naturwissenschaftliche Forschung" ist das, was jedes Kind von der ersten Lebensminute an macht: Wahrnehmen, was es alles in der Welt gibt, und es zu verstehen versuchen. Hochgradige Wissenschaftler mögen mir das verzeihen, aber ich denke wirklich, dass man das, worum es bei der Wissenschaft im Kern geht, auf diese einfache Formel bringen kann: Wahrnehmen und Verstehen.

Der erste Schritt: Sehen

Der erste Schritt dazu ist, die Dinge zu sehen, und Kinder sind uns Erwachsenen gegenüber da im klaren Vorteil: Weil wir ja fast alle Dinge schon so unglaublich oft gesehen haben, schauen wir sie oft nicht mehr bewusst an. Wir "kennen" sie ja schon - meinen wir.

Aber nur, wer genau hinschaut, kann staunen, und das Staunen ist der zweite Schritt der Naturwissenschaft.

Der zweite Schritt: Staunen

Zum Beispiel eine Seifenblase. Wer mit Kindern zu tun hat, bekommt sie oft genug zu sehen, aber welcher Erwachsene registriert noch, dass sie immer rund sind, oder staunt darüber, dass sie schweben, dass sie bunt schillern, dass sie überhaupt existieren, dass diese dünne Haut aus Seifenwasser zusammenhält. Dass sie irgendwann platzen, dass das Platzen sich ankündigt - indem die Regenbogenfarben verschwinden -, wir nehmen es einfach nicht mehr wahr, weil wir es hundert Mal gesehen haben.

Kinder haben es noch nicht hundert Mal gesehen. Sie haben diese Neugier, diese Fähigkeit zur versunkenen Betrachtung, die auch gute Wissenschaftler/innen haben. Hoffentlich haben sie diese Fähigkeit, und sie ist noch nicht verschüttet durch schlechte Wahrnehmungsgewohnheiten und mangelndes "Futter" für ihren Forscherdrang.

Aristoteles hat gesagt: "Das Erstaunen ist der Beginn aller Naturwissenschaft."

Es ist das Staunen darüber, dass die Dinge so sind, wie sie sind, das mich zum Fragen bringt: Warum? Einstein drückt das so aus: Unser Intellekt will "ein Wunder in etwas verwandeln, was man begreifen kann." Das Fragen, das Begreifen-Wollen, ist für den menschlichen Geist eine natürliche Folge des Staunens.

Dritter Schritt: Fragen

Die Frage "Warum?" ist deshalb sozusagen der dritte Schritt beim naturwissenschaftlichen Forschen. Weil Kinder die weltbesten Warum-Frager sind, sind sie auch die besten, weil hartnäckigsten Forscher.

Es gibt viele Wege, Warum-Fragen zu beantworten, und es ist sehr gut, wenn Kinder schon früh lernen, dass es immer noch andere Möglichkeiten gibt, wenn eine Spur sich als unergiebig erweist. Man kann zum Beispiel schlaue Leute fragen, mit Erwachsenen in Büchereien gehen, ins Lexikon schauen, im Internet nachsuchen... aber der wichtigste, der grundlegende Weg ist: sich selbst mögliche Antworten auszudenken und auszuprobieren, ob sie stimmen. Es ist genau das, was ein Forscher tut.

Ein praktisches Beispiel:

Ein beliebtes, ganz einfaches Experiment - auch für kleine Kinder geeignet - ist es, ein paar Rosinen in ein Glas mit Mineralwasser zu werfen.

Was geschieht? Kleine Bläschen kleben sich an die Rosinen, tragen sie hoch an die Wasseroberfläche, da entweichen sie in die Luft, die Rosine macht eine schnelle Drehung und sinkt wieder auf den Grund des Glases. Nur, um wieder kleine Bläschen zu sammeln und wieder zu schweben. Das Ganze sieht aus wie ein Tanz, die tanzenden Rosinen im Wasser wirken faszinierend wie ein Aquarium. Auch Erwachsene staunen darüber und können den Blick kaum wenden.

Wer sich jetzt fragt: "Warum eigentlich tanzen die Rosinen?" kann einen Chemiker fragen, oder einen Physiker, und er wird einiges erfahren können über Kohlenstoffdioxid oder Dichte und Auftrieb. Er - oder sie - kann aber auch selbst Antworten suchen durch Ausprobieren, und auf solche Ideen kommen zum Beispiel Kinder:

1. Man kann die Rosinen in andere Flüssigkeiten werfen:

Milch, Leitungswasser, Zitronensprudel... Das wäre eine Testreihe, die einen Antwortversuch überprüft:

Hypothese 1: Die Rosinen tanzen, weil Rosinen eben in Flüssigkeiten tanzen (Logische Folge: dann müssen sie auch in Milch, Saft etc. tanzen - und das testen wir aus).

2. Man kann andere kleine Dinge in Gläser mit Mineralwasser werfen:

Nudeln, Reis, Erbsen (roh und getrocknet), verschiedene Beeren, Legosteine, Perlen... Dieses wäre wiederum eine Testreihe, die einen anderen Antwortversuch testet:

Hypothese 2: Die Rosinen tanzen, weil kleine Dinge in Mineralwasser tanzen (Logische Folge: dann müssen Perlen, Reis und so weiter auch tanzen - und das testen wir aus).

Kinder würden das nicht so beschreiben; sie denken nicht so systematisch und rational. Aber sie tun genau das, wenn man sie lässt: Sie probieren allerlei Gegenstände und Flüssigkeiten aus und schauen, was geschieht. Sie forschen spielend, entwickeln Ideen und setzen sie um. Und so, im Tun, nähern sie sich allerlei Erkenntnissen. So funktioniert Naturwissenschaft.

Einstein hat gesagt: "Lernen ist Erfahrung, alles andere ist einfach nur Information."

Das Beispiel soll zeigen, dass auch die, die in der Schule vielleicht vor Formeln und abstrakten Fakten kapituliert haben, keinen Bogen um naturwissenschaftliche Themen machen müssen, wenn sie mit Kindern zu tun haben. Um Kinder bei ihren naturwissenschaftlichen Fortschritten zu begleiten, ist es nicht notwendig, alles zu wissen und alle Fragen gleich beantworten zu können. Das erwarten Kinder gar nicht unbedingt. Aber sie erwarten - und das ist ihr Recht -, dass ihre Fragen gehört werden, auch wenn es um ein physikalisches oder chemisches Phänomen geht und der oder die Erwachsene sich gerade "auf dem falschen Fuß erwischt" fühlt. Es ist nicht schlimm, wenn er/sie die Frage nicht unmittelbar beantworten kann, aber es ist schlimm, wenn er/sie sie einfach übergeht, überhört, unter den Teppich kehrt, schnell ein anderes Thema anschneidet. Am meisten lernen Kinder nicht unbedingt von "allwissenden" (die es sowieso nicht gibt) Erwachsenen, sondern von neugierigen, die sich mit den Kindern zusammen auf den Weg machen und Spuren verfolgen, bis eine befriedigende Antwort gefunden ist. Von solchen Lernbegleitern lernen die Kinder das forschende Lernen.

Exkurs: Wissen ist veränderlich

Das, was Einstein mit "Information" meint, also das Speichern von Fakten, ist ohne Frage ein Teil dessen, was man "Bildung" nennt - aber nicht der zentrale. Ich denke, man kann davon ausgehen, dass er sogar zunehmend an Bedeutung verlieren wird, weil "Wissen" ein veränderliches Gut ist, dessen Veränderungsgeschwindigkeit in vielen Bereichen immer noch zunimmt. Wir wissen nicht, welches Wissen für unsere Kinder in 20 Jahren wirklich relevant sein wird. Was sie auf jeden Fall brauchen werden, ist die Fähigkeit zum Lernen und zum Weiterentwickeln von Wissen, einen wachen, flexiblen Geist. Insofern ist Bildung ganz wesentlich Persönlichkeitsentwicklung.

Offene, neugierige Lernbegleiter/innen

Das bedeutet, wer immer den Bildungsbereich Naturwissenschaften in Kitas entwickeln will, muss in erster Linie dafür sorgen, dass die Mitarbeiter/innen die Chance haben, solche Lernbegleiter/innen zu sein:

  • offen für die Phänomene der Welt,
  • neugierig auf Neues,
  • kreativ und umtriebig in der Suche nach Antworten,
  • hartnäckig bei der Lösungssuche,
  • mit Spaß am Ausprobieren,
  • kurz: die sich die Eigenschaften eines Kindes erhalten oder aber wiedergefunden haben.

Dazu ist es möglicherweise nötig, Berührungsängste zu verlieren, die oft genug aus der eigenen Schulzeit stammen. Eines der fatalsten Relikte aus dieser Zeit ist etwa die Angst vor Fehlern, die in den meisten von uns tief sitzt - was kein Wunder ist, denn "falsch" war ja durch die ganze Schulzeit gleichbedeutend mit "Setzen, Sechs" oder so ähnlich.

Exkurs: Fehler sind gut!

Fehler sind aber wichtige Meilensteine beim Forschen. Ein Reggio-Kind hat das so ausgedrückt: "Sich irren ist gut, weil man danach weiß, dass man diese Sache nicht macht, und dann versteht man sie." Das ist eine ziemlich genaue Beschreibung für einen Forschungsprozess: Fehlversuche und Umwege sind notwendige Stationen beim Erkenntnisprozess. Und deshalb bedeutet "Bildungsbegleitung" eben "begleiten" und nicht "belehren". Begleiten heißt, dabei sein und den Rücken stärken, Beziehung und Sicherheit geben, vielleicht anregen, aufmuntern, ermutigen, nachfragen, vielleicht auch Vorbild sein, unterstützen im richtigen Moment, im richtigen Maß, gemeinsam mit den Kindern Forschungswege gehen.

Dazu gehört es auch, eigene Erfahrungen zu sammeln mit naturwissenschaftlichem Experimentieren. Ein Repertoire aufzubauen. Das ist genau so wie bei Liedern oder Kreativtechniken: Je besser ich etwas kenne, desto leichter fällt es mir und desto flexibler kann ich es auch einsetzen. Wenn ich schon x-mal Kartoffeldruck gemacht habe, habe ich ihn als Angebotsmöglichkeit jederzeit "in petto", wenn sich eine Gelegenheit ergibt, und mir fallen auch Varianten ein. Genau so ist es mit dem Experimentieren: Man muss einmal anfangen und Erfahrungen sammeln. In der Regel gibt das eine Art Kettenreaktion, und wer sich an ein paar Experimente gewagt hat, den packt irgendwann das Forscherfieber, und er oder sie macht weiter - oft sorgen die Kinder übrigens dann schon dafür, dass es weitergeht...

Um sich einen brauchbaren Fundus, ein breites Repertoire an geeigneten Experimenten aufzubauen, kann man einfach mit einem Buch in der heimischen Küche beginnen (Probieren Sie alle Experimente aus, bevor Sie sie in der Kita machen! Und zwar mit genau den Materialien, die Sie auch dort benutzen werden!). Am allerbesten ist es, das mit ein, zwei Kindern zu tun.

Die alternative Möglichkeit ist, zumindest als "Initialzündung" an einer praxisorientierten Fortbildung teilzunehmen, wo man durch praktisches Tun verschiedene Experimente kennen lernen kann.

Dies ist also ein Appell an die Kolleg/innen, sich - per Buch oder Seminar - fortzubilden, und an die Teams, die Träger und Geldgeber, das gezielt zu unterstützen.

Denn Dreh- und Angelpunkt der naturwissenschaftlichen Bildung in Kitas sind und bleiben - wie es für die gesamte Kita-Arbeit gilt - die Mitarbeiter/innen. Auf ihr Engagement, ihr persönliches Fachwissen und nicht zuletzt auf ihre innere Haltung kommt es an.

Es wäre ein lohnendes Ziel, wenn viele Mitarbeiter/innen sich anstiften ließen zum Spaß am naturwissenschaftlichen Experimentieren; wenn ein Funke überspränge, aus welchem ein munteres Feuerchen werden könnte. - Die Kinder braucht man erfahrungsgemäß nicht für das Forschen zu entflammen: Das sind sie längst. Aber sie brauchen begeisterte erwachsene Weggefährten und Förderer, damit ihr inneres Lern-Feuer Nahrung erhält.

Die Frage, welche Experimente man genau mit den Kindern macht, und in welcher Form, halte ich dagegen für nachrangig. Wer eine stimmige und am Kind orientierte Haltung zu dem Ganzen hat, wird situativ geeignete Experimente und eine geeignete Form wählen: Was interessiert die Kinder gerade? Was haben sie erlebt? Gab es heute vielleicht einen Regenbogen draußen, dessen Geheimnis man mit ein paar kleinen Experimenten erhellen kann? Oder bietet sich im Sommer das Planschbecken für ein paar Tests zum Thema Schwimmen an?

Bei unserem Rosinentanz-Beispiel: Wenn die Kinder etwa verschiedene Flüssigkeiten und/oder verschiedene Gegenstände getestet haben, kann es sein, dass damit ihr Wissensdurst für das erste gestillt ist - zumindest zum Thema Rosinen und Mineralwasser. Wenn nicht: Was interessiert sie weiter? Die Frage, wo denn die Blubberblasen herkommen? Dann könnten Sie einfache Versuche mit Kohlenstoffdioxid anschließen: Brause herstellen beispielsweise. Oder finden die Kinder das Aufsteigen und Schwimmen spannend? Dann folgen Sie dieser Spur.

Je mehr mögliche Experimente Sie dabei "in petto" haben, desto mehr können Sie spontan anbieten, und so lernen die Kinder "Forscherwege". Dies - das forschende Lernen lernen - sollte das Ziel naturwissenschaftlicher Bildung im Elementarbereich sein. Ob die Kinder dabei Erfahrungen mit Luft, Optik oder Elektrizität machen, ist zweitrangig, es gibt kein Curriculum und keinen vorgeschriebenen Lernstoff. Das kommt in der Schule. Anforderungen an naturwissenschaftliche Experimente in der Kita beziehen sich nicht auf ihre Themen, sondern auf ihre Kinder- und Praxistauglichkeit: Sie sollen möglichst einfach und übersichtlich sein (was das im Einzelnen bedeutet, hängt von den jeweiligen Kindern ab). Sie sollen von den Kindern selbst machbar sein, mit "haushaltsüblichen" Materialien auskommen und - das versteht sich von selbst - ungefährlich sein.

Es gibt viele Möglichkeiten, naturwissenschaftliches Forschen im Kita-Alltag einzubauen:

  • Im Alltag: Beim Spazierengehen, beim Spielen, Backen oder anderswo begegnen einem Phänomene, die Anlass sein können, zu erkunden, was es damit auf sich hat. - Zum Beispiel: Warum schütten wir Backpulver in den Teig? Weshalb gibt es Wolken? Wieso sprudelt der Sprudel? - Um sich auf die Spur dieser Fragen und Phänomene zu begeben, kann man Experimente machen. So könnte man also Fragen von Kindern aufgreifen, oder der/die Erwachsene kann Fragen anregen.
  • als Projekt: Zum Beispiel in jahreszeitlich orientierten Projekte kann man ohne Weiteres naturforschende Tätigkeiten einbauen. Ebenso wenn man sich mit den Elementen befasst - eigentlich finden sich bei allen Themen, die sich für Projekte eignen, Ansatzpunkte für Forscher-Fragestellungen. Es ist eine Frage des Repertoires, aufzugreifen, was sich gerade bietet.
  • als wiederkehrendes Angebot: Wo nach meiner Kenntnis naturwissenschaftliches Forschen als regelmäßiges - freiwilliges - Angebot (einmal wöchentlich oder gar täglich) stattfindet, stößt das auf allergrößtes Interesse bei den Kindern. Es gibt solchen Angeboten gegenüber manchmal den Vorbehalt, dass sie zu isoliert von der tatsächlichen Lebenswelt der Kinder sein könnten und daher kein guter Lernweg. Ich teile dies Bedenken nicht grundsätzlich und denke, dass es - wie eigentlich immer - auf das gute Beobachtungs- und Einschätzungsvermögen der jeweiligen Fachfrau ankommt, Themen und Experimente zu wählen, welche die Kinder interessieren. Aus meiner Sicht spricht einiges dafür, genau wie eine "richtige" Werkstatt mit echten Werkzeugen ein "richtiges" Labor in der Kita zu haben.
  • als Eigentätigkeit der Kinder: In jedem Fall ist es wichtig, dass die Kinder Gelegenheit haben, mit Experimentier-Materialien, die sie vielleicht unter Anleitung kennen gelernt haben, selbst in Eigenregie weiter zu forschen, Erfahrungen zu wiederholen, Varianten zu erfinden oder neue Dinge zu entdecken. Es sollte also in der Einrichtung eine Ecke oder eine Kiste geben, wo entsprechende - ungefährliche, selbstredend - Materialien zugänglich sind.

Ob jetzt eine Kita sich entscheidet, die Naturwissenschafts-Thematik eher situativ einzubauen oder feste Angebote einzuplanen, ist letztlich eine Frage des jeweiligen Profils, der jeweiligen pädagogischen Überzeugung, der Bildungsplanung im Hause und nicht zuletzt der jeweils aktiven Mitarbeiter/innen. Ich denke, da sind viele Wege möglich und "richtig".

Wie in allen Bereichen werden sich die Dinge entwickeln, wenn erst einmal ein Anfang gemacht wurde. Wie es dann weitergeht mit dem Forschen in der Kita, das beeinflussen die Kinder auch selbst: Eine Leiterin berichtete auf einer Fortbildung, dass sie hier säße, weil ein Junge in ihrer Einrichtung einfach immer mehr Experimente machen wollte - Eis schmelzen und Kresse beim Keimen beobachten kannte er schon. Die Leiterin einer anderen Einrichtung, die schon weitgehende Erfahrungen mit naturwissenschaftlichen Angeboten gesammelt hat, hat das so formuliert: "Die Kinder zeigen uns den Weg".

Ich denke, wenn wir ihnen aufmerksam folgen, sind wir die besten Lernbegleiter/innen, auch für naturwissenschaftliche Themen.

Anmerkung

Der Text ist ein Vortrag bei der didacta 2006 in Hannover (23. Februar 2006, 14.45 Uhr).

Autorin

Gabriele Dahle, Biologin, Pädagogin, Sozialwissenschaftlerin und Journalistin, arbeitet mit dem Schwerpunkt Kindertagesstätten als Dozentin und Beraterin bei der pragma GmbH Bochum; u.a. führt sie seit mehreren Jahren Erzieherinnen-Fortbildungen zum Thema Naturwissenschaften und Mathematik durch.

Herausgeberin von: Mathematik & Naturwissenschaften. Kreative Ideen und Materialien für den Kindergarten (Arbeitshilfe, Heftreihe), Olzog Verlag München.

Website: www.pragma-bo.de
Email: dahle@pragma-bo.de

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