Udo Zilkens
Allen Kinder- und Volksliedern im abendländischen Kulturkreis liegt eine Melodik und Harmonik zugrunde, wie sie aus Jahrhunderte langer Tradition erwachsen ist. Im Folgenden wird ein vielfach bewährtes Konzept vorgestellt, wie Erzieherinnen, Erzieher und Kinder ab drei Jahren Kinder- und Volkslieder auf einfache Art klangvoll mit Akkorden begleiten können.
Singen mit rhythmischer Untermalung
In vielen Kindertagesstätten sind Orff-Schlagwerk, Glockenspiele, Metallophone oder Xylophone vorhanden, ohne dass die Erzieher/innen in der Lage sind, die Fülle der klanglichen Möglichkeiten dieser Instrumente auszunutzen.
- Rhythmische Untermalung von Liedern: Am ehesten noch werden Rasseln, Trommeln oder Glockenbänder für rhythmische Untermalung von Liedern verwendet.
- Klatschen, Stampfen, Tanzen usw.: Auch die Verbindung mit körperlicher Bewegung trauen sich Erzieher/innen meist noch zu.
- Geschichten untermalen: Xylophone oder Glockenspiele kommen bisweilen zum Einsatz, wenn kleine Geschichten erzählt und hier und da mit Klängen untermalt werden sollen.
Konzept der JelGi-Methode
Immer wieder berichten Erzieher/innen, dass sie mal einen Gitarren-Kurs besucht haben, fleißig einige Wochen lang die Akkord-Griffe der linken Hand geübt und wenig später die Gitarre frustriert beiseite gelegt haben. In Liederbüchern wird zu allen Kinder- und Volksliedern Takt für Takt der jeweilige Akkord angegeben, was ein rasches Umgreifen der linken Hand erfordert. Das Konzept der im In- und Ausland als Marke registrierten "JelGi-Methode" (www.jelgi.com) setzt genau bei diesem Problem an. Wenn trotz intensivem Trainings der Nutzen für den pädagogischen Alltag auf sich warten lässt, geben die meisten Erzieher/innen rasch wieder auf.
Liedbegleitung LEVEL I bis LEVEL III
Die meisten Kinder- und Volkslieder klingen bereits bei gleichmäßiger Untermalung mit dem Hauptakkord (LEVEL I) - auch Bordun-Technik genannt - oder bei Begleitung mit zwei Akkorden (LEVEL II) recht gut. Begleitung mit drei oder mehr Akkorden (LEVEL III) ist später dann immer noch möglich. Je nach Melodieverlauf ist der Anschlag durch klangneutrales Klopfen auf die Saiten zu ersetzen.
Normale Stimmung und C-Dur-Stimmung
Wirklich "kinderleicht" wird Liedbegleitung auf der Gitarre, wenn die Saiten nicht auf E-A-d-g-h-e’, sondern auf C-G-c-g-c’-e’ gestimmt werden. Liedbegleitung LEVEL I und LEVEL II gelingt bereits Kindern ab drei Jahren, die mit größter Begeisterung Lieder auf der Gitarre begleiten.
Sitzposition und rechte Hand
Erwachsene können das rechte Bein anwinkeln oder überschlagen, oder sie stellen das linke Bein traditionell auf eine Fußbank. Kinder ab drei Jahren setzen sich am besten im Schneidersitz auf den Boden. Erwachsene können die vier langen Finger der rechten Hand locker ans Holz anlehnen und den Daumen von oben über alle sechs Saiten streichen lassen. Kleine Kinder neigen dazu, die vier Finger nach hinten abzuspreizen. Daher sollten Sie eine Faust bilden und dann mit dem Daumen die Saiten anschlagen.
Liedbegleitung LEVEL I
Am Schluss eines Liedes steht in der Regel der Hauptakkord einer Tonart, der in der Fachsprache "Tonika" genannt wird. Bei der Bordun-Technik wird das ganze Lied hindurch der Hauptakkord des Liedes angeschlagen. Wenn sich die Melodie mal allzu sehr mit dem Hauptakkord reibt - zum Beispiel bei lang ausgehaltenem Leitton der "Dominante" -, kann der Anschlag vorübergehend ausgesetzt werden.
- Lieder in C-Dur: Bei einem Lied in C-Dur ohne Vorzeichen gibt es folgende Möglichkeiten: Auf einer normal gestimmten Gitarre können Erwachsene den traditionellen C-Dur-Griff greifen, auf einer C-Dur-Gitarre brauchen Erwachsene und Kinder ab drei Jahren nur mit dem Daumen der rechten Hand von oben nach unten über alle Saiten streichen.
- Lieder in G-Dur: Bei einem Lied in G-Dur mit einem Kreuzchen als Vorzeichen müssen Erwachsene auf einer normal gestimmten Gitarre den traditionellen G-Dur-Griff greifen, auf der C-Dur-Gitarre wird im 7. Bund ein Kapodaster angelegt, sodass eine G-Dur-Gitarre entsteht.
- Lieder in anderen Dur-Tonarten: Alle anderen Dur-Akkorde entstehen nach dem gleichen Prinzip. Bei der C-Dur-Gitarre erzeugt der Kapodaster im 2. Bund D-Dur, im 4. Bund E-Dur, im 5. Bund F-Dur, im 7. Bund G-Dur, im 9. Bund A-Dur usw.
- Lieder in Moll-Tonarten: Für Moll-Akkorde wird bei der C-Dur-Gitarre ein Trick angewandt. Mit der linken oder rechten Hand wird die äußere Plastik-Saite - die große Terz des Akkordes - abgedämpft, sodass ein neutraler Quintklang entsteht.
Die Erfahrung zeigt, dass viele Kinder- und Volkslieder bei Liedbegleitung LEVEL I für den Anfang einigermaßen gut klingen. Vor allem aber gewinnen Erzieher/innen und Kinder ab drei Jahren Selbstvertrauen im Umgang mit der Gitarre. Die Freude am Singen und Musizieren motiviert dazu, den nächsten Schritt zu wagen.
Liedbegleitung LEVEL II
Liedbegleitung mit zwei Akkorden ist besonders einfach zu realisieren, wenn die beiden Akkorde auf zwei Gitarren oder zwei Gitarren-Gruppen aufgeteilt werden. Auch Xylophone können hinzu genommen werden, indem nur die Klangstäbe des jeweiligen Akkords verwendet werden, zum Beispiel bei C-Dur die Töne C, E und G oder bei G-Dur die Töne G, H und D.
- Hauptakkord: Die erste Gruppe begleitet ihre Liedpassagen mit dem Hauptakkord, vor allem auch am Schluss des Liedes.
- Zweiter Akkord: Die zweite Gruppe spielt zwischendurch bei einigen Textpassagen einen anderen Akkord.
Da Erzieher/innen meist unsicher sind, wo sie denn einen zweiten Akkord verwenden sollen, sind die JelGi-Materialien unter www.jelgi.com so aufbereitet, dass die Textpassagen für den zweiten Akkord fett hervorgehoben werden. Vor allem für Kinder ab drei Jahren ist es wichtig, dass die Textpassagen einfach zu merken sind. Beim Lied "Aram sam sam" zum Beispiel werden alle "gulli gulli gulli ..."-Passagen von Gruppe II mit dem 7/G-Dur-Akkord, alles andere von Gruppe I mit dem 0/C-Dur-Hauptakkord begleitet.
Liedbegleitung LEVEL III
Erwachsene und Kinder ab drei Jahren sind mit Liedbegleitung LEVEL I und LEVEL II in der Regel Wochen und Monate beschäftigt, aber die Freude am gelungenen Singen und Musizieren auf Gitarren ist groß.
- LEVEL III auf normal gestimmten Gitarren: Erwachsene werden vielleicht motiviert, immer mehr Griffe der linken Hand zu erlernen und vor allem das schnelle Umgreifen stetig zu verbessern. Falls sie bei bestimmten Passagen an ihre Grenzen stoßen, kennen sie entsprechende Möglichkeiten der Vereinfachung.
- LEVEL III auf C-Dur-Gitarren: Erwachsene und ältere Kinder können auf der C-Dur-Gitarre kleine und große Quergriffe erlernen. Zunächst sollten nur die drei Plastiksaiten, eventuell auch die dünne Metallsaite mit dem Zeigefinger der linken Hand abgedrückt werden, um im 2. Bund den D-Dur-, im 4. Bund den E-Dur-, im 5. Bund den F-Dur- und im 7. Bund den G-Dur-Akkord zu erzielen. Der Mittelfinger kann zur Verstärkung über den Zeigefinger gelegt werden. Oder es wird nur der Mittelfinger für sich alleine verwendet. Mit etwas Übung gelingt vielleicht auch der große Quergriff über alle sechs Saiten. Entscheidend ist, dass der Zeigerfinger parallel zum Metallsteg gehalten wird, um einen sauberen Klang zu erzeugen.
Am einfachsten ist es, zunächst Liedbegleitung LEVEL II mit kleinen Quergriffen zu erproben. Der Kapodaster wird auf die kleinere Zahl eingestellt, der kleine Quergriff erzeugt den Akkord mit der größeren Zahl. Bei "Happy birthday" zum Beispiel wird der Kapodaster im 2. Bund angelegt (D-Dur-Akkord), im 7. Bund erfolgt der Quergriff (G-Dur-Akkord).
Vorspiel auf Xylophon, Glockenspiel, Keyboard oder Klavier
Die Praxis zeigt, dass Liedbegleitung LEVEL I und LEVEL II sehr leicht umsetzbar sind, viele Erwachsene und Kinder aber nicht immer die richtige Tonhöhe der Melodie zu den Akkorden der Gitarre finden. Unbedingt notwendig ist daher ein Vorspiel der Anfangstöne des Liedes auf Xylophon, Glockenspiel, Keyboard oder Klavier, später vielleicht auch auf Gitarre.
- Rhythmus des Anfangsmotivs: Nach Möglichkeit sollte der Rhythmus des Liedanfangs zu erkennen sein.
- Unmittelbarer Übergang zum Singen: Nach dem Vorspiel sollte ohne Pause sofort mit dem Singen des Liedes begonnen werden. Als sinnvolle Vorübung hat sich Singen mit Wiederholung erwiesen, zum Beispiel "Heute kann es regnen (5-mal)" bei dem Geburtstagsklassiker "Wie schön, dass du geboren bist".
Chinesische Kinder haben fast alle absolutes Gehör, da in ihrer Muttersprache die Sprechhöhe für die Bedeutung eines Wortes entscheidend ist. Die Fähigkeit zum Erkennen von Tonhöhen ist also nicht eine Frage der Vererbung, sondern der musikalischen Früherziehung.
Melodiespiel auf Gitarre
Erwachsene und ältere Kinder können das Vorspiel auch auf der Gitarre spielen. Eine Tabulatur mit sechs Linien stellt visuell die drei Plastik-Saiten und die drei Metall-Saiten dar. Kleine Ziffern visualisieren, bei welchem Bund der linken Hand die Saite verkürzt werden muss. Melodiespiel auf Gitarre erfordert allerdings die Koordination von linker und rechter Hand, setzt also entsprechende Übung voraus.
JelGi-Fortbildungen
Der gemeinnützige Verein "JelGi - Jeder lernt Gitarre e.V." veranstaltet kostenfreie gemeinnützige JelGi-Fortbildung bundesweit in Deutschland, in der Schweiz und in Österreich, teils in Kooperation mit Kindertageseinrichtungen und Schulen, teils auch über verschiedene Veranstalter und Verbände wie Caritas, Paritätischer, Diakonie usw. Alle Informationen zu den JelGi-Fortbildungen sind unter www.jelgi.com/jeder-lernt-gitarre/jelgi-kurse zu finden.
Fazit
Die JelGi-Methode weckt Freude an der Musik bei Jung und Alt. Auch in integrativen Kindertagesstätten und an Schulen mit gemeinsamem Unterricht spielen alle Kinder mit großer Begeisterung Gitarre in Verbindung mit Orff-Instrumenten.
Autor
Dr. Udo Zilkens unterrichtet Musik und Mathematik als Oberstudienrat am Schloß-Gymnasium Benrath in Düsseldorf. Außerdem ist er Moderator für Musik beim Kompetenzteam Düsseldorf im Auftrag des Schulministeriums NRW. Im Jahre 2009 hat er die im In- und Ausland als Marke registrierte JelGi-Methode erfunden und führt seit 2010 regelmäßig JelGi-Fortbildungen an Kitas und Schulen in Deutschland und in der Schweiz durch.