Musikalische Früherziehung - Didaktische Grundlagen

Manuela Widmer

Einige Ursprünge

Wenn man so will, geht ein erstes musikalisches Früherziehungskonzept schon auf Comenius (1592-1670) zurück, der in seinem "Informatorium der Mutterschul" wie auch in seiner "Schola infantiae", der Schule der frühen Kindheit (bis zum 6. Lebensjahr) neben vielen Inhalten auch die Musik anspricht: "Ihre Musica wird sein, etliche Versikel (=Verse) auswendig singen können" 1). Das Singen ist bis weit in unser vergangenes Jahrhundert hinein im erzieherischen Feld die wichtigste und oft einzige musikalische Aktivität für das kleine Kind geblieben. Es entbehrt ja auch nicht einer gewissen Stimmigkeit, ist doch die Singstimme unser angeborenes Erstinstrument, dessen Handhabung wir schon fähig sind, bevor wir sprechen können und selbst fähig bleiben, wenn wir nie richtig sprechen lernen! 2)

Es ist mit Sicherheit den Ideen, Experimenten und Veröffentlichungen Carl Orffs und seiner Mitarbeiterin Gunild Keetman 3) zu verdanken, dass das Spiel mit einem Elementaren Instrumentarium 4) heute unwidersprochen zu einer Musikerziehung im Vor- und Grundschulalter dazugehört, an der alle Kinder gleichermaßen teilhaben können, nicht nur die wenigen, die früh bereits einen speziellen Instrumentalunterricht auf einem klassischen Instrument erhalten, für das in der Regel neben gezielter Förderung durch das Elternhaus auch ein gewisses Talent gehört. Orffs Grundidee verfolgt den Gedanken, die Musikerziehung aus der Bewegung heraus neu zu definieren und um Material dafür zu sammeln und zu erproben bot die, im Jahre 1924 von Dorothee Günther gegründete Günther-Schule für Gymnastik und Tanz, dessen musikalischer Leiter Orff war, in den Jahren ihres Bestehens zwischen 1924 und 1944 ein ideales Experimentierfeld.

Gunild Keetman, die 1925 als Schülerin in die Schule kam und bereits 1926 Orffs Mitarbeiterin wurde, brachte vor allem ihre Doppelbegabung für Musik wie auch für Bewegung ein und wurde nicht müde, das von Orff in Anlehnung an die Kulturen der Welt wiederentdeckte Instrumentarium von Stabspielen (Xylophone, Metallophone und Glockenspiele), kleinem Schlagwerk, Trommeln und Pauken auszuprobieren, in den Gymnastik- und Tanzunterricht zu integrieren und Spiel- und Tanzstücke dafür zu komponieren.

Eine weitere Quelle für eine frühe musikalische Bildung bildet das Werk des Schweizers Emile Jaques-Dalcroze, dem Vater der Rhythmik oder auch Rhythmisch-musikalische Erziehung. Auch er betont den engen Zusammenhang von Musik und Bewegung und wurde 1910 der künstlerische Leiter der Bildungsanstalt Jaques-Dalcroze in Hellerau bei Dresden, der allerdings nur eine recht kurze Lebensdauer unter seiner Führung vergönnt war, denn 1914, kurz vor Ausbruch des 1.Weltkrieges musste Jaques-Dalcroze Deutschland verlassen. Sein allgemein erzieherischer, persönlichkeitsbildender Ansatz durch Musik und Bewegung als zentrale Medien, ist dennoch eine der Wurzeln für die heutige MFE 5).

Begriffsherkunft

Das Singen, Spielen, Tanzen, Darstellen sind sicher seit Friedrich Fröbel (1782-1852) in der Arbeit des Kindergartens fest verankert. Doch erst Ende der sechziger Jahre des 20.Jahrhunderts taucht der Begriff "Musikalische Früherziehung" das erste Mal auf. 1968 erscheint das "Curriculum Musikalische Früherziehung" des Verbandes deutscher Musikschulen in einer Erprobungsfassung und findet ab 1970 große Verbreitung in Deutschland. 1974 erscheint eine überarbeitete Fassung unter dem Titel "Musikalische Früherziehung" und etabliert zunehmend - auch unterstützt durch den 1969 vom VdM verabschiedeten Strukturplan - die sogenannte Grundstufe, zu der die Musikalische Früherziehung und die Musikalische Grundausbildung gehört, an deutschen Musikschulen. Auch eine Kindergartenfassung des Curriculums wird angeboten, allerdings mit mäßigem Erfolg, sodass der Unterricht sich mehr und mehr auf die Institution Musikschule konzentriert. Vielfältige musikalische Aktivitäten sind natürlich auch weiterhin im didaktischen Konzept des Kindergartens anzutreffen, doch bedienen sich Kindergärten in den meisten Fällen nur dann des Begriffs MFE, falls es sich um einen besonderen Schwerpunkt, eine Art "Sonderangebot" handelt, der dann auch häufig in Zusammenarbeit mit einer örtlichen Musikschule von einer Fachkraft von außen angeboten wird.

Seit Beginn der 80-er Jahre legte der VdM auch nach und nach Lehrpläne für die Grundstufe vor. Im Lehrplan für die MFE heißt es da 1981 auf Seite 1: "Dieser Musikunterricht für vier- bis sechsjährige Kinder dient der Vorbereitung der instrumentalen und vokalen Ausbildung in der Musikschule. Dabei wird von der Erkenntnis ausgegangen, dass ein früher musikalischer Beginn sowohl die musikalischen Fähigkeiten und Fertigkeiten des Kindes zu wecken und zu entwickeln vermag, als auch zu seiner Gesamtentwicklung beitragen kann".

Einige geschichtliche Daten 6)

1953: Erste Gedanken zu einer musikpädagogischen Vorstufe im Zusammenhang mit Strukturüberlegungen zum Ausbau des Musikschulwesens. Ohne Institutionalisierung allerdings blieb jedwede vorschulische musikalische Arbeit abhängig von dem persönlichen Engagement und individuellen Qualitäten einzelner Lehrerinnen und Lehrer. Inhaltlich bestimmend war deren persönliche Herkunft, ihr Wissensstand und ihr Interesse: manche standen dem Singen nahe, manche dem gerade in Verbreitung begriffenen Konzept des Orff-Schulwerks, manche der Tradition der rhythmisch-musikalischen Erziehung. Es fehlte jede Ausbildungsmöglichkeit, ein Basisunterricht "verkam in der Regel zu einer unmusikalischen Unterweisung in abfragbaren Fakten der allgemeinen Musiklehre" (Zarius 1985, S. 16). Auf dem Hintergrund amerikanischer frühpädagogischer Forschungen schwappte eine Welle populärwissenschaftlicher Literatur und didaktischem Spielzeug auf den Markt, derer sich viele Eltern kritiklos bedienten. Auch der musikalische Bereich erweckte Marktinteresse.

1967: Die japanische Firma Yamaha macht erste Vorstöße auf den deutschen Markt, um ihr frühpädagogisches Material auch im deutschsprachigen Raum einzuführen, um längerfristig auch bessere Absatzchancen für ihre Tasteninstrumente zu erlangen. Der Verband deutscher Musikschulen (VdM) wie auch die Klavierindustrie fürchteten die Konkurrenz und entwickelten in großer Eile ein eigenes Konzept.

1968: Die Erprobungsfassung des "Curriculums Musikalischer Früherziehung" erscheint und wird ab 1970 in großer Verbreitung an vielen Musikschulen eingeführt.

1974: Die überarbeitete Fassung mit dem Titel "Musikalische Früherziehung" etabliert sich, fängt damit den japanischen Vorstoß ab und bietet das erste Mal ein einheitliches Material für den vorschulischen Musikunterricht in Deutschland an. Eine gleichnamige Kindergartenfassung hat keinen dauerhaften Erfolg.

1976: Erstmalig werden an Konservatorien und Musikhochschulen Lehrerinnen und Lehrer für Musikalische Früherziehung im Rahmen musikpädagogischer Studien ausgebildet. In Nordrhein-Westfalen wird der erste Studiengang für "Allgemeine Musikerziehung" eingerichtet, 1980 folgt Hamburg nach. Heute bieten nahezu alle Musikhochschulen Deutschlands einen Studiengang unter dem Titel "Elementare Musikpädagogik" an. Eine Vielzahl von didaktischen Ansätzen, Konzepten und Materialien wird veröffentlicht 7).

1985: Eine erste, ernstzunehmende inhaltliche Alternative für MFE eröffnet sich vielen - inzwischen gut ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern mit der Veröffentlichung des Kompendiums für die MFE "Musik und Tanz für Kinder" (Haselbach/ Nykrin/ Regner, Mainz 1985 ff). Es folgen weitere Konzepte, die Lehrenden, wie auch die LeiterInnen von Musikschulen öffnen sich mehr und mehr einem kindzentrierten, multiästhetischen Ansatz in der MFE, der dem einzelnen Lehrenden, wie auch den Kindern und Eltern mehr individuellen Spielraum lässt und auch im Kindergarten durch die größere didaktische Offenheit Eingang und positive Beachtung findet.

1995: Die MFE ist gut etabliert; weitere Konzepte suchen Nischen auf dem (fast) gesättigten Markt. Das didaktische Pendel schlägt in alle Richtungen extremer aus: es gibt Ansätze, deren Hauptaugenmerk auf dem kreativen Gestalten und der weiteren inhaltlichen Öffnung, auch z.B. zur bildenden Kunst hin liegt 8); andere wieder erweitern die Zielgruppe und bieten Kurse für ein- bis dreijährige Kinder und ihre Eltern (meist Mütter) an 9).

2000: Die wissenschaftliche Forschung macht einen neuen Anlauf, um die Wichtigkeit musikalischer (Früh-)förderung wieder ins Zentrum der breiten öffentlichen Aufmerksamkeit zu rücken. Hans Günther Bastian legt seine Langzeitstudie vor, die "Musik(erziehung) und ihre Wirkung" an Berliner Grundschulen untersucht hat 10).

Entwicklungspsychologische Grundlagen

Hier eine Zusammenfassung einiger Gedanken, die Regina Pauls ihrem Referat "Entwicklungspsychologische Erkenntnisse und Einsichten bei der Entwicklung und Förderung künstlerischer Begabungen" anlässlich des Symposiums "Musikalische Früherziehung/Grundausbildung - Musikalische Bildung in Zwischenräumen" (Hamburg 1992) voranstellt 11) und die auch für den "Normalfall" der allgemeinen, allen Kindern zugänglichen Musikalischen Früherziehung zutreffen und zu bedenken sind:

  • Das Vorschulkind ist geprägt von großer Variabilität und Offenheit; in allen Lebensbereichen - so auch in der frühmusikalischen Förderung - ist das Vorschulkind in der Regel unterfordert.
  • "Wege entstehen beim Gehen" - im Vorschulalter können auf breiter Basis Fähigkeiten angelegt und entfaltet werden; die Gefahr der Verfestigung besteht nicht, jedoch sehr wohl die, der Verkümmerung von Anlagen.
  • "Je früher und vielfältiger das Anregungsangebot, um so höher jedoch die Wahrscheinlichkeit, die kindliche Bedürfnisstruktur zu treffen und die Entwicklung von Fähigkeiten zu veranlassen" (Pauls, S. 73).
  • Sensitive Phasen in der kindlichen Entwicklung sind besondere Aufmerksamkeit zu schenken. So sind Kinder im Vorschulalter schöpferischer, freier und stabiler als im Schulalter. Das kreative Potential, dass im Vorschulalter angelegt wird, bietet die beste Grundlage für den erfolgreichen Einsatz kreativer Arbeitsformen auch im Schulalter.
  • Vorsicht vor zu früher einseitiger Förderung in eine Begabungsrichtung (z.B. Musik)! Zu schnell wird das kleine Kind von Eltern oder Lehrern fremdbestimmt. Die intrinsische Motivation nimmt ab, Kinder werden zur "Wunschfiliale ihrer Eltern" (Pauls, S. 73) und "geraten auch immer mehr unter den Druck der Pflichtmotiviertheit" (ebd.).

Pauls betont im weiteren (vgl. S. 77):

  • "Das Kind soll sich mit dem Angebot und der Situation wohlfühlen". (...)
  • "Je jünger das Kind ist, desto wesentlicher ist das bewusste Eingebundensein des Lernens in emotionale Prozesse". (...)
  • Emotionale Betroffenheit wird besonders dann ausgelöst, wenn die Situation für das Kind verbunden war mit
    ...angenehmen Empfindungen, erfahren in einer gelösten, angstfreien Stimmung, mit Humor und einem hohen Beachtungsgrad des Kindes verbunden
    ...neuen Erfahrungen, ausgelöst durch neue Elemente, die mit alten verbunden werden sollen
    ...einer Übereinstimmung mit ganz persönlichen Wünschen, Bedürfnissen und Zielen
    ...mit einem Erleben von Bewältigungsmöglichkeiten im Sinne von "Das kann ich und alle haben es gesehen!"

Für die allgemeine MFE zieht Pauls am Ende ihres Referats folgendes Resümee: "Musikalische Früherziehung sollte noch breiter als bisher angelegt werden, weil die künstlerischen Angebote sich im Kind potenzieren und die ästhetische Selbstverwirklichung erst durch Vielfalt der Angebote möglich wird" (S. 78).

Didaktische Grundgedanken

An dieser Stelle übernehme ich einen leicht gekürzten Text aus einer eigenen Veröffentlichung 12), der unter der Überschrift "Didaktische Stichworte" für mich heute noch das Wesentliche für eine Didaktik der Musikalischen Früherziehung zusammenfasst:

Vom elementaren Zusammenhang von Musik, Sprache und Bewegung

Das Elementare Musizieren im Kindergarten kann ohne Bewegung sowie klingende und rhythmisierte Sprache gar nicht wirksam werden. "Alles, was klingt" meint zuallererst den klingenden Körper - und - alles, was klingt gerät in Schwingung. So unsichtbar diese Schwingung vor allem bei Instrumentalklängen auch sein mag, so spürbar ist sie auf der anderen Seite: "Die Trommel kribbelt im Bauch", kann man Kinder sagen hören, die viel unverstelltere, feiner ausgerichtete Sensoren für die "unsichtbare Bewegung" des musikalischen Klangs haben. In diesen unsichtbaren Schwingungen liegt einer der ursprünglichen Verbindungen zwischen Musik (Sprache) und Bewegung.

Wenn ich den elementaren Zusammenhang von Musik, Bewegung und Sprache als Grundsatz des Elementaren Musizierens betone, so heißt "Zusammenhang" nicht die ständige Gleichzeitigkeit von musikalischem, sprachlichem und bewegtem Tun! Das Entdecken des Zusammenhangs steht an erster Stelle, wenn Kinder z.B. beim Spielen auf der Handtrommel plötzlich merken, wie der Nachklang des schwingenden Fells durch das Schwingen der Trommel verlängert werden kann und sich aus der Bewegung ein "Trommelspieltanz" entwickelt. Es gilt also aufmerksam zu werden für die Wechselwirkungen, die Einfluß nehmen auf das Erlebnis, und die Erfahrung mit Musik, Bewegung und Sprache vertiefen können.

Barbara Haselbach verweist auf einen Hauptgedanken Orffs: "Orff geht aus von der antiken Idee der 'musike', der vitalen und ganzheitlichen Einheit von Musik, Tanz und Sprache, von klanglichem, gestischem und sprachlichen Ausdruck des Menschen. Diese Einheit zeigt sich auf frühen Entwicklungsstufen sowohl der ganzen Menschheit als auch des einzelnen Individuums" 13).

Orff selbst beschreibt Anfang der sechziger Jahre den Neubeginn mit dem Schulwerk nach 1945: "Die Einheit von Musik und Bewegung ... ist beim Kind noch natürlich vorhanden. Diese Tatsache gab mir den Schlüssel für die neue pädagogische Arbeit. ... Nun waren, wie beim Kind gar nicht anders möglich, der Ruf, der Reim, das Wort, das Singen der entscheidende Ausgangspunkt. Bewegung, Singen und Spielen schlossen sich zu einer Einheit" 14).

In den Spielsituationen zum Elementaren Musizieren soll die Einheit von Musik, Sprache und Bewegung, unterschiedliche Zusammenhänge sowie Wechselwirkungen lebendig und durchschaubar werden.

Vom kindlichen Leben im Hier-und-Jetzt

Wann immer wir Schwierigkeiten haben, uns auf die Anforderungen der Gegenwart einzulassen, brauchen wir nur den Blick zu heben und die Kinder zu beobachten: sie sind einfach DA! Kinder, die in ihrem DASEIN gestört werden, womit ihr SOSEIN als Kind keine Anerkennung findet, rebellieren früher oder später. Sie verlieren ihre innere Ruhe, ihre Fähigkeit zur tiefen Konzentration, ihre intensive Wahrnehmungs- und Beobachtungsfähigkeit. Unsere Sprache drückt das dann sehr genau aus, aber wollen wir das so genau auch verstehen? Wir sprechen von "gestörtem Verhalten": "gestörte" Kinder werden "auffällige" Kinder - nicht immer gelingt es, die "Störungen", die das Kind in seiner Entwicklung "gestört" haben, zu beheben.

In den Spielsituationen des Elementaren Musizierens kann ich nur in dem "Hier-und-Jetzt"-Moment der Begegnung dem Kind Angebote machen, sich in seinem DASEIN und SOSEIN angenommen und angeregt zu fühlen. Kreative Spielmomente gedeihen nur in angstfreier und entspannter Atmosphäre - versuchen wir also immer wieder von neuem - Tag für Tag und Woche für Woche - uns ein Beispiel an den Kindern zu nehmen: sie sind nicht nachtragend und JETZT bereit zum Spiel - wenn wir sie nicht stören...

Oft werde ich nach dem tieferen Sinn unserer Tätigkeit gefragt. Auch mich persönlich beschäftigt diese Frage oft. Kann das gemeinsame Musizieren einen positiven Beitrag zur Entwicklung der Kinder leisten? Es ist nicht leicht, darauf eine schlüssige Antwort zu finden. Ein guter Anfang ist gemacht, wenn wir akzeptieren könnten, daß es zunächst nur eine Chance gibt: den Sinn in der jeweils zu haltenden Stunde mit den Kindern zu suchen und ihn in der unmittelbaren Begegnung zwischen uns und den Kindern zu sehen. Genau betrachtet haben wir nur diese Stunde, diesen Moment der Begegnung - und diesen Moment gilt es zu nützen; diesen Moment gilt es zum Erlebnis werden zu lassen! Die Konzentration auf den Augenblick ist es auch, die die Basis für echten Kontakt zwischen dem Kind und dem Erwachsenen bildet: Kontakt, der Vertrauen schafft. Das kann der Anfang sein für ein offenes Arbeiten, für ein lustvolles Gestalten, ein konzentriertes Aufeinanderhören und einander Beobachten und somit für ein wirkliches Miteinander beim Elementaren Musizieren.

Im "Hier-und-Jetzt" können wir auch dem "Künstler im Kind" begegnen. Der Maler Paul Klee notierte 1912 in sein Tagebuch "Es gibt nämlich noch Uranfänge von Kunst, wie man sie eher in ethnographischen Sammlungen findet oder daheim in seiner Kinderstube. Lache nicht, Leser! Die Kinder können es auch und es steht Weisheit darin, daß sie es auch können!" 15) Unbefangen und ohne allzu hemmende Vorbilder trauen sich Kinder zumeist eine Menge zu. Das Kind versteht sich auf eine anregende Situation zu konzentrieren, sich mit einer Anschauung vollständig zu identifizieren und sich regelrecht zu versenken in die Erforschung eines Instruments. Aus solchen "Erkundungsgängen" in den Raum der Musik kommen die Kinder in besonders glücklichen Momenten mit kleinen Ergebnissen hervor, die aus dem Moment und für den Moment geschaffen sind, nicht von großer Dauer, oft nicht wiederholbar. "Schau mal, ich habe ein Lied gefunden!", ruft ein Kind, setzt sich zurecht, wartet, bis alle Zuhörer auch aufmerksam sind und beginnt mit großer Ernsthaftigkeit seine "gefundenen" Töne zu präsentieren. Ulrike Jungmair bezeichnet aus ihrer Erfahrung ähnliche Momente, in denen Menschen unverhofft, ohne groß angelegte Planung, aus einer eigenartigen "Gegenwartsspannung" heraus einer Idee eine Form geben auch als "Elementares Ereignis" 16). Sind wir eigentlich wachsam genug, um solche beglückenden, sinn-vollen Momente auch wirklich wahrzunehmen und zu genießen?

Vom Mitmachen, Nachmachen und Selbermachen

Da wir in der Beschreibung der Spielsituationen für das Elementare Musizieren in der Regel von altersgemischten Gruppen ausgehen wollen, sind wir konfrontiert mit ganz verschiedenen Interessen aber auch Möglichkeiten der Kinder zwischen drei und sechs Jahren, sich an den musikalischen Aktionen zu beteiligen. Das eher imitative Mitmachen wird im selben Spiel neben dem bereits viel bewußteren Nachmachen stehen und einige Kinder warten inzwischen vielleicht schon ungeduldig auf ihren Einsatz, um im Rahmen einer Soloaufgabe mit ihrem Instrument selbstgemachte Tonfolgen, Rhythmen oder Klänge zu präsentieren.

Unter "Mitmachen" verstehe ich die fast gleichzeitig zur Aktion der Erzieherin stattfindende Imitation des kleinen Kindes (ab drei Jahren). Die Fähigkeit zum "Nachmachen" setzt ab dem vierten Lebensjahr allmählich ein und bedeutet, eine Aktion zunächst nur zu beobachten und erst anschließend, aus der Erinnerung heraus, die Vorgabe zu imitieren. Diese Art der Imitation steht durch die Gedächtnisleistung, die damit verbunden ist auf einer höheren Entwicklungsstufe und ermöglicht dem Kind, sich ein Repertoire aus rhythmisch-melodisch-klanglichen Modellen aufzubauen. Dieses Repertoire wiederum bildet die Grundlage für das "Selbermachen". In engem Zusammenhang mit der Entwicklung der Fähigkeiten vom Mitmachen zum Selbermachen ist die Entwicklung des sozialen Interesses zu sehen. Flitner zitiert Stern: "So beginnen die Sozialspiele in einem "Nebeneinander", sie führen in einer zweiten Etappe zu einem "Miteinander" und in einer dritten zum "Gegeneinander" 17). In der Bezugnahme auf diese Sozialformen der drei- bis sechsjährigen Kinder in unserer Spielgruppe entstehen die Spielregeln und -ideen unserer Spielsituationen. Sie müssen die Offenheit für die unterschiedliche Interessenlage der Kinder immer wieder von neuem ausloten - denn Entwicklung schreitet täglich fort - und eine Regel, die noch letzte Woche von allen anerkannt werden konnte, wird vielleicht diese Woche von einigen angezweifelt!

Lilli Friedemann beschreibt aus ihrer Sicht die "Imitation" (mit- wie nachgemacht) als Durchgangsstadium, um das erstrebenswerte Ziel des "Gegenspielens", wie sie es nennt und wie es zur sozialen Phase des "Gegeneinanders" gut passt, zu erreichen. Im "Gegenspielen" und im "Gegeneinander" soll sich die Eigenständigkeit des Kindes zeigen, die Selbständigkeit eine Entscheidung zu treffen, aus seinem bereits gewonnenen Repertoire etwas auszuwählen und "gegen" das Spiel eines Mitspielers zu präsentieren. Ich bevorzuge den Begriff des "Selbermachens" als dritte Stufe, auf der dem Appell Lilli Friedemanns Rechnung getragen wird, dass "eine Didaktik nur dann verwerflich zu nennen wäre, die nicht im Lauf der Zeit aus dem Nachahmen und Mitmachen heraus zu einem bewussten "Gegenspielen" hinführt bzw. den Imitationsaufgaben nicht ein entsprechendes Quantum an kreativen Aufgaben gegenüberstellt" 18).

Von der Spielregel als soziale Herausforderung

Wenn wir uns Gedanken über Spielregeln für das Elementare Musizieren machen, dann geht es um das musikalische Spiel in der Gruppe und das bedeutet je nach Entwicklungsstand eine mehr oder weniger starke soziale Herausforderung. Die Entwicklungspsychologie bietet uns zur Entwicklung des Sozialverhaltens beim Kind Durchschnittswerte an, mit denen wir für die Praxis zwar mit einem guten Überblick ausgerüstet sind, aber in der Begegnung mit dem einzelnen Kind mehr der "Ausnahme" als der "Regel" begegnen... Flitner meint dazu: "Denn die sozialen Fähigkeiten der Kinder, die Möglichkeit, miteinander zu spielen, sich einem sozialen Regelsystem einzufügen und an dem Zusammenspiel mit anderen Kindern Vergnügen zu haben, ist noch mehr als andere Entwicklungsmomente davon abhängig, in welcher sozialen Situation das Kind aufwächst. ... Die Häufigkeit und Intensität der Sozialerfahrungen, der Austausch mit Erwachsenen und Kindern der Umgebung entscheidet über die sozialen Fähigkeiten der Kinder in hohem Maße" 19). Es gilt soziales Verhalten differenziert zu betrachten, sowohl im Hinblick auf die persönlichen Sozialerfahrungen des einzelnen Kindes, als auch im Hinblick auf die Inhalte des sozialen Handelns, weil dadurch das Kind möglicherweise von ganz unterschiedlichen Motiven geleitet ist 20). Manch ein Kind wird durch ein Kreisspiel in seinem Sozialverhalten positiv angeregt, weil es die Geborgenheit der gleichmäßigen Bewegung genießt; ein anderes Kind reagiert mit erstaunlichem sozialen Feingefühl auf ein musikalisches Wechselspiel "Alle - Einer", weil es die Herausforderung sucht, alleine im Mittelpunkt zu stehen und die Anpassung leistet, sich wieder der Gruppe einzugliedern, denn es hat verstanden: ohne Anpassung gibt es keine Gelegenheit, im Mittelpunkt zu stehen.

Je kleiner die Kinder, desto schlichter muß die Spielregel beschaffen sein. Die soziale Herausforderung, die jede Regel in sich birgt, muß den sozialen Verhaltensspielraum des Kindes berücksichtigen. Dann wird der "Regelspielraum" gerne betreten und spielend wird geübt, was ohne Spiel langweilig, uninteressant oder sogar unangenehm wäre!

Keller schreibt: "Die Spielregel ist keine Einschränkung der Freiheit der Mitspieler, sondern eine Abstimmung individueller Möglichkeiten innerhalb des Zusammenspiels. Absolute Freiheit ist mit absoluter Unsicherheit verknüpft und hemmt eine Gruppe durch gegenseitige Behinderung der Mitwirkenden; statt zu einer Harmonisierung kommt es zu Kollisionen individueller Aktionen. Zur Spielregel gehört aber auch die Ermutigung zur Abwandlung der Regel und zur Ablösung durch eine neue Regel" 21). Für Kinder, die für Spiele in der Gruppe erstes Verständnis und Interesse zeigen (also etwa ab vier Jahren) gehört die Spielregel, die Einhaltung und Verteidigung der Spielregel mehr und mehr zum Spielalltag.

Viele Grunderfahrungen mit dem eigenen klingenden Körper, mit klingenden Gegenständen und Instrumenten aller Art sowie mit Musik, die aus Lautsprechern kommt, sollen und können Kinder auch ganz alleine machen. Neben den Anregungen für das Musizieren in der Gruppe, gibt es auch bei der Beschreibung der Spielsituationen in diesem Buch immer wieder Hinweise auf freie Phasen, in denen nur lose Rahmenregelungen Kind und Material schützend umgeben und so auch bereits dreijährige Kinder in das Spielgeschehen integriert werden können.

Vom Hören, Zuhören und Horchen

Wie wir heute wissen, nimmt das ungeborene Kind bereits im Mutterleib viele Geräusche wahr. Schon in der 24. Schwangerschaftswoche ist das Hörorgan ausgereift. Am wichtigsten und im Hörvordergrund stehen natürlich die Herz-, Atem- und Verdauungsgeräusche der Mutter sowie ihre Stimme. Aber auch viele andere Umweltgeräusche vom Straßenlärm, über den Düsenjet bis hin zum Klavierspiel des Vaters oder dem Blasorchester auf der Straße dringen an die kleinen Ohren. Nach der Geburt fühlen sich Kinder am wohlsten in menschlichen Armen, nahe dem Herzen, gewiegt und umhüllt von gesungenen oder leise gesprochenen Worten. Später, d.h. abgenabelt von der Mutter im Sinne der "zweiten Geburt" sind die Kinder bereit, auch hörend ihren Horizont zu erweitern. Und wieder und weiter überstürzen sich die Höreindrücke, das kleine Kind hat tagtäglich viel zu bearbeiten und zu verdauen. "So etwas wie Stille gibt es nicht" sagt John Cage; "wenn das stimmt: ist dann Stille Lärm?" fragt Murray Schafer zurück. "Die Musik fängt im Menschen an", schreibt Carl Orff 1932 und setzt fort: "Das Erste ist die eigene Stille, das In-sich-Horchen, das Bereitsein für die Musik, das Hören auf den eigenen Herzschlag und den Atem" 22).

In einer Geschichte schildert Rafik Schami auf zugleich drastische wie poetische Weise, welch große Bedeutung dem Hören, Zuhören und Horchen zukommt. Er beschreibt darin einen äußerst geschwätzigen Dämon, der nicht zuhören konnte und dafür mit einer zunächst sonderbar anmutenden Strafe bedacht wurde: er erhielt noch einen zweiten Mund und hatte nur noch ein winziges Ohr zum Hören. Zunächst freute sich der Dämon sehr über diesen zusätzlichen Mund - konnte er doch nun noch viel mehr, schneller und lauter reden und seine Mitmenschen noch viel öfter unterbrechen - aber dann veränderte sich die Situation plötzlich zuungunsten des Dämons. Das liest sich bei Rafik Schami folgendermaßen: "Der Dämon hörte immer öfter nur noch seine zwei Stimmen, und irgendwann wuchsen seine Worte zu einer unsichtbaren Mauer, die ihn von seinen Freunden und Feinden trennte. Alle Dämonen mieden ihn, als wäre er die Pest. Niemand achtete mehr auf seine Worte. (...) Worte sind empfindliche Zauberblumen, die erst im Ohr eines anderen ihren Nährboden finden. Seine Worte aber fanden kein Gehör mehr und verwelkten, sobald sie seine Lippen verließen. Bald fühlte sich der Dämon elend mit seinen toten Worten. In seiner Einsamkeit erkannte er endlich seine Dummheit..." 23).

In unserer Form des Elementaren Gruppenmusizierens kommt es in hohem Maße und in vielen Spielsituationen darauf an, einander mit seinem Spiel etwas mitzuteilen! Mitteilung braucht aber auch offene Ohren, die bereit sind zuzuhören. Spiele ich über einen längeren Zeitraum nur noch für mich selbst, werden meine Zuhörer entweder protestieren oder weggehen. Ich kann es mit meinem Spiel aber auch Mitspielern sehr schwierig machen, wenn ich z.B., wie der Dämon in der Geschichte, niemand anderen "zu Wort" kommen lasse, oder das Spiel der anderen lautstark zu übertönen versuche... Wer kennt solche Situationen nicht! Vielleicht hilft dann auch den betroffenen Kindern eine Beschreibung der Situation in Anlehnung an den Text von Rafik Schami: "Töne sind empfindliche Zauberblumen, die erst in den Ohren der anderen zu wachsen beginnen können. Will niemand mehr zuhören, werden die Töne verwelken, sobald sie gespielt sind; achtet man beim Spiel aber wieder auf das Spiel der anderen, werden einem ihre Ohren wieder geschenkt und die Töne können wieder aufblühen, wie frisch gegossen!"

Vom Sehen, Hinschauen und Denken

Wir sprechen von "Weltanschauung" und meinen damit, was wir über die Welt denken. Wir "machen uns ein Bild" von etwas oder jemandem und auch damit wollen wir ausdrücken, was wir von einer Sache oder von einer Person halten. Kinder haben eine andere Weltsicht, was sie nicht wissen, füllen sie mit Phantasie aus. Wenn sich Erwachsene ein Bild von etwas machen, wollen sie auch meist rasch die Wertigkeit des Geschauten festlegen. Von einem solchen wertenden Denken sind Kinder noch weit entfernt. Sie beschreiben, was sie sehen und suchen nach der Stimmung (dann "stimmt" etwas) und nach dem Gefühl; sie sehen auch nicht nur mit den Augen, in ihre Deutungen gehen Wahrnehmungen aller Sinne mit ein (was sie sehen, wollen sie z.B. auch meist anfassen, "befühlen") und so kommt es zu bemerkenswert greifbaren und dennoch (oder deshalb?) zu berührend poetisch-philosophischen Beschreibungen, die wir - offenen Ohres - auch bei den Kindern, mit denen wir leben - zu hören bekommen.

In der Didaktik aller Arbeitsbereiche für das Vorschulalter wird überall der Begriff der "Anschaulichkeit" zu finden sein. Jede Erzieherin weiß aus eigener Erfahrung, dass abstrakt formulierte Aufgaben bei den Kindern nicht fruchten. Die Spielsituationen zum Elementaren Musizieren bedienen sich oft "phantastischer" Bilder, durch die Kinder in Stimmung kommen, Sichtbares hörbar und Gehörtes sichtbar wird. Für Kinder sind die Grenzen zwischen den Sinneswahrnehmungen oft wie aufgelöst: ein fünfjähriges Mädchen sagt zu seiner Mutter in der Dämmerung bei Nebel: "Mutti, ich kann nichts sehen, es ist ja alles wie geflüstert" - daraus lässt sich ein Spiel machen: "Wähle ein Instrument aus und spiele uns, wie der Nebel flüstert!" Ein fünfjähriger Junge beobachtet die Lichtspiele der Sonnenstrahlen in seinem Zimmer und meint beständig Engel zu sehen: "Sie sind nicht weiß, sie sind bunt und hell und spielen mit meinen Spielsachen" - ein musikalisches Spiel kann die Aufgabe stellen: "Kennst du ein Instrument, das eine bunte, helle Tanzmusik für die Engel spielen kann?" Später blickt der Junge in den Nebel hinaus und sagt, er sehe keine Engel mehr, aber kleine glänzende Sterne, die sich vorbeibewegen: "Ist es etwas in meinen Augen?" - "Mach die Augen zu und horche: kannst du die Sterne auch glänzen hören?"

Die Phantasie der Kinder beim "Anschauen der Welt" kann unsere Phantasie beflügeln. Wenn wir ihre Weltsicht kennen, können wir für sie anschauliche und phantasiereiche Spielsituationen schaffen!

Raum geben - Zeit gewinnen

"Gib mir mehr Raum", bittet jemand, der noch Zeit braucht für Überlegungen, Problemlösungen, Experimente, Erfahrungen. Aber hinter dieser Bitte steckt noch mehr. Neben der Zeit, verlangt der Bittende auch Bewegungsfreiheit, Offenheit, Geduld; der "Raum", den er meint ist ein "Spielraum", ein "Freiraum" für seine Tätigkeit.

Was das Verhältnis zu Raum und Zeit betrifft, sind sich Kinder bis in die Schulzeit hinein noch recht unsicher. So viele Begriffe wollen verstanden und unterschiedlichsten Situationen richtig zugeordnet werden: "Jetzt!", "Gleich!", "Moment mal!", "Sofort!", "Warte mal eben!", "Drängel nicht so!", "Mach mal Platz!", "Zurück, zurück!", "Komm her!", "Geh weg!", gestern, heute, morgen, später, bald, immer, drüber und drunter, hin und her, auf und nieder, hierher, dorthin, wieder und wieder und wieder...

Wie Zeit vergeht, "wohin" sie geht, "woher" sie kommt, "wie" man sie "hat" oder "nicht hat" - wie soll ein Kind das alles auseinanderhalten und mit inneren Bildern füllen? Musizieren wir mit Kindern, gehen sie besonders spontan und unbewusst mit der Dauer von Geräuschen, Klängen und Tönen um. Entweder ist ihr Spiel sehr rasch vorbei, oder aber sie finden kein Ende, spielen sich warm und spielen und spielen und spielen... Hinweise wie "Das war aber ein langes Musikstück, das nächste Mal versuch, ein bisschen kürzer zu spielen" fruchten meist nicht! Die Kinder schauen uns groß an und denken vielleicht insgeheim "Was ist ein langes Stück Musik? Ob das wohl so was wie ein langer Schal ist?" Ein "langes Stück Zeit" ist etwas höchst Unanschauliches - ein langer Weg von einem Ende des Raumes zum anderen Ende ist etwas, was ich sehen kann! Ich kann auch seinen Anfang und sein Ziel sehen. Wenn ich auf diesem Weg gehe, dann wird mir für meine Erfahrung Raum gegeben und Zeit habe ich gewonnen! Die Struktur, die wir im Raum schaffen, hilft den Kindern - zunächst unbewusst, später zunehmend bewusster - die zeitliche Struktur ihres Musizierens zu erleben und zu verstehen.

Die Eltern gewinnen

Mag sich vereinzelt auch die Situation geändert haben, ich befürchte, dass nach wie vor, landauf und landab, der Kindergarten vorwiegend für die Kinder da ist und der Kontakt der Eltern sich auf Rahmenzeiten beschränkt, wenn beim Hinbringen oder Abholen der Kinder mal kurz um die Ecke geschaut wird: "Guten Morgen - ich hab's heute eilig, bin schon wieder weg" oder "War er heute auch brav? - Nun mach schon, wir müssen los!"

Aber wie steht es denn mit den Angeboten, die der Kindergarten den Eltern macht? Schwingt nicht auch immer etwas Erleichterung mit, wenn die unruhige halbe Stunde des ständigen Kommens und Gehens am Morgen vorbei ist und man endlich mit den Kindern alleine, "unter sich" ist und die "Gefahr" vorbei ist, den Eltern Rede und Antwort stehen zu müssen? Oft habe ich auf Fortbildungsveranstaltungen für Erzieherinnen von einer gewissen Scheu und Unsicherheit im Umgang mit Eltern gehört - auch schwang hin und wieder die Sorge mit, die Eltern könnten möglicherweise nur Kritik an der Arbeit der Erzieherin üben. Die Scheu und Unsicherheit besteht aber meist auch auf der "Gegenseite". Eltern (besonders Väter!) wissen oft nicht so recht, wie sie Kontakt knüpfen sollen, überlassen dann ihr Kind lieber rasch dem "Profi" in Gestalt der Erzieherin und gehen ihrer Wege...

Es braucht uns aber eigentlich nicht an Themen zu fehlen, um die Eltern gelegentlich für eine sinnvolle Teilnahme am Kindergartengeschehen zu gewinnen.

Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten

Seit 1976 bemühen sich deutsche Hochschulen mehr und mehr um die qualifizierte Ausbildung von Musikstudierenden zu LehrerInnen für MFE - viel früher bereits engagierte sich das Orff-Institut der damaligen Hochschule für Musik und darstellende Kunst Mozarteum (heute: Universität Mozarteum) in Salzburg/Österreich für die MFE, das bereits seit 1962 Studierende im Bereich der Elementaren Musik- und Bewegungserziehung/Orff-Schulwerk ausbildet und damit auch für den MFE-Unterricht qualifiziert.

Aber neben hauptberuflichen Ausbildungen gibt es berufsbegleitende Aus- und Weiterbildungsangebote, die von folgenden Institutionen angeboten werden:

Institut für Musik- und Tanzpädagogik - "Orff-Institut" an der Universität Mozarteum in Salzburg, Frohnburgweg 55, A-5020 Salzburg. Email: sonja.czuk@moz.ac.at; eigene Homepage über http://www.moz.ac.at

Musik + Tanz + Erziehung - Orff-Schulwerk Gesellschaft Deutschland e.V., Hermann-Hummel-Straße 25, D-82166 Lochham b.München. Email: orff-schulwerk@t-online.de; Homepage: http://www.orff.de

Bundesakademie für musikalische Jugendbildung. Postfach 1158, D-78635 Trossingen. Email: bak.trossingen@t-online.de; Homepage: http://www.bundesakademie-trossingen.de

Erkundigen Sie sich nach den aktuellen Angeboten und nützen Sie auch regionale Anbieter von Weiterbildungskursen zur Musik- und Bewegungserziehung, die in ihrer inhaltlichen Breite und didaktischen Offenheit gerade für die musikalische Arbeit im Kindergarten grundlegende Erfahrungen für alle Interessierten bieten. Vielleicht entdecken Sie auch in der angefügten umfänglichen Literaturliste einen Titel, der Sie "anlacht". Dabei kommt es nicht immer nur auf das Erscheinungsdatum an - altbewährte "Klassiker" sind bis heute hochaktuell!

Literatur

Ausgewählte Grundlagenwerke zur Theorie und Didaktik einer Musikalischen Früherziehung (aufgeführt in der zeitlichen Folge ihres Erscheinens)

MOOG, Helmut: Das Musikerleben des vorschulpflichtigen Kindes. Mainz (Schott) 1968

KLAUSMEIER, Friedrich: Die Lust, sich musikalisch auszudrücken. Reinbek b. Hamburg (Rowohlt) 1978

GEBHARD, Ursula/KUGLER, Michael: Didaktik der Elementaren Musik- und Bewegungserziehung. München (Don Bosco) 1979

HOLZHEUER, Rosemarie (Hrsg.): Musik- und Bewegungserziehung in Kindergarten und Grundschule. Bad Heilbrunn/Obb. (Klinkhardt) 1980

GAUSTER, Christine: Kinder gestalten Musik. Ein neuer Weg zur Musikerziehung bei Kleinkindern. Wien (Österreichischer Bundesverlag) 1982

ZARIUS , Karl-Heinz (Hrsg.): Musikalische Früherziehung. Grundfragen und Grundlagen. Mainz (Schott) 1985

TOMATIS, A.A.: Der Klang des Lebens. Vorgeburtliche Kommunikation - die Anfänge der seelischen Entwicklung. Reinbek b. Hamburg (Rowohlt) 1987

BANNMÜLLER, Eva/RÖTHIG, Peter (Hrsg.): Grundlagen und Perspektiven ästhetischer und rhythmischer Bewegungserziehung. Stuttgart (Klett) 1990

HOERBURGER, Christian/WIDMER, Manuela: Musik- und Bewegungserziehung. Ein Handbuch für die Ausbildung von Erziehrinnen und Erziehern. Donauwörth (Auer) 1992

JUNGMAIR; Ulrike: Das Elementare. Zur Musik- und Bewegungserziehung im Sinne Carl Orffs. Mainz (Schott) 1992

PETRAT, Nicolai (Hrsg.): Musikalische Bildung in Zwischenräumen. Symposionsbericht Musikalische Früherziehung/ Grundausbildung, Hamburg 1992. Mainz (Schott) 1993

RIBKE, Juliane: Elementare Musikpädagogik. Persönlichkeitsbildung als musikerzieherisches Konzept. Regensburg (ConBrio) 1995

NIERMANN; Franz (Hrsg.): Elementare musikalische Bildung. Grundfragen, Praxisreflexionen, Unterrichtsbeispiele. Wien (Universal Edition) 1997

Unterrichtskonzepte (aufgeführt in der zeitlichen Folge ihres Erscheinens)

ORFF, Carl/KEETMAN, Gunild: Orff -Schulwerk, Musik für Kinder (5 Bände und viele Zusatzhefte). Mainz (Schott) 1950 ff

KEETMANN, Gunild: Elementaria - Erster Umgang mit dem Orff-Schulwerk. Stuttgart (Klett) 1970

ZARIUS, Karlheinz: Musikalische Früherziehung - Stundenbilder für zwei Jahre. Lehrerband, Schülerbuch, Tonträger. München (Ricordi) 1989

HASELBACH, Barbara/NYKRIN, Rudolf/REGNER, Hermann (Hrsg.): Musik und Tanz für Kinder - Unterrichtswerk für die Musikalische Früherziehung und Grundausbildung. Lehrerkommentare, Kinderhefte, Elternzeitungen, Tonträger, Poster ("Kinderlieder", "Instrumente"), Liederheft, Stabspielheft. Mainz (Schott) 1990 ff

BEYER, Anne/PROBST, Werner/STEINER, Lucie: Elemente - Instrumente - Feuer, Wasser, Erde, Luft - Eine musikalische Grundausbildung für Kinder. Lehrerband, Spielbuch 1/ Spielbuch 2, Tonträger. Kassel (Bosse) 1997

BERGER, Ulrike u.a.: Spiel und Klang. Die musikalische Früherziehung mit dem Murmel. Lehrerband, Kinderbücher, Elternband, Liederbuch, Tonträger. Kassel (Bosse) 1998

Literatur zur Didaktik und Praxis von Musik- und Tanz- (Bewegungs-) erziehung/ Früherziehung (aufgeführt in der zeitlichen Folge ihres Erscheinens)

MEYER-DENKMANN, Gertrud: Klangexperimente und Gestaltungsversuche im Kindesalter. Neue Wege einer musikalischen Grundausbildung. Wien (Universal Edition) 1970

KELLER, Wilhelm: Ludi musici - Band 1: Spiellieder/ Band 2: Schallspiele/ Band 3: Sprachspiele/ Band 4: Mini spectacula (Elementares Musiktheater)/ Band 5: Rotula (Kanons). Boppard/Rhein und Salzburg (Fidula) 1970-1975

HASELBACH, Barbara: Tanzerziehung. Grundlagen und Modelle für Kindergarten, Vor- und Grundschule. Stuttgart (Klett) 1971

FRIEDEMANN, Lilli: Kinder spielen mit Klängen und Tönen. Ein musikalischer Entwicklungsgang aus Lernspielen für Vorschulkinder, Schulanfänger, Sonderschüler. Wolfenbüttel (Möseler) 1971

AUERBACH, Lore: Hören lernen - Musik erleben. 100 Spiele und Beschäftigungen zur Vermittlung musikalischer Grundfertigkeiten. Wolfenbüttel (Möseler) 1972

KÜNTZEL-HANSEN, Margrit: Musik mit Kindern. Versuche mit Geräusch und Klang. Stuttgart (Klett) 1973

ZÖLLER, Gerda: Musik- und Bewegung im Elementarbereich. Ein Beitrag zur Kommunikations- und Kreativitätserziehung. Donauwörth (Auer) 1973

ABEL-STRUTH, Sigrid: Musikalischer Beginn in Kindergarten und Vorschule (Band 1: Situation und Aspekte; Band 2: Praktikum). Kassel (Bärenreiter) 1975

BERZHEIM, Nora/MEIER, Ursula: Aus der Praxis der elementaren Musik- und Bewegungserziehung. Donauwörth (Auer) 1975

SCHWARTING, Jutta: Da capo - Klingende Geschichten für Vor- und Grundschulkinder. Boppard und Salzburg (Fidula) 1976

HASELBACH, Barbara: Improvisation, Tanz, Bewegung Stuttgart (Klett) 1976

ERNST, Bruno: Musik- und Bewegungserziehung. München (Bayerischer Schulbuchverlag) 1977

BERZHEIM, Nora: Kinder gestalten mit Sprache, Gestik, Musik und Tanz. Donauwörth (Auer) 1978

HOLZHEUER, Rosemarie: Praxishilfen zur Musik- und Bewegungserziehung. Band 1: Sensibilisierung; Band 2: Gestaltung. Donauwörth (Auer) 1980

SPINDLER, Wolfgang/PRIESNER, Veronika: Musik- und Bewegungserziehung. Ausgearbeitete Unterrichtsbeispiele für Vorschule und Grundschule. Kulmbach (Baumann) 1981

DILLENKOFER, Josef T. u.a.: Kinder erleben Musik. Ein Handbuch für die Musikerziehung in Kindergarten und Schule. München (Bayerischer Schulbuchverlag) 1981

GERG; Kaspar: Musik - Sprache - Bewegung. Gestaltungsmodelle für den Unterricht an Grund- und Hauptschulen. Ansbach (Prögel) 1982

METZENTHIN, Rosemarie: Schöpferisch Spielen und Bewegen. Mit Kindern darstellen, verkörpern, Geschichten erfinden, verwandeln, Märchen spielen und gestalten, Zirkus mimen, Theater erleben. Zürich/Schwäbisch Hall (Orell Füssli) 1983

FRIEDEMANN, Lilli: Trommeln - Tanzen - Tönen. 33 Spiele für Große und Kleine. Wien (Universal Edition) 1983

GROSSE-JÄGER, Hermann: Freude an Musik gewinnen. Erprobte Wege der Musikerziehung im Kindergarten. Freiburg i.Br. (Herder) 1983 (1995-10.Auflage)

HOERBURGER, Christian: Singen - Tanzen - Tönen - Mimen. Spielorientierte Musikerziehung. Donauwörth (Auer) 1984

WAGNER, Horst: Spielen mit Musik. Musikalische Spielideen und Spielaktionen für Kinder. Köln (Kohlhammer) 1987

FINK-KLEIN/PETER-FÜHRE/REICHMANN: Rhythmik im Kindergarten. Erlebnisreiche Spielformen mit Musik - Bewegung - Sprache. Freiburg i.Br. (Herder) 1987

WITOSZYNSKYJ; Eleonore u.a.: Erziehung durch Musik und Bewegung. Grundlagen und Modelle der Rhythmik für Kindergarten, Vorschule und Grundschule. Wien (Österreichischer Bundesverlag) 1989

TISCHLER, Björn/MORODER-TISCHLER, Ruth: Musik aktiv erleben. Musikalische Spielideen für die pädagogische, sonderpädagogische und therapeutische Praxis. Frankfurt/M. (Diesterweg) 1990

GOTHOT, Maria Helena/HOERBURGER, Christian: Tanz- und Musikspiele mit Kindern. Donauwörth (Auer) 1991

GASS-TUTT, Anneliese: Fröhliches Tanzen im Kindergarten. Praxis der Bewegungs- und Tanzerziehung. Freiburg i.Br. 1991

KREUSCH-JACOB, Dorothée: Das Musikbuch für Kinder. Ravensburg (Maier) 1992

HOLTHAUS, Klaus: Klangdörfer. Musikalische und soziale Vorgänge spielerisch erleben. Boppard/Rhein und Salzburg 1993

WIDMER, Manuela: Sprache spielen - Vom Kinderreim zur Spielszene. Modelle zum spielerischen Gestalten mit Musik und Tanz in Kindergarten und Elternhaus, angeregt durch verschiedene Sprachformen. Donauwörth (Auer) 1994

GERG, Kaspar: Singen und Musizieren mit Kindern. Elementare Begleitformen auf Orff-Instrumenten. Donauwörth (Auer) 1994

PETER-FÜHRE, Susanne: Rhythmik für alle Sinne. Ein Weg musisch-ästhetischer Erziehung. Freiburg i.Br. (Herder) 1994

URABL, Hermann: Von Räubern, Riesen und Getier. Ein Musizier- und Übebuch für Stabspiele und andere Schlaginstrumente (Kinderbuch und Praxishilfe für den Lehrer). Schott (Mainz) 1995

ZIMMER, Renate: Handbuch der Bewegungserziehung. Didaktisch-methodische Grundlagen und Ideen für die Praxis. Freiburg i. Br. 1996 (7. Auflage)

WIDMER, Manuela: Alles, was klingt. Elementares Musizieren im Kindergarten. Freiburg i. Br. (Herder) 1997

BUCK, Elisabeth/BIASIN, Ursula: Wolkenspiel und Trommeltanz. Musikalische Bewegungsspiele zur Sensibilisierung der Sinne. Mainz (Schott) 1997

Anmerkungen

  1. Einen ausführlichen "Blick zurück" in die Geschichte der Pädagogik bzgl. Frühformen einer musikalischen Früherziehung wirft Ribke (Regensburg 1995, S. 15 ff)
  2. Hier denke ich an bestimmte Formen der geistigen Behinderung, die Menschen zwar verwehrt, sich für andere verständlich verbal auszudrücken, die aber durchaus in der Lage sind, musikalisch zu kommunizieren, über ausdrucksstarkes, emotionales Lautieren, ein Singen ohne Worte.
  3. Orff, Carl/Keetman, Gunild: Orff-Schulwerk - Musik für Kinder (Band I - V); viele Zusatzhefte und internationale Ausgaben. Mainz (Schott) 1954 ff
  4. Für eine ausführliche Darstellung dieses Instrumentariums vgl. Widmer (Freiburg i. Br. 1997, S. 44 ff)
  5. Vgl. zur Geschichte der körperorientierten, rhythmischen Musikerziehungsrichtungen die Aufsätze von Helmut Günther, Gertrud Bünner/Holmrike Leiser und Barbara Haselbach in Bannmüller/Röthig (Hrsg.): Grundlagen und Perspektiven ästhetischer und rhythmischer Bewegungserziehung. Stuttgart (Klett) 1990
  6. tlw. basierend auf Zarius (Mainz 1985, S. 16 f)
  7. vgl. die ausführliche Literaturliste
  8. vgl. Ulrike Berger u.a.: Spiel und Klang. Die Musikalische Früherziehung mit dem Murmel, Kassel (Bosse) 1998
  9. vgl. Gemeinsam Musizieren - Musikgarten, Trossingen (Hohner) o.J.
  10. vgl. Bastian, Mainz (Schott) 2000
  11. vgl. Pauls in: Petrat (Mainz 1993), S. 72 f
  12. Widmer 1997, S. 27-39
  13. Haselbach in Bünner/Röthig 1990, S. 191
  14. Orff, Carl: Das Schulwerk - Rückblick und Ausblick. In: Orff-Institut Jahrbuch 1963. Mainz (Schott) 1964, S. 16
  15. Klee, Felix (Hrsg.): Tagebücher von Paul Klee 1898 - 1918. Köln (DuMont) 1957, S. 276
  16. Jungmair, Ulrike: Das Elementare. Zur Musik- und Bewegungserziehung im Sinne Carl Orffs. Mainz (Schott) 1992, S. 242
  17. Flitner, Andreas: Spielen - Lernen. Praxis und Deutung des Kinderspiels. München (Piper) 1986 (8. Auflage), S. 84. Zitiert nach Stern, William: Psychologie der frühen Kindheit, Leipzig 1921 (2. Auflage)
  18. Friedemann, Lilli: Kinder spielen mit Klängen und Tönen. Wolfenbüttel und Zürich (Möseler) 1971, S. 6
  19. Flitner 1986, S. 83
  20. vgl. Flitner 1986, S. 89
  21. Keller, Wilhelm: Ludi musici 2 "Schallspiele". Boppard/Rhein und Salzburg (Fidula) 1972, S. 10
  22. Orff, Carl: Gedanken über Musik mit Kindern und Laien. In: Die Musik, 24, Berlin 1932
  23. Schami, Rafik: Erzähler der Nacht. Weinheim und Basel (Beltz) 1989, S. 239 ff
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