Mediennutzung von Kindern: die KIM-Studie 2020

Martin R. Textor

Seit mehr als 20 Jahren untersucht der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest in Stuttgart den Medienumgang von Kindern und Jugendlichen. Im Mai 2021 erschien mit der „KIM-Studie 2020 – Kindheit, Internet, Medien“ eine ganz aktuelle Untersuchung. Sie soll an dieser Stelle kurz zusammengefasst werden.

Zwischen dem 31. August und dem 14. Oktober 2020 wurden 1.216 deutschsprachige Kinder „computergestützt in persönlich-mündlichen Interviews (CAPI)“ und ihre Haupterzieher*innen per „Selbstausfüllerfragebogen (paper & pencil)“ befragt (S. 2). Da nur 9 % der Kinder einen Migrationshintergrund aufwiesen, konnte dieser bei der Auswertung nicht berücksichtigt werden. Die Untersuchung ist repräsentativ für Sechs- bis 13-Jährigen in Deutschland.

Bei den abgefragten 17 vorgegebenen Themeninteressen wird „Handy/Smartphone“ an 3. Stelle (nach „Freunde/Freundschaft“ und „Schule“) sowie „Internet/Computer/Laptop“ an 7. Stelle genannt. Die Hälfte der Kinder verfügt über ein eigenes Handy/Smartphone. Mehr Jungen als Mädchen besitzen eine Spielkonsole (49 % versus 33 %), ein eigenes Fernsehgerät (36 % zu 32 %) und einen eigenen Internetzugang (24 % zu 20 %); Mädchen haben häufiger einen CD-Player (39 % zu 37 %).

Folgende Freizeitaktivitäten werden täglich oder fast jeden Tag ausgeübt:

  1. Hausaufgaben/Lernen (laut 71 % der Befragten)
  2. Fernsehen (70 %)
  3. drinnen spielen (51 %)
  4. Handy/Smartphone nutzen (47 %)
  5. draußen spielen (45 %)
  6. Freunde treffen (35 %)
  7. Internet nutzen (31 %)
  8. mit Tier beschäftigen (28 %)
  9. Musik hören (27 %)
  10. digitale Spiele (25 %)
  11. Radio hören (22 %)
  12. Videos/Filme/Sendungen im Internet ansehen (18 %)
  13. Buch lesen (16 %)

Das drinnen bzw. draußen Spielen, das Malen und Basteln sowie Brettspiele verlieren mit zunehmendem Alter der Befragten an Bedeutung. Dafür verbringen ältere Kinder mehr Zeit mit Hausaufgaben/Lernen, Smartphones und Computerspielen. Jungen beschäftigen sich häufiger mit digitalen Spielen als Mädchen ((fast) jeden Tag: 31 % zu 9 %), Mädchen häufiger mit dem Lesen von Büchern (20 % zu 12 %). „Vergleicht man die KIM-Studie 2018 mit der aktuellen Erhebung, so zeigen sich teilweise deutliche Zuwächse z.B. bei der alleinigen Nutzung des Internets (+19 PP), beim Spielen am PC/Laptop (+10 PP), beim Spielen am Smartphone (+29 PP) und vor allem beim Spielen mit dem Tablet (+39 PP). Möglicherweise zeigt sich hierbei, dass Eltern im Zuge der Corona-Krise mit Homeschooling und Home-Office auch vermehrt darauf angewiesen waren, Medien als ‚Kinderaufpasser‘ zu verwenden“ (S. 17).

Das Handy/Smartphone wird am häufigsten (und mit zunehmendem Alter der Befragten öfters) für das Erhalten und Versenden von Nachrichten, die Nutzung von APPs bzw. des Internets und für Spiele verwendet. Tablets dienen vor allem dem Spielen, der Internetnutzung und dem Anschauen von Fotos/Videos.

Rund 70 % der Kinder sehen (fast) jeden Tag fern. „Wer einen Lieblingssender hat, benennt zu 29 Prozent den Kinderkanal (KiKA) von ARD und ZDF, zu 22 Prozent Super RTL und zehn Prozent geben RTL als Lieblingssender an. Es folgen Pro7 (7 %), RTL II, Disney-Channel und Nick (jeweils 4 %). Insgesamt geben die Kinder 32 (!) unterschiedliche TV-Sender an. ... Jedes zweite fernsehende Kind nutzt häufiger Wissensformate im Fernsehen (6-7 Jahre: 50 %, 12-13 Jahre: 42 %). Die Liste genutzter Formate wird bei diesen Kindern angeführt von ‚Galileo‘ (26 %), es folgen ‚Die Sendung mit der Maus‘ (22 %), ‚Wissen macht Ah‘ (19 %), ‚Löwenzahn‘ bzw. ‚logo!‘ (je 16 %) sowie ‚1, 2, oder 3‘ (10 %). Insgesamt nennen die Kinder 109 verschiedene Wissenssendungen“ (S. 41). Von den fernsehenden Kindern schauen 27 % öfters Nachrichtensendungen an (6-7 Jahre: 15 %, 12-13 Jahre: 36 %).

Mindestens einmal pro Woche nutzen 41 % der Kinder YouTube, 23 % Netflix, 21 % YouTube Kids, 20 % Mediatheken der Fernsehsender, 17 % Disney+ und 10 % Amazon prime Video. Vor allem YouTube wird mit zunehmendem Alter immer häufiger genutzt (6-7 Jahre: 13 %, 12-13 Jahre: 68 %). Die Kinder schauen sich am liebsten lustige Clips, Musikvideos, Videos, in denen YouTuber aus ihrem Alltag erzählen, Tiervideos, Sportvideos, Tutorials, Videos zu Themen aus der Schule und Mode-/Beautyvideos an (etwa in dieser Reihenfolge), wobei es die zu erwartenden Unterschiede nach Geschlecht und Alter gibt.

Von den Kindern, die das Internet nutzen, verwenden 53 % WhatsApp täglich und 15 % mindestens einmal pro Woche. Es folgen TikTok (15 %), Instagram (8 % bzw. 12 %), Snapchat (8 % bzw. 11 %) und Facebook (8 % bzw. 9 %). Weit mehr als die Hälfte der Kinder verwenden die vier genannten Social Media überhaupt nicht – und vor allem Facebook weniger als laut der KIM-Studie 2018 (-10 PP). Von den Internetnutzer*innen rufen 19 % Suchmaschinen (fast) jeden Tag und 45 % mindestens einmal pro Woche auf; ältere Kinder erwartungsgemäß häufiger als jüngere (6-7 Jahre: 5 % bzw. 32 %, 12-13 Jahre: 30 % bzw. 54 %). Gesucht werden vor allem Musik, Informationen für die Hausaufgaben/Schule, Spieleseiten/Internet-Spiele, Informationen über Prominente, Informationen zum Thema Sport und Sachen, die das Kind kaufen wollte (etwa in dieser Reihenfolge), wobei es die zu erwartenden geschlechtsspezifischen Unterschiede gibt.

Computer-, Konsolen-, Online-, Tablet- und Smartphonespiele werden von 25 % der Kinder (fast) jeden Tag und von 35 % mindestens einmal pro Woche gespielt – häufiger von Jungen (32 % bzw. 36 %) als von Mädchen (16 % bzw. 34 %) und öfters von 12- und 13-Jährigen (39 % bzw. 36 %) als von Sechs- und Siebenjährigen (13 % bzw. 23 %). Auf die Frage nach den Lieblingsspielen (bis zu drei Nennungen) wurden vermutlich so viele unterschiedliche Spiele genannt, das auf die TOP 7 nur wenige Prozentpunkte entfallen: FIFA (11 %), Minecraft (9 %), Die Sims (7 %), Mariocart (7 %), Super Mario (7 %), Fortnite (6 %) und Pokémon (5 %). Spiele, für die sie laut Alterskennzeichnung zu jung sind, verwenden wissentlich 38 % der Kinder – ältere häufiger als jüngere (12-13 Jahre: 46 %, 6-7 Jahre: 16 %).

Wie zu erwarten steigt die technische Medienkompetenz mit zunehmendem Alter an, ist aber auch in der gesamten Stichprobe ausgeprägt: „Gut die Hälfte der Kinder kann alleine ins Internet gehen (51 %) und zwei von fünf Kindern können selbstständig etwas ausdrucken (41 %). ... 40 Prozent der Kinder geben an, problemlos alleine Apps herunterladen zu können Dies stellt einen leichten Anstieg im Vergleich zu 2018 dar (+5 PP). Gut ein Drittel der Kinder kann sich selbstständig im WLAN anmelden (35 %, 2018: 31 %) und 30 Prozent sind in der Lage Fotos vom Mobiltelefon auf einen Computer oder Laptop zu laden (2018: 28 %). Fast genauso viele können alleine Lieder auf einen MP3-Player oder auf das Handy/Smartphone laden (29 %, 2018: 31%) oder einen Ordner auf dem Computer anlegen (28 %, 2018: 29 %). Etwa ein Viertel der Sechs- bis 13-Jährigen gibt an, Dateien aus dem Internet downloaden zu können (26 %, 2018: 25 %)“ (S. 67).

Bis zu 7 % der Kinder, die das Internet nutzen, sind schon mal auf Sachen gestoßen, die ihnen unangenehm waren (6-7 Jahre: 2 %, 12-13 Jahre: 8 %), die für Kinder ungeeignet waren (6-7 Jahre: 1 %, 12-13 Jahre: 6 %) oder ihnen Angst machten (6-7 Jahre: 1 %, 12-13 Jahre: 4 %). Dabei handelte es sich vor allem um Erotik/Porno, Gewalt/Prügelszenen und Horror-/Gruselvideos. Rund 4 % der Kinder sind schon einmal und weitere 3 % mehrmals auf unangenehme Leute im Internet gestoßen, wobei dies vor allem auf ältere Kinder zutrifft (12-13 Jahre: 6 % bzw. 4 %).

Befragung der Haupterzieher*innen

Rund 45 % der Haupterzieher*innen – zu 82 % Frauen – interessieren sich für das Thema „Medienerziehung/Umgang von Kindern mit Medien“, wobei es Unterschiede nach dem Bildungsstand gibt (Befragte mit Abitur/Hochschulabschluss: 51 %, mit niedrigem Bildungsabschluss: 40 %). „Bücher werden als wichtig für den Schulerfolg und für das Lernen im Allgemeinen gesehen. Auch die Förderung der Fantasie wird mit Büchern in Zusammenhang gebracht. Computer, Laptops und Tablets werden ebenfalls als bedeutsam für den Schulerfolg und das Lernen angesehen, sind aber gleichzeitig auch negativ konnotiert, da sie Kinder ‚zu Stubenhockern‘ machen. Das Internet und Bewegtbild (TV/Video/DVD) werden ambivalent und in einigen Bereichen ähnlich bewertet. [Das Internet wird] aber neben der Bedeutung für den Schulerfolg und Lernen auch mit der Gefahr der Konfrontation mit ungeeigneten Inhalten und Gewaltbereitschaft assoziiert. Handy/Smartphones gelten als wichtig, um im Freundeskreis mitreden zu können (+6 PP im Vergleich zu 2018), werden aber auch mit Streit in der Familie in Zusammenhang gebracht (+6 PP im Vergleich zu 2018). Die Ansicht, dass Mobiltelefone Kinder zu Stubenhocker machen, ist um sieben Prozentpunkte gestiegen“ (S. 75).

Zwischen 28 % und 12 % der Haupterzieher*innen halten bei ihren Kindern die Nutzungsdauer von Handy/Smartphones, Social Media, digitalen Spielen, online-Videos und Fernseher für zu hoch (in dieser Reihenfolge). Computer und Internet werden recht ambivalent gesehen: Zum einen stimmen 88 % der Befragten voll und ganz bzw. überwiegend der Aussage zu, dass Kinder durch den PC-Umgang viel Neues lernen. Zum anderen halten 83 % das Internet für gefährlich für ihre Kinder. Viele machen sich auch Sorgen wegen des Datenschutzes.

Wie die tägliche Nutzungsdauer verschiedener Medien seitens der Kinder von den Haupterzieher*innen eingeschätzt wird, zeigt die folgende Tabelle. Im Vergleich zu 2018 gibt es keine nennenswerten Veränderungen. Die Tabelle verdeutlicht auch, dass die Nutzung der verschiedenen Medien – mit Ausnahme von Büchern – mit zunehmendem Alter zeitintensiver wird. Geschlechtsspezifische Unterschiede treten vor allem beim Spielen an PC, Laptop, Tablet bzw. Konsole auf: Mädchen wenden hierfür 23 Minuten und Jungen 37 Minuten pro Tag auf.

Geschätzte tägliche Nutzungsdauer verschiedener Medien

Medien

alle Kinder

6-7 Jahre

8-9 Jahre

10-11 Jahre

12-13 Jahre

Fernsehen (klassisch)

68 Min.

58 Min.

64 Min.

73 Min.

75 Min.

Internet

46 Min.

14 Min.

29 Min.

52 Min.

84 Min.

PC-/ Laptop-/ Tablet-/ Konsolen-/ Internetspiele

31 Min.

18 Min.

25 Min.

33 Min.

45 Min.

Radio

24 Min.

20 Min.

22 Min.

24 Min.

28 Min.

Streaming Angebote

24 Min.

16 Min.

23 Min.

23 Min.

33 Min.

Handy-/ Smartphone-Spiele

22 Min.

9 Min.

16 Min.

28 Min.

33 Min.

Buch/ Lesen

21 Min.

18 Min.

24 Min.

22 Min.

20 Min.

YouTube Kanäle der Fernsehsender

16 Min.

8 Min.

11 Min.

17 Min.

26 Min.

Mediatheken der Fernsehsender

14 Min.

10 Min.

14 Min.

14 Min.

17 Min.

Summe

266 Min.

171 Min.

228 Min.

286 Min.

361 Min.

Abb. 1 Geschätzte tägliche Nutzungsdauer verschiedener Medien

Regeln hinsichtlich der Nutzungsdauer haben drei Viertel der Haupterzieher*innen beim Fernsehen, 55 % bei Videos im Internet, 55 % bei Computerspielen, 51 % beim Internet, 43 % bei Social Media und 46 % bei Spielen auf dem Handy/Smartphone mit ihren Kindern vereinbart. Ferner gibt es in den meisten Familien Absprachen, welche Inhalte im Fernsehen oder Internet angeschaut, welche Spiele gespielt und welche Apps auf das Handy/Smartphone geladen werden dürfen. Die Haupterzieher*innen, die Regeln aufgestellt haben, erlauben ihren Kindern die Nutzung des Fernsehers ab 5 Jahren, von Handy/Smartphone, Internet, PC/Laptop, Spielkonsolen und Tablets ab 9 Jahren, von WhatsApp und YouTube ab 10 Jahren, von TikTok ab 12 Jahren und von Facebook, Instagram und Snapchat ab 13 Jahren. Technische Hilfsmittel, die Kinder vor problematischen Inhalten schützen oder die Nutzungszeit einschränken, werden nur von wenigen Haupterzieher*innen genutzt – auch weil sie oft unbekannt sind.

Fazit

Die KIM-Studie 2020 vermittelt wieder viele interessante Informationen über den Medienumgang von sechs- bis 13-jährigen Kindern. Die Gesamtdauer der Mediennutzung wurde aber nicht berechnet. So habe ich die einzelnen Zeitangaben in obiger Tabelle addiert. Kinder verbringen demnach im Durchschnitt 4 Stunden und 26 Minuten pro Tag mit Medien, wobei der Zeitaufwand mit zunehmendem Alter ansteigt: von 2 Stunden 51 Minuten bei den Sechs- und Siebenjährigen auf 6 Stunden und 1 Minute bei den 12- und 13-Jährigen. Bei diesen Zahlen muss aber berücksichtigt werden, dass sie zum einen auf den Angaben der Haupterzieher*innen beruhen, die nur Schätzwerte genannt haben, und dass zum anderen Kinder oft zwei Medien gleichzeitig nutzen (z.B. beim Fernsehen auf dem Smartphone Nachrichten abrufen).

Literatur

Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hg.): KIM-Studie 2020. Kindheit, Internet, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 6- bis 13-Jähriger. Stuttgart 2021

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