Tobias Born
Hello Ruby ist eine Kinderbuchreihe der finnischen Autorin und Illustratorin Linda Liukas. Die Buchreihe umfasst vier Titel, die in über 20 Sprachen erschienen sind und in Deutschland vom Bananenblau Verlag veröffentlicht werden. In der Hauptrolle lernen wir Ruby kennen, die am Anfang jeden Titels als Mädchen mit viel Fantasie vorgestellt wird und für die Kinder im Alter von Kindergarten bis Grundschule eine Identifikationsfigur ist. Mit der Macht ihrer Fantasie stürzt sie sich neugierig in verschiedene Abenteuer in der Welt der Algorithmen, Binärcodes und Netzwerken. Die Geschichten bieten mit Ruby ein starkes weibliches Vorbild in der Domäne der Informatik, die leider noch oft männlich dominiert ist. Wie die Autorin, selbst Programmiererin, beweist Ruby, dass eine Welt auf uns wartet, in der dies nicht selbstverständlich ist.
Abb. 1 Buch: Wenn Robotor zur Schule gehen mit dem Klassentier
Die Bücher enthalten jeweils zwei Teile: Im ersten Teil erlebt man mit Ruby und ihren Freund*innen computer- und informatikbezogene Abenteuer, im zweiten Teil jedes Buches gibt es Übungen zum Lernen und Vertiefen dieser Inhalte. Besonders praktisch ist, dass die Übungen darüber hinaus aufgearbeitet wurden für den Einsatz im Kindergarten und in der Grundschule und auf der Internetseite helloruby.com in verschiedenen Sprachen mit (englischen) Lernvideos sowie Informationen und Tipps für Pädagog*innen anschaulich präsentiert werden. Darüber hinaus ist der TED talk von Linda Liukas zum Thema empfehlenswert[1].
Das große Potenzial liegt also in den kindgerechten wie fachlich anregenden Geschichten und Illustrationen einer weiblichen Identifikationsfigur für Kinder bis zehn Jahren sowie in den didaktisch-methodisch aufbereiteten Übungen im zweiten Teil der Bücher. Darüber hinaus gibt es für den Einsatz im Unterricht verschiedene weitere Ressourcen: Der School District San Francisco hat ein (englischsprachiges) Online-Curriculum mit ergänzenden Hinweisen und Übungen zum Titel Hello Ruby: Programmier dir deine Welt[2] erstellt. Die Pädagogische Hochschule Zürich bietet ebenfalls aufgearbeitete Unterrichtsmaterialien sowie einen Video-Einblick in den Einsatz mit Kindern an[3]. Die Aktivitäten funktionieren ohne Strom und ohne Endgeräte oder Roboter („unplugged“) und bieten so einen Einstieg in Prinzipien der digitalen Welt und Grundkonzepte des Programmierens für jüngere Kinder.
Die Bildungsstandards in Deutschland umfassen seit dem Grundsatzpapier „Kompetenzen in der digitalen Welt“ auch Kompetenzen einer digitalisierten Welt. Die Titel der Buchreihe spiegeln dabei verschiedene Inhaltsbereiche des Medienkompetenzrahmens NRW wider, der eine Umsetzung dieser Bildungsstandards im Land Nordrhein-Westfalen darstellt und alle Kinder zu „einem sicheren, kreativen und verantwortungsvollen Umgang mit Medien zu befähigen und neben einer umfassenden Medienkompetenz auch eine informatische Grundbildung zu vermitteln“[4]. Der Medienkompetenzrahmen NRW ist in sechs übergeordnete Kompetenzbereiche gegliedert, denen man die Titel der Buchreihe Hello Ruby zuordnen kann:
Hello Ruby – Die Reise ins Innere des Computers legt den Fokus auf den Kompetenzbereich Bedienen und Anwenden. Die Kinder lernen im Buch und in den begleitenden die Medienausstattung (Hardware) und deren Funktionen kennen. Mit Hello Ruby – Expedition ins Internet lassen sich die Kompetenzbereiche Informieren und Recherchieren mit der Informationsrecherche und Kommunizieren und Kooperieren mit Kommunikations- und Kooperationsregeln sowie Cybergewalt und -kriminalität behandeln. Das erste Buch Programmier dir deine Welt kann dem Kompetenzbereich Problemlösen und Modellieren zugeordnet werden und soll an dieser Stelle ausführlicher behandelt werden. An konkreten Unterrichtsaktivitäten wird gezeigt, wie das Buch in der Schuleingangsphase eingesetzt werden kann.
Abb. 2: Die Buchreihe im Regal der Klasse
Rubys Vater hat Juwelen versteckt, die Ruby finden muss. Dabei trifft sie auf unterschiedliche Probleme, die sie durch ihren Einfallsreichtum löst. Wie im Medienkompetenzrahmen gefordert vermitteln die Geschichten und besonders die verschiedenen Freund*innen „Strategien zur Problemlösung“ und „Grundfertigkeiten des Programmierens“ sowie die Reflektion von „Einflüsse[n] von Algorithmen“[5]. Eines der ersten Sachen, die wir über Ruby erfahren, ist, dass sie Aufräumen nicht mag. Deswegen versteht sie die Anweisungen der Eltern wie ein Computer sehr wörtlich und für die zuhörenden Kinder witzigerweise absichtlich falsch. Wenn ihr Vater ihr sagt, sie solle die Spielsachen aufräumen, räumt sie die Spielsachen zwar weg, doch die Malsachen bleiben liegen. Malsachen sind schließlich keine Spielsachen.
Die Eltern scheint das nicht außerordentlich zu stören und unterstützen stattdessen Rubys Stärken, wie die vorbereitete Schnitzeljagd des Vaters zeigt. Die Orte, an denen die Juwelen versteckt sind, kann Ruby dabei einer Karte entnehmen und muss sich den sinnvollsten Weg von einem zum nächsten Ort überlegen. Die Kinder lernen eine Wegbeschreibung als Algorithmus und eine Sequenz von Anweisungen kennen. Ruby trifft als erstes auf die Pinguine, die eine andere Sprache als Ruby sprechen. Durch logische Aussagen, auf welche die Pinguine mit wahr oder falsch antworten können (Boolsche Variablen), erfährt Ruby von den Pinguinen, dass der erste Juwel im Fluss ist. Zusammen bauen sie ein Floß, um den Juwel zu erreichen.
Die begleitenden Übungen im Unterricht vertiefen das Thema der Wiederholungsschleifen. Ein Algorithmus kann nicht nur linear ablaufen, sondern auch Anweisungen beinhalten, die sich wiederholen. Die Kinder sollen sich eine Anleitung fürs Bauen eines Floßes (ebenfalls ein Algorithmus) überlegen. Dabei werden sie darauf stoßen, dass man die Schritte des Aneinanderlegens und Zusammenbindens der Baumstämme wiederholt und in einer Bauanleitung nicht zehnmal hintereinander steht: „Lege einen Baumstamm an. Knote ihn mit einem Seil am anderen Baumstamm fest“. Auch Tänze beinhalten Wiederholungen und so kleben die Schüler*innen dann Tanzschritte in eine Wiederholungsschleife und zum Abschluss der Stunde werden die Tanzschleifen mit allen im Plenum getanzt.
Abb. 3 Aktivität zur Hardware zum Buch Die Reise ins innere eines Computers
Nachdem die eher sprunghafte Ruby beim ausgleichend stoischen Schneeleoparden den zweiten Juwel findet und man in den begleitenden Übungen das Thema Muster behandeln kann, trifft sie im Garten auf die Füchse. Diese versuchen im Garten Beete zu bepflanzen, doch schaffen es bei dem großen Durcheinander und den immer wieder wechselnden Anweisungen des Oberfuchses nicht ordentlich. Ruby kommt rettend zur Hilfe und formuliert die Anweisungen als bedingte Anweisung. Wenn in einem Loch kein Samen ist, pflanzt man einen Samen ein, sonst macht man das Loch zu und geht zum nächsten über. Wenn man am Ende einer Reihe angelangt ist, geht man zur nächsten Reihe über. Die Kinder lernen im Unterricht dann die blockbasierte Programmiersprache bekannt aus Scratch kennen. Anweisungen werden wie Puzzlestücke aneinandergereiht, um das Problem des Bepflanzens des Gartens sinnvoll zu lösen. Die Kinder sollen zuerst die auf einem Arbeitsblatt blockbasiert dargestellten Programme umsetzen und Beete dementsprechend bepflanzen, indem sie Samen und Pflanzen einzeichnen. Daraufhin werden Programme mit eigenen (bedingten) Anweisungen ergänzt, um eine Reihe Beete zu bepflanzen.
In einem Beet findet Ruby den dritten Juwel und macht sich auf zu den Robotern, mit denen sie Cupcakes backt und dort den vierten Juwel findet. Der fünfte Juwel stellt Ruby vor ihre größte Herausforderung. Sie trifft den Jungen Django mit seiner Schlange Python im Wald. Dass Django den Wald als den seinigen bezeichnet, ist kein guter Start für die Beziehung Rubys zu Django. Den fünften Juwel trägt Django an einer Kette um den Hals, doch Ruby will nicht viel mit Django zu tun haben und stattdessen nach Hause stürmen. Das Problem ist jedoch erneut der Fluss, der zuerst zu überqueren ist. Django bietet Ruby seine Hilfe an, doch diese will das Problem selbst lösen und baut eine Brücke. Mangels Möglichkeit die Brücke am anderen Ufer zu befestigen, scheitert Ruby mit ihrem Plan. Django beweist Kooperationsfähigkeit, stellt eigene Bedürfnisse zurück und bietet Ruby ein weiteres Mal Hilfe an.
Die Schlange Python befestigt daraufhin die Brücke am anderen Ufer und das gemeinsam gelöste Problem der Überquerung der Brücke löst auch die Differenzen zwischen Ruby und Django. Wie an vielen Stellen im Buch wird die Kooperation als wichtige Kompetenz dargestellt und im Unterricht wird die Methode des Pair-Programmings eingeführt: Kinder lernen, dass Programmierer*innen zusammenarbeiten, indem sie gemeinsam Fehler im Code (Bugs) suchen. Eine Person liest den Code laut vor, während die andere Fehler ausmacht.
Dies setzen die Kinder in einer kooperativen Lernform dann selbst um und werden aufgefordert, wie Django offen für die lösungsorientierte Zusammenarbeit mit allen Kindern in der Klasse zu sein. Auf der Vorderseite des Arbeitsblattes in einer Tabelle befinden sich Bilder der Figuren in den Zeilen und Spalten. Auf der Rückseite gibt es Beschreibungen, der Figuren bezüglich des Aussehens, der Eigenschaften und dem Ort in der Tabelle. Ein Kind hat die Vorderseite vor sich liegen, das andere Kind die Rückseite. Ein Kind schaut sich die Tabelle mit den Figuren an, während das andere Kind die Beschreibungen laut vorliest. So haben beide eine eigene, feste Aufgabe und können nur durch Zusammenarbeit die gemeinte Figur finden.
Am Ende entscheidet Ruby, Django nicht nach dem Juwel zu fragen. Sie hat für sich selbst festgestellt, dass die Juwelen nicht so wichtig sind, wie Django als Freund gewonnen zu haben und zu behalten. Müde und zufrieden erzählt sie am Ende des Tages ihrem Vater von ihren Erlebnissen. So endet die Geschichte des ersten Buchs der Reihe.
Zusammenfassend bietet die Kinderbuchreihe Hello Ruby eine ideale „unplugged“ Einführung in die Welt der Roboter und Computer für Kinder im Kindergarten- bis Grundschulalter. Die Hauptfigur Ruby, ein Mädchen mit lebendiger Fantasie, erlebt aufregende Abenteuer in der digitalen Welt, die nicht nur unterhaltsam sind, sondern auch wichtige Informatik-Konzepte vermitteln. Durch Rubys Geschichten und ihre Interaktionen mit verschiedenen Figuren lernen Kinder nicht nur Programmiergrundlagen wie Algorithmen und Schleifen, sondern auch Schlüsselkompetenzen wie Problemlösung und Kooperation.
Die begleitenden Übungen und Ressourcen bieten Lehrer*innen wertvolle Werkzeuge, um diese Konzepte im Unterricht zu vermitteln. Hello Ruby ist nicht nur eine Quelle der Inspiration für junge Mädchen, um sich für die Informatik zu begeistern, sondern auch ein lehrreiches und spaßiges Leseerlebnis für alle Kinder, das ihnen dabei hilft, ein Verständnis für die digitale Welt aufzubauen und wichtige Fähigkeiten zu entwickeln.
Endnoten
[1] https://www.ted.com/speakers/linda_liukas
[2] https://sites.google.com/sfusd.edu/k-2cs/orange/unit-1-unplugged-cs?pli=1
[3] https://meta.ipadschule.ch/helloruby/
[4] https://medienkompetenzrahmen.nrw/medienkompetenzrahmen-nrw
[5] ebd.