Bärbel Merthan
Sicher werden sich viele von Ihnen fragen, warum sollen sich nun schon die kleinen Kindergartenkinder mit der Mathematik herum plagen, das reicht doch, wenn der Stress in der Schule beginnt. Stellen wir doch einmal unsere zwei elementaren Kulturtechniken gegenüber - das Schreiben und das Rechnen.
Das Schreiben und Lesen
So haben das Lesen und Schreiben einen festen Platz in der Frühpädagogik. Die Kinder lernen schon vor dem ersten Lebensjahr mit ihrer Stimme zu experimentieren - sie lallen, Laute werden gebildet, die ersten Worte werden ausgesprochen, Sätze folgen und werden immer umfangreicher. Die Kinder lernen, sicher mit ihrer Sprache umzugehen und ihre Stimme der Situation entsprechend einzusetzen. Zu Hause und im Kindergarten werden sie mit Gesprächen, Kinderliedern, Bilderbüchern und Gedichten konfrontiert. Es gefällt den Kindern, sich in alle diesen Formen mit Sprache auseinander zu setzen.
Diese fast sechsjährige Übung bietet eine gute Grundlage für das Lesen- und Schreibenlernen in der Schule. Die Kinder haben einen Bezug zu dem, was sie lesen und schreiben, sie kennen die Begriffe und verfügen über einen umfangreichen Wortschatz. Eltern und Erzieher/innen haben sie begleitet, ihnen mit guten Beispielen die Sprache vorgelebt, einiges durch die Bilderbücher usw. bewusst vermittelt und sie auch mit ihren Fähigkeiten experimentieren lassen.
Die Mathematik
Stellen wir dem nun die elementare mathematische Entwicklung gegenüber. Wann wird damit begonnen und was wird angeboten?
Zuerst einmal werden viele Kleinkinder eher zufällig mit einem elementaren mathematischen Spielzeug konfrontiert - was dann keine Fortführung findet. Es handelt sich hier um den Formenwürfel, in den die verschiedensten Formen wie Würfel, Walze etc. in die richtigen Öffnungen gesteckt werden müssen. Bereits nach kürzerer Einübung beherrschen die Kinder das Spiel sicher. Vom Elternhaus wird das Kind dann bis kurz vor dem Schuleintritt im mathematischen Bereich nur wenig angeleitet. Im Kindergarten ist die Förderung auch eher zufällig; es gibt hier das eine oder andere Spiel, mit dem die Kinder sich im Freispiel beschäftigen, doch sind die meisten mathematischen Erfahrungen eher zufällig. Der Würfel und die verschiedensten Formen bleiben die wichtigsten Erfahrungen.
Im Vorschulalter wird den Kindern recht schnell ein Angebot vom Zählen über das Zahlenschreiben bis hin zum Rechnen gemacht, doch es gibt vorher noch viele wichtige Schritte, die auch gemacht werden können, um sich in die Welt der Mathematik einzuleben.
Pädagogische Vorgehensweise
Wir wissen heute, dass Kinder sich bereits in der frühen Kindheit mit mathematischen Inhalten beschäftigen (können). Diese Erkenntnis verdanken wir der modernen Hirnforschung. Die pädagogische Arbeit ist, wie es in der Fachsprache heißt, ganzheitlich geprägt, d.h., mit einem Lernangebot können mehrere Bildungsbereiche gleichzeitig abgedeckt und verschiedene Bildungs- und Erziehungsziele angestrebt werden. Jedoch soll die schwerpunktmäßige Förderung klar erkennbar sein. Die Kinder lernen wie bisher durch das Spiel, und alle Angebote sollten mit Spaß und Freude verbunden sein. Das Angebot orientiert sich am aktuellen Entwicklungs- und Interessensstand der Kinder, so dass eine Über- oder Unterforderung ausgeschlossen wird.
Pädagogische Hilfestellungen
Die Kinder, die einer Hilfe bedürfen, erhalten sie in unterschiedlichen Formen:
- durch die Erzieherin,
- durch die anderen Kinder,
- durch verschiedenstes Hilfsmaterial.
Alle Hilfen sind so angelegt, dass die Kinder Erklärungen, Anregungen oder Hilfsmaterial bekommen, um die Aufgabe selbstständig zu lösen.
Bestimmt ist es noch ein weiter Weg, bis die beiden Kulturtechniken sich von ihren Angeboten her annähern, dass die elementare mathematische Erziehung genauso selbstverständlich wird wie die Spracherziehung. Jedoch kann allen, die sich darauf einlassen, schon jetzt versichert sein: Es wird für die Kinder und Eltern eine Bereicherung sein.
Anmerkung
Zur Sprachförderung und mathematischen Bildung befinden sich viele Anregungen in der vom Forum-Verlag Herkert publizierten "Lern- und Spielmappe für Vorschulkinder plus Erzieherinnen-Handbuch". Mappe und Handbuch erleichtern die Umsetzung der neuen Bildungspläne, da alle Inhalte auf deren Kompetenz- und Bildungsbereiche abgestimmt sind. Sie enthalten Übungen, Aufgaben, methodische Anregungen und Arbeitsblätter.