Kristin Narr und Hannah Bunke-Emden
Vorbemerkung
Dieser Beitrag ist Teil der Artikelserie „Pädagogisches Making in der Kita“, entstanden in Kooperation mit den Verantwortlichen der Maker Days for Kids – der bisher größten offenen, temporären Werkstatt für Kinder und Jugendliche im deutschsprachigen Raum. Stattgefunden haben die Maker Days in Bad Reichenhall, in Graz und in Leipzig. Träger des Projektes sind der BIMS e.V. und die TU Graz. In dieser Artikelserie werden insgesamt fünf Artikel zum Thema pädagogisches Making in der Kita veröffentlicht. Diese behandeln Einführungen, konkrete Projektideen, Materialien, Werkzeuge und weitere Anlaufstellen.
Über das Machen mit Medien
Making ist ein Begriff, der seit ein paar Jahren auch im deutschsprachigen Raum immer öfter auftaucht. Making beschreibt das Machen oder Selbermachen und ist zunehmend auch für Bildungskontexte interessant geworden – vor allem, weil Bezüge zu reformpädagogischen und handlungsorientierten Ansätzen gezogen werden können und sich spannende neue (Lern-)Settings ergeben. Zu Anfang des Beitrags wird der Begriff „Making“ im Allgemeinen erläutert. Wie hat sich der Begriff entwickelt und was bedeutet er? Des Weiteren werden typische Orte beschrieben, in denen Making stattfindet. Es folgt eine Überleitung zu Making in Bildungskontexten und zum Begriff „Maker Education“. Wie werden Making und Bildungskontexte zusammen gedacht?
Making als gesellschaftlicher Trend
Der Begriff Making
Menschen entwerfen, kreieren, bauen Dinge selbst und verwirklichen eigene Ideen. Gerade in den letzten Jahren wurde die Do it yourself (kurz DIY) Bewegung immer größer. Zu Hause, im Garten, in Werkstätten oder Repaircafés wird ausprobiert, nachgemacht, angeleitet und weitergegeben. Die Motivation dazu scheinen Menschen schon früh zu besitzen, denn den Satz ‚Lass mich, ich will das alleine machen’ kennen viele. Dieses Machen hilft den Menschen. Sie ergründen auf diese Weise Dinge und verstehen, wie etwas funktioniert. Ein Begriff, der seit ein paar Jahren im Zusammenhang mit diesen Entwicklungen immer wieder auftaucht ist ‚Making’. Aber was ist Making eigentlich genau?
Making ist kreativ. Making ist erfinderisch. Making ist selbstbestimmt.
Der Begriff kommt aus dem Englischen von dem Wort ‚to make’ – machen. Die gängige Definition von Making ist: „Aktivitäten, bei denen jede und jeder selbst aktiv wird und ein Produkt, ggf. auch digital, entwickelt, adaptiert, gestaltet und produziert und dabei (auch) digitale Technologien zum Einsatz kommen” (Schön u. a. 2016, S. 8).
Making-Aktivitäten beschränken sich eben nicht nur auf das Digitale. Auch analoge und handwerkliche Tätigkeiten, wie zum Beispiel Nähen, Löten und Basteln, werden mit technischen Möglichkeiten verbunden (vgl. Narr 2018, S. 75). Damit sind Making-Aktivitäten sehr breit aufgestellt. Wird nun noch die Verbindung von analog und digital hinzugenommen, ergeben sich unzählige Möglichkeiten und Varianten, Making umzusetzen.
Making nutzt, braucht und schafft Freiräume zum Tüfteln und Ausprobieren, denn Makerinnen und Maker gehen über das bloße Nachmachen von Anleitungen hinaus (vgl. Narr 2018, S. 75). Freiräume bedeuten dabei nicht nur die Möglichkeit zu haben, eigene Ideen völlig frei umsetzen zu können, sondern auch verschiedene Materialien zu verbinden und (unbekannte) Werkzeuge auszutesten. Making steht im Spannungsfeld zwischen den eigenen Erfahrungen, der persönlichen Selbstwirksamkeit durch das Selbstmachen sowie der kritischen Auseinandersetzung mit der Gesellschaft (vgl. Narr 2018, S. 75). Making beschreibt also zuerst einmal, dass Menschen zusammenkommen, um Dinge zu gestalten.
Orte für Making-Aktivitäten
Making-Aktivitäten können an ganz verschiedenen Orten stattfinden. Oft sind Bezeichnungen für diese Orte Makerspace, FabLab (Fabrication Laboratory), Hackerspace oder auch offene Werkstatt (vgl. Schön/Ebner 2019, S. 10). Obwohl diese Bezeichnungen nicht einheitlich verwendet werden und verschiedene Ansätze beinhalten, weisen die Orte Gemeinsamkeiten auf: Im Mittelpunkt steht das Erschaffen von konkreten Produkten und das Finden von Lösungen, ganz oft in Gemeinschaft oder mit Unterstützung von anderen. Dafür werden digitale Werkzeuge, wie 3D-Drucker oder Laser Cutter und auch analoge Werkzeuge, wie Hammer, Lötkolben oder Nähmaschine, in offenen Strukturen mit vielen Freiräumen genutzt (vgl. Schön/Ebner/Grandl 2019, S. 13 ff.). Somit reicht für Making im Endeffekt auch ein „gewöhnlicher“ Raum, in dem man verschiedene Werkzeuge und Materialien findet, mit denen man gestalten kann.
Pädagogisches Making
Making in Bildungskontexten
Während Making ursprünglich noch nichts per se mit Bildung in formalen oder non-formalen Kontexten zu tun hat, finden Making-Aktivitäten und Makerspaces zunehmend Einzug in den (Bildungs-)Bereich (vgl. Ingold/Maurer 2019). An Schulen gibt es immer mehr Projekte, die Making-Aktivitäten einschließen, oder es entstehen ganz eigene Makerspaces. Auch im außerschulischen Bereich sowie auch in Kitas ist immer mehr von Making-Projekten die Rede. Warum ist das so?
Die Umgebungen, in denen Making stattfindet und das, was dort gemacht wird – nämlich aktiv sein, zusammenarbeiten und voneinander lernen – finden sich in (lerntheoretischen) Ansätzen wieder, die den Fokus auf das Lernen und Verstehen durch aktives Tun setzen: unter anderem der Reformpädagogik und der Handlungsorientierung. Gerade auch bei reformpädagogischen Ansätzen lassen sich Parallelen zum Making finden: Denn es steht die Auseinandersetzung mit Gegenständen und die Herstellung von Dingen, Ideen und Konzepten durch Gegenstände im Vordergrund (vgl. Schön u. a. 2016, S. 14). Dewey, Pestalozzi oder Montessori betonen die Bedeutung von Erfahrungslernen, Lernen durch ganzheitliche Tätigkeiten und des (doppeldeutigen) ‚Begreifens’ durch spezielle Materialien und das Selbermachen (vgl. Schön/Ebner 2019, S. 12). Ergänzend kann angeführt werden, dass Making im Unterschied zu reformpädagogischen Ansätzen mit digitalen Technologien auch Entwicklungen im technischen Bereich (wie Programmieren) verständlich machen kann (vgl. Schön u. a. 2016, S. 14).
Aber auch handlungsorientierte Ansätze wie die handlungsorientierte Medienpädagogik bieten Anknüpfungspunkte für Making (vgl. Schön u. a. 2016). Hierbei geht es darum, Kinder zu befähigen, Medien über die bloße Rezeption hinaus zur kreativen Nutzung, Gestaltung (ihrer Lebenswelt) und Produktion zu gebrauchen und durch aktive Medienarbeit Möglichkeiten zu eröffnen, durch Erfahrungen zu lernen (vgl. Boy/Narr 2019, S. 17).
„Beim Making werden Technologien und (digitale) Werkzeuge im wahrsten Sinne des Wortes greifbar, indem Kinder und Jugendliche aktiv Produkte erstellen“ (Boy/Narr 2019, S. 18).
Neben diesen Theorien sind unter anderem auch Annahmen und Überlegungen zum Peer-Learning (das Lernen von und mit Gleichaltrigen) relevant: Bei Making-Aktivitäten spielen das kooperative, gemeinsame Erfahrungen-Machen und Produzieren eine wichtige Rolle. Kinder lernen mit- und voneinander.
Gleichzeitig bieten Entwicklungen rund um Making für Bildungsangebote und Lernsettings die Möglichkeit, über neue Angebote, Herangehensweisen und Methoden nachzudenken. So stellen sich Fragen wie: Warum funktionieren die offenen Settings bei Erwachsenen gut? Wie können diese auf Kinder übertragen werden? Dieser zweite Aspekt zieht eine weitere wichtige Frage mit sich: Was muss für Kinder verändert werden? Spätestens bei diesen Überlegungen kommen die oben genannten pädagogischen Einflüsse ins Making: Wenn man sich mit (neuen) Ideen, Werkzeugen, Medien und Materialien auseinandersetzt und Dinge erschafft, passiert das Verstehen, Verinnerlichen und Lernen oft automatisch. Damit ergibt sich eine weitere Bedeutung von Making: Making ist Lernen durch Machen.
Maker Education
Das Lernen geschieht häufig beiläufig, denn beim Making wird nicht im traditionellen Sinne unterrichtet, sondern dazugelernt, indem man sich neuen Herausforderungen stellt (vgl. Schön/Narr/Grandl/Ebner 2019, S. 50). Deswegen ist Making, unter anderem mit dem Begriff Maker Education, für den Bildungsbereich interessant geworden (vgl. Schön/Ebner 2019):
„Maker Education oder auch Fab Learning sind Bezeichnungen für die Didaktik und Methodik des Lernens in Makerspaces, insbesondere bei der Arbeit von Kindern und Jugendlichen und deren Ausbildung zu (zukünftigen) Selbermachenden“ (Schön/Ebner 2019, S. 12).
Die Merkmale von Maker Education kommen aus dem Grundverständnis der Maker Bewegung (vgl. Schön/Ebner, 2019, S. 13 und Abb. 1): Im Fokus von Making-Aktivitäten steht das Erstellen eines konkreten Produktes, das aktiv gestaltet wird. Dieses wird mithilfe von analogen und/oder digitalen Werkzeugen erstellt, liegt demnach entweder physisch zum Anfassen oder digital vor oder vereint verschiedene Komponenten, wie handwerkliche und technische. Oft geht es darum, neue und kreative Lösungen für Probleme oder Fragestellungen zu finden. Werden neue Ideen ausprobiert, ist auch immer ein Scheitern möglich und manchmal sogar nötig, um voranzukommen. Wenn eine Idee also nicht klappt, sollte dies nicht als schlecht angesehen werden. Geht es in der Maker Education um neue Lösungen, spielen auch Nachhaltigkeit und soziale Teilhabe eine Rolle. Es wird großer Wert auf das Zusammenarbeiten, voneinander Lernen und sich gegenseitig unterstützen gelegt. Die Produkte sollen immer auch Überlegungen zu Nachhaltigkeit und einer ‚besseren’ Gesellschaft berücksichtigen. Um Kindern Raum zu geben, Dinge auszuprobieren, übernehmen Erwachsene für gewöhnlich die Rolle als Tutor oder Tutorin, die unterstützen, aber nicht vorgeben.
Abb. 1: Merkmale der Maker Education, CC-BY 4.0 Sandra Schön
Maker Education bietet mit seinen vielfältigen Ausgestaltungsmöglichkeiten einen interdisziplinären Zugang und funktioniert deswegen am besten in offenen Lernsettings und in der Projektarbeit. Disziplinen, die sich in Making-Aktivitäten verbinden und zu denen Making-Aktivitäten einen Zugang bieten können, sind zum Beispiel die naheliegenden wie Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT), aber auch handwerkliche Tätigkeiten mit Materialien wie Holz oder Metall (Werken), Kunst, Musik oder Medienpädagogik. Je nach Making-Aktivität können auch gesellschaftlich relevante Aspekte wie Umweltschutz oder Inklusion eine Rolle spielen.
Damit Making-Aktivitäten in verschiedenen Bildungskontexten eingesetzt werden können, werden sie also im Sinne einer Maker Education angepasst und strukturiert. Besonders, wenn es um Maker Education bei sehr jungen Menschen geht. Wie aber sehen Making-Aktivitäten mit Kindern aus?
Diese Frage wird im nächsten Beitrag dieser Artikelserie thematisiert.
Der Artikel „Über das Machen mit Medien” von Kristin Narr und Hannah Bunke-Emden entstammt dem Buch „Digitale Bildung im Grundschulalter.Grundsatzfragen zum Primat des Pädagogischen”, via https://www.researchgate.net/publication/344174091_Digitale_Bildung_im_Grundschulalter_Grundsatzfragen_zum_Primat_des_Padagogischen und ist lizenziert unter CC BY 4.0. Kürzungen, Bearbeitungen, leichte textliche Anpassungen von Kristin Narr und Hannah Bunke-Emden.
Literatur
Boy, Henrike/Narr, Kristin (2019). Medienpädagogik und Making – Grenzen, Erfahrungen und Perspektiven. In: merz | medien + erziehung 4/2019, S. 17-24.
Ingold, Selina/Maurer, Björn (2019). Making in der Schule. Reibungspunkte und Synergieeffekte. In: Ingold, Selina/Maurer, Björn/Trüby, Daniel (Hrsg.). Chance Makerspace. Making trifft auf Schule. München: kopaed, S. 59-86.
Narr, Kristin (2018). „Ich mach mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt“. In: Von Gross, Friederike/Röllecke, Renate (Hrsg.). Make, Create/Play. Medienpädagogik zwischen Krea- tivität und Spiel. München: kopaed, S. 75-82.
Schön, Sandra/Boy, Henrike/Brombach, Guido/Ebner, Martin/Kleeberger, Julia/Narr, Kristin/Rösch, Eike/Schreiber Björn/Zorn, Isabel (2016). Einführung zu Making-Aktivitäten mit Kindern und Jugendlichen. In: Schön, Sandra/Ebner, Martin/Narr, Kristin (Hrsg.). Making-Aktivitäten mit Kindern und Jugendlichen. Handbuch zum kreativen digitalen Gestalten. Norderstedt: BoD - Books on Demand.
Schön, Sandra/Ebner, Martin (2019). Making – eine Bewegung mit Potenzial. In: merz | medien + erziehung 4/2019. München: kopaed, S.9-16.
Schön, Sandra/Ebner, Martin/Grandl, Maria (2019). Makerspaces als Kreativ- und Lernräume. Werkstätten mit digitalen Werkzeugen aus Perspektive der Erwachsenenbildung. In: Magazin erwachsenenbildung.at. Das Fachmedium für Forschung, Praxis und Diskurs 35/36/2019. Abrufbar unter: www.erwachsenenbildung.at/magazin/19-35u36/meb19- 35u36.pdf [Zugriff: 18.11.2019].
Schön, Sandra/Narr, Kristin/Grandl, Maria/Ebner, Martin (2019). Making mit Kindern und Jugendlichen. Einführung und ausgewählte Perspektiven. In: Ingold, Selina/Maurer, Björn/Trüby, Daniel (Hrsg.). Chance Makerspace. Making trifft auf Schule. München: kopaed, S. 45-57.