Carmen Deffner, Sabrina Braunert und Katrin Hille
1. Einführung
Die Fähigkeit sich selbst zu regulieren stellt eine wichtige Basiskompetenz für das Leben in der Gesellschaft und das Erreichen der eigenen Ziele dar. Besonders kleineren Kindern fällt es jedoch schwer, an einer Sache dran zu bleiben und sich nicht ablenken zu lassen, sich Regeln zu merken, mit ihren Gefühlen angemessen umzugehen oder sich in andere hineinzuversetzen. Exekutive Funktionen liegen diesen Dingen zugrunde. Mit ihnen steuern wir unsere Emotionen, Gedanken und Verhaltensweisen. Sie entwickeln sich vom Kindes- bis ins Erwachsenenalter.
Zahlreiche Studien zeigen, dass die exekutiven Fähigkeiten bereits frühzeitig gefördert werden können und einen weitreichenden Einfluss auf die sozial-emotionalen Kompetenzen des Kindes sowie seinen schulischen Erfolg haben (Rhoades et al. 2009). Es zeigt sich, dass dem pädagogischen Setting im Kindergarten und dem Handeln der Fachkräfte im Hinblick auf die Entwicklung der exekutiven Fähigkeiten eine besondere Bedeutung zukommt.
Im folgenden Beitrag wird zunächst die Begrifflichkeit der exekutiven Funktionen, ihre Entwicklung sowie ihre lebenslange Bedeutung beschrieben und abschließend mit dem Blick in die Praxis die alltagsintegrierte Förderung des exekutiven Systems betrachtet.
2. Grundlagen: Was sind exekutive Funktionen?
Der Begriff der exekutiven Funktionen stammt aus den Neurowissenschaften. Er beschreibt geistige Fähigkeiten, mit deren Hilfe wir unsere Emotionen, unsere Gedanken und unser Handeln steuern. Die exekutiven Funktionen sind im Präfrontalen Cortex, auch Stirnhirn genannt, lokalisiert. Häufig wird dieser mit der Steuerzentrale des Menschen oder einem Orchesterdirigenten verglichen. Arbeitsgedächtnis, Inhibition und kognitive Flexibilität bilden zusammen - jedoch als unabhängig voneinander zu betrachtende Systeme (Miyake et al. 2000) - die exekutiven Funktionen, die den Menschen zur Selbstregulation befähigen. Das bedeutet, spontane Handlungsimpulse werden durch ein kurzes Innehalten hinsichtlich ihrer Angemessenheit und Zielorientierung in einer Kontrollschleife überprüft.
Das Arbeitsgedächtnis ist für die Speicherung und Weiterverarbeitung von Informationen zuständig und fungiert als mentaler Notizblock. Mit Hilfe des Arbeitsgedächtnisses können wir uns beispielsweise Regeln merken, Kopfrechenaufgaben durchführen oder Pläne aufstellen, mit denen wir unser Ziel erreichen können. Weiterhin ermöglicht es uns komplexe Denkvorgänge, wie zum Beispiel die Sprache oder das Verknüpfen von neuen Erfahrungen mit bereits vorhandenem Wissen.
Die Inhibition (=Hemmung) beschreibt die Fähigkeit, spontanen Handlungsimpulsen zu widerstehen und Störreize auszublenden. Sie ist unser mentales Stoppschild und sorgt dafür, dass wir bei der Sache bleiben und uns nach der Devise "erst denken, dann handeln" verhalten. Damit unterstützt die Inhibition angemessenes und zielgerichtetes Verhalten und stellt eine Grundlage für die Regulation der Emotionen dar.
Die kognitive Flexibilität baut auf dem Arbeitsgedächtnis und der Inhibition auf und bezeichnet die Fähigkeit, sich auf neue Anforderungen einzustellen und außerhalb gewohnter Verhaltensmuster agieren zu können. Wie bei einer Eisenbahnweiche, die es ermöglicht, eine Fahrt in unterschiedliche Richtung fortzusetzen, gelingt es mittels der kognitiven Flexibilität, frei von starren Mustern zu handeln und Probleme aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten bzw. zwischen diesen zu wechseln. Zudem ist dieser Aspekt eine wichtige Voraussetzung für soziales und empathisches Handeln.
3. Entwicklung der exekutiven Funktionen
Die Entwicklung des Präfrontalen Cortex (Stirnhirn) ist erst mit ca. 25 Jahren abgeschlossen. Zwischen drei und sieben Jahren ist eine besonders rasante Entwicklung zu erkennen (Gogtay 2004). Generell unterliegt die Entwicklung der exekutiven Funktionen jedoch zusätzlich sozialen und genetischen Aspekten. Die Entwicklung der drei Bereiche erfolgt nicht zeitgleich. Mal passiert in dem einen Bereich mehr, mal in dem anderen (Davidson et al. 2006; Huizinga et al. 2006).
Eine deutliche Entwicklung des Arbeitsgedächtnisses wird ab dem dritten Lebensjahr sichtbar. Bis ins Grundschulalter verbessert sich das einfache Merken und Abrufen von Informationen. Die Speicherkapazität nimmt bis ins frühe Erwachsenenalter zu.
Bereits mit sechs Monaten hält der Säugling kurz inne, wenn er "Nein!" hört, und greift nicht sofort nach dem Zielobjekt. Mit vier bis fünf Jahren können Kinder sich inhibieren, wenn sie die Befriedigung eines Verlangens oder eines Wunsches immer leichter und länger aufzuschieben vermögen. Im Alter von etwa 12 Jahren erreicht die Fähigkeit sich zu inhibieren das Niveau eines Erwachsenen.
Schon im ersten Lebensjahr zeigt der Säugling eine gewissen kognitive Flexibilität: Er kann einen alternativen Weg wählen, wenn etwas beim ersten Versuch nicht zum Ziel führt. Ab drei bis vier Jahren ist es dann möglich, zwischen zwei einfachen Regeln zu wechseln, wenn sie sich nicht besonders unerwartet und schnell verändern. Auch die kognitive Flexibilität entwickelt sich bis ins junge Erwachsenenalter weiter.
Ein Teil der kognitiven Flexibilität ist die Fähigkeit zum Perspektivwechsel. Dreijährige haben schon eine grobe Ahnung davon, dass andere anders denken als sie selbst und nicht alles wissen, was sie selbst wissen. Ab ca. vier Jahren beginnen die Kinder zu verstehen, dass Wirklichkeit und Denken voneinander abweichen können (false belief). Zwischen 3,5 Jahren und vier Jahren durchlaufen Kinder eine instabile Phase. Mal zeigen sie Verständnis dafür, dass sich ihr eigenes Wissen und Denken von anderen unterscheidet, und mal nicht. Im Grundschulalter ist das Wissen der Kinder, dass Menschen die Welt unterschiedlich interpretieren, dann weitestgehend gefestigt.
4. Bedeutung der exekutiven Funktionen
Fähigkeiten, wie sich selbst und seine Emotionen regulieren, seine Handlungen planen, an einer Sache dranbleiben und angemessenes Verhalten sowie Empathie in sozialen Situationen zeigen zu können, bilden die Grundvoraussetzung für das Erreichen von Zielen, ein gelingendes soziales Miteinander und letztlich ein glückliches Leben. Dies zeigt u.a. die Langzeitstudie von Moffitt et al. (2011), die im Rahmen einer groß angelegten Untersuchung 1.000 Probanden seit über 40 Jahren begleitet und den bedeutsamen Einfluss der Selbstregulation auf die Lebensqualität des Menschen herausstellt. Sie zeigt, dass Kinder mit guten selbstregulatorischen Fähigkeiten im Erwachsenenalter einen besseren Schulabschluss haben, gesünder sowie weniger häufig straffällig sind und einen höheren sozio-ökonomischen Status erlangen.
4.1 Schuleignung und schulische Lernleistung
Unterschiedliche Studien belegen: Exekutive Funktionen stehen im Zusammenhang mit Schuleignung und schulischen Leistungen.
Neben Vorläuferfertigkeiten für den Schrifterwerb gelten sozial-emotionale Kompetenzen (Emotionsregulation, prosoziales Verhalten und Aggressionskontrolle), Anpassungsfähigkeit an die Anforderungen des Schul- und Unterrichtsgeschehens, Motivation und ausgereifte Lernkompetenz als Kriterien der Schulfähigkeit.
Karen Biermann und Kollegen untersuchten in einer Langzeitstudie 350 Kinder im Alter von 4,5 Jahren, die an einem Programm teilnahmen, das unter anderem auch exekutive Funktionen förderte. Die Studie zeigte, dass Kinder mit niedrigen Ausgangswerten für exekutive Funktionen nach Teilnahme am Programm nicht nur diese Funktionen verbessern konnten, sondern auch höhere Werte für soziale Kompetenz, geringere Werte für Aggression und verbesserte Vorläuferfertigkeiten für den Schriftspracherwerb erzielten. Die Forscher/innen kommen zu dem Ergebnis, dass eine Stärkung der exekutiven Funktionen im Kindergartenalter eine Stärkung der Schulfähigkeit bedeutet und dies eine präventive Maßnahme zur Verringerung sozio-ökonomischer Benachteiligung sein kann (Biermann et al. 2008).
In einer Studie von Duckworth und Seligmann (2005) zeigten Schüler/innen der 8. Klasse mit gut ausgebildeten exekutiven Funktionen bessere Ergebnisse als Schüler/innen mit weniger gut ausgebildeten. Sie erzielten höhere Punkte im Leistungstest, fehlten weniger häufig in der Schule und verbrachten mehr Zeit mit den Hausaufgaben, schauten weniger TV und begannen früher mit den Hausaufgaben. Ein Erklärungsansatz dieser Ergebnisse ist, dass das Schulkind in der Lage sein muss, im Unterricht seine Aufmerksamkeit auf das Wesentliche zu lenken, also störende Reize auszublenden. Erst dann kann es Unterrichtsinhalte aufnehmen, mit bereits Bestehendem verknüpfen und somit sein Wissen erweitern. Schlägt ein Lösungsversuch fehl, muss es Alternativen suchen, sprich flexibel nach anderen Möglichkeiten suchen und die gestellte Aufgabe auf den zweiten oder gar dritten Anlauf lösen. Des Weiteren ist im Klassenverband der angemessen Umgang mit Emotionen verlangt. Sich zum Beispiel nach einem Streit auf dem Pausenhof rasch erholen zu können bedeutet, nach der Pause wieder fokussiert auf den Unterricht zu sein anstatt dem erlebten Ärger gedanklich nachzuhängen.
4.2 Sozial-emotionale Kompetenzen
Freundschaften knüpfen, aufeinander Rücksicht nehmen, Kompromisse und gemeinsame Lösungswege finden sowie kompetente Familien- und Gesellschaftsmitglieder zu sein, erfordert eine gut entwickelte Selbstregulation. Es ist von zentraler Bedeutung, die eigenen Gefühle und die anderer wahrzunehmen, sich verbal und nonverbal auszudrücken sowie sich der jeweiligen Situation anpassen zu können. Dazu gehört auch die Fähigkeit, seine eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund zu stellen und sich in andere hineinzuversetzen. Diese Aspekte gelten als Grundlage für soziale Interaktionen.
Das frühpädagogische Setting Kindergarten bietet Kindern vielfältige Gelegenheiten, mit ihren Emotionen umzugehen, ihr Handeln zu planen und sich in die Perspektive von anderen hineinzuversetzen: Sie können sich darin üben, als kompetente Spielpartner zu handeln. Kinder, die über schlechte exekutive Fähigkeiten verfügen, werden als Interaktionspartner weniger präferiert und erleben somit eine geringe Anzahl an Gelegenheiten, um ihre selbstregulatorischen Fähigkeiten zu üben und auszubauen. Studienergebnisse von Trentacosta und Shaw (2009) belegen eine schlechte Selbstregulationsfähigkeit im frühen Kindesalter mit einer Ablehnung durch Gleichaltrige im späteren Kindesalter und sagen daraus folgend antisoziales Verhalten im frühen Jugendalter vorher.
5. Förderung der exekutiven Funktionen
Junge Kinder haben oft noch Probleme, ihr Verhalten an die jeweilige Situation anzupassen. Sie können nicht stillsitzen, reden dazwischen, folgen ständig wechselnden Handlungsimpulsen und sind noch nicht dazu in der Lage, sich in andere Personen hineinzuversetzen. Das sollte uns nicht allzu sehr beunruhigen angesichts dessen, dass die Entwicklung der exekutiven Funktionen beeinflussbar ist (besonders zwischen dem vierten und sechsten Lebensjahr). Es sind zur Förderung nicht unbedingt eigens arrangierte oder additive Einheiten notwendig. Die selbstregulatorischen Fähigkeiten der Kinder sind ohne weiteres alltagsintegriert und vor allem kindorientiert förderbar.
5.1 Möglichkeiten der Förderung/Förderansätze
Studien unter anderen von Diamond und Lee (2011) beschreiben mehrere Ansätze, die exekutive Funktionen nachweislich fördern. Diese werden in fünf Bereiche zusammengefasst dargestellt:
- Computerbasierte Förderung
- Förderung durch Sport und Bewegung
- Förderung durch traditionellen Kampfsport und der Achtsamkeit
- Förderung durch Schulkonzepte
- Förderung durch additive Programme
CogMed, das Computerbasierte Training zur Förderung des Arbeitsgedächtnisses, stellt eine rein kognitive Herangehensweise der Förderung dar. Studien zeigen, dass bei Übungen mit steigenden Anforderungen Trainingseffekte des Arbeitsgedächtnisses erkennbar sind. Die Verbesserung der Arbeitsgedächtnisleistung war nach sechs Monaten noch nachweisbar (Shinaver III et al. 2014).
Sport und Bewegung fördern die exekutiven Funktionen. Sie erfordern die Konzentrationsfähigkeit, die gezielte Aufmerksamkeitsfokussierung sowie das Ausblenden von Störreizen und das Einstellen auf neue Situationen. Innerhalb der sportlichen Aktivitäten sind es Ausdauerbelastungen (z.B. Joggen), kurze und intensive Belastungen (z.B. Sprints) und koordinativ anspruchsvolle Bewegungsaufgaben (z.B. Turnen), die die oben genannten Aspekte mit förderlicher Auswirkung auf die exekutiven Funktionen beinhalten (Kubesch et al. 2009; Best 2012).
Traditionelle Kampfsportarten wie Tae-Kwon-do beinhalten neben ihren technischen Anforderungen, die ausschließlich verteidigenden Charakter haben und ein hohes Maß an Selbstkontrolle verlangen, zwei weitere für exekutive Funktionen förderliche Komponenten. Zum einen ist der Lehrmeister höchste Respektsperson und gilt als zu achtendes Modell. Zum anderen beinhaltet das körperliche Training psychologische und philosophische Aspekte, die u.a. Respekt, Demut, Vertrauen, Verantwortung, Aufrichtigkeit und Beharrlichkeit als ihre Maxime betonen. Die Studie von Lakes und Hoyt (2004) zeigt an fünf- bis elfjährigen Tae-Kwon-do übenden Kindern eine Verbesserung der exekutiven Funktionen und im Kopfrechnen. Die Effekte waren bei älteren Kindern höher als bei den jüngeren und bei Jungen höher als bei Mädchen.
Achtsamkeitstraining bei Sieben bis Neunjährigen führte vor allem bei Kindern mit anfänglich schlechten exekutiven Funktionen zu besseren Ergebnissen. Sie holten auf den Durchschnitt auf und verbesserten sich in allen drei Dimensionen der exekutiven Funktionen, in der Fähigkeit, einen Aufmerksamkeitswechsel durchzuführen, und in der Fehlerüberwachung. Sowohl Lehrer/innen als auch Eltern berichteten von dieser Verbesserung (Flook et al. 2010).
Tools of the Mind ist ein Kindergarten- und Vorschulkonzept, das in den USA praktiziert wird. Im Mittelpunkt stehen das Rollenspiel, das sogenannte Scaffolding (d.h. visuelle Hilfen und private speech werden dem Kind angeboten, damit es sich selbstinstruieren kann) und das Prinzip der Zone der nächsten Entwicklung nach Wygotsky. Studienergebnisse zeigen, dass Kinder, die nach dem Tools of the Mind Curriculum unterrichtet werden, in Situationen, welche die exekutiven Funktionen im besonderen Maße erfordern, besser zurecht kommen.
Das im deutschen Bildungssystem bekannte Schulkonzept von Maria Montessori definiert die Fähigkeiten zu Selbstdisziplin, Selbsttätigkeit, Sorgfalt und friedlichem Miteinander als Entwicklungsziele. Dass jedes Material nur einmal vorhanden ist, konkrete Achtsamkeitsübungen wie die Gehmeditation und das Prinzip des child-to-child-teaching gelten als Merkmale, die sich besonders förderlich auf die exekutiven Funktionen auswirken. Studienergebnisse belegen, dass fünfjährige Montessori-Kinder bessere exekutive Funktionen, bessere Mathe- und Leseentwicklung sowie mehr Fairness und Gerechtigkeitssinn an den Tag legen (Lillard/ Else-Quest 2006).
Das Adds-on Programm PATHS (Promoting Alternativ Thinking Strategies) ist ein Unterricht ergänzendes Training. Es verfolgt das Ziel, Kinder in Selbstkontrolle, Gefühlsmanagement und zwischenmenschlicher Problemlösung zu schulen. Der Grundgedanke ist das Innehalten der Kinder zu stärken: erst denken, dann handeln! Um dies zu erreichen bieten geschulte Lehrer/innen dem Curriculum entsprechend Übungen zum Verbalisieren von Gefühlen und zur Selbstkontrolle an. Studienergebnisse zeigen, dass Sieben- bis Neunjährige sich bereits nach einem Schuljahr in der Inhibition und in der kognitiven Flexibilität verbesserten. Kinder, deren Inhibition sich nach diesem Schuljahr verbesserte, zeigten ein Jahr später weniger internalisiertes oder externalisiertes Problemverhalten (Riggs et al. 2006).
5.2 Grundsätze der Förderung
Diamond und Lee (2011) arbeiten in ihrer Studie bestimmte Umsetzungsprinzipien heraus, die sich als bedeutsam herausgestellt haben, um auf die exekutiven Funktionen förderlich einzuwirken:
- Zunächst ist die kontinuierliche Förderung der exekutiven Funktionen entlang des Entwicklungsstands des Kindes wichtig. Werden Kinder unterfordert, zeigen sich keine Effekte; werden sie überfordert, erleben sie dies als Stress, was nachweislich negative Folgen für die Entwicklung der exekutiven Funktionen hat.
- Wiederholung ist wichtig. Tägliches, regelmäßiges Üben in kleinen überschaubaren Einheiten bringt mehr Erfolge als Programme, die beispielsweise nur wöchentlich stattfinden. Alltagsintegrierte Angebote, die ohne viel Aufwand in den Tagesablauf integriert werden können, eignen sich besonders.
- Die Freude am Tun sollte für die Kinder immer im Vordergrund stehen. Sie erleben sich dann in ihrem Können bestärkt, selbstwirksam und sozial eingebunden. Die Angebote orientieren sich optimaler Weise an den Interessen der Kinder. Letztendlich kommt es weniger auf den Inhalt des Angebotes an als vielmehr auf den Grad der Herausforderung hinsichtlich der dabei erforderlichen exekutiven Funktionen.
- Körperliche Aktivität stärkt die exekutiven Funktionen. Noch wirksamer sind Angebote, welche zusätzlich zur eigentlichen Bewegungsanforderung die exekutiven Funktionen anregen, indem sie beispielsweise Aufmerksamkeit, Selbstkontrolle und Planungsfähigkeiten herausfordern.
Wie so oft gilt auch hier: je früher desto besser. Nachweislich ist die frühe Förderung benachteiligter Kinder am effektivsten. Da im Kindergarten alle Kinder erreicht werden können, sollte dieses Setting für die frühzeitige und kontinuierliche Förderung der exekutiven Funktionen genutzt werden.
6. Weiterbildungsmöglichkeiten für pädagogische Fachkräfte
"EMIL" ist ein Projekt der Baden-Württemberg Stiftung. Dieses alltagsintegrierte Kindergartenkonzept wurde vom ZNL TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen der Universität Ulm entwickelt und wird mittlerweile Baden-Württemberg weit pädagogischen Fachkräften kostenfrei zur Verfügung gestellt. Die Fachkräfte erlangen in der EMIL-Qualifizierung das Grundwissen über die exekutiven Funktionen und ihre alltägliche, spielerische und vielfältige Förderung. Sie lernen Strategien kennen, mit denen sie die Förderung der selbstregulativen Fähigkeiten im Kindergartenalltag unterstützen können.
Das Konzept EMIL ist evaluiert und zeigt Erfolg: Nicht nur die Kinder entwickeln ihre Fähigkeiten weiter, sondern auch die Arbeit der pädagogischen Fachkräfte sowie das Gruppenklima verändern sich. Befragte Erzieher/innen beschreiben, dass sie allgemein gelassener sind, nicht immer sofort eingreifen und Fragen öfter an die Kinder als Anregung zurückgeben. Die pädagogischen Fachkräfte erleben dadurch weniger Stress im Kindergartenalltag. Bei den Kindern stellen sie fest, dass diese hilfsbereiter sind, selbstständiger werden sowie achtsamer miteinander umgehen.
Literatur
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