"Ohrenspitzer-Kita-Projekt" - ein Ansatz zur Hör- und Zuhörerziehung im Kindergarten

Aus: Roux, Susanna (Hrsg.): PISA und die Folgen: Sprache und Sprachförderung im Kindergarten. Landau: Verlag Empirische Pädagogik 2005, S. 31-49

Verena Metzler, Gisela Kammermeyer und Susanna Roux

Die physiologische Fähigkeit "Hören können" sowie die psychologische Fähigkeit "Zuhören können" sind Grundvoraussetzungen des Spracherwerbs und der zwischenmenschlichen Kommunikation.

Grundlagen früher Hörerziehung

Das Hören können stellt dabei eine besondere Anforderung dar, denn das Ohr als offenes Organ kann sich den es umgebenden Geräuschen nicht entziehen (Hansen/ Manzke 1994a, 1994b). Dennoch gewöhnt man sich an manche Geräusche und nimmt sie nicht mehr bewusst wahr (Lubé 1991, S. 79). Das Ohr selbst kann und muss aber zentrale Reize herausfiltern (Hansen/ Manzke 1994b, S. 475); erst diese Fähigkeit ermöglicht Kommunikation, die bei Menschen mehr oder weniger gut ausgeprägt ist. Das Lernen des bewussten Hörens kann helfen, eine "Autonomie gegenüber der akustischen Reizflut" zu entwickeln (Kahlert 2000, S. 11), mit den Fähigkeiten wegzuhören, weiter aufmerksam zu sein, hinzuhören, zuzuhören oder auch abzuschalten.

Hören und Zuhören sind also einerseits Grundvoraussetzung für das Gelingen von Kommunikation, andererseits aber auch die Basis für die sprachliche Entwicklung des Kindes. In einer Welt, in der das Auge dominiert, ist das Hören eine wichtige Erfahrung (Rogge 1996, S. 7). Das betrifft vor allem die jüngeren Kinder, da bei ihnen der Hörsinn - der erste aller Sinne des Menschen - besser ausgeprägt ist als der Sehsinn (Berendt 1998, S. 69). Besonders elementar ist es zudem, Kindern ausreichende Sprach- und ebenso Hör-Reize im Rahmen zwischenmenschlichen Austauschs zu ermöglichen, wenn man bedenkt, dass "interaktionelle Armut sich negativ auf die gesamte Entwicklung des Kindes auswirkt" (Bertau 2002, S. 24).

Übergreifendes Ziel einer frühen Hör- und Zuhörförderung in Kindertagesstätten ist es deshalb, Bewusstsein und Aufmerksamkeit auf das eigene Zu-/ Hören zu richten sowie das Zu-/ Hören im Dialog mit Anderen umzusetzen (Kahlert 2000, S. 11). Es geht letztlich konkret darum, die Unterschiede des Zu-/ Hörens und die Gestaltbarkeit von Zu-/ Hörsituationen kennen zu lernen.

Die Fähigkeit zuzuhören ist eine unentbehrliche Voraussetzung für den Spracherwerb (Leonhardt 2004, S. 7; vgl. auch Holler 2005). Die Kommunikation, der Schriftsprach- und Wissenserwerb sowie die Aufmerksamkeitssteuerung sind herausragende Teilbereiche dieses Erwerbsprozesses. Ohne diese Fähigkeiten ist eine aktive Teilhabe an großen Bereichen des Kultur- und Soziallebens nicht möglich.

Da den meisten Vorschulkindern die Welt der Schriftsprache noch verschlossen ist, ist für sie das Zuhören ein bedeutsamer Schlüssel zur Erschließung der Welt. Das aktive Zuhören ist eine Voraussetzung, um die Äußerungen unserer Mitmenschen inhaltlich zu "verstehen". Das Ohr wird deshalb auch als Schlüsselorgan für unser soziales Leben bezeichnet.

Das genaue Hören und Lauschen bzw. die phonologische Bewusstheit gehört nach heutigem Forschungsstand zu den wichtigsten Voraussetzungen des Schriftspracherwerbs (Marx 1992). Unter phonologischer Bewusstheit wird diejenige Fähigkeit verstanden, die Aufmerksamkeit von der Bedeutung einer Mitteilung abzuwenden und auf den formalen Aspekt der Sprache hin zu lenken. Sie beinhaltet u.a. die Fähigkeiten, Wörter in Silben zu gliedern, Reime zu erkennen und Laute herauszuhören. Die Bedeutung der phonologischen Bewusstheit als zentrale Vorläuferfähigkeit für den Schriftspracherwerb ist intensiv erforscht und heute unbestritten (Roth 1999). Genaues Hinhören, Lauschen und Zuhören vom ersten Kindergartentag an fördert die sich im Vorschulbereich entwickelnde phonologische Bewusstheit und leistet dadurch einen Beitrag zur Prävention von Schulversagen.

Das genaue Hören und Zuhören erfordert vom Kind auch eine zielgerechte Aufmerksamkeitssteuerung (Maier/ Mikat/ Zeitter 1997, S. 50) und dient demnach auch der Konzentrationsförderung. Dies ist als besonders erfreuliche Nebenwirkung zu betrachten, da die Klage über mangelnde Konzentration bei Erzieher/innen und Lehrkräften sehr weit verbreitet ist und Konzentration von Erzieher/innen und Lehrerinnen übereinstimmend als besonders wichtiges Schulfähigkeitskriterium beurteilt wurde (Kammermeyer 2000).

Ausgangspunkt des Projekts

Die Förderung von Hören und Zuhören im Kindergarten steht im Mittelpunkt eines Projekts der Stiftung MedienKompetenz Forum Südwest (MKFS)1, das unter dem Titel "Hören und Zuhören im Kindergarten - Ohrenspitzer-Kita-Projekt"2 in der Zeit zwischen Mai 2004 bis Juli 2005 in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg durchgeführt wurde.

Vorläufer dieses Projekts war ein medienpädagogisches Schul-Hör-Projekt in Rheinland-Pfalz. Das Schul-Projekt "Ohrenspitzer"3 ist ein medienpädagogisches Kooperationsvorhaben des Landesmedienzentrums Rheinland-Pfalz (LMZ) und der Stiftung MedienKompetenz Forum Südwest (MKFS). Es richtet sich darauf, Hören und Zuhören als Basiskompetenz gleichrangig neben anderen Kulturtechniken zu etablieren und Kinder darin zu stärken. In seiner Idee sowie den angebotenen Hörspielen und Materialien stützt sich dieses Schulprojekt auf das Konzept der hessischen "Hörclubs an Grundschulen" der Stiftung Zuhören"4. Ein in diesem Projekt entwickelter so genannter Ohrenspitzer-Koffer enthält eine Reihe von SWR-Hörspielproduktionen und Geräusche-CDs. Es wurden Schulen gewonnen, die seit dem Beginn des Schuljahres 2003-2004 regelmäßig Hörabenteuer für Kinder der Klassenstufen 1 bis 6 auf Grundlage dieses Materials anbieten. In meist klassenübergreifenden Gruppen setzen sich Schülerinnen und Schüler mit Angeboten auseinander, die das Hören und Zuhören neu entdecken und gemeinsam erleben lassen. Neben dem regulären Unterricht, in AG's oder Nachmittagsangeboten stehen dabei Spiel und Spaß ebenso im Mittelpunkt der Arbeit wie erschließender Umgang mit Hörbeispielen verschiedenster Art.

Aufgrund der sich in Kindergarten und Grundschule immer weiter verbreitenden Erkenntnis, wie wichtig die Förderung des Hörens und Zuhörens u.a. für den Schriftspracherwerb ist, entstand die Idee, das Ohrenspitzer-Projekt auch auf den Elementarbereich auszuweiten. Als zentraler Auftrag dieses Ohrenspitzer-Kita-Projekts wurde vereinbart, ein methodisch-didaktisches Hör- und Zuhörkonzept zu entwickeln und zu erproben, das u.a. auch praxistaugliche, geeignete Materialien und (Hör-) Medien exemplarisch einbezieht, und damit auch einen konkreten Beitrag zur Medienkompetenz von Kindern leistet. Darunter wird der sachgerechte, selbstbestimmte und eigenverantwortlicher Umgang mit Medien (Gehrlein/ Frey 2003) verstanden. Neben diesem Auftrag wurde auch die Entwicklung eines Fortbildungskonzepts vereinbart. Schließlich sollte auch die Evaluation des Hörkonzepts erfolgen, um seine Praxistauglichkeit zu erforschen.

Projektidee

Die Umsetzung des Ohrenspitzer-Kita-Projekts wurde dem Institut für Bildung im Kindes- und Jugendalter der Universität Koblenz-Landau, Campus Landau, vertreten durch Prof. Dr. Gisela Kammermeyer, Dr. Susanna Roux und Projektmitarbeiterin Dipl.-Päd. Verena Metzler anvertraut5. Sechs Kindertageseinrichtungen (je drei aus Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg) nahmen an diesem Projekt teil. Sehr bald zeigte sich, dass die beteiligten Erzieherinnen teilweise bereits über vielfältige und umfangreiche (Vor-) Erfahrungen verfügten. So führten einige der einbezogenen Erzieherinnen bereits umfassende "Hörerziehungsaktivitäten" in ihren Einrichtungen durch und wünschten eine bewusste und reflektierende Auseinandersetzung mit dem Thema. Andere suchten eher Anregungen dazu, "wie man ein Kind zum Zuhören bringt" und "wie man mit einem Kind Ruheübungen durchführen kann", oder aber Unterstützung dabei, "wie man mit Hör- und Sprachproblemen umgeht". Übereinstimmend wurde in der ersten Projektsitzung entschieden, dass die Entwicklung des Hörkoffers nicht die alleinige Aufgabe der Projektgruppe sein soll und die Erzieherinnen diesen lediglich erproben sollen. Stattdessen wurde festgelegt, dass die unterschiedlichen Kompetenzen und Erfahrungen von Projektgruppe und Praktikerinnen genutzt werden sollen und die Entwicklung des Hörkoffers gemeinsame Aufgabe sein soll. Damit ist der Hörkoffer nicht Ausgangspunkt, sondern Endprodukt des Praxisprojekts.

Ziele und Inhalte

Als zentraler Ausgangspunkt für die Entwicklung des Hörkoffers dienten die Bildungs- und Erziehungsempfehlungen des Landes Rheinland-Pfalz, die sich zu Beginn der Projektlaufzeit noch in der Erprobungsphase befanden und mittlerweile veröffentlicht sind (Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend 2004).

Die "didaktischen Netze" von Kahlert (1998a) stellten eine weitere Planungsgrundlage dar. Bei diesen handelt es sich um ein Modell zur Entfaltung von Inhalten, das in der Sachunterrichtsdidaktik entwickelt wurde. Sie werden als Generierungsinstrument für sachlich fundierte Unterrichtsideen, sozusagen als eine Art curricularer Motor bezeichnet (Kahlert 1998b, S. 77). Die didaktischen Netze sollen dazu beitragen, die Komplexität eines Themenbereichs in den Griff zu bekommen. Das Konzept trägt dazu bei, dass Kinder Anregungen in "multiplen Kontexten" erhalten. Die Angebote bleiben so nicht bei einer reinen Sammlung an Materialien bzw. Spielen stehen, sondern bringen diese in eine didaktisch sinnvolle Strukturierung. Die "didaktischen Netze" können auch im Elementarbereich als Planungsgrundlage verwendet werden, da sie von der Lebenswelt der Kinder ausgehen und diese zum Gegenstand der gemeinsamen Auseinandersetzung machen. Mit den fachlich orientierten Perspektiven können Themenbereiche strukturiert werden und Beliebigkeit und Zufälligkeit bezüglich der Auswahl von Inhalten vermieden werden.

Im ersten Schritt wurden in der Projektgruppe alle Ideen und Assoziationen zum Hören und Zuhören gesammelt. Diese wurden dann in Anlehnung an Kahlert (1998a) gemäß der Abstraktionsstufen von der unmittelbaren Erfahrung zu lebensweltlichen Dimensionen und fachlich orientierten Perspektiven geordnet. Im Folgenden werden die vier von der Projektgruppe ausgewählten Perspektiven genauer dargestellt.

Sprachliche Perspektive

Die sprachliche Perspektive beinhaltet zwei Teilbereiche: Zum einen geht es um die Förderung der phonologischen Bewusstheit und zum anderen um die Förderung von (schrift-) sprachlichen Fähigkeiten (Literacy).

Die phonologische Bewusstheit wurde ausgewählt, weil das genaue Hören nach gegenwärtigem Forschungsstand übereinstimmend als grundlegend für die schriftsprachliche Entwicklung erachtet wird. Unter phonologischer Bewusstheit versteht man die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit auf die formalen Eigenschaften der gesprochenen Sprache zu lenken, z.B. auf den Klang der Wörter beim Reimen, auf Wörter als Teile von Sätzen, auf Silben als Teile von Wörtern und letztendlich vor allem auf die einzelnen Laute der gesprochenen Wörter.

Beispiele für die Umsetzung dieser sprachlichen Perspektive sind unter anderem Lauschspiele, Reimspiele, Silbenspiele und Anlautspiele, aber auch Geräuschedosen oder Geräuschequiz.

Der Bereich Literacy "(...) umfasst Kompetenzen wie Textverständnis und Sinnverstehen, sprachliche Abstraktionsfähigkeit, Lesefreude, Vertrautheit mit Büchern, die Fähigkeit sich schriftlich auszudrücken, Vertrautheit mit Schriftsprache oder mit 'literarischer' Sprache, oder sogar Medienkompetenz" (Ulich 2003, S. 6; Hervorhebung dort). Insofern ist Literacy in der frühen Kindheit ein Sammelbegriff für kindliche Erfahrungen rund um Buch-, Erzähl-, Reim- und Schriftkultur. Es geht nicht mehr nur darum, ein (Bilder-) Buch zu lesen bzw. anzuschauen oder eine Kassette/CD zu hören, sondern vielmehr darum, sich über das Gelesene oder Gehörte mit anderen auszutauschen. "Das mehrfache Hören des Mediums und auch die Anschlusskommunikation über das Gehörte ist offenbar eine wichtige Voraussetzung, dass das sprachfördernde Potenzial der Tonträger zur Entfaltung kommt" (Näger 2005).

Im Rahmen eines Hörspiels werden Kinder angeregt, sich zu zweit eine Geschichte (in Etappen bzw. "dosiert") anzuhören und darüber nachzudenken. Ihre Ideen halten die Kinder dann in selbst gewählter Form alleine (z.B. malen, Collage gestalten, Szene mit Bastelmaterialien arrangieren, Antworten auf Tonträger aufnehmen) oder aber mithilfe der Erzieherin (z.B. notiert die Antworten der Kinder) fest. Geeignet hierfür sind insbesondere auch solche Hörspiele, die auch in Form von Bilderbüchern existieren. Geeignete Beispiele dafür sind u.a. "Die Geschichte vom Löwen, der nicht schreiben konnte" (Baltscheit 2002), "Der Grüffelo" (Scheffler/ Donaldsen 2005) oder "Gehen wir heim, kleiner Bär" (Waddel 1991).

Naturwissenschaftliche Perspektive

Die naturwissenschaftliche Perspektive lässt sich ebenfalls in zwei Teilbereiche gliedern. Zum einen beinhaltet sie die Förderung physikalisch-technischer Erfahrungen durch Hörexperimente, die didaktisch aufbereitet sind und mit einfachen Mitteln leicht durchgeführt werden können, auch eigenständig von den Kindern. Hierbei geht es nicht um das Vermitteln von Wissen und Erklärungen, sondern darum, den Kindern erste Erfahrungen im Umgang mit kindgerechten Experimenten zu ermöglichen, die ihnen dazu verhelfen, in die Rätsel der Töne und Klänge einzutauchen und Antworten auf ihre Entstehung zu finden. Es geht hier nicht darum, physikalische Erklärungen zu geben, sondern eigene Beschreibungen für die erfahrenen Phänomene zu finden.

Ein Beispiel hierfür ist ein Experiment mit einem Lineal: Das Lineal soll durch sein Geräusch beim Schwingen zeigen, um was es sich bei "Schwingungen" handelt. Dazu liegt das Lineal auf dem Tisch und wird gut festgehalten. Der längere Teil des Lineals hängt frei in der Luft. Dieser Teil wird angeschlagen, so dass es sich biegt. Ein surrendes Geräusch und eine sichtbare Schwingung entstehen. Um verschieden hohe Töne zu erzeugen, wird das Lineal mal länger und mal kürzer auf den Tisch gelegt und ebenso angeschlagen. Durch die Schwingungen des Lineals entstehen verschieden hohe Töne, dies hängt vom frei schwingenden Teil des Lineals ab.

Zum anderen ist in der naturwissenschaftlichen Perspektive auch die Gesundheitsförderung enthalten. Ziel hierbei ist es, den Kindern erfahrbar zu machen, dass das Ohr ein empfindliches und sensibles Organ ist. Ebenso elementar ist, dass Kinder die Bedeutung des Hörsinns erfahren und gleichzeitig den eigenen Hörsinn durch spielerische Übungen fördern. Sie werden außerdem zu bewusstem Umgang mit Lärm angeregt, was eine Reduzierung von Lärm in der Einrichtung bedeuten kann.

Beispiele hierzu sind u.a. die Erstellung einer Geräuschekarte im Kindergarten (mit Hilfe eines Schallpegelmessgeräts) oder das Ausprobieren von Materialien zum Gehörschutz (z.B. Kopfhörer). Auch der Einsatz eines (medizinischen) Ohrmodells erweist sich als anregend.

Interkulturelle Perspektive

Das Hören und Zuhören lassen sich ebenfalls unter interkultureller Perspektive erkunden, denn auch die Begegnung mit fremden Lauten fordert zum genauen Hinhören heraus. Der sich dadurch ergebende und angeregte Dialog und Austausch der Kinder kann zu Interesse und Wertschätzung fremder Dialekte und Sprachen führen. Dies fördert die kulturelle Aufgeschlossenheit der Kinder und leistet dadurch einen Beitrag zum interkulturellen Lernen.

Ein Beispiel für Hören und Zuhören aus interkultureller Perspektive ist ein Hörquiz, in dem die Kinder Laute vergleichen und typische Musik aus verschiedenen Ländern erraten. Hierzu eignet sich z.B. das Buch "Europa in 80 Tönen" mit dazugehöriger CD (Höfele 2002). In diesem werden Erlebnisreisen für Kinder aus unterschiedlichen Kulturen mit Liedern, Tänzen, Spielen, Basteleien und Geschichten dargestellt. Außerdem wird in ansprechenden und wissenswerten Texten das Verständnis der Kinder für andere Kulturen geweckt. Die Informationen über verschiedene Musikkulturen ermöglichen es, Kindern die Welt der Klänge näher zu bringen.

Ästhetische Perspektive

Bei der Betrachtung des Hörens und Zuhörens aus ästhetischer Perspektive geht es darum, musikalische Erfahrungen zu fördern und bildnerisches Gestalten zu ermöglichen. Es geht um die Intensivierung von Wahrnehmung (auch der des inneren Erlebens) und der Ausdrucksfähigkeit. Formen des Ausdrucks können unter anderem Sprache, Bewegung, Tanz, Spiel, Musik, alle Möglichkeiten bildnerischen Gestaltens sowie elektronische Medien sein.

Die Förderung der Kreativität kann insofern stattfinden

  • im auditiven Bereich (Geräusche produzieren und aufnehmen, musizieren),
  • im visuellen Bereich (freies Malen, Notationen malen zur Erfassung musischer Strukturen),
  • im sprachlichen Bereich (erzählen, beschreiben, zuhören, Lautspiele machen, wie z.B. mit dem eigenem Körper Klänge/ Geräusche erzeugen),
  • im symbolischen Bereich (Rollenspiel) und
  • im psychomotorischen Bereich (Bewegung, Tanz, Spiel).

Beispiele hierzu sind Klangreisen, Lauschspaziergänge oder Malen nach Musik. Beim Einsatz eines Kassettenrecorders können Kinder erleben, "das[s] Sprache nicht nur einen Inhalt und eine Bedeutung, sondern auch eine Form hat, die man erhören kann" (Näger 2005, S. 47). Kinder können das Aufgenommene, selbst Gesprochene immer wieder aufs Neue anhören. Dabei erhören die Kinder auch, wie unterschiedlich die Stimme der anderen Kinder ist - eine "abwechslungsreiche Intonation" (ebd. S. 47) ist gegeben. Damit sich Kinder sprachlich mitteilen und Sprache gestalten, kann ein Ziel sein, eine eigene Kassette zu produzieren. Ein Vorteil des Mediums ist, dass Kinder im Vorschulalter mit der Technik keine Schwierigkeiten haben, sie leicht bedienen können (Lutz 2003). Tragende Elemente ästhetischer Gestaltung sind "(...) Dynamik, melodische Linien und Klangfarbenwechsel, Körpergeräusche [...]" (Näger 2005, S. 48). Ein solches Angebot an Hörerlebnissen bietet die Möglichkeit, "den Wahrnehmungssinn 'Hören' in den Mittelpunkt pädagogischen Handelns zu rücken" (Hansen/ Manzke 1994a, S. 196; Hervorhebung dort) und das aktive Hören/ Zuhören zu fördern.

Methodisch-didaktisches Hör- und Zuhörkonzept

Eine Sensibilisierung für Hören und Zuhören wird im Projekt "Ohrenspitzer" zum einen durch die Berücksichtigung verschiedener fachlicher Perspektiven angestrebt. Die Erreichung dieses anspruchsvollen Zieles ist jedoch nicht nur von der Auswahl geeigneter Medien und Materialien abhängig, sondern auch maßgeblich vom methodisch-didaktischen Einsatz dieser Mittel. Im Zusammenhang mit neuen Medien beispielsweise stellt Sacher (2003) heraus, dass es nicht um den bloßen Einsatz geht, bedeutsamer ist ein didaktisch-methodisches Konzept, das die Grundelemente einer 'neuen Lernkultur' berücksichtigt, nämlich selbstgesteuertes Lernen, situiertes Lernen, Lernen in variierenden Kontexten, vernetztes Lernen, Lernen in sozialer Einbettung, Berücksichtigung unterschiedlicher Lernvoraussetzungen.

Eine Lärmampel6 beispielsweise kann im Eingangsbereich einer Kindergartengruppe bzw. einer Einrichtung aufgestellt werden und dort bestenfalls als Lichtorgel fungieren. Sie kann aber auch in von Erzieher/innen initiierten und begleiteten Phasen so eingesetzt werden, dass durch die Visualisierung der selbst hergestellten Geräusche eine Sensibilisierung für Hören und Zuhören erreicht wird.

Die Auswahl der Medien und Materialien zum Hören und Zuhören wurde von folgenden Überlegungen geleitet (vgl. Martschinke/ Schöll/ Kammermeyer 1992). Die Medien und Materialien sollen

  1. vielfältige Anreize zur Eigenaktivität bieten, indem sie so viel Aufforderungscharakter besitzen, dass sie nicht nur kurzfristig die Aufmerksamkeit der Kinder wecken, sondern wiederholte aktive Auseinandersetzungen herausfordern. Sie sollen außerdem einen gewissen "Impulscharakter" (Spitta 1991) besitzen und dadurch zu neuen, veränderten Handlungen anregen.
  2. selbstständiges Handeln ermöglichen: Selbstständigkeit ist ein wichtiges Erziehungsziel in nahezu allen Kindergartenkonzeptionen und wird im Hinblick auf Schulfähigkeit von Erzieher/innen (im Gegensatz zu Lehrkräften) besonders betont (Kammermeyer 2000a). Die Medien und Materialien werden so ausgewählt, dass sie (ggf. nach einer gelenkten Einführungsphase) in freien Phasen in speziell eingerichteten Hörecken auch ohne die Unterstützung der Erzieherin selbstständig genutzt werden können. Dies bedeutet, dass die Kinder klar erkennen, was sie tun sollen, dass der Gebrauch der Medien und Materialien unkompliziert und ungefährlich ist und dass das Ergebnis bzw. die Qualität der Handlung selbst festgestellt werden kann.
  3. soziale Ko-Konstruktionen anregen: Nicht nur das selbst konstruierende Kind, sondern vor allem auch das Lernen im sozialen Austausch, die Kooperation der Kinder untereinander sowie zwischen Erzieherin und Kindern bzw. Eltern und Kindern stehen im Mittelpunkt. Für die frühe Kindheit wurde die Bedeutung von Lernen und Bildung als sozialer Prozess von Fthenakis (2003) besonders betont.
  4. Reflexion und Dokumentation herausfordern: Die Erfahrungen im Umgang mit den Medien und Materialien sollen so interessant und persönlich bedeutsam sein, dass es sich lohnt, über sie genauer nachzudenken und sie - in welcher Weise auch immer - festzuhalten. Hierbei ist nicht nur an die Dokumentation durch die Erzieherin - aufgrund ihrer Beobachtung der kindlichen Eigenaktivität im Umgang mit den Materialien - zu denken, sondern auch an die Dokumentation der Erfahrungen durch die Kinder selbst. Dadurch wird zum einen lernmethodische Kompetenz gefördert (Gisbert 2003), wie dies nahezu übereinstimmend in den meisten Bildungsplänen und -empfehlungen gefordert wird; es werden zum anderen auch Erfahrungen mit Schriftsprache (Kammermeyer 2000b, 2003; Ulich 2003) angeregt.

Für die Auswahl der Materialien und Medien zum Hören und Zuhören war auch handlungsleitend, dass sie in verschiedenen Situationen eingesetzt werden können. Die Medien und Materialien sollen

  • sich für den Einsatz in gelenkten Situationen in Kleingruppen eignen, in denen die Erzieherin eine aktive gestaltende Rolle spielt und die sozialen Ko-Konstruktionen der Kinder gezielt steuert.
  • sich für anschließende freie Situationen eignen, in denen sich die Kinder eigenaktiv ohne Unterstützung der Erzieherin mit den Materialien und Medien auseinander setzen. Da die räumlichen Bedingungen beim Einsatz von Medien und Materialien zum Hören und Zuhören besonders bedeutsam sind, finden diese freien Situationen in einem speziell eingerichteten "Ohrenspitzerzimmer" bzw. in einer besonderen Hörecke statt.
  • sollen im Kindergartenalltag die Entwicklung von Ritualen zum Hören und Zuhören anregen. Wenn die Bemühungen um Hören und Zuhören nachhaltig und langfristig sein sollen, genügt der Umgang mit Medien und Materialien in freien und gelenkten Situationen vermutlich nicht. Da es um eine generelle Haltung zum Hören und Zuhören geht, scheint es sinnvoll, den Aufbau von Gewohnheiten durch kleine Rituale im Alltag zu unterstützen, wozu auch Materialien genutzt werden können.

Da die meisten Hör- und Zuhöraktivitäten einen Raum benötigen, in dem diese möglichst ungestört durchgeführt werden können, beinhaltet das vorliegende didaktisch-methodische Konzept auch Überlegungen zur Einrichtung eines "Ohrenspitzerzimmers" bzw. einer Hörecke. Hierbei handelt es sich um einen abgegrenzten Raum oder Bereich, der dem Hören und Zuhören gewidmet ist. In diesem werden nicht nur alle Medien und Materialien angeboten, in diesem gibt es auch bestimmte Regeln, die das eigenständige Hören und Zuhören erleichtern. Die Kinder haben hier die Möglichkeit, einen "Ort der Stille" zu nutzen, und können auch "Abstand zu den Geräuschen des Lebens" in Anlehnung an Montessori (1991, S. 154) gewinnen.

Die teilnehmenden Einrichtungen

Am Ohrenspitzer Projekt nahmen sechs Kindertageseinrichtungen teil, je drei aus Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Hierbei handelte es sich um Einrichtungen in unterschiedlicher Trägerschaft, die sich zudem hinsichtlich der Größe sowie des Einzugsgebiets unterschieden. Mit Blick auf die Adressaten waren sowohl so genannte klassische Kindergärten einbezogen als auch eine Einrichtung mit 3- bis 12-Jährigen sowie ein Kinderhaus (1-6 Jahre). Programmatisch orientierten sich die Einrichtungen teilweise nach dem Offenen Konzept oder aber nach dem Situationsorientierten Ansatz nach Krenz (2005). Die Erprobung der Materialien und die Umsetzung des didaktisch-methodischen Zuhörkonzepts fanden daher unter sehr unterschiedlichen Bedingungen statt. Diese Vielfalt stellte sich als sehr bereichernd für die gemeinsame Entwicklungsarbeit heraus.

Projektverlauf

Ein erstes Projekttreffen im Mai 2004 diente dazu, die beteiligten Einrichtungen kennen zu lernen sowie die gemeinsamen Ziele der Projektarbeit abzustimmen. Zuvor wurde die Projektkonzeption vorgestellt, kommentiert und gemeinsam diskutiert. Ein Ergebnis dieser Sitzung bestand u.a. darin, die Hör- und Zuhörkonzeption auch auf die unter dreijährigen Kinder auszuweiten.

In einem weiteren Schritt wurden alle Kindereinrichtungen von der Projektleitung besucht, um vor Ort die Bedingungen zur Hör- und Zuhörförderung mit den Erzieherinnen auszuloten. Zu diesem Zeitpunkt erfolgte auch die thematische Festlegung der Einrichtungen (Auswahl einer Schwerpunkt-Perspektive).

In der folgenden Zeit wurde in Zusammenarbeit mit Mitarbeiterinnen der Projektleitung und den Erzieherinnen vor Ort die konkrete Projektgestaltung ausgearbeitet und die Durchführung des Projekts in der jeweiligen Einrichtung vorbereitet. Durch dieses Vorgehen konnte das Konzept den Voraussetzungen der jeweiligen Einrichtung angepasst werden.

Diese Vorbereitungsphase vor der eigentlichen Projektrealisierung dauerte bis Ende 2004. Die Umsetzung des erarbeiteten methodisch-didaktischen Zuhörkonzepts in den Einrichtungen erfolgte ab Januar bis Mai 2005. Ein Treffen aller Projektmitarbeitenden Ende Februar 2005 diente dazu, sich zu den bisher gemachten Erfahrungen auszutauschen. Offen stehende Fragen wurden besprochen, Anregungen wurden aufgenommen und überarbeitet.

Im Mai 2005 fand ein letztes Treffen gegen Ende der Erprobungsphase statt. Gegenseitig wurden zentrale Materialien aus allen Perspektiven vorgestellt und gemeinsam nach Tauglichkeit und Um- bzw. Einsetzbarkeit zur Hör- und Zuhörerziehung diskutiert. Alle Erzieherinnen gaben ihr Votum dazu ab, welche Materialien in die Hörkiste aufgenommen werden sollten. Die Erzieherinnen sprachen sich z.B. einstimmig dafür aus, dass ein Ohrmodell in die Materialien-Kisten aufgenommen werden sollte.

Das offizielle Ende der Ohrenspitzer Projektphase markierte die Überreichung der methodisch-didaktischen Konzeption und dazugehörigen Materialien an die beteiligten Kindertageseinrichtungen im Juli 2005.

Das methodisch-didaktische Begleitmaterial

Das methodisch-didaktische Begleitmaterial (Kammermeyer/ Roux/ Metzler 2005) wird mit einer kurzen theoretischen Einführung in das Thema Hören und Zuhören eingeführt. Danach wird ein kurzer Einblick in die Gestaltung eines Hörzimmers oder einer Hörecke gegeben, die als räumlich-materielle Anregung dient. Ebenso folgen Beschreibungen alltäglicher Spielideen und Rituale (im Stuhlkreis, zur Begrüßung) zur Unterstützung von Hören und Zuhören im Kindergarten. Ein Literaturverzeichnis, das sowohl Grundlagenliteratur als auch Literatur zu den einzelnen Perspektiven enthält, unterstützt interessierte Erzieherinnen, sich mit der Thematik weiterhin auseinanderzusetzen.

Das Kernstück der Begleitmaterialien bilden die Beschreibungen bzw. die Beispiele angeleiteter Aktivitäten im Ohrenspitzer-Projekt. Sie sind für alle vier Perspektiven nach einer einheitlichen Struktur angeordnet:

  • Titel der angeleiteten Aktivität
  • Material
  • Gruppengröße
  • Ziele
  • Vorbereitung
  • Einführung/Durchführung
  • Varianten/Erweiterungen
  • Erfahrungen/Bewertungen durch die Praxis

Im Folgenden werden exemplarisch die wichtigsten Materialien vorgestellt, die ausgewählt werden. Wichtig ist, dass die einzelnen Materialien nicht gesondert betrachtet werden, sondern stets im Zusammenhang mit dem methodisch-didaktischen Konzept gesehen werden sollten.

Interkulturelle Perspektive

Die Interkulturelle Perspektive wird unterstützt durch die Bereitstellungen folgender Buchtitel: "Europa in 80 Tönen" (Höfele 2002) (Buch und CD), "Der Fuchs geht rum, auch anderswo" (Ulich/ Oberhuemer/ Reidelhuber 2004) (Buch mit CD) sowie dem "Kinderweltatlas" (Peia 2005). Zudem kann auf eine CD für kleinere Kinder zurückgegriffen werden: "Schlaflieder aus aller Welt" (Sarholz/ Meier 2000).

Sprachliche Perspektive

Zur Förderung der phonologischen Bewusstheit im Rahmen der sprachlichen Perspektive wurden die Spiele "Papperlapapp" und "Buchstabix" von Haba sowie die Spiele "Silbolo" und "Haus, Maus, Laus" von der Firma Lingoplay in die Materialien aufgenommen, zusätzlich zur Anregung von schriftsprachlichen Erfahrungen (Literacy) das Hörspiel "Gehen wir heim kleiner Bär" (Waddel 1991) in Form des Buches und CD.

Ästhetische Perspektive

Zur Verwirklichung der ästhetischen Perspektive wurden ein Mikrofon samt Adapter sowie zwei Kopfhörer in die Materialien-Kisten aufgenommen. Eine CD mit Alltagsgeräuschen ergänzt die Materialien dieses Bereichs.

Naturwissenschaftliche Perspektive

Im Bereich Gesundheit innerhalb der naturwissenschaftlichen Perspektive wurde ein Schallpegelmessgerät, eine CD mit Alltagsgeräuschen, eine Bauanleitung für eine Lärmampel sowie das Buch "Laute Flaute - stiller Sturm" (Hermann-Strenge 2004) aufgenommen.

Für die Durchführung von Experimenten finden sich in der Hörkiste eine Stimmgabel, zwei Lineale, breite Haushaltsgummis, eine Kleiderbügel mit Schnur sowie das Buch "Die Hörwerkstatt" (Berger 2004).

Ergebnisse und Erfahrungen

Erste Erfahrungen liegen aus der Sicht der Kinder und aus der Sicht der Erzieherinnen vor.

Welche Erfahrungen machten die Kinder und ihre Erzieherinnen?

Mit Blick auf die Akzeptanz der Hör- und Zuhörangebote und -arrangements interessierte insbesondere, inwiefern die Kinder diese nutzen, ob sich die Hörwahrnehmungen der Kinder verändern und ob die Maßnahmen einen Einfluss, z.B. auf die Lautstärke in den Einrichtungen, nach sich ziehen. Selbst wenn eine breite und systematische Evaluation der Intervention noch aussteht, liegen dazu bereits erste Ergebnisse vor (vgl. Vosseler 2005, S. 81 ff.).

Die bisherigen Erfahrungen aus Sicht der beteiligten Erzieherinnen zeigen zunächst im Überblick, dass sich die Kinder gerne und bereitwillig auf die Hörabenteuer einlassen und ihre Erfahrungen dokumentieren.

Die Kinder integrierten die eingerichteten Hörecken bzw. Ohrenspitzerräume in kürzester Zeit in ihren Alltag und nahmen diese positiv an. Dies zeigte sich dadurch, dass sie sich in diesen Bereichen ruhig verhielten und auch selbstständig, ohne die Erzieherinnen, Aktivitäten zum Thema "Hören und Zuhören" durchführten. Ebenso wirkte sich die Einführung in die Thematik positiv auf das alltägliche Gruppengeschehen aus. Kinder stimmen nun z.B. die Klangschale an, wenn sie die Lautstärke innerhalb des Gruppenraums als zu störend empfinden.

Erste Ergebnisse anhand einer kleinen Stichprobe von Vosseler (2005) verweisen darauf, dass die Nutzung so genannter Hörzimmer eher durch die älteren Kinder erfolgt. Veränderungen im Hinblick auf eine zunehmende Differenzierung in der Hörwahrnehmung bzw. zum Zuhören konnten dagegen nicht ermittelt werden. Dazu sind umfassendere Studien notwendig.

Die Erzieherinnen gaben an, dass sie bezüglich des Hörens und Zuhörens sensibler geworden sind. Die Erarbeitung eigener Hörspiele, die Durchführung von Experimenten, das Spielen phonologischer Spiele und das Betrachten eines Ohrenmodells bereichern ihrer Meinung nach den Kindertagesstättenalltag und sensibilisieren alle Beteiligten im Bereich der zwischenmenschlichen Kommunikation und der Funktion der Sprache.

Was brauchen die Erzieher/innen?

Damit Kinder und ihre Erzieher/innen Hör- und Zuhörerziehung in ihren Kindergartenalltag einbauen können, erscheint es wichtig, die methodisch-didaktische Vorgehensweise im Rahmen von Fortbildungen vorzubereiten, zu begleiten und zu reflektieren (vgl. die Ergebnisse einer Befragung der beteiligten Erzieherinnen in Häberle 2005, S. 79). Insbesondere konkrete Beispiele zur Umsetzung stehen im Mittelpunkt des Interesses, gefolgt von Fragen der Organisation, also der Verortung des Gesamtprojekts in den pädagogischen Alltag.

Nach Aussage der Erzieherinnen sind folgende Kompetenzen der Praktikerinnen für eine erfolgreiche Durchführung unerlässlich: einerseits fachliche Kompetenzen (Interesse am Hörkonzept, musikalische Fähigkeiten, Fähigkeiten zur Beobachtung usw.), andererseits persönliche Kompetenzen (Sensibilität, Fantasie, Geduld, Flexibilität). Solche Fähigkeiten gilt es durch Aus- und Fortbildung zu stärken, wobei in Fachkreisen Konsens darüber besteht, dass das derzeitige Qualifizierungssystem für Erzieher/innen in Anbetracht der unterschiedlichsten Anforderungen nicht (mehr) ausreichend ist (Oberhuemer 2003).

Wie geht es weiter?

Das Ohrenspitzer-Kita-Konzept stellt einen ersten Entwurf zur Bereicherung der Praxis mit Blick auf Hör- und Zuhörerziehung dar. Die eigentliche Bewährung des Konzeptes und der Materialien zeigt sich erst in der zukünftigen Akzeptanz des Konzeptes durch die pädagogische Praxis. Wichtig wäre eine systematische empirische Begleitforschung zur Nutzung durch die Kinder sowie zu den Wirkungen.

Über das Ohrenspitzer-Kita-Projekt hinaus leisten Überlegungen zu einer frühen Hör- und Zuhörerziehung im Kindergarten als Grundlage und Ergänzung früher Spracherziehung durch ein gleichzeitig entwickeltes Fortbildungskonzept (vgl. Häberle 2005) zum Thema "Hören und Zuhören" einen nachhaltigen Beitrag zur Verbesserung der Aus- und Fortbildungssituation für pädagogische Fachkräfte innerhalb des Elementarbereichs. Das Fortbildungskonzept setzt sich aus unterschiedlichen Fortbildungsbausteinen zusammen und ist eng angelehnt an die schriftlich formulierten Fortbildungswünsche von Erzieherinnen der teilnehmenden Modellkindergärten.

Die Fortbildungsveranstaltungen finden sowohl kindergartenintern als auch kindergartenübergreifend statt. Sie beinhalten einerseits einen Überblick zum Gesamtprojekt, andererseits aber auch Schwerpunktsetzungen zu einzelnen Perspektiven. Neben der Vorstellung des Hör- und Zuhörkonzepts geht es darum, theoretische Hintergrundinformationen zu Sprache, der Anatomie des Ohrs, zu Hören und Zuhören etc. zu erarbeiten sowie die Kompetenzen ausführlich zu thematisieren, die Erzieher/innen in diesem Rahmen mitbringen sollten. In praktischen Phasen werden die Materialien und Spiele vorgestellt und erprobt. Schließlich sollen die räumlichen Bedingungen auf die Hör- und Zuhörerfordernisse reflektiert werden.

Das Ohrenspitzer-Kita-Projekt ist mit der Übergabe der Materialien und des methodisch-didaktischen Hörkonzepts an die beteiligten Einrichtungen formal abgeschlossen. Durch das im Rahmen des Projekts entwickelte Fortbildungskonzept besteht die Möglichkeit, die in der Zusammenarbeit von Universität und Kindertagesstätten entstandenen Materialien und Erfahrungen an interessierte Einrichtungen weiter zu geben.

Anmerkungen
  1. Die Stiftung MedienKompetenz Forum Südwest fördert Maßnahmen und Projekte, die das Ziel verfolgen, die Kompetenz im Umgang mit heutigen und zukünftigen Medien zu stärken und diese selbstbestimmt und kritisch zu nutzen. Sie möchte ein Netzwerk für Medienkompetenz im Südwesten aufbauen. Dieses Netzwerk soll eine organisatorische Plattform für Institutionen und Initiativen sein, die mit Medienfragen befasst sind und ihren Schwerpunkt in den Bundesländern Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg haben (vgl. www.mkfs.de).
  2. www.ohrenspitzer.de
  3. www.ohrenspitzer.de
  4. www.stiftung-zuhoeren.de
  5. Die Projektrealisierung vor Ort in den beteiligten Einrichtungen wurde von Melanie Baldauf, Bärbel Franz, Simone Renner, Anne Müller und Sven Vosseler betreut.
  6. Die Lärmampel ist ein Messgerät mit einem frei einstellbaren Lautstärkebereich ab 65 dB. Smiley-Gesichter in rot, gelb-orange und grün zeigen die Lärmsituation im Raum an: grün = "in Ordnung", gelb-orange = "Achtung", rot = "zu laut" (vgl. www.org-delta.de). Sie kann im Kindergarten als Symbol aus dem Straßenverkehr genutzt werden, um spielerisch ein Lärmbewusstsein bei den Kindern zu schaffen.

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Kontakt

Prof. Dr. Gisela Kammermeyer/ Dr. Susanna Roux
Institut für Bildung im Kindes- und Jugendalter
Arbeitsbereich Pädagogik der frühen Kindheit
Universität Koblenz-Landau, Campus Landau
August-Croissant-Str. 5
76829 Landau
Email: Kammermeyer@uni-landau.de / roux@uni-landau.de
Website: http://www.uni-landau.eu/instbild/

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