Margarete Blank-Mathieu
In Zeiten, in denen eine Horrormeldung die andere jagt, ist das Thema "was wir essen" eine zentrale Frage in unseren Tageseinrichtungen. Nicht nur, dass wir hier täglich miteinander vespern, sondern wir kochen und backen auch mit den Kindern und verwenden dazu die Lebensmittel aus dem Supermarkt um die Ecke oder kaufen diese bei einem Biolandwirt. Dazu kommt, dass immer mehr Kinder mit Allergien behaftet sind und dies oder jenes nicht essen dürfen.
Das Angebot an Lebensmitteln wird täglich größer. Kinder lieben die Milchschnitte aus dem Supermarkt oder den Müsliriegel. Wir können den Werdegang unseres Brotes noch ungefähr nachvollziehen (auch da werden inzwischen zusätzliche Malzprodukte, Antischimmel etc. beigefügt). Aber wie die von den Kindern so geliebten Süßigkeiten hergestellt werden und welche Stoffe sie tatsächlich enthalten, das wissen oft nicht einmal die Menschen, die bei der Produktion mitarbeiten.
Naturprodukte kennen lernen und verarbeiten
"Vom Korn zum Brot" ist eine beliebte Aktion der Kindertageseinrichtungen. Mit den Kindern gemeinsam verfolgen wir den Weg des Samenkorns bis zur Reifung, besuchen die Mühle um die Ecke, um das Mahlen der Körner zu erleben, und gehen zum Bäcker nebenan, der das Mehl verarbeitet. Ja, wir können selbst Brot backen und den Kindern die damit verbundene Arbeit, aber auch den späteren Genuss derselben, erlebbar machen.
Als Einstieg in dieses Thema ist dieses Vorgehen gut geeignet. Sehr rasch erleben wir, dass die Kinder dann auch danach fragen, wie die Produkte, die sie täglich zu sich nehmen, hergestellt wurden. Was wächst auf unseren Feldern, in den Gärten, auf den Bäumen? Da gibt es viele Dinge, die wir "handgreiflich" erleben können.
Inhaltsstoffe und Zusammensetzung der Nahrungsmittel hinterfragen
Und irgendwann kommt dann auch die Frage auf, warum Kinder dies oder jenes nicht vertragen, welche Stoffe sie meiden müssen. Kinder mit Milchallergien dürfen alle Milchprodukte aus Kuhmilch nicht verwenden. Es gibt aber auch Kinder, die gegen Erdbeeren oder Orangen allergisch sind.
Welche Stoffe sind in welchen Lebensmitteln enthalten? Diese Frage führt zu einer Vielzahl von Folgefragen. Wir können einmal alles, was die Kinder mitbringen, ansehen, fühlen, schmecken und raten, welche Inhaltsstoffe wohl enthalten sind. Ist das Produkt süß, enthält es Zucker, Süßstoff, Honig...? Salzige Lebensmittel sind mit Salz oder Kräutern gewürzt. Was könnten sie sonst noch enthalten?
Um die unterschiedlichen Grundstoffe kennen zu lernen, ist es möglich, diese in einzelnen Schälchen oder Gläschen aufzubewahren und die Kinder mit verbundenen Augen raten zu lassen, was sie schmecken und fühlen und worin dieser Stoff enthalten sein könnte.
Herstellung unserer Nahrungsmittel kennen lernen
Wer das Glück hat, in seiner Nähe eine Fabrik zu haben, die Lebensmittel verarbeitet, sollte diese Gelegenheit nützen, um mit den Kindern dort einen Besuch zu machen. Welche Stoffe werden beigefügt, um Lebensmittel haltbar zu machen, wie werden diese verpackt, wie gelagert? So lernen Kinder, wie empfindliche Lebensmittel mit chemischen oder natürlichen Mitteln (z.B. Herunterkühlen) haltbar gemacht werden können, um sie dann erst nach einer Weile zu verwenden.
Wir können mit den Kindern Äpfel und Zwetschgen dörren, etwas eingefrieren, mit Zucker Gelee oder Marmelade herstellen, Ketschup bereiten.
Herkunft unserer Lebensmittel
Viele Lebensmittel können wir so kennen lernen und selbst konservieren oder bearbeiten. Andere Lebensmittel gibt es nur zu kaufen, z.B. Fleisch, Wurst und viele ausländische Früchte. Wo lebte das Schwein, von dem die Wurst stammt? Wie leben die Tiere, deren Fleisch wir essen?
Wenn wir solche Gespräche führen, dürfen wir das Leben der Tiere nicht verniedlichen. Wir müssen auch die knallharten Marktbedingungen ansprechen, unter denen heute Fleisch produziert wird. Dass Tiere gegen Krankheiten geimpft werden und Medikamente bekommen, muss dabei ebenso angesprochen werden wie Tierseuchen, die das Fleisch für uns Menschen zu einer Gefahr machen.
Aber auch die Herkunft der Nahrungspflanzen ist nicht unproblematisch. Pflanzen werden gedüngt, gegen Unkraut und für ein gutes äußeres Aussehen gespritzt. Sind schöne Äpfel gesünder als solche mit schorfigen Stellen, schmecken Tomaten aus dem Supermarkt, die grün geerntet wurden, besser als die, die wir in unserem Kindergarten an der sonnigen Mauer selbst gezogen haben?
Fertigprodukte - vorgefertigte Lebensmittel
Schließlich gibt es viele Produkte, deren Herkunft wir nicht nachvollziehen können, deren Verarbeitung wir nicht kennen. Oft sind es die bei den Kindern beliebtesten Lebensmittel, wie Süßigkeiten aller Art, Schokoriegel und Iso-Getränke. Inzwischen boomt dieser Markt und den Verbrauchern wird vorgegaukelt, dass darin wertvolle Nahrungsstoffe enthalten sind, mit denen wir unsere Kinder vollkommen und umfassend versorgen können. Immer mehr Beimischungen von Vitaminen und sonstigen "guten" Stoffen sollen die Lebensmittel attraktiv machen. Wer müde ist, kann sich ein bestimmtes Getränk kaufen, für den kleinen Hunger gibt es den Müsliriegel oder einen bestimmten Bonbon. Kinder werden immer mehr als Verbraucher entdeckt, und täglich kommen neue Nahrungsmittel auf den Markt, die das Leben schön und gesund erhalten sollen.
Es soll hier nicht darum gehen, dass solche Lebensmittel abgelehnt oder den Kindern ausgeredet werden. Aber der kritische Umgang mit Lebensmitteln, die gut schmecken, weil sie zusätzliche Geschmacksverstärker enthalten und besonders gut aussehen, muss in unseren Einrichtungen angesprochen werden. Kinder können dann selbst entscheiden, was ihnen wichtig ist.
Kritische Kinder sind die Verbraucher von morgen
Schon lange ist uns bewusst, dass sich manches verändern muss, um unsere Kinder und uns selbst gesund zu erhalten und weitere allergische Reaktionen zu verhindern. In unseren Einrichtungen können sie erfahren, wie das, was sie essen, wächst und hergestellt wird. Sie können sensibilisiert werden, um kritische Fragen zu stellen und sich bewusst mit Produkten auseinander zu setzen, deren Genuss unwidersprochen ist, deren "Wert" jedoch weit unter dem in der Reklame proklamierten liegt.
Es gibt viele mögliche Zugangswege zu einem kritischen Umgang mit Lebensmitteln. Um uns selbst und Eltern kundig zu machen und Projekte und Aktivitäten für die Kinder zu planen, können wir auf einen reichhaltigen Büchermarkt zurückgreifen. In jeder Stadtbücherei gibt es entsprechende Materialien.
Literaturhinweise
ELF: Mit der Ernährungslok durch das Kindergartenjahr, Aktionshandbuch zur Ernährungserziehung im Vorschulalter, Bayerisches Staatsministerium 2000
Renold, Sarah: Nein, aber Fein! Wenn Kinder von Allergie betroffen sind, Pro juventa, Zürich 2001
Shiva Vandana: Biodiversität, Plädoyer für eine nachhaltige Entwicklung, Haupt, Bern, Stuttgart, Wien 2001
Ernährung, Gesund essen, bewusst leben, Brockhaus, Mannheim 2001