Sexualität in Kindertagesstätten - immer noch ein Tabu?

Aus: Colberg-Schrader, Hedi/Engelhardt, Dorothee/Höltershinken, Dieter/Neumann, Karl/Sprey-Wessing, Thea (Hrsg.): KIT. Kinder in Tageseinrichtungen. Ein Handbuch für Erzieherinnen. Velber: Kallmeyer bei Friedrich 2000, 9. Lieferung, S. 413-418 

Lilian Fried

Sexualität ist das, was wir aus ihr machen: eine teure oder billige Ware, Mittel der Fortpflanzung, Abwehr der Einsamkeit, eine Kommunikationsform, eine Waffe der Aggression (Herrschaft, Macht, Strafe, Unterwerfung), ein Sport, Liebe, Kunst, Schönheit, ein idealer Zustand, das Böse, das Gute, Luxus, Entspannung, Belohnung, Flucht, ein Grund der Selbstachtung, ein Ausdruck der Zuneigung, eine Art Rebellion, eine Quelle der Freiheit, Pflicht, Vergnügen, Vereinigung mit dem All, mystische Ekstase, indirekter Todeswunsch oder Todesleben, ein Weg zum Frieden, eine juristische Streitsache, eine Art, menschliches Neuland zu erkunden, eine Technik, eine biologische Funktion, Ausdruck psychischer Krankheit oder Gesundheit oder einfach eine sinnliche Erfahrung (Offitt 1979, S. 2).

Mit dem "kühlen" Wort Sexualität bezeichnen wir ein "heißes" Phänomen, das unser gesellschaftliches und individuelles Leben prägt, weil es eine Lebensenergie birgt, die sich in starken Empfindungen, Gefühlen und Leidenschaften ausdrückt, ohne dass vorhergesehen werden kann, ob diese in beglückende, erfrischende, belebende, schmerzliche, entkräftende oder andere Erfahrungen münden. Was Wunder also, dass die Begegnung mit Sexualität nicht nur Neugier, Freude usw., sondern auch Unwohlsein, Hemmung u.Ä. mehr auslöst. Denn so gerne wir die Sexualität als Lustquelle nutzen, so sehr fürchten wir ihr Verletzungspotential, ihre Sprengkraft. Dies ist ein Grund dafür, dass jede Gesellschaft Mechanismen entwickelt hat, mit deren Hilfe sie die "destruktive Seite" der Sexualität zu kontrollieren trachtet.

So gibt es in jeder Gesellschaft ein kompliziertes Regelwerk, an das sich die Mitglieder mehr oder minder halten, weil sie ansonsten mit Sanktionen wie z.B. Bestrafung, Ächtung, Ausgrenzung rechnen müssen. Wie aber die Regeln in einer bestimmten Gesellschaft genau lauten, ist gar nicht so einfach festzustellen: Zwar sind uns viele Vorschriften vertraut, weil sie festgeschrieben sind, etwa in Form von Gesetzen. Andere Vorschriften aber liegen nicht offen zutage, sondern existieren nur als kollektive Vorstellungen und Meinungen in den Köpfen der Mitglieder einer Gesellschaft. Häufig sind diese "verschwiegenen Regeln" nicht bewusst. Dessen ungeachtet prägen sie das Zusammenleben nachdrücklich. Mit welchen Empfindungen, Gefühlen und Leidenschaften ein Mensch auf sexuelle Äußerungen und Erfahrungen reagiert, hängt nämlich weniger von den festgeschriebenen als von den verschwiegenen Regeln ab, die in der Gesellschaft gelten, in der er aufwächst bzw. groß geworden ist.

Überlieferte Kindbilder und ihre Wirkung

Das gute, unschuldige, asexuelle Wesen

Wenn wir Kinder beobachten, dann tun wir das nie unvoreingenommen. Vielmehr werden unsere Wahrnehmungen immer durch unsere Vorstellungen bzw. Meinungen gefiltert. Ein besonders wirksamer Filter ist die in unserer Gesellschaft über Generationen hinweg tradierte Kennzeichnung des Kindes (vor der Geschlechtsreife). Nach diesem althergebrachten "Kindbild" (man spricht auch vom "Kindermythos") sind junge Kinder "gute", "reine" bzw. "unschuldige" - was insbesondere heißt: "asexuelle" - Wesen (vgl. z.B. Oelkers 1996). Aus diesem Kindbild ergibt sich ein gesellschaftliches Regelwerk, das bis heute wirksam ist: Es schlägt sich in "offiziellen Regeln" nieder, wonach Kinder vor sexuellen Übergriffen durch Erwachsene geschützt werden müssen. Es manifestiert sich aber auch in "verschwiegenen Regeln", wonach junge Kinder, da sie ja "von Natur aus" asexuell sind, vor jeglicher sexuellen Äußerungsform - bei anderen und bei sich selbst - geschützt werden müssen.

Diese "Vorschriften" im Umgang mit der Sexualität von jungen Kindern haben weitreichende Folgen, die auch das Leben in Kindertagesstätten betreffen.

Unsichere Reaktionen auf die Sexualität junger Kinder

Bericht einer Erzieherin über sexuelle Äußerungsformen bei jungen Kindern:

"Also, wir lassen die Kinder. Wir reden mit den Kindern darüber frei ... Aber von uns aus machen wir das nicht. Es muss von den Kindern aus kommen. Von uns aus fangen wir das nicht an. ...
Wenn dann Kinder irgendwo Doktorspiele machen, ach je, das gab es ja schon vor dreißig Jahren ... Aber da ist dann so was Unreflektiertes, wo man sich dann keine Gedanken macht, sondern das läuft dann einfach so. ...
Man sollte dann vielleicht mit den Kindern darüber reden, irgendwie, ihnen halt gewisse Dinge vielleicht erklären ... Aber ich denke, je mehr man das hochbauscht, um so interessanter wird das für die Kinder. Und ich denke, dass da auch manchmal die Eltern zu viel machen und zu viel reden. ...
Da bin ich auch schon reingegangen und habe versucht, die abzulenken ... Gar nicht großartig auf das Thema eingehen ..., sondern stillschweigend das irgendwie akzeptieren und versuchen abzulenken, weil ich denke, je mehr ich darüber rede, um so interessanter finden die das.
Aber wenn ich das nicht tue, dann ist das irgendwo was, was sie von selber irgendwo bleiben lassen - irgendwann.
" (Cigoi 1998, S.79).

Nach den wenigen einschlägigen Befragungen zum Alltag in Kindertagesstätten fühlen sich ErzieherInnen angesichts der diffusen gesellschaftlichen "Regeln" verunsichert. Ihnen ist unklar, wie sie sich gegenüber den Ausdrucksformen von Sexualität bei jungen Kindern verhalten sollen (vgl. Berger 1988; Fried 1999). Zwar ist ihnen durchaus bewusst, dass junge Kinder keineswegs asexuelle Wesen sind. Schließlich beobachten sie immer wieder hingebungsvolle Körper- bzw. Doktorspiele, hetero- oder homoerotisch aufgeladene Paar-Inszenierungen, Masturbationen usw. Und sie wollen das den Kindern auch nicht nehmen. Aber diese Beobachtungen rufen zum Teil unangenehme Empfindungen bzw. Gefühle hervor. Und dem möchten sie sich nicht noch mehr aussetzen, indem sie die Kinder in ihrem Verhalten auch noch bestärken. So wissen sich die meisten ErzieherInnen nicht anders zu helfen, als wegzusehen, wegzugehen, abzulenken usw. Kurz: Es scheint den meisten geraten, so zu tun, als sei nichts, und abzuwarten, bis alles vorbei ist.

Sucht man nach Erklärungen für diese "Zurückhaltung", so kann man sich des Verdachts nicht erwehren, dass in den Köpfen vieler ErzieherInnen - wie wohl bei allen anderen Erwachsenen in unserer Gesellschaft auch - immer noch das Bild vom "asexuellen" Kind spukt. Jedenfalls wäre das eine Erklärung dafür, dass die meisten davor zurückschrecken, auf die sexuellen Praktiken bei jungen Kindern positiv zu reagieren. So als müsste man befürchten, dass Kinder, die ermutigt werden, ihrer Sexualität "freien Lauf zu lassen", in Gefahr stünden, quasi "sexuell enthemmt" zu werden. Dabei zeigen uns die Forschungen zur Sexualität junger Kinder, dass diese - meist unbewusste - Angst unberechtigt ist.

Forschungen zur Sexualität junger Kinder

Beobachtungen einer Kindersituation (Gespräch von fünf- und siebenjährigen Jungen im Zelt):

    "Manche gehen nackt ins Zelt" - "Ja, und dann schlafen sie ganz nackt" - "Ja, aber zuerst ficken sie und dann schlafen sie." (Busch-Schneider 1989, S. 123)

Leider gibt es nicht allzu viele Studien zur Sexualität junger Kinder. Das ist darauf zurückzuführen, dass ForscherInnen, die sich vorgenommen haben, die sexuellen Äußerungsformen von jungen Kindern zu erkunden, auf große Schwierigkeiten stoßen. Diese Erfahrungen hat z.B. Bornemann (1976) machen müssen. Er begab sich über mehrere Jahre hinweg auf Kinderspielplätze, um die "schmutzigen" Sprüche, Verse usw. zu sammeln, die Kinder sich erzählen, wenn die Erwachsenen nicht zuhören. Das hatte mehrmals zur Folge, dass er kurz davor stand festgenommen und ins Gefängnis verfrachtet zu werden. Angesichts solcher Probleme bei der Untersuchung der Sexualität von jungen Kindern erscheinen die vorliegenden Ergebnisse besonders kostbar.

Wichtige Körpererkundungen

Schuhrke (1991) hat sich in ihrer Untersuchung mit der Entwicklung des Körpererlebens beschäftigt. Dabei stellte sie fest, dass sich Kinder von der Geburt bis ins Kleinkindalter (und selbstverständlich noch darüber hinaus) neugierig mit ihrem Körper beschäftigen. Im Verlauf solcher Körperexplorationen bzw. Körperspiele kommt es bei Säuglingen, Kleinkindern und Kindergartenkindern nicht selten zu Äußerungsformen wie schweres Atmen, verklärte Blicke, rhythmische Beckenstöße, Erektionen, Orgasmen usw. Sie werden in der Fachliteratur als "sexuell" gekennzeichnet, weil sie erkennen lassen, wie wohlig, sinnlich, lustvoll, erregend, ekstatisch dieses Körpererleben für die Kinder ist. Die sexuellen Körpererkundungen sind eine wichtige Grundlage für die weitere sexuelle Entwicklung, weil sich dabei ein immer klareres Bewusstsein hinsichtlich der Körperregionen herausbildet, die für das sexuelle Erleben entscheidend sind.

Fehldeutungen bei den Erwachsenen

Wie frei ein Kind sich fühlt seinen Körper zu erkunden, hängt stark davon ab, wie die Erwachsenen reagieren, mit denen es tagtäglich zu tun hat. Die Erwachsenen haben nur selten Probleme, wenn ein Kind sich lustvoll mit "neutralen" Körperzonen befasst, also z.B. wonnevoll seinen Bauch streichelt. Hingegen empfinden sie meist Unbehagen, wenn ein Kind hingebungsvoll seine "genitale" Region reizt, also z.B. masturbiert, indem es an Glied oder Scheide manipuliert. Dieses Unwohlsein der Erwachsenen steigert sich noch, wenn derartige Körperspiele, etwa in Form von Doktorspielen, zusammen mit anderen ausgeführt werden.

Warum Erwachsene so reagieren, haben Rothbaum, Grauer und Rubin (1997) durch Interviews mit Eltern und ErzieherInnen von Kindern im Kindergartenalter herauszufinden versucht. Dabei sind sie zu folgender Erklärung gekommen: Die meisten Erwachsenen gehen davon aus, dass die sexuellen Äußerungsformen von jungen Kindern mit den gleichen Empfindungen, Gefühlen, Leidenschaften usw. verknüpft sind, wie das bei Erwachsenen der Fall ist.

Das ist aber höchst unwahrscheinlich. Denn die Bedürfnisse, Erfahrungen, Kenntnisse und Fähigkeiten junger Kinder unterscheiden sich grundlegend von denen Erwachsener. So sind die sexuellen Körperspiele junger Kinder spontan, spielerisch, sinnlich usw. Hingegen sind sexuelle Aktivitäten von Erwachsenen bewusst, zielgerichtet, leidenschaftlich u.a.m. Wenn Erwachsene, die sexuelle Erscheinungsweisen bei jungen Kindern beobachten, sich diese Unterschiede klar machen, dann könnte dies helfen, gelassener auf sexuelle Äußerungsformen junger Kinder zu reagieren.

Soziale "Vererbung"

Mehr Gelassenheit wäre insofern wünschenswert, als "verkrampfte" Erwachsenen-Kind-Interaktionen auf Dauer nicht ohne Wirkung auf die sexuelle Entwicklung von Kindern bleiben. Davon zeugen die Ergebnisse der einzigen groß angelegten Studie, die wir dazu haben. Sie wurde in den USA über einen Zeitraum von 18 Jahren durchgeführt. Dabei fanden Okami, Olmstead und Abramson (1997) heraus, dass Eltern ihre Haltung gegenüber der eigenen Sexualität insofern an ihre Kinder (die zu Beginn der Studie im Kindergartenalter waren) "vererben", als diese - 18 Jahre später - ähnlich traditionelle oder liberale Haltungen gegenüber der eigenen Sexualität vertreten, wie es ihre Eltern zu Beginn der Untersuchung getan haben. Mit anderen Worten: Wie junge Kinder mit ihrer Sexualität umgehen, hängt stark davon ab, wie die ihnen nahe stehenden Erwachsenen es mit der Sexualität halten - und zwar mit der eigenen ebenso wie mit der der Kinder.

Sexualerziehung in Kindertagesstätten

Einstellungen zur Sexualerziehung

Bericht einer Erzieherin:

"Ja, wenn es um Sexualität geht, da bin ich schon manchmal verklemmt. Unverklemmt erzogen sind wir ja leider nicht. Das wissen wir ja auch ...
Sexualerziehung sollte schon einen hohen Stellenwert haben. Aber es geht irgendwie immer unter ...
Es ist halt auch nicht einfach, wenn die Kinder kommen und wenn die Fragen der Kinder zu ausführlich werden. Wenn sie ganz viel wissen wollen zu dem Thema. Wo ich dann denke, das müssen sie eigentlich in dem Alter noch nicht wissen ...
Aber ich bin schon bereit zu gucken, was die Kinder machen, und darauf einzugehen. Einfach auch mal gucken, wenn ich meine Arbeit umstelle, wie sich das auf Kinder auswirkt ...
Ich will mich ja mit den Kindern weiterentwickeln und nicht einfach stehen bleiben ... Aber manches führt dann auch einfach zu weit. Ich weiß das von meiner Tochter und von meinen Söhnen, die in der Grundschule Sexualunterricht hatten. Die sind also zum Teil mit manchen Dingen überfordert gewesen.
" (Cigoi 1998, S. 34).

Wenn man Eltern und ErzieherInnen von Kindergartenkindern befragt, dann äußern die meisten, dass sie eine familienergänzende Sexualerziehung - integriert in eine Gesamtförderung - für wichtig halten. Gleichzeitig gestehen die meisten zu, dass ihnen Sexualerziehung schwer fällt. Am ehesten sieht man sich in der Lage, den Kindern beizubringen, worin sich Jungen und Mädchen unterscheiden. Was sonstiges sexualkundliches Wissen betrifft, z.B. über Schwangerschaft, Zeugung, Geburt, herrscht wenig Konsens. Immerhin ist man sich ziemlich einig, dass die Kinder in der Sexualerziehung zu gegenseitigem Vertrauen, gegenseitiger Zärtlichkeit, Liebe, Achtung und Verantwortung angehalten werden sollten. Wenn sich genau das aber in Doktorspielen u.Ä. ausdrückt, ist es mit der Toleranz nicht mehr so weit her. Kurz: Wo es sich um hehre Ziele handelt, gibt es kaum Probleme, wenn es aber um konkrete Bedürfnisse, Interessen und Erfahrungen von Kindern geht, scheinen die Schwierigkeiten fast unüberwindlich.

Angesichts der Tatsache, dass in vielen Kindertagesstätten nach dem Situationsansatz gearbeitet wird, der ja vorsieht, dass man sich an den Bedürfnissen, Interessen und Erfahrungen der Kinder ausrichtet, ist das unbefriedigend.

Entwicklung von sexuellem "Selbst-Bewusst-Sein"

Bericht einer Erzieherin:

"Ich würde mich gern mit meinen Kolleginnen zusammensetzen und über all das reden.
Wir sind meistens sehr unterschiedlich. Wir beurteilen auch Leute sehr unterschiedlich. Und von daher denke ich, dass wir uns gut darüber unterhalten könnten.
Was stellen wir uns so vor? Dass man im Team herausfindet, was man so davon hält, so einfach von unseren subjektiven Meinungen her.
Und dann müsste man ein Gespräch führen ... Ja: dann mal fragen, wie sich das erklärt, meinetwegen auch, was zu einer Änderung führen könnte.
" (Cigoi 1998, S. 109).

Was können/sollen ErzieherInnen (oder auch Eltern) nun tun? Darauf gibt es keine einfache Antwort. Immerhin bietet die Forschung wichtige Hinweise: Danach hängt die sexuelle Entwicklung von Kindern in erster Linie von den sexuellen Haltungen ab, welche die Erwachsenen einnehmen. Deshalb macht es wenig Sinn, ErzieherInnen bestimmte Ziele, Inhalte, Methoden und Materialien zu empfehlen. Niemand weiß schließlich, wie die einzelne Erzieherin damit umgehen würde. Und deshalb kann auch niemand voraussagen, ob sich die erhoffte Wirkung auch tatsächlich einstellen würde.

Daher scheint mir ein anderer Weg ratsam: Erwachsene, die für die Sexualerziehung verantwortlich sind, sollten vor allem danach trachten, ein verfeinertes sexuelles "Selbst-Bewusst-Sein" zu entwickeln. Damit meine ich: sich der Reaktionen auf eigene und kindliche sexuelle Äußerungsformen bewusst zu werden. Also:

  • sich gezielt beobachten,
  • das Beobachtete möglichst weitgehend zu akzeptieren,
  • sich über realistische Veränderungsmöglichkeiten klar werden,
  • die beabsichtigten Veränderungen kleinschrittig umsetzen,
  • sich auf Misserfolge gefasst machen
  • und dennoch auf die eigenen Veränderungschancen und -gewinne vertrauen.

Das alles gelingt am ehesten, wenn man sich, zusammen mit anderen KollegInnen sowie unterstützt durch Fachleute, "auf den Weg macht" - sei es im Team, bei Fortbildungen oder in regionalen Arbeitsgruppen u.Ä. (vgl. z.B. Osbar/Specht 1997). Wo es die Betroffenen nicht überfordert, ist auch an Erzieher-Eltern-Gruppen zu denken. Ohne derartige Bemühungen wird wohl auch weiterhin die Gefahr groß sein, dass man sich entweder vor der Sexualerziehung drückt oder sich für eine Sexualerziehung entscheidet, die nicht zur eigenen Haltung passt. Dies aber hat nicht selten zur Folge, dass man den Kindern "gespaltene" Botschaften über Sexualität vermittelt, die sie in ihrer sexuellen "Selbst-Bewusstwerdung" verwirren, statt sie zu stärken.

Praxishilfen passend auswählen

Und was ist mit Programmen, Materialien usw. zur Sexualerziehung? Wenn man erst einmal das sexuelle "Selbst-Bewusst-Sein" ausgelotet hat und wenn man noch dazu geklärt hat, wie sich die Sexualerziehung i die sonstige Planung der pädagogischen Arbeit, also z.B. in die Konzeption der Kindertagesstätte, integrieren lässt, so ist damit viel gewonnen. Hat man doch dadurch einen selbstdefinierten Standpunkt gewonnen, der es erlaubt, Praxishilfen zur Sexualerziehung auszuwählen, die zur eigenen Situation passen (vgl. die Auswahlliste "Praxishilfen"). Außerdem verfügt man über einen selbstgesetzten Maßstab, der es ermöglicht, unangemessene Programme und Materialien zu identifizieren, bevor man darauf "hereingefallen" ist.

Praxishilfen

Aliki: Gefühle sind wie Farben. Weinheim 1987

Brauer, J./Regel, G.: Tanja und Fabian. Gütersloh 31992

Enders, U./Wolters, D.: Schön blöd. Ein Bilderbuch über schöne und blöde Gefühle. Köln 1991

Dies.: Wir können was, was ihr nicht könnt! Ein Bilderbuch über Zärtlichkeit und Doktorspiele. Weinheim 1996

Kleinschmidt, L.: Lieben, Kuscheln, Schmusen. Münster/W. 21994

Kreul, H./ Geisler, D.: Ich und meine Gefühle. Bindlach 1996

Rogge, J.-U.: "Felix, sowas sagt man nicht!" "Schmutzige Wörter" in Kindermund. In: Welt des Kindes, H. 1, 1994, S. 19-24

Snunit, M./Golomb, N.: Der Seelenvogel. Hamburg 1991

Literatur

Berger, M.: Sexualerziehung im Kindergarten. Frankfurt/ M. 1988

Bornemann, E.: Die Welt der Erwachsenen in den "verbotenen" Reimen deutschsprachiger Stadtkinder (=Studien zur Befreiung des Kindes. Bd. 3). Freiburg/Br. 1976

Busch-Schneider, G.: Umweltbewusst? Ja selbstverständlich! Sexualbewusst? ...! Methodische Anregungen für die Arbeit mit Eltern und Pädagogen. In: Theorie und Praxis der Sozialpädagogik (Schwerpunktheft: Sexualerziehung), H. 3, 1989, S. 137-138

Cigoi, C.: Einstellungen von ErzieherInnen im Vorschulbereich zum sexuellen Missbrauch an Kindern. Unveröffentlichte Diplomarbeit. Universität Koblenz-Landau, Abt. Landau 1998

Fried, L.: Frühkindliche Sexualität. In: Deutscher Familienverband (Hrsg.): Handbuch Elternbildung. Bd. 2, Opladen 1999, S. 111-122

Oelkers, J.: Reformpädagogik. Eine Dogmengeschichte. Weinheim 31996

Offitt, A.-K-: Das sexuelle Ich. Stuttgart 1979

Okami, P./Olmstead, R./Abramson, P. R.: Sexual experiences in early childhood: 18-year longitudinal data from the UCLA Family Lifestyles Project. In: The Journal of Sex Research, H. 4, 1997, S. 339-347

Osbar, C./Specht, R.: Sexualpädagogik als Thema und Aufgabe in der sozialpädagogischen Ausbildung. Ein Modellprojekt für angehende Erzieherinnen und Erzieher und sozialpädagogische Assistentinnen und Assistenten. In: Prävention, H. 1, 1997, S. 14-15

Rothbaum, F./Grauer, A./Rubin, D. J.: Becoming sexual: Differences between child and adult sexuality. In: Young Children, H. 52, 1997, S. 22-28

Schuhrke, B.: Körperentdecken und psychosexuelle Entwicklung. Regensburg 1991

Die Autorin

Prof. Dr. Lilian Fried hat den Lehrstuhl für Pädagogik der Frühen Kindheit am Institut für Sozialpädagogik, Erwachsenenbildung und Pädagogik der Frühen Kindheit (ISEP) der Universität Dortmund inne.

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