Gleichheit teilen - geschlechtsbezogene Pädagogik in Kindertageseinrichtungen

Margarete Blank-Mathieu

Gleichheit: wie können wir uns diesem Begriff nähern? Gleichheit ist der Gegensatz von Ungleichheit. Unser ganzes Leben besteht aus Gegensätzen. Vor allem bei Geschlechtervergleichen gehen viele von einer natürlichen Ungleichheit aus. Sind Männer nicht anders als Frauen? Haben sie nicht ganz andere Interessen, Denkstrukturen, Gewohnheiten, eine andere Sprache? Kommt es nicht daher, dass Männer und Frauen sich trotz besserer Einsicht immer noch nicht richtig verstehen?

Heute bemühen sich, und das kann man allgemein feststellen, Männer und Frauen darum, ihre unterschiedlichen Bedürfnisse zu formulieren und die Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Das ist aber noch lange nicht "Gleichheit". Welche Gleichheit streben wir an? Wollen wir den androgynen Menschen, das heißt, einen Menschen, der "weiblich" und "männlich" definierte Eigenschaften vereint und so keinem bestimmten Geschlecht zugeordnet werden soll oder wollen wir Gleichheit im Sinn von Gleichberechtigung und gleichen Entwicklungschancen für Jungen und Mädchen, für Männer und Frauen?

Gleichheit teilen heißt für mich, dass alles, was Jungen und Mädchen, Männer und Frauen tun, als gleichwertig anerkannt wird. Das bedeutet: Macht verteilen, Aufgaben teilen, miteinander so umgehen, dass Gleichwertigkeit das bisherige Postulat von oben und unten, von Macht und Ohnmacht ablösen kann. Es heißt dann aber auch, auf Vorrechte verzichten zu lernen, Benachteiligungen abzubauen und einen demokratischen Umgang miteinander zu praktizieren.

Welche Voraussetzungen dafür müssen geschaffen werden, bzw. wie entsteht "Geschlecht" und wo können pädagogische Konzepte ansetzen?

Geschlecht als Konstrukt

Wir können uns dem Phänomen "Geschlecht" nur nähern, wenn wir es von verschiedenen Seiten betrachten. Jede Wissenschaft hat unterschiedliche Vorgehensweisen und setzt andere Schwerpunkte. So wird ein Arzt Geschlecht anders definieren, als eine Psychologin. Wenn wir pädagogisch arbeiten wollen, müssen wir uns zunächst mit den unterschiedlichen Definitionen auseinandersetzen.

Biologische Aspekte

Bischof und Preuschoft (1980; in: Merz 1979, S. 68ff.) erklärt: "Die biologische Definition des Geschlechts hat ihre Basis in der chromosomalen Differenzierung in XX und YX. Daraus geht während der pränatalen (vorgeburtlichen) Entwicklung das genadale Geschlecht hervor ."

Dass die Chromosomen X, bzw. Y für die Ausprägung der weiblichen, bzw. männlichen Geschlechtsorgane verantwortlich sind, ist für uns inzwischen eine Selbstverständlichkeit. Wir wissen auch, dass die Bestimmung des Geschlechts durch den männlichen Geschlechtspartner zustande kommt, da Frauen ausschließlich X-Chromosomen weitergeben. Das Geschlecht des Kindes wird also stets vom Mann bestimmt.

Jungen und Mädchen unterscheiden sich zunächst durch äußere Geschlechtsmerkmale. Aber nicht die äußeren Geschlechtsmerkmale allein gehören zum biologischen Geschlecht. Forscher und Forscherinnen unterscheiden zusätzlich zwischen genetischem Sex, Hormonsex, Hirnsex und sexueller Identität. Die Neuropsychologin Marianne Regard stellt fest: "Es gibt mindestens zehn Geschlechter" (In: Schaller, Fritz: Schweizer Familie 1/93, Artikel: Unser Sex sitzt im Hirn).

Geschlechtshormone in unterschiedlicher Ausbildung prägen die biologische Geschlechtszugehörigkeit. Männliche Sexualhormone sollen demnach spätere geschlechtsspezifische Leistungen und Verhaltensweisen beeinflussen (Muskelbildung, Aggressionsverhalten). Nach den Forschungen amerikanischer Wissenschaftler beeinflussen die vorgeburtlichen Hormone nicht nur die Ausbildung der Körpermerkmale, sondern auch die Nervenzellen-Schaltungen im Gehirn.

Mädchen mit nicht abgestiegenen Hoden verhielten sich nach Untersuchungen amerikanischer Wissenschaftler männlicher als ihre Geschlechtsgenossinnen, Jungen, die weibliche Eigenschaften entwickelten, wurden später als Mädchen im biologischen Sinn erkannt und fühlten sich dennoch als Jungen. Aber auch die umgekehrten Ergebnisse konnte man feststellen. Diese werden dann eher auf die Sozialisation als auf die biologischen Bedingungen zurückgeführt.

Es steht außer Zweifel, dass unser biologisches Geschlecht eine Rolle spielt. Wie weit dies jedoch für Ungleichheit verantwortlich gemacht werden kann muss hinterfragt werden.

Psychologische Aspekte

Die Auswirkungen, die durch die Ausprägung der äußeren Geschlechtsmerkmale entstehen, sind vermutlich ebenso prägend, wie die innere psychische Struktur und bestimmen wesentlich mit, welche Geschlechtsidentität die jeweilige Person gewinnen kann.

Sigmund Freud war der erste, der sich dem "Geschlecht" als Arzt auf eine andere Weise näherte. Hat Freud mit seiner Triebtheorie Männer und Frauen auf die Ungleichheit festgelegt, also den Menschen als triebbestimmtes Wesen definiert und daher noch sehr biologistisch gesehen, können wir heute, nach fast hundert Jahren dieser Theorie wesentliche, neuere Erkenntnisse hinzufügen um hoffentlich bald zu einer Chancengleichheit der Geschlechter zu gelangen, die der heutigen Zeit angemessener ist.

Das Konzept der Geschlechtsidentität umfasst nach Mertens (1994) bewusste Vorstellungen und unbewusste Phantasien einer individuellen Kombination von Männlichkeit und Weiblichkeit. Das individuelle Verständnis der Geschlechtszugehörigkeit wird bereits durch elterliche Phantasien auf das ungeborene Kind übertragen. Je nachdem, ob ein Bub oder ein Mädchen erwartet wird, bestimmen Erwartungshaltungen der Eltern das Verhalten gegenüber dem Kind. Das Kind wird mit den Reaktionen der Eltern konfrontiert und reagiert wieder entsprechend seinem Temperament und den jedem Menschen eigenen Vorlieben. Nach Untersuchungen von Spitz wurden männliche Säuglinge als stark, durchsetzungsfähig und kräftig wahrgenommen, während dieselben Säuglinge, wenn sie als Mädchen präsentiert wurden als zart und hilflos erlebt wurden (und dann auch so behandelt werden).

Dass sich eine unterschiedliche Wahrnehmung auf das Verhalten der Eltern und die Reaktion des Kindes auswirkt ist eigentlich selbstverständlich. Ich nehme mich zum großen Teil so wahr, wie es mir meine Umgebung signalisiert.

Da die Ausprägung psychischer Voraussetzungen einer nach und nach erworbenen Geschlechtsidentität in die frühe Kindheit, ja sogar in die Zeit vor der Geburt fällt und daher den meisten Menschen unbewusst bleibt, kann ein Einfluss auf diese Entwicklung nur sehr bedingt stattfinden.

Kulturelle Aspekte

Holger Brandes (1992) geht in seinem Buch: "Ein schwacher Mann kriegt keine Frau" davon aus, dass der Geschlechtergegensatz nicht als leibliche Gegebenheit vorausgesetzt werden kann, sondern kulturell vermittelt und so in den Körper eingeschrieben wird. Zitat von Kleohn (1982): "Der geschlechtsspezifische Habitus ist, vereinfacht ausgedrückt, die einverleibte soziale Bedeutung dessen, was in der jeweiligen Gesellschaft unter männlich und weiblich verstanden wird".

Sowohl ein Kulturvergleich, als auch der Blick in die Geschichte zeigen uns, wie Männer und Frauen sich der jeweiligen Kultur anpassten, bzw. von dieser angepasst wurden. Frauen, die für die nachwachsende Generation eine tragende Rolle spielten, wurden in den meisten Kulturen für die Mutterrolle und die Versorgung von kranken und alten Menschen freigestellt. Die Männer dagegen wurden für die "gefährlichen" Aufgaben ausgewählt, da sie ja mit der Zeugung des Nachwuchses ihre Aufgabe für den Erhalt des Stammes erfüllt hatten. Das Überleben der Art bestimmte die Aufgabenteilung zwischen Männer und Frauen. Wenn in einer anderen Kultur (Margret Mead hat viele Forschungen dazu betrieben) eine andere Aufgabenteilung nötig war, so entwickelten sich dort matriarchalische oder patriarchalische Gesellschaften. Macht wurde also entweder den für die Nachkommenschaft verantwortlichen Frauen übergeben oder in patriarchalischen Strukturen (und diese sind weitaus in der Überzahl) den Männern (Erbrecht). Männlich definierte Aufgaben sind fast in allen Kulturen immer auch die anerkannteren, mögen sie kochen, weben oder Kolibris jagen, so Margret Mead (1971). Die Notwendigkeit der Arbeitsteilung bestimmt also überwiegend kulturell verstandene Männlichkeit und Weiblichkeit.

Nicht vernachlässigt werden darf bei dieser Betrachtungsweise der religiöse Kontext. So ist das Christentum aus einer männerdominierten Kultur hervorgegangen, in anderen Kulturen, in denen weibliche Gottheiten die Hauptrolle spielen, besitzen dagegen Frauen mehr Macht und Einfluss.

Tyrell (1986) definiert unsere Gesellschaft mit dem Begriff "ehebezogener Patriarchalismus", der den Mann in die außerhäusliche Berufstätigkeit, die Frau ins häuslichen Umfeld einbindet. Durch die kulturellen Veränderungen, vor allem in den letzten Jahren, auch einer veränderten Einstellung zu Familie und Berufstätigkeit ist ein kultureller Wandel zu erwarten, der sich aber, wenn allein die Kultur ausschlaggebend für die Entwicklung von neuen Männer- und Frauenbildern ist, nur sehr langsam durchsetzen wird.

Soziologische Aspekte

Wenn von weiblichen oder männlichen Rollenbildern die Rede ist, handelt es sich meist um eine soziologische Betrachtungsweise. Und Rollen werden in der Regel gelernt, genauso wie jeder Schauspieler seine Rolle lernt. Die Übernahme einer Rolle ist daher zunächst nicht mit biologischen, psychologischen oder kulturellen Vorstellungen in Verbindung zu bringen.

Die Interaktionen mit Menschen und der sie umgebenden Welt geben die Rolle vor, die Kindern vorgelebt und anerzogen wird. Durch Nachahmung, Belohnung und Bestrafung werden solche Rollen gelernt, verändert, festgeschrieben. Manche Verhaltensweisen werden bereits frühzeitig einprogrammiert, andere erst über Jahre hinweg erworben und eingeübt. Jungen und Mädchen werden in die Umgebung, in der sie aufwachsen hineinsozialisiert, das bedeutet, dass sie die Rolle übernehmen, die dort üblich ist. Keller meint, dass Weiblichkeit und Männlichkeit demnach primär soziale Kategorien sind, sonst bräuchten männer- und frauenspezifische Kommunikationsstile nicht erst jahrelang kontinuierlich eingeübt werden.

Nach einer repräsentativen Umfrage, die der Wiener Pastoraltheologe und -soziologe Prof. Dr. Paul Michael Zulehner im Auftrag der Katholischen Männerbewegung Österreichs 1992 durchgeführt hat, ist das traditionelle Männerbild vor allem bei religiös eingebundenen Männern noch stark verankert. Familie, Gesellschaft, Kirche und Medien beeinflussen die Sozialisation von Jungen und Mädchen und eine Veränderung ist nur allmählich möglich. Nach Trautner (1987) lernen Kinder die Unterscheidungen von männlich und weiblich in einem höchst komplexen Prozess, der auch der wissenschaftlichen Analyse weithin verborgen bleibt. Dabei spielt die Selbstkategorisierung des Kindes ebenfalls eine Rolle. Krappmann (1988) geht davon aus, dass das Kind zunächst auf dem Weg der primären Sozialisation ein festes Fundament erwirbt (Geschlechtsstereotyp), auf dem es dann als Individuum seine eigene Stellungnahme abgibt. Dies konnte von mir im Kindergarten beobachtet werden. Kinder malen Männer und Frauen als stereotype Wesen. Männer bekommen Muskeln, Utensilien, die mit Macht in Verbindung gebracht werden, wie Autos, Pistolen, Messer und Stehhaare. Frauen werden mit allen Schönheitsidealen ausgeschmückt, wie lange, wallende Haare und Gewänder, Schmuck, besonders betonte Augenpartien und lange Wimpern, auch stets mit Kleidern versehen.

In Gesprächen mit den Kindern wird jedoch deutlich, dass sie Frauen und Männer durchaus real wahrnehmen, das heißt, genau wissen, dass ihre Mutter oder die Erzieherin kurze Haare haben und Hosen tragen und der Erzieher seine Haare zum Zopf geflochten hat. Das Stereotyp bildet eventuell ein Raster, an dem sich dann neue Erfahrungen ausrichten können (Merz, F. 1979, S. 75).

Ansätze für pädagogisches Handeln

Wo sehen wir Probleme bei den entstandenen Geschlechtsrollen und wie müssen wir daher im pädagogischen Alltag reagieren?

Das biologische Geschlecht ist weithin festgelegt. Es wirkt in die Selbstwahrnehmung ein und ist sicherlich ein Aspekt, wie ein Mensch sich selbst fühlt, welchem Geschlecht er sich zuordnet und wie er sein möchte. Dennoch haben wir keinen Einfluss auf das biologische Geschlecht.

Die psychologische Komponente bei der Entstehung der Geschlechtsidentität liegt oft ausschließlich im Unterbewusstsein. Werdende Eltern haben jedoch einen Einfluss darauf, wie sie ihr ungeborenes Kind und dann auch den Säugling wahrnehmen und beeinflussen. Hier könnte man bei der Selbstreflexion der Eltern ansetzen und ihre Wahrnehmungsgewohnheiten (Verzerrungen) damit verändern.

Das Leben in einer Kultur, in die wir hineingeboren werden ist heute vielschichtig. Viele Menschen wechseln von einer Kultur zur anderen, der Wohnort und die Schichtzugehörigkeit verändern sich, ja, Kultur ist ein Sozialisationsfaktor unter anderen geworden. Innerhalb einer Kultur haben Menschen die Möglichkeit, sich die ihnen entsprechende Kultur auszusuchen, der sie sich zugehörig fühlen. Denken wir nur an bestimmte Jugendkulturen oder religiöse Strömungen, denen man sich anschließen kann. Die Kultur ist nichts feststehendes, verändert sich stetig und die Menschen müssen sich den gesellschaftlichen Bedingungen anpassen können.

Dies ist auch ein Grund, weshalb geschlechtsspezifisch gelerntes Verhalten Probleme bereiten kann. Traditionelle Frauen- und Männerrollen sind in einer wechselnden Kultur unbrauchbar, weil nicht veränderbar. Die Sozialisation muss daher offen mit den Geschlechtsrollen umgehen. Es darf kein festgefügtes Rollenbild mehr geben, wenn Kinder in einer solch vielfältige Kulturlandschaft aufwachsen und dort ihren Platz finden wollen.

Welches Verhalten wird von Männern und Frauen in zwanzig Jahren verlangt? Welche Notwendigkeiten der Veränderung werden sich durch Berufstätigkeit und neue Modelle der Kinderbetreuung ergeben? Wir wissen es letztendlich nicht, obwohl es einige Ansätze gibt, die sich vermutlich weiterentwickeln werden. Denken wir nur daran, dass die Berufstätigkeit für die meisten Frauen eine Selbstverständlichkeit ist und die Familienphase meist nur als vorübergehende Zeit betrachtet wird, in der die Organisation der Kindererziehung bewältigt werden muss. Die hohe Scheidungsquote ist ein Grund für den Verbleib im Beruf von Frauen, das Selbstverständnis ein anderer. Auch Arbeitslosigkeit kann Männer und Frauen treffen und es ist gut, wenn wenigstens ein Partner für den Unterhalt der Familie aufkommt. Unsere Sozialsysteme werden abbröckeln und jeder und jede wird in Zukunft noch mehr auf sich selbst und die eigene Arbeitskraft angewiesen sein.

Männer und Frauen werden dieselben Tätigkeiten verrichten können/müssen (es gibt kaum noch Berufe, die man als typisch weibliche oder männliche nach den dort gestellten Anforderungen bezeichnen müsste). Maschinen ersetzen die Muskelkraft, kreative und pflegerische Fähigkeiten können Männer und Frauen gleichermaßen erlernen.

Wie sieht es aber in unseren Einrichtungen aus, welche Voraussetzungen bieten diese für eine veränderte Sozialisation, für eine Gleichbehandlung und offenere Rollenerziehung?

Forschungen zur Kindergartensituation

Forschungsergebnisse aus wissenschaftlichen Untersuchungen werden meistens erst nach geraumer Zeit veröffentlicht. Das hat den Nachteil, dass die momentane Situation noch nicht genügend berücksichtigt und neue Ansätze nur teilweise sichtbar sind. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass in den Kindergärten und Tagesstätten sich die Pädagogik nicht von heute auf morgen grundlegend verändert.

Beobachtungen des ErzieherInnenverhaltens

Weiblich definierte Verhaltensweisen (z. B. ruhige Spiele, Malen, Basteln, sich kreativ betätigen, sorgsamer Umgang mit Materialien, ordentliches Aufräumen etc.) werden von ErzieherInnen unterstützt (Fagot & Patterson 1969; in Merz 1979, S. 176). Kommt es daher, weil sie das Verhalten, das sie selbst als richtig erfahren haben als das normale Verhalten von Kindern empfinden oder geht es ihnen wie den männlichen Kollegen, die das weibliche Verhalten von Kindern ebenfalls unterstützen, dass diese Verhaltensweisen weniger anstrengend und für soziale Verhaltensweisen in der Kindergruppe förderlich sind (Levitin & Chananie 1972; in Merz 1979, S. 113).

ErzieherInnen beschützen Mädchen vor den Jungen, appellieren an die Mitverantwortung für die kleinen Kinder, die dann wieder von den Mädchen beschützt und bemuttert werden, signalisieren, dass sie die Mädchen als Unterstützung benötigen. Sie leben den Kindern die Rolle der Mutter vor und hemmen so die Selbständigkeit von Mädchen (Belotti 1991).

Jungen, die sich flegelhaft benehmen werden öfter ermahnt, gelten als Störenfriede und Probleme mit der Jungengruppe sind immer wieder ein Tagesordnungspunkt bei Dienstbesprechungen.

Mädchen sprechen früher und sind in der Sprachentwicklung weiter als Jungen. Ob ErzieherInnen deshalb den Jungen mehr Sprechreize anbieten, ihnen auf einem höheren Sprachniveau antworten, ihre Sprachentwicklung mehr stimulieren als die der Mädchen? Lilian Fried (1989), die dies in Stuhlkreisgesprächen 1989 untersuchte, kann dafür auch keine plausible Erklärung anbieten. Jedenfalls wird das Sprachverhalten der Mädchen nicht unterstützt, sondern eher abgeblockt.

Dass Jungen von ihren Müttern mehr detaillierte Antworten bekommen (mit dem Mädchen schaut man ein Bilderbuch über die Feuerwehr an, mit Jungen geht die Mutter dorthin, um sich vor Ort zu orientieren) hat Marianne Grabrucker (1987) in dem Tagebuch über das Leben ihres kleinen Mädchens festgehalten. Dasselbe gilt auch für ErzieherInnen, was Untersuchungen von Serbin 1973 und Sauerborn 1986 (in Fried 1989, S. 15) feststellen konnten. ErzieherInnen geben Jungen auf ihre Fragen detailliertere Auskünfte, beschäftigen sich länger mit ihnen und geben ihnen mehr positive Rückmeldung auf die Ergebnisse von kreativen Tätigkeiten. Gründe hierfür könnten auch unterschiedlicher Natur sein, z.B., dass Jungen weniger gern malen und basteln und wenn sie dann etwas Ordentliches zustandebringen auch mehr gelobt werden müssen, um dieses Verhalten zu verstärken. Mädchen sind ohnehin kreativer und ordentlicher.

Eigene Untersuchungen haben gezeigt, dass angehende ErzieherInnen eine Ungleichbehandlung von Jungen und Mädchen kategorisch verneinen, das Vorhandensein von typisch männlichen oder weiblichen Verhaltensweisen ebenfalls leugnen und meinen, dass lediglich eine durch die Umgebung definierte weibliche oder männliche Rolle existiert.

Bei Befragungen von jungen Männern nach dem Verhalten der Erzieherin im Kindergarten meinten 50%, dass Jungen und Mädchen gleich behandelt wurden, 25 % verneinten dies, 25 % sagten, die Mädchen wurden bevorzugt.

Meine eigenen Beobachtungen in verschiedenen Kindergärten ergaben, dass ErzieherInnen eine Gleichbehandlung anstreben, sich jedoch mehr Mädchen als Jungen an die ErzieherInnen wenden und Jungen, wenn sie nach meist sachlichen Auskünften verlangen auch detailliertere Angaben von den ErzieherInnen bekommen.

Spielbeobachtungen

Vor allem Dannhauer 1973 (in Merz 1997, S. 97) und Verlinden (1991) haben sich mit Kinderspielbeobachtungen beschäftigt. In dem Zeitraum von 1973 bis 1991 hat sich dabei nicht viel verändert. Bei Rollenspielen von Mädchen werden vorwiegend Szenen aus dem häuslichen Umfeld wiederholt, dabei ahmen Mädchen ihre Mütter oft in Sprache und Verhalten lebensecht nach, wie ich selbst häufig beobachten konnte. Wenn sie Phantasiespiele spielen, so lehnen sie sich auch dort an das weibliche Ideal an, sie spielen Prinzessin oder Krankenschwester.

Jungen dagegen bevorzugen das Spiel mit Autos in der Bauecke, das Klettern auf Bäume im Garten, Konstruktionsspielzeug und wilde Spiele, bei denen sie Fernsehhelden nachahmen und sich mit Pistolen und Maschinengewehren bewaffnen. Kampfspiele sind bei Jungen als Ausdrucksweise von körperlichen Lustgefühlen normal und werden selten aggressiv gespielt (Raufen, die Kräfte messen, Wettspiele). Als Lieblingsspiele in ihrer Kindergartenzeit wurden von jungen Männern Ritterburg spielen, fangen, Fußball und klettern genannt, dazu noch verschiedenes Konstruktions- und Baumaterial.

Mir fiel auf, dass unterschiedlich strukturierte Spielräume in verschiedenen Kindergärten die Kinder anscheinend zu unterschiedlichen Spielen animieren. Je mehr die Gruppenräume in Mädchen- und Jungenecken aufgeteilt waren, desto strenger hielten sich die Kinder an diese Vorgabe. Gruppenräume, die weniger vorstrukturiert und mit mehr Möglichkeiten versehen waren, Spielräume selbst zu gestalten, animierten die Kinder zu vielfältigeren Spielen, aber auch zu mehr geschlechtsübergreifenden Spielgruppen.

Aggressionsverhalten

Dass Jungen auf Grund des männlichen Hormons Testosteron aggressiver sind, ist nicht bewiesen. Jedoch stellt Nichols (1976) und Merz (1979) fest, dass Männer häufiger Gewalt anwenden. Weil Jungen gerne ihre Kräfte messen, vor allem in der gleichgeschlechtlichen Gruppe wird ihnen oft aggressives Verhalten unterstellt. Gegenüber Mädchen kann grobe Gewaltanwendung selten beobachtet werden. Allerdings ist Mädchen ärgern ein beliebtes Spiel bei Jungen.

Mädchen äußern ihre aggressiven Gefühle auch anders, sie kratzen und beißen oder machen Dinge von anderen Kindern kaputt.

Die Definition von aggressivem Verhalten erweist sich im Kindergarten in vielen Fällen als schwierig. ErzieherInnen beklagen sich häufig über aggressives Verhalten von Kindern, vor allem dann, wenn eine starke Jungengruppe mit einem größeren Jungen als Anführer die Kindergruppe dominiert. Dennoch werden sowohl Jungen als auch Mädchen als aggressiv erlebt. Interessant daran ist, dass ErzieherInnen feststellen, dass aggressive Jungen von allen akzeptiert, von der Jungengruppe sogar als Vorbild gesehen, aggressive Mädchen jedoch von allen Kindern abgelehnt werden (eigene Untersuchungen - Fragebogenauswertungen 1995).

Die von mir befragten jungen Männer nannten als Lieblingsspiele unter anderem auch Bandenkrieg und Mädchen ärgern. Ich selbst konnte Jungen häufig bei kleinern "Kämpfen" beobachten, bei denen es aber mehr um ein Kräftemessen als um aggressives Verhalten ging.

Ängstlichkeit

Jungen haben seltener Selbstzweifel, sie gehen ein Problem sachlich an und experimentieren solange, bis sie eine Lösung finden. Mackowiak (1998) hat den Zusammenhang zwischen Problemlöseverhalten und Ängstlichkeit nach dem Geschlecht untersucht. Dabei konnte sie auch beobachten, dass ängstliche Kinder und dabei überwiegen die Mädchen, nicht ihr Leistungsvermögen erreichen.

ErzieherInnen beobachteten sowohl ängstliche Mädchen als auch Jungen in ihren Gruppen. Sie stellen dabei aber fest, dass ängstliche Jungen nur von der Mädchengruppe akzeptiert wurden, die Jungengruppe sich aber von ihnen distanzierte.

Mädchen gehen vorsichtiger mit Spielsachen um und scheuen sich mit Materialien zu experimentieren, aus Furcht, wie es mir schien, etwas kaputt zu machen. Jungen hingegen erforschen ihre Umgebung ohne Rücksicht darauf, ob dabei etwas zu Bruch geht. Sie machen dabei häufig die Erfahrung, dass sie den Dingen dabei leichter auf den Grund kommen. Sie geben ihr Wissen an die anderen Jungen weiter, die dann wieder versuchen, das Ergebnis zu verbessern. Dabei entstehen immer wieder neue Werke. Dass dabei manches kaputt geht, ist für sie weniger wichtig, als das Ergebnis, das sie erzielen wollen. Mädchen probieren weniger neues aus, schmücken das Vorhandene jedoch mit viel Phantasie und Kreativität.

Medienbezogene Spiele und Geschlecht

aus: JürgenBarthelmes, Christine Feil, Maria Furtner-Kallmünzer: Medienerfahrungen von Kindern im Kindergarten, DJI, München 1991

Medienverhalten

Das Medienverhalten von Kindern wurde unter den verschiedensten Gesichtspunkten bereits häufig untersucht. Sowohl die Zeit, die Kinder vor dem Fernsehschirm verbringen als auch die Nutzung von anderen Medien wurde teilweise in Zusammenhang mit dem Geschlecht des Kindes gebracht. Dabei wurde sichtbar, dass sowohl Mädchen als auch Jungen die Geschichten bevorzugten, die sich mit dem eigenen Geschlecht befassten und dort diese, in denen männliche oder weibliche Identifikationsfiguren gezeigt wurden.

In Geulen (1989), Bilden (1991) und Gerlach (1993) findet man umfangreiches Material dazu. Indirekt kann jede Erzieherin das Medienverhalten von Kindern bei Rollenspielen und am Maltisch beobachten. Kinder spielen Fernsehgeschichten nach, dabei überwiegen bei Jungen deutlich Spiele mit männlichen Heldengestalten. Mädchen und Jungen hören Kassetten im Kindergarten. Dabei handelt es sich jedoch meist um "harmlose", pädagogisch nicht bedenkliche Themen. Am Mal- und Basteltisch werden Themen aus dem Fernsehprogramm des letzten Tages (vor allem nach dem Wochenende) verarbeitet. In einer Umfrage bei jungen Männern 1994 nannten diese als Vorbilder aus den Medien Old Shatterhand und Zoro. ErzieherInnen sollten sich Fernsehsendungen für Kinder selbst ansehen, um mit den Kindern über das Erlebte sprechen zu können. Ein gemeinsam angesehener Film mit den Vorschulkindern brächte ErzieherInnen eventuell wertvolle Erkenntnisse über die Bedeutung der Medienfiguren für die Kinder.

Pädagogische Sichtweisen

Dies alles ist für Leute aus der Praxis nichts Neues. Oberflächlich betrachtet ergeben sich daraus keine pädagogischen Möglichkeiten, die Chancengleichheit von Jungen und Mädchen bereits im Kindergarten besser durchzusetzen. Im Gegenteil, es scheint, als ob Jungen und Mädchen als Grundlage ihrer Geschlechtsidentität ein stereotypes Männer- bzw. Frauenbild als Raster für ihre Entwicklung nötig hätten. Und erst dann würden sie ihre eigene Geschlechtsidentität an diesem Raster ausrichten.

Wenn dem so ist, bräuchten wir uns weiter nicht mit der Sicht von Kleinkindern beschäftigen. Vielleicht müsste die Schule die Koedukation (gemeinsamer Unterricht für Jungen und Mädchen) überdenken, oder es wäre gar erst ein Thema der Pubertät, in der Jungen und Mädchen sich noch einmal grundsätzlich mit der ihnen gemäßen Geschlechtsrolle auseinandersetzen.

Untersuchungen bergen das Problem in sich, dass sie nur das als Ergebnis betrachten, was von der Mehrheitsmeinung ausgeht, bzw. die Mehrheit der Kinder betrifft. Deshalb will ich den Blick auf das einzelne Kind und seine spezielle Entwicklung zur Geschlechtsidentität richten. Und da gibt es dann doch pädagogische Ansätze.

Da ich bei meinen Untersuchungen zunächst die Bedeutung der weiblichen Bezugspersonen für Kinder beiderlei Geschlechts im Blickfeld hatte, möchte ich hier einmal den Interaktionsmöglichkeiten von einzelnen Jungen und Mädchen in unterschiedlichen Kontexten nachgehen.

Interaktionsmöglichkeiten in unterschiedlichen Gruppen

Die Interaktionsmöglichkeiten in unseren Vorschuleinrichtungen beschränken sich hauptsächlich auf die Interaktion mit weiblichem Betreuungspersonal und Kindern beiderlei Geschlechts. So kommen folgende Interaktionsmöglichkeiten zustande:

  • Mädchen mit Mädchen
  • Mädchen mit Bub und umgekehrt
  • Bub mit Bub
  • Mädchen mit Mädchengruppe
  • Mädchen mit Jungengruppe
  • Bub mit Mädchengruppe
  • Bub mit Jungengruppe
  • Mädchen mit gemischter Gruppe
  • Bub mit gemischter Gruppe
  • Mädchen mit einer Erzieherin
  • Bub mit einer Erzieherin
  • Mädchengruppe mit einer Erzieherin
  • Jungengruppe mit einer Erzieherin
  • Mädchen mit zwei ErzieherInnen
  • Bub mit zwei ErzieherInnen

Es sind dies zwar vielfältige Kommunikationsmöglichkeiten, dennoch fehlt allen das männliche erwachsene Element. Wenn wir Männer für die Kindergartenarbeit regelmäßig oder teilweise gewinnen könnten, würden sich weitere Interaktionsmöglichkeiten ergeben, die für alle Beteiligten fruchtbar sein könnten und neue Anstöße in die Kindergartenarbeit bringen würden. Sowohl die weiblichen ErzieherInnen, als auch die Kindergruppe und einzelne Kinder könnten dann sehen, wie "Mann" reagiert, denkt, spielt, arbeitet. In der Auseinandersetzung mit ähnlichem und verschiedenem Handeln würden neue Sichtweisen bei Kindern, Eltern und ErzieherInnen entstehen.

Aber auch die Trennung der Gruppen in reine Mädchen- und Jungengruppen mit jeweils einer männlichen oder weiblichen Bezugsperson brächte neue Erfahrungen. So ist eine Separierung der Kinder nach der Geschlechtszugehörigkeit mit unterschiedlichen Beobachtungen verbunden.

Es ist festgestellt worden, dass die Unterschiede innerhalb eines Geschlechts größer sind, als die Unterscheidung nach männlich und weiblich. Diesen Unterschieden könnte man in einer gleichgeschlechtlichen Gruppe nachgehen, dabei feststellen, dass Jungen und Mädchen stark und schwach sind, dass beide sich für Technik und Kochen interessieren, dass sie gleichermaßen Fragen nach Freundschaft, Liebe, Tod und Lebenssinn stellen.

Hemmungen vor den Jungen, Machogehabe gegenüber den Mädchen, Abbau der eigenen Unsicherheiten, Erkennen der persönlichen Stärken das alles ist in der gleichgeschlechtlichen Gruppe kein Thema. Wie ist es zum Beispiel mit der Ängstlichkeit der Mädchen bestellt, wenn sie in einer gesonderten Mädchengruppe agieren? Würde Ängstlichkeit bei einigen Mädchen geringer oder abzubauen? Welche Chancen hätten Jungen in der gleichgeschlechtlichen Konstellation? Könnten sie nicht erleben, dass "weibliche" Eigenschaften nicht an Frauen und Mädchen gebunden sind und dass ihr Gefühl von "männlich sein" geteilt wird und sie sich besser verstanden fühlen?

Die Abkehr von der üblichen Konstellation könnte manchem Mädchen oder Jungen neue Impulse in Bezug auf sein Geschlechtsverständnis ermöglichen. Fest steht, dass die Erfahrung von männlich gelebter Tagesgestaltung und weiblichen Tagesstrukturen neue Erfahrungsräume für beide Geschlechter bieten. Stereotype Vorstellungen von männlich und weiblich gelebten Lebens werden durch "lebendige" Männer und Frauen korrigiert, bestätigt oder in Teilaspekten in das eigene Verständnis integriert.

Erziehung zur Chancengleichheit

Die Umsetzungsmöglichkeiten im pädagogischen Alltagsgeschäft ergeben sich aus den vorangegangenen Ausführungen. Nicht die Kindergruppe allein und allgemein, sondern die Bedürfnisse des Individuums sollten dabei im Vordergrund stehen. Jedes Kind benötigt sowohl die gleichgeschlechtliche peer-group, als auch die Auseinandersetzung mit dem anderen Geschlecht, es braucht die ihm gemäßen Rahmenbedingungen, um sich über das eigene und das andere Geschlecht angemessen zu orientieren und den individuellen Weg für das eigene Leben herauszufinden. Im Kindergarten wird es sich dabei um erste Orientierungen handeln, die aber nicht unerheblich für die weitere Entwicklung sind, denken wir nur an unbewusst aufgenommene Erwartungen im ersten Lebensjahr.

Als Erzieherin (und selbstverständlich gilt dies auch für den männlichen Erzieher) haben wir im Rahmen der bestehenden Einrichtungen viele Möglichkeiten durch Veränderungen in Teilbereichen eine offenere Erziehung zu gewährleisten. Selbstreflexion und Einbeziehung von Eltern und anderen Personen im Gemeinwesen ist die Möglichkeit, eigene Anteile bei der Geschlechtererziehung festzustellen, die eigenen Möglichkeiten zu erweitern, Männer und Frauen unterschiedlichen Alters in die Arbeit mit den Kindern einzubeziehen.

Räume, die für unterschiedlichste Spielmöglichkeiten genutzt werden können, werden zu unterschiedlichen Erfahrungsräumen mit unterschiedlicher Gruppenzusammensetzung. Je mehr Räume uns zur Verfügung stehen, desto individueller können die Kinder ihre Spiele/Rückzugsmöglichkeiten etc. planen und durchführen.

Neue Angebote für Spiele, Auseinandersetzung mit verschiedenen Materialien, Medien, neuen Techniken, viele eigene Experimentiermöglichkeiten geben jedem Kind die Erfahrung des eigenen Könnens, die Selbstbestätigung der eigenen Person, die Sicherheit, um auf Neues mutig und neugierig zugehen zu können.

Eine vielfältige Mediennutzung kann Informationen, neue Denkweisen und den Umgang mit der Welt der Zukunft in Ansätzen in unsere Einrichtungen bringen. Dazu gehören z. B. der Umgang mit Sachliteratur, Videofilme über die Herstellung der Nahrungsmitteln oder Gegenständen, die Herstellung von eigenen Dokumentationen etc. Unsere Informationsgesellschaft darf vor dem Kindergartentor nicht Halt machen. Vor allem Kinder aus benachteiligten Familien (vielleicht auch Mädchen) können hier die ersten Hemmschwellen vor der Technik abbauen. Wie wäre es mit einem Mikroskop als Einstieg?

Und um all diese Erfahrungen auch wirklich machen zu können, muss die Erzieherin sich Gedanken um die Zusammensetzung der Gruppe machen. Ist eine Trennung in Jungen und Mädchen nicht einmal ganz sinnvoll? Wie kann sie es anstellen, dass in einem Projekt Jungen und Mädchen erfahren, dass sie gleichermaßen begabt sind und sich gegenseitig helfen und unterstützen können/müssen?

Und - last but not least - was kann die Aus- und Weiterbildung dazu beitragen, dass Chancengleichheit nicht nur ein schönes Wort bleibt und noch einmal hundert Jahre vergehen müssen, um diese Chancengleichheit auch wirklich für jeden und jede erfahrbar zu machen?

Auswirkungen für die Ausbildung

Erzieherinnen müssen sich bereits in der Ausbildung mit der Gleichbehandlung und Gleichwertigkeit von Jungen und Mädchen auseinandersetzen. Dies kann durch die Einbeziehung von neuen Elementen in die Unterrichtsinhalte geschehen. Dabei ist die durchgehende Behandlung in allen Unterrichtsfächern wichtig.

Einige wesentliche Lehrplanergänzungen müssten dafür vorgesehen werden:

  • Reflexion der eigenen Erziehung und der Vorstellung von männlich/weiblichen Lebensentwürfen.
  • Psychologische, kulturelle, biologische und soziologische Aspekte der Geschlechtszugehörigkeit als Unterrichtsinhalt.
  • Projekt zur Chancengleichheit von Jungen und Mädchen (fächerübergreifend).

Auswirkungen auf die Fortbildung

Was für die Ausbildung im allgemeinen gilt, muss sich in der Fortbildung fortsetzen. Hier kann man vor allem auf die eigenen Erfahrungen in der Arbeit mit den Kindern zurückgreifen und diese reflektieren.

Folgende Angebote wären bei Fortbildungsveranstaltungen und Seminaren notwendig:

  • Reflexion der bisherigen Arbeit, der eigenen Rolle im Prozess der Entwicklung zur Geschlechtsidentität von Jungen und Mädchen.
  • Wahrnehmung von unterschiedlichen und gleichen Bedürfnissen/Fragen von Jungen und Mädchen.
  • Unterstützungsmaßnahmen von selbststrukturierten Spielräumen von Jungen und Mädchen.
  • Wahrnehmungen von speziellen, individuellen Fragen, Problemen, Bedürfnissen von Jungen und Mädchen.
  • Projekte entwickeln, die auf die Bedürfnisse von Mädchen und Jungen eingehen und ihnen neue Erfahrungen innerhalb der eigenen Geschlechtsgruppe und über diese hinaus ermöglichen.
  • durch Gemeinwesenorientierung und Elternmitarbeit Personen unterschiedlichen Alters und Geschlechts in unsere Arbeit integrieren.
  • neue Inhalte in unser Bildungskonzept aufnehmen Kompetenzen vermitteln. (Medien, Ökologie, Technik).

Zusammenfassend kann man sagen, dass das Erziehungsziel zur Chancengleichheit bedeutet, dass Jungen und Mädchen in unseren Einrichtungen das tun dürfen/können, was ihren Bedürfnissen, Neigungen und Interessen entspricht, sich dabei Kompetenzen aneignen, die nicht geschlechtsgebunden sind. Wir können sie dabei unterstützen, indem wir Räume und Materialien zur Verfügung stellen, ihnen die Rückmeldung geben, dass sie als Person akzeptiert sind und ihre Fähigkeiten, nicht nur die intellektuellen anerkannt werden. Das Selbstwertgefühl, das das einzelne Kind dabei entwickelt, ermöglicht ihm, sich mit dem eigenen und dem anderen Geschlecht auseinander zu setzen und dabei ein Stück auf dem Weg der individuellen Geschlechtsidentität zurückzulegen.

Beherzigen sollten wir den Satz von Goethe in Hermann und Dorothea (und dies gilt auch in Bezug auf die Geschlechtszugehörigkeit):

Wir können die Kinder nach unserem Sinn nicht formen. So wie Gott sie uns gab muss man sie haben und lieben und jeglichen lassen gewähren. Der eine hat die, der andere andere Gaben. Jeder braucht sie und jeder ist nur auf seine Weise gut und glücklich.

Literaturverzeichnis

Dieser Artikel entstand nach gründlichem Studium nachfolgender Literatur. Für eigene weitere Studien oder die Aus- und Fortbildung ist diese Literaturliste angefügt. Unter den Autorennamen kann ebenfalls nach weiteren Veröffentlichungen zu dem Themenkreis gesucht werden.

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Moritz Okt. 1993

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Psyche 6/93

Psychologie heute 4/93

Schweizer Familie 3/94

Sozialwissenschaftliche Forschung und Praxis für Frauen e. V. Nr. 29

TPS, Theorie und Praxis der Sozialpädagogik, Evang. Fachzeitschrift für die Arbeit mit Kindern, 4/86, 6/93

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Widersprüche" Zeitschrift für sozialistische Politik im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich Heft 56/57 September 1995: "Männlichkeiten"

ZEITmagazin, 4/3 94

Zeitschrift für Frauenforschung 1+2/93

Zeitschrift für Sozialisationsforschung

ZSE 3/94 "Do parents make their 7 year old childrren talk sex-specific?"

Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie 137, 1985

Anmerkung

Es handelt sich um den Text eines Referats auf einer internationalen Fachtagung im Oktober 1999 in Wien.

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