Barbara Perras-Emmer
Die Lehrplanänderung für Grundschulen in Bayern gab geometrischen Inhalten im Unterricht mehr Bedeutung. Wie kann eine "Vorschulerziehung" im Kindergarten eine Basis dafür schaffen?
Naturwissenschaft im Kindergarten umfasst mehr als die tägliche Auseinandersetzung mit der Natur, den Jahreszeiten usw. Diese Inhalte werden in der Regel sehr ausführlich bearbeitet. Sie meint auch Begegnung mit der Technik, mit Technikbaukästen und Dingen, welche Kinder selbst zerlegen und untersuchen dürfen, die Verwendung eines Mikroskops, aber auch den Umgang mit Hammer, Handbohrer und Beißzange. Ein Handbohrer hat eine einfache Mechanik über Zahnräder, welche leicht nach zu vollziehen ist (Möller 1998, S. 89ff.), Hammer und Beißzange nutzen die Hebelwirkung aus. Dabei ist es nicht wichtig, dies den Kinder vorher ins Detail zu erklären, sondern sie einfach ausprobieren und eigene Erfahrungen machen zu lassen. Nicht zuletzt setzen sich die Kinder beim Bauen mit Schwerkraft und Statik und beim Schaukeln mit Fliehkraft und dem Gesetz der Trägheit auseinander.
Körperwissen entsteht über Bewegungskönnen und ist die einzig mögliche Grundlage für späteren Wissenserwerb durch Schule und Bücher. Was die Kinder vor der Einschulung und auch vor der sogenannten "Vorschulerziehung" im Kindergarten lernen, kann kein Computer "erlernen" - z.B. sich in einem Raum zurechtfinden, Empfinden von und Umgang mit Angst, Wut, Trauer, Freude usw., Gleichgewicht erleben und herstellen...
Ein einfaches Beispiel: Versuchen Sie zu erklären, was eine Wendeltreppe ist - Sie zeigen selbst das Prinzip mit dem rotierenden Finger bzw. mit der Hand.
Schulisches Wissen dagegen ist Computerwissen, beide - Kinder und Computer - können nur arbeiten, wenn ihnen die entsprechende "Software" zur Verfügung steht. Die Erfahrungen der Kinder werden zunächst ganzheitlich integriert und gespeichert: in den Sinnesorganen bzw. den entsprechenden Regionen im Gehirn, im Kleinhirn, im Amygdala, im Rückenmark, im Zentralnervensystem...
Durch Wiederholung von Sensorik und Motorik werden Synapsen geschlossen und Nervenbahnen myelinisiert und damit gefestigt, über Variationen vorangegangener Wahrnehmung und Bewegung werden "Nebenstrecken" gebildet und ausgebaut. Die Verknüpfung verschiedener Wahrnehmungskanäle fördert und sichert vielfältige Informationen, welche als sogenanntes Wissensnetz für späteres Lernen zur Verfügung stehen.
Wahrnehmung, die Basis von Lernen, ist im freien Spiel der Kinder möglich, beobachtbar, zu leiten, und das Ergebnis ist überprüfbar. Kinder lernen von Geburt an. Dieses Lernen ist jedoch nicht die eingeschränkte Form des Wissenserwerbs, die wir mit schulischem Lernen bezeichnen. Der Säugling lernt seinen eigenen Körper kennen, ihn zu bewegen und zu beherrschen. Bewegungserziehung war in den letzten Jahren ein eher vernachlässigtes Schulfach.
Die Bereiche im Gehirn, welche für Bewusstsein und Merkfähigkeit zuständig sind - für Emotionen das Limbische System und für Langzeitgedächtnis der Hippocampus - reifen langsam. Dass trotzdem Erfahrungen gespeichert werden und unbewusst unser Verhalten beeinflussen hat uns die Psychoanalyse gezeigt.
Mit der Entwicklung des Limbischen Systems wird die emotionale Voraussetzung geschaffen, Erlebtes speichern zu wollen. Jede Sekunde treffen über 11 Millionen Bits aus den Sinneszellen bei uns ein, davon werden durchschnittlich 16 bewusst. Es können aber auch weniger sein oder bei starker gefühlsmäßiger Beteiligung bis zu 100. Ob diese bewussten Informationen ins Langzeitgedächtnis gelangen, hängt weiter von der Dauer ihrer Einwirkung auf den Menschen ab: Werden die Erlebnisse, Informationen usw. nach 3 Stunden noch einmal aktualisiert, besteht die größte Chance, dass sie auch ins Langzeitgedächtnis gelangen. Aus dieser Erkenntnis wurden bestimmt die Hausaufgaben eingeführt.
Für die Pädagogik im Kindergarten bedeutet dies, dass eine Betreuungszeit von rund drei Stunden zu kurz ist, um anhaltendes Können und Wissen zu erwerben. Ein "Angebot" darf nicht als isolierte Einheit am späten Vormittag durchgeführt werden, bevor die Kinder nach Hause gehen. Es sollte besser als Projektarbeit bereits am Morgen begonnen werden, kann dann im Laufe des Vormittags in den Hintergrund treten, um dann noch einmal bearbeitet zu werden. Diese Bearbeitung kann in Form von Gesprächen erfolgen, aber auch dadurch, dass die Arbeiten der Kinder noch einmal betrachtet oder noch besser begriffen (in Form von "Greifen") werden können. Das bedeutet jedoch, dass die "Arbeiten" der Kinder besser in ihrer Augenhöhe präsentiert werden. Damit entsteht ein Konflikt für Erzieherinnen, welche die Bilder den Eltern darstellen möchten, und auch für die Kinder, die auf die Anerkennung der Erwachsenen hoffen.
Viele gute Spielmaterialien sind teuer (z.B. von Montessori). Das rechtfertigt trotzdem nicht, dass sie nur unter strenger Anleitung in sogenannten Lernsituationen angeboten werden, denn die Kinder müssen die Möglichkeit haben, Wahrnehmungen, Bewegungen, Können und Wissen auf ihre eigene Art zu erwerben, auch wenn diese dem Lernen der Erwachsenen sehr fern ist. Sie brauchen die Gelegenheit, Lern- und Spielsituationen beliebig wiederholen zu können, und zwar dann, wenn sie das Bedürfnis dazu haben. Nur so haben wir die Chance, dass die Inhalte, welche wir vermitteln wollen, für die Kinder so wichtig sind, dass sie "ausgewählt" werden fürs Langzeitgedächtnis.
Sehen und Hören
Erst wenn Kinder sich bewegen, können sie den Seh- und Hörvorgang überprüfen. Das räumliche bzw. dreidimensionale Sehen wird bis zum Alter von sieben Jahren entwickelt und ist dann so gut wie abgeschlossen. Untersuchungen haben gezeigt, dass spätere Operationen zwar die volle Fähigkeit von Augen und Ohren herstellen können, dass jedoch die entsprechenden Nervenbahnungen im Gehirn kaum mehr nachgeholt werden können. Wichtig ist, dass die Sinnesorgane so früh wie möglich fachärztlich untersucht werden und voll funktionsfähig sind.
Körper-, Tiefen- und Raumlagewahrnehmung benötigt Förderung. Grundvoraussetzung dafür ist die Bewegung. Ein Kind muss ein eigenes Körperschema (= Orientierung am eigenen Körper; Repräsentation des eigenen Körpers, die durch kinästhetische, taktile und optische Reize vermittelt ist) entwickeln, einen Gegenstand begreifen, eine Entfernung überprüfen, Höhe erleben und eine Form spüren können. Nur wenn es weiß, wo seine Füße, Arme usw. sind, ohne sie zur Kontrolle bewegen zu müssen ("zappeln"), und wo es sich im Raum befindet, kann es sich in fremden Räumen zurechtfinden. Zu den fremden Räumen zählt auch das Zurechtfinden auf einem Blatt oder in einem Buch.
Das Körperschema ist das erste räumliche Vorstellungsbild, welches sich im Individuum entfaltet. Es geht zurück auf Bewegungserfahrungen und Sinnesempfindungen, aber auch Wunschbilder und umgrenzte, plötzlich entstehende und kurz dauernde, intensive Gefühlsregungen (Affekte) wirken darauf ein. Deshalb kann es z.T. erheblich von der Wirklichkeit abweichen (z.B. bei Magersüchtigen, die sich als zu dick empfinden) und ist auf wiederholende Bewegungen und Wahrnehmungen angewiesen. Objektivität, welche trotz allem immer subjektiv sein muss, da sie ja vom Subjekt ausgeht (Konstruktivismus), kann nur durch stete Kontrolle und Vergleich der Dinge selbst, aber auch mit den Wahrnehmungen anderer, erworben werden.
Um die Sicherheit der Augen beim Lesen in einer Zeile zu fördern, findet das Kind viele eigene Ideen, wenn man es nur lässt: Hängen kopfüber, schaukeln, Trampolinspringen ... Diese Tätigkeiten bereiten dem Kind Freude, es macht sie aus eigenem Antrieb und ohne Zweckbindung. Leider neigen wir Erwachsenen dazu, diese Aktivitäten als sinnlose Unruhe abzutun, und wollen das Kind nach unseren Methoden und Zielen fördern. Dabei ist diese Entwicklung natürlich im Menschen angelegt. Früher waren vor allem bewegte Bilder am Horizont eine Gefahr, die Augen mussten trainiert werden und die Wahrnehmung fixiert. Aus diesem Grund ist unser Sehen horizontal besser entwickelt: Die untergehende Sonne erscheint uns größer, obwohl sie etwa gleich weit von uns entfernt ist wie am Mittag. Wäre Lebensgefahr aus der Luft gekommen, hätte sich unser Sehapparat sicher anders entwickelt. Die Vorliebe der Menschen für bewegte Bilder - entstanden aus Überlebenswillen - zeigt sich heute vor allem beim Fernsehen. Kinder lernen jedoch nicht, die Bilder zu fixieren, weil sie zu schnell ablaufen, und damit geht eine wichtige Entwicklungsstufe verloren.
Beim Sehen entsteht ein toter Winkel, begründet durch das Zusammenfügen der Informationen von beiden Augen. Das Gehirn ist immer bemüht, möglichst vollständige Bilder wahrzunehmen, und ergänzt deshalb die "fehlenden" Teile. So lassen sich viele optische Täuschungen erklären, wo z.B. Dreiecke geschlossen und somit als solche erkannt werden.
Taktile Wahrnehmung
Körperferne Wahrnehmung (Hören und Sehen) basiert auf körpernahen Wahrnehmungsbereichen wie Tasten (taktil):
- Objektgrößen, -formen und -oberflächen wahrnehmen und unterscheiden,
- Eigenschaften von Objekten benennen,
- Temperatur, Hautberührungen und Druck empfinden und deuten,
- Konstanz, Gewicht und Festigkeit von Objekten wahrnehmen und unterscheiden,
- wichtige von unwichtigen Informationen trennen (Objekt-Grund-Differenzierung),
- Fühlen über die Haut, den Mund, die Füße und die Hand,
- Bewegung steuern und die Richtung ändern.
Über die Haut und über Berührungsqualitäten werden soziale und emotionale Kompetenzen vermittelt, und damit wird auch das Selbstbewusstein gestärkt (Abneigung oder Aufdringlichkeit).
Ausreichend verarbeitete Tasterfahrungen und Hautkontakte in der frühen Kindheit entscheiden über spätere Abneigungen und Vorlieben, und taktile Formeindrücke werden im Lauf der Entwicklung eines Kindes in visuelle Vorstellungen übersetzt. Auffälligkeiten der taktilen Wahrnehmung können eine ungenaue Lokalisierung von Berührungsreizen sein und die Unfähigkeit, das Körperschema zur Bewegungsplanung zu nutzen.
Wichtig: Die taktile Wahrnehmung gelingt besser, wenn die visuelle Wahrnehmung ausgeschaltet ist.
Grundlegende Objektformen können sehr früh wahrgenommen und unterschieden werden. Im Vergleich zu den meisten Erwachsenen haben die Kinder Spaß daran, diese mit ihrem wissenschaftlichen Namen zu benennen. Sprachliche Begleitungen helfen, die Wahrnehmungen zu integrieren und unterstützen die Ausbildung des Körperschemas. Sprachlich begleitete Bewegung hilft, Eigenschaftsbegriffe einzuprägen. Hände und Füße sind gleichermaßen in die Förderung einzubeziehen. Jede körperliche Bewegung verändert die Oberflächenspannung und das Empfinden der Haut.
Tastaufgaben erfordern eine hohe Konzentration. Sie sollten immer wieder von großräumigen Bewegungen unterbrochen werden.
Materialien: Tastsäcke (Glücksrad), Bälle, Seile, Tücher, Rollbretter, Teppiche usw.
Ziele:
- verschiedene Größen, Formen und Oberflächen einer Objektart/ unterschiedlicher Objekte wahrnehmen und zuordnen
- eine Objektart nach der Größe ordnen, Objekte derselben Größe zuordnen
- namentliches Benennen der Objekte
- Formbilder erkennen
- unterschiedliche Oberflächen (nass - trocken, glatt - rau) in eine Reihenfolge bringen, gleiche Oberflächenbeschaffenheit suchen, Hautempfindungen deuten, empfundene Materialien wiederfinden, Berührungen und Druck empfinden und wiederholen (auf den Rücken malen, erkennen, nachlegen oder -bilden)
- Chaos - eine Objektart aus einer Vielzahl von Objekten herausfinden, ein Objekt wiederfinden
- gleiche Eigenschaften wahrnehmen, gleiche Eigenschaften von Objekten suchen
- erkennen, dass eine Menge nach verschiedenen Kriterien geordnet werden kann
Bewegungsempfinden (kinästhetisch)
Körperschema entwickeln, Körperlage empfinden: durch aktives Anfassen, wie heben, drücken, werfen, ziehen usw., werden weitere Auskünfte über Gegenstände erworben. Kinästhetische und vestibuläre Stimulation wirkt sich nachweislich auf die optische Aufmerksamkeit und Wahrnehmungsfähigkeit sowie die Konzentration aus. Durch Bewegungsempfinden oder Propriozeption entwickeln sich die Eigenwahrnehmung, das Körper- und das Selbstbewusstsein. Muskelspannungen, Gelenkstellungen und -veränderungen, Körperraumlagen, -positionen und -veränderungen können empfunden und reguliert werden; dadurch entwickeln sich das Körperschema, das Raumgefühl, die Raumlagewahrnehmung und das dreidimensionale Sehen. Diese Prozesse sind in der Regel mit 7 Jahren bzw. mit dem Schuleintritt abgeschlossen. Die enorme Fähigkeit des Auges, sich 2 Dioptrien plus/minus anzupassen, geht zu diesem Zeitpunkt verloren.
Trotz dieser Eigenschaft des Sehsinnes sollte rechtzeitig ein Augenarzt konsultiert werden, weil die Kinder mit nicht erkannten bzw. unbehandelten Sehschwächen sehr schnell ermüden. Wird ein Seh- oder Hörfehler nicht sofort behoben, können im Gehirn verschiedene Nervenbahnen nicht ausgebildet werden und die Anlagen dazu verkümmern. Diese Entwicklung kann später nicht mehr nachgeholt werden.
Dreidimensionale Wahrnehmung, die wichtigste Voraussetzung für naturwissenschaftliche Bereiche, aber auch für Schreiben und Lesen, ist unbedingt auf gut funktionierende Sinneswahrnehmung und Bewegung angewiesen. Die gespeicherten Erfahrungen werden im Schulalter auf Zweidimensionalität reduziert. Der Vorgang dieser Umsetzung findet auch schon im Kleinkindalter statt, wenn das Kind einen alltäglichen Gebrauchsgegenstand in den ersten Bilderbüchern wiedererkennt. Die Übergänge sind fließend, auf keinen Fall kann jedoch diese Wahrnehmungsstufe übersprungen werden; ganzkörperliches Lernen kann nicht durch reines Sehen und Hören ersetzt werden.
Gleichgewicht (vestibulär)
Die vestibuläre Wahrnehmung sichert die aufrechte Haltung und die Körperhaltung in unterschiedlichen Bewegungssituationen, sie sichert die Orientierung von Kopf und Körper im Raum und stellt sich auf Beschleunigungen, Richtungs- und Drehänderungen und veränderte Körperhaltungen ein. Wer in der Bewegung die Richtung ändern kann, wird später auch in verschiedene Richtungen denken können, und wer gelernt hat, die Dinge von vielen Seiten und unter anderem Lichteinfall zu betrachten, kann auch andere Standpunkte neben dem eigenen gelten lassen.
In aufbauenden sensomotorischen Entwicklungsstufen hilft die Gleichgewichtsförderung, genaue und differenzierte Blickregulationen vorzunehmen, statische und dynamische Haltungen zu regulieren und Objekte zu balancieren. Das Vestibulärsystem reagiert auf Informationen lange bevor es optische und akustische Reize wahrnimmt und verarbeitet, unterstützt die Entwicklung des Sehvermögens und die Verarbeitung akustischer Reize. Bei unzureichenden Gleichgewichtsreizen kann es auch zu Beeinträchtigungen in der Sprachentwicklung kommen (Balster, S. 75).
Muskeltonuskontrolle
Die kinästhetische Wahrnehmung hilft, die Muskelspannung auf- und abzubauen, Gelenkstellungen bzw. Bewegungsrichtungen einzelner Körperteile wahrzunehmen und zu unterscheiden, Körperraumlagen zu stabilisieren und zu variieren, Kraft für Bewegung entsprechend zu dosieren, zu regulieren und ökonomisch einzusetzen. Sie unterstützt die Entwicklung des Körperschemas, der Bewegungssteuerung und der Bewegungskontrolle. Informationen über Gegenstände werden zuerst über die taktile Wahrnehmung erworben, durch aktives Anfassen wie drücken, heben, werfen usw. vertieft. Damit werden umfangreichere Eigenschaften wie Oberflächenbeschaffenheit, Dichte und viele andere erworben. "Kinder untersuchen zuerst: 'Was macht das Ding mit mir?', um darauf aufbauend das Ding dem eigenen Willen zu unterstellen" (Miedzinski, Klaus: Fortbildung in Parsberg, Okt. 2001). Bewusste Muskelspannung gibt Bewegungssicherheit, hilft, Abstände einzuschätzen und Gefühl für Zeit zu entwickeln.
Augenkontrolle
Dies bedeutet, dass beide Auge zusammenspielen, Objekte fixieren und suchen, sich bewegende Objekte verfolgen können, ohne dass gleichzeitig der Kopf bewegt werden muss. Die Augenbeweglichkeit hängt stark von der Qualität des Gleichgewichtssinns ab (Balster, S. 120). Eine angemessene Augenmuskelkontrolle hilft, Bälle sicher zu fangen, den Straßenverkehr sicher zu beobachten und beim Lesen und Schreiben sicher die Zeilen einzuhalten.
Schaukeln ist sinnvoll, um angestrengte Augen zu entspannen - Gleichgewichts- und Bewegungsreize fördern auch die Augenkontrolle.
Schaukeln bedeutet auch, sich fallen lassen. Menschen haben Angst vorm Fallen, auch vorm "in Schlaf fallen" und besonders vor der Endgültigkeit des Sterbens. Bei der Schaukelbewegung wechseln die Kinder Fallen und Aufschwung ab, sie integrieren so die Polarität ihrer Umwelt und lernen, dass nach jedem Ab wieder ein Auf kommt. Sie lernen, Frustrationen zu ertragen, Glück und Freude zu genießen - sie sind einfach lebendig, weil sie auch den Fall kennen und selbst Gleichgewicht schaffen können (Perras-Emmer, B.: Umgang mit Gleichgewicht und Angst im Erzieheralltag). Die Kinder suchen Spannung (auf) und Entspannung (ab) nach ihrem Empfinden, damit sie für sich selbst im Einklang sind.
Die Auge-Hand-Koordination
Sie wird besonders über die Aktivierung der Nackenmuskulatur über das Aufstützen der Hände erreicht. Aufgaben werden durch taktil-kinästhetische Wahrnehmung, wie Mitzeigen mit dem Finger oder rhythmische Begleitung, unterstützt. Augenbewegungen grundsätzlich von beiden Seiten - von links nach recht und von rechts nach links - üben und dabei die Körpermittellinie kreuzen.
Seitigkeitssicherheit
Sie ermöglicht, Bewegungen mit der rechten und linken Hand, mit dem rechten und linken Fuß bzw. mit Hand und Fuß gleichzeitig auszuführen. Beide Körperseiten arbeiten bei Bewegungen zusammen. Das Agieren beider Körperseiten lässt ein Bewusstsein für ihre Unterschiedlichkeit entstehen. Rechts und links kann unterschieden werden, eine Körperseite wird dominant (Lateralisierung) und eine Hand bevorzugt. Sie baut auf der vestibulären Wahrnehmung, dem sicheren Körperschema, der Muskeltonuskontrolle und der visuellen Wahrnehmung auf. Ein stabiler Oberkörper, bedingt durch einen aktiven Bewegungsapparat, ermöglicht, Handlungen von der Körpermittellinie aus zu steuern und damit lesen und schreiben zu lernen. Gleichzeitig wird das Ich des Kindes gestärkt und das Sicherheitsgefühl aufgebaut. Das Kind lernt, seinen eigenen Mittelpunkt (Schwerpunkt) in verschiedenen Positionen zu finden, was sich auch auf seine psychische Befindlichkeit auswirkt. Entwickeln Kinder keine bevorzugte Seite, kann es zu Verwirrung, Beeinträchtigung sprachlicher Leistungen und motorischer Unruhe kommen. Die Sprache ist gekoppelt mit dem Bewegungszentrum, aus der Gestik entstand die verbale Verständigung.
Nur auf einer dominanten Hand lässt sich eine stabile Handgeschicklichkeit entwickeln.
Körperschema
Das Kind nimmt seinen eigenen Körper wahr, kann sich an ihm orientieren, lernt Grenzen wahrzunehmen und außen/innen zu unterscheiden. Es kann die Körperteile benennen und kennt ihre Funktionen. Aufbauend auf taktiler, kinästhetischer und vestibulärer Wahrnehmung, Hören und Sehen entwickelt das Kind Raumorientierung. Erst durch "Be-Greifen" entwickelt es eine Körperschemavorstellung. Distanzen werden zuerst in Bezug zum eigenen Körper gemessen, später zwischen zwei beliebigen Körpern. Ein grundlegendes Körperschema ist wiederum Voraussetzung für Seitigkeitssicherheit, visuelle Wahrnehmung und Sprachentwicklung.
Zeitwahrnehmung
Sie ermöglicht, Bewegungen gleichzeitig, über unterschiedliche Dauer, in verschiedenen Geschwindigkeiten und Rhythmen auszuführen. Bewegungen können einem Rhythmus/ verschiedenen Rhythmen angepasst oder in verschiedenen zeitlichen Reihenfolgen ausgeführt werden, und das Kind kann sich räumlich orientieren. Der Zeitrhythmus wird über Töne eingeübt und hängt mit der Qualität des Hörens zusammen. Zeit- und Raumwahrnehmung bilden eine untrennbare Einheit. Ein ausgewogener Muskeltonus, der Wechsel zwischen An- und Entspannung, unterstützt die Zeitwahrnehmung.
Raumwahrnehmung
Dies meint die Wahrnehmung und Unterscheidung von
- senkrechten, waagrechten und diagonalen Raumlinien,
- Raumrichtungen wie oben und unten, vorne und hinten, rechts und links, vorwärts, rückwärts, seitwärts,
- Raumwegen (gerade, gebogen, rund) und Raumlagen (hinter, unter, zwischen, neben),
- Raumausdehnungen (groß/klein, schmal/breit, hoch/tief, kurz/lang).
Ein gefestigtes Körperschema wird zum Orientieren im Raum von innen nach außen übertragen. Durch die Fortbewegung betritt das Kind einen erweiterten Raum, ohne dabei seinen Eigenraum zu verlassen. Sein eigener Körper bleibt stets Mittelpunkt des von ihm eingenommenen Raumes. Um den Raum sicher strukturieren zu können, ist es auf beidohriges Hören und beidäugiges Sehen angewiesen.
Hand- und Fußbeweglichkeit
Zwischen Hand- und Fingerbeweglichkeit, dem Hören und der Sprache besteht eine enge funktionale Beziehung (Sprache entstand aus der Gestik). Kraftdosierung und Gleichgewicht fördern die Seitigkeitssicherheit. Ausreichende motorische Grundfähigkeiten sind Voraussetzung für die Entwicklung des Körperschemas. Hand- und Fingergeschicklichkeit sind für das Ertasten von Körpereigenschaften und -formen wichtig.
Ganzkörperlichkeit
Diese vereint alle genannten Punkte zu einer Einheit. Aus der Körpererfahrung entsteht Körperbewusstsein und daraus Ich- bzw. Selbstbewusstsein (Perras-Emmer, B./Atzinger, Y.: Selbstbewusstsein im Kinderalltag ...). Körpererfahrung ist stets begleitet von Gefühlen. Durch Ganzheitlichkeit, wenn alle Sinne eingesetzt und entwickelt werden, kann das Bild vom eigenen Ich am besten ausgeprägt und entwickelt werden.
Motorische Grundfähigkeiten
Diese bezeichnen ein differenziertes Kraftmaß für Umfang und Geschwindigkeit von Bewegungen, Ausdauer und ökonomischen Verlauf von Bewegung, Beweglichkeit und Präzision von Bewegungshandlungen, Schnelligkeit, Reaktionsfähigkeit, Beschleunigung und das Ausführen einer Handlung mit minimalem Zeitaufwand. Die Entwicklung erfolgt vom Gleichgewicht zur Schnelligkeit.
Koordinative Grundfähigkeiten
Sie umfassen Gleichgewichtsfähigkeit, Reaktionsfähigkeit, Rhythmusfähigkeit, Orientierungsfähigkeit, Differenzierungsfähigkeit, Kopplungsfähigkeit und Umstellungsfähigkeit. Koordinative Grundfähigkeiten sind ohne die motorischen Grundfähigkeiten nicht denkbar. "Die koordninativen Grundfähigkeiten sind zwar früher entwickelt als die motorischen Grundfähigkeiten, aber sie entwickeln sich nur auf einer angemessenen Basis motorischer Grundfähigkeiten" (Balster 2000, S. 220).
Komplexe Koordinationsleistungen
Auf der sensomotorischen Förderung baut eine umfassende und vertiefende Förderung der motorischen und koordinativen Grundfähigkeiten auf. Frühzeitige Förderung garantiert einen längerfristigen Erfolg, und Spezialisierung verlangt zunächst Vielseitigkeit. Die realistische Selbsteinschätzung des Kindes hängt von der Qualität der Beschäftigungen ab und begünstigt die Lernvoraussetzungen. Zuerst wird die Genauigkeit, dann das Tempo gefördert. Je komplexer die Bewegungen, desto bedeutsamer der kognitive Planungs- und Regulationsanteil. Bewegungshandlungen werden sprachlich begleitet, um den Bewusstseinsprozess zu unterstützen. Je kompetenter das Kind, um so größer seine Selbstständigkeit.
Nur das Körperbewusstsein verbindet das Ich-Bewusstsein mit dem Unbewussten. Im Kindergarten muss der Körper "wiederentdeckt" werden. Die in unserer Kultur leider übliche Trennung zwischen Kopf = Denken - erwünscht - und Körper = Fühlen - unerwünscht - darf es im Kindergarten nicht geben. Es gibt keinen Bewegungsraum, in dem nicht gedacht werden muss, und es darf keinen Lern- oder Denkraum ohne Bewegung geben. Die Spitze der Persönlichkeit bildet das Selbstbewusstsein, die breite Basis bilden natürliche, kosmische und körperliche Prozesse. Dazwischen liegen das Wollen mit Empfindungen, Emotionen und Gefühlen, das Denken mit Prinzipien und dem Ich. Alles zusammen ergibt eine Einheit, welche wir mit Ganzheitlichkeit bezeichnen und die zum Wohle der Kinder erhalten und gefördert werden muss.
Praktische Beispiele
Wir haben ein sogenanntes Glücksrad aus Holz - eine ca. 60 cm mal 60 cm große Holzplatte mit einer Wählscheibe und einer beweglichen Kugel darauf. Auf dieser Wählscheibe sind 12 runde Mulden, in die herkömmliche Magneten mit etwa 3 cm Durchmesser passen. So können jederzeit andere Ideen eingebaut werden. Im Kreis um die Wählscheibe angeordnet sind 12 handgroße Öffnungen mit darunter angehefteten Tastsäckchen. Die eingeschränkte eigentliche Spielidee ist es, die Wählscheibe zu drehen und die angezeigte Form in den Säckchen zu ertasten. Vorteil dabei ist, dass die nur mit den Magneten aufgesteckten Formen genau dieselben sind wie die, welche gesucht werden sollen. Damit können die Kinder sie nicht nur sehen, sondern auch sehen und tasten, um die zweite Form dann nur mit Tasten zu finden.
Wir verwenden jetzt den dazugehörigen Satz "einfache geometrische Formen": Kreis, Halbkreis, Quadrat, Rechteck, Raute, Trapez, Kreuz, Stern, Dreieck, Fünfeck, Sechseck und Achteck. Wir benennen die Formen mit ihrem richtigen Namen - auch wenn sie uns vielleicht schwer fallen, weil wir sie zu einem ungeeigneten Zeitpunkt oder von einem ungeliebten Lehrer vermittelt bekamen - für die Kinder sind dies Namen wie andere auch, und wir sollten ihnen keinen negativen Beigeschmack (auch nicht im Unterton oder gefühlsmäßig) geben.
Für die kleineren Kinder ist es etwas schwierig, auf dem Rad neben den Magneten mit den Formen in die Säckchen zu greifen, deshalb haben wir das Spiel abgewandelt:
- Die Kinder suchen die dazugehörigen Form in einer Perlenkiste.
- Die Kinder tauchen im Kugelbad nach der entsprechenden Form.
Damit das erworbene Können vertieft wird, können unsere Kinder mit Rollbrettern alle 12 Formen "erFAHREN"; um die Formen noch übertragen zu können, haben wir die Formen in ähnlicher Größe aus Teppich zuschneiden lassen (in den drei Grundfarben).
Somit können wir jetzt verschiedene Bewegungsparcours aufstellen, welche ermöglichen, die anstrengenden Tasterfahrungen in großräumige Bewegungen umzusetzen, also Anspannung mit Entspannung abwechseln lassen:
- Das Kind dreht das Glücksrad, sucht die entsprechende Form in einer Perlenkiste, läuft zum entsprechenden Teppich, legt diesen auf das dazugehörige Rollbrett und fährt diese Form dann auf einen entsprechen "Farbparkplatz" (Rhythmiktücher in den drei Grundfarben).
- Als Partnerspiel: Ein Kind wählt die Form und sucht sie im Bällebad, malt sie dem zweiten Kind mit dem Finger auf den Rücken; dieses soll dann den zweiten Part übernehmen.
- Die Form wird mit Seilen nachgelegt ...
Neben den genannten Materialien haben wir - vom Schreiner angefertigte - Holzröhren, 80 cm lang und ca. 60 cm im Durchmesser, in den Formen Quadrat, Dreieck, Rechteck, Schiefeck und "Rund" (12eckig). In diese Formen können sich die Kinder legen, sie können durch sie krabbeln und mit ihnen lange Tunnels oder Ähnliches bauen. Sie lernen diese Formen mit dem gesamten Körper kennen und erwerben Wissen, vor allem wenn sie die Formen nacheinander durchkriechen und vergleichen können. Bewegungsaufgaben stellen wir z.B. mit großen Softbausteinen in den selben Formen, welche dann auf den entsprechenden Rollbrettern transportiert und in die richtige Röhre eingeparkt werden sollen.
Bei den Rollbrettern ist zu beachten, dass die Räder wirklich der typischen Form entsprechend angebracht werden: Ein Dreieck hat ein anderes Fahrverhalten wie ein Quadrat ... Erwachsene, Schreiner und Hobbyhandwerker neigen dazu, die Räderanbringung auf quadratisch mit vier Stück oder der Sicherheitsform mit fünf Stück zu reduzieren. Ist sicher interessant, wir haben auch zwei davon. Nur dann "lernen" die Kinder etwas anderes, z.B. das Verhältnis der Holzplattenform oben zur Räderanbringung unten. Im Laufe der Zeit (und den entsprechenden Haushaltsmitteln) wird es uns hoffentlich gelingen, beide oder noch mehr Varianten anzuschaffen.
Unsere Schaukeln haben ebenfalls die runde, dreieckige, rechteckige oder quadratische Form. Wenn es möglich ist, die runde nur an einem Seil (Tellerschaukel) und die eckigen ihren Ecken entsprechend mit Seilen aufzuhängen, unterstützen sie sehr nachhaltig die Formwahrnehmung.
Wir backen Plätzchen in dreieckiger, runder, quadratischer, sechseckiger und ovaler Form, töpfern geometrische Formen, Zahlen und Buchstaben u.v.a.m., und ich glaube, es liegt in der Natur des Menschen, das zu lernen und zu verknüpfen, was seine Vorfahren bereits erfunden haben. Nur - der junge Mensch möchte es selbst und auf seine eigene Weise entdecken.
Weitere Informationen
Bild- und Videomaterial kann (gegen einen Unkostenbeitrag) angefordert werden:
Barbara Perras-Emmer, Leiterin
Städt. Kindergarten
Aschenbrennerstraße 1
92331 Parsberg
Email: immer-in-bewegung@t-online.de
Literatur
Balster, Klaus: Kinder mit mangelnden Bewegungserfahrungen, Teil 2 - Praktische Hilfen zur Förderung der Wahrnehmung und Bewegungsentwicklung. Duisburg, 2. Auflage 2000
Brüggelmann, Hans (Hrsg.): Kinder lernen anders. Lengwil am Bodensee 1998
Kamper, Dietmar/Wulf, Christoph (Hrsg.): Die Wiederkehr des Körpers. Frankfurt am Main 1982
Möller, Kornelia: Kinder und Technik. In Brüggelmann, Hans (Hrsg.): Kinder lernen anders. Lengwil am Bodensee 1998
Lowen, Alexander: Bioenergetik - Therapie der Seele durch Arbeit mit dem Körper. Reinbek bei Hamburg, 1998
Rubner, Jeanne: Vom Wissen und Fühlen - Einführung in die Erforschung des Gehirns. München 1999