Norbert Schreiber
Konzeption der Begleitstudien
Die Bundesländer Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein hatten Prof. Dr. Michael-Sebastian Honig, Abteilung Sozialpädagogik II an der Universität Trier, beauftragt, die Einführung der neuen Bildungspläne in den Kindertageseinrichtungen 2005/2006 wissenschaftlich zu begleiten. Diese drei Begleitstudien folgen einer einheitlichen Konzeption, welche den Rezeptionsprozess in den Mittelpunkt der Untersuchung stellt: Wie wurden die Bildungspläne von den Fachkräften in den Einrichtungen aufgegriffen und welche Folgen hatte das für die pädagogischen Konzepte vor Ort? Bei den Befragungen wurden zum einen die örtlichen Rahmenbedingungen (z.B. soziale Merkmale der Kinder, Qualifikation der Fachkräfte) und zum anderen die Unterstützungsleistungen zur Umsetzung des Bildungsplans (z.B. institutionelle Hilfen, Fortbildungsangebote) im Einzelnen erhoben. Die Begleitstudien befassten sich im Sinne der neuen Bildungspläne auch mit der Frage, wie die Einrichtungen mit den Eltern und der Grundschule kooperieren.
Methode und Datenbasis
Bei den Analysen zur Rezeption der Bildungspläne hatten wir mit Bezug auf unsere früheren Trierer Untersuchungen (vgl. Honig/ Joos/ Schreiber: Was ist ein guter Kindergarten? Weinheim/ München: Juventa 2004) einen Untersuchungsansatz empfohlen, der neben der Perspektive der Fachkräfte auch die Sicht der Eltern berücksichtigt. Dies ließ sich aus Kostengründen nur in Rheinland-Pfalz verwirklichen. Die Elternbefragung zu den rheinland-pfälzischen "Bildungs- und Erziehungsempfehlungen" wurde im Gegensatz zu allen anderen Erhebungen nicht schriftlich, sondern mit computergestützten Telefoninterviews (CATI) durch das Institut von Dr. Sabine Lang (Bad Dürkheim) durchgeführt. Bei den Befragungen zur Rezeption der Bildungspläne handelt es sich mit Ausnahme der Elterninterviews um Vollerhebungen, die an alle Einrichtungen in den drei Bundesländern adressiert waren. Die Stichprobe für die telefonische Elternbefragung wurde mit Hilfe der befragten Kindertageseinrichtungen gewonnen.
Rezeption der Bildungspläne
In allen drei Bundesländern befasste sich rund die Hälfte der Einrichtungen in mittlerem Maße mit dem neuen Bildungsplan. Dabei wurde der Text von allen Erzieherinnen gelesen und meistens auch im Team besprochen. Insgesamt betrachtet nahm ein Viertel der Fachkräfteteams die Bildungspläne kaum zur Kenntnis. Ein weiteres Viertel griff den Plan demgegenüber sehr intensiv auf und nutzte ihn für das eigene pädagogische Konzept. In den meisten Fällen sind dabei vorhandene Konzepte weiterentwickelt und durch neue Elemente ergänzt worden.
Unterstützung bei der Umsetzung der Bildungspläne
In allen Untersuchungsgebieten wurden vor allem die Fortbildungsangebote der Trägerorganisationen sowie die Fachberatungen bei der Einführung der neuen Bildungspläne als große Hilfe erfahren. Die Jugendämter haben nach Aussagen der Einrichtungen nur selten wesentliche Unterstützung geboten. Im Allgemeinen fühlten sich Kindertageseinrichtungen in freier Trägerschaft bei der Umsetzung der Bildungspläne stärker unterstützt als Einrichtungen öffentlicher Träger.
Fortbildung und Fortbildungsbedarf zum Bildungsplan
Insgesamt bildeten sich vier Fünftel der Fachkräfteteams in den Einrichtungen zum Bildungsplan weiter. In allen drei Bundesländern rangierten Fortbildungsmaßnahmen zur Sprachförderung sowie zu Beobachtung und Dokumentation auf den vordersten Plätzen. Rund die Hälfte der Fachkräfteteams beschäftigte sich bei ihrer Weiterqualifizierung mit der Frage, wie die Zusammenarbeit zwischen Kindertageseinrichtung und Grundschule verbessert werden könnte. Der von den pädagogischen Fachkräften frei formulierte Fortbildungsbedarf zu den neuen Bildungsplänen bezieht sich in erster Linie auf die Themen Beobachtung und Dokumentation der kindlichen Entwicklung sowie die Vermittlung mathematisch-naturwissenschaftlicher Grundlagen bei der Bildungsarbeit mit den Kindern.
Aufnahme des Bildungsplans in die pädagogischen Konzepte
Fachkräfteteams, welche den Bildungsplan sehr intensiv aufgegriffen haben, nennen deutlich mehr Schwerpunkte ihrer pädagogischen Arbeit als solche Teams, die sich kaum mit dem Plan beschäftigt haben. Bei intensiver Rezeption des Bildungsplans schenken die Einrichtungen in allen drei Bundesländern der Sprachförderung sowie der mathematisch-naturwissenschaftlichen Grundbildung in ihren Konzepten eine deutlich größere Aufmerksamkeit als allgemein üblich. Einrichtungen, die sich sehr ausführlich mit dem Bildungsplan beschäftigt haben, verfügen in der Regel nicht nur über die reichhaltigeren pädagogischen Konzepte. Sie leisten nach eigener Einschätzung bei ihrer pädagogischen Arbeit auch mehr als Einrichtungen, welche den Plan kaum zur Kenntnis genommen haben.
Zusammenarbeit zwischen Einrichtungen und Eltern
Einerseits pflegen die allermeisten Einrichtungen eine rege Kommunikation mit den Eltern der von ihnen betreuten Kinder. Andererseits gibt es zahlreiche Einrichtungen, in denen die Erziehungsberechtigten nur selten an wichtigen Entscheidungsprozessen beteiligt werden. In allen drei Bundesländern ist der Informationsstand der Eltern zu den neuen Bildungsplänen aus Sicht der Einrichtungen nicht besonders gut. Diese Einschätzung wird durch die Elterninterviews in Rheinland-Pfalz bestätigt. Viele Eltern besitzen nur vage Vorstellungen von den Zielsetzungen und Inhalten der Pläne. Im Allgemeinen sind Einrichtungen, welche den Bildungsplan sehr engagiert aufgegriffen haben, besonders offen für die Zusammenarbeit mit den Eltern.
Zusammenarbeit mit der Grundschule
Die Zusammenarbeit zwischen Kindertageseinrichtung und Grundschule ist in allen drei Bundesländern zur Zeit noch sehr ausbaufähig. Die häufigste Form der Kooperation mit der Grundschule besteht darin, mit den Lehrer/innen den Übergang der Kinder in die Schule zu besprechen. Nur wenige Kindertageseinrichtungen kommen regelmäßig mit Grundschullehrer/innen zusammen, um über die neuen Bildungspläne zu informieren und die pädagogischen Konzepte aufeinander abzustimmen. Die derzeitige Zusammenarbeit zwischen Kindertageseinrichtungen und Grundschulen wurde auch von den interviewten Eltern in Rheinland-Pfalz als verbesserungsfähig beurteilt.
Die Begleitstudien im Überblick
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Niedersachsen
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Rheinland-Pfalz
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Schleswig-Holstein
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Bezeichnung des
Bildungsplans
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Orientierungsplan für Bildung und Erziehung im Elementarbereich niedersächsischer Tageseinrichtungen für Kinder
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Bildungs- und Erziehungs-
empfehlungen für Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz
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Leitlinien zum Bildungsauftrag von Kindertages-
einrichtungen in Schleswig-Holstein
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Zielgruppe der
Befragungen
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Leitungen der
Einrichtungen
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Leitungen der
Einrichtungen
Eltern
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Leitungen der
Einrichtungen
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Befragungsmethode
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schriftlich-
postalisch
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schriftlich-
postalisch
Eltern:
Telefoninterviews
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schriftlich-
postalisch
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Befragungszeit
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2006
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2005
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2006
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Befragungsteilnehmer
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2.300
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1.310
Eltern: 1.020
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855
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Rücklaufquote: Leitungen
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56%
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53%
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52%
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Autor
Dr. Norbert Schreiber
Universität Trier
Fachbereich I - Pädagogik
Abteilung Sozialpädagogik II
54286 Trier
Tel.: 0651/201-3199 oder -2366 (Sekretariat)
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