Jugend- und Familienministerkonferenz
Beschluss auf der Sitzung der Jugend- und Familienministerkonferenz am 29./30.05.2008 in Berlin:
1. Die JFMK beschließt die in der Anlage beigefügte Kurzfassung des gemeinsamen Positionspapiers der Länder (Anlage 1) zu den folgenden sechs Themenfeldern der Kindertagesbetreuung, die als Schwerpunkte der künftigen Entwicklung angesehen werden:
1.1 Qualität der Bildungs- und Erziehungsarbeit in Kindertageseinrichtungen, insbesondere mit Blick auf Kinder unter drei Jahren
1.2 Weiterentwicklung der Bildungspläne bzw. -vereinbarungen
1.3 Entwicklung der Kindertagespflege, insbesondere im Verhältnis zur institutionellen Kinderbetreuung
1.4 Optimierung des Übergangs von der Tageseinrichtung in die Grundschule
1.5 Kooperation aller an der Bildung und Erziehung beteiligten Lernorte
1.6 Anforderungen der Abnehmerseite an Studiengänge für frühkindliche Pädagogik auf (Fach-) Hochschulniveau
2. Die JFMK betont das hohe Maß an gesamtstaatlicher Verantwortung der Länder für die Kindertagesbetreuung und lässt zugleich den notwendigen Raum für landesspezifische Entwicklungen.
Die JFMK unterstreicht die umfangreichen fachlichen Zielperspektiven, (fach-) politischen Forderungen und Handlungsempfehlungen als Grundlage für künftige Entscheidungen. Die Länder bekräftigen damit ihre Absicht, den eingeschlagenen Weg der Stärkung des Bildungsauftrags und der Qualität in der Kindertagesbetreuung erfolgreich fortzusetzen und die weitere Entwicklung auf diesem Gebiet verantwortungsvoll und zielgerichtet zu steuern.
Die AGJF wird beauftragt, die Qualitätssicherungsinitiative der Bundesregierung für den Ausbau der Kindertagesbetreuung beratend zu begleiten.
Anlage : Kurzfassung "Positionspapier zum Bildungsauftrag und zur Qualitätssicherung in der Kindertagesbetreuung"
I. Einführung
Die folgenden Beschlüsse der JMK liegen dem Positionspapier zum Bildungsauftrag und zur Qualitätssicherung in der Kindertagesbetreuung zugrunde:
In dem Beschluss zum gemeinsamen Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen am 13. und 14. Mai 2004 erteilt die JMK den Auftrag, bis 2006 eine Bewertung der Entwicklung der frühen Bildung in Deutschland vorzulegen und in diesem Zusammenhang auch die Wirkung des gemeinsamen Rahmens für die frühe Bildung darzustellen.
In dem Beschluss ein Jahr später, am 12. und 13. Mai 2005, bittet die JMK um Vorlage eines ersten Erfahrungsberichts über länderspezifische Entwicklungen im Hinblick auf die Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität in der Kindertagesbetreuung, ebenfalls bis zum Jahr 2006.
Am 18. und 19. Mai 2006 fasst die JMK einen gemeinsamen Beschluss zu den ausführlichen Berichten zur frühen Bildung und zur Qualität in der Kindertagesbetreuung sowie den beigefügten Ländersynopsen. Dazu gehört auch der Auftrag, ein Positionspapier zu den künftigen Schwerpunkten der Kindertagesbetreuung zu erarbeiten. Insgesamt werden sechs Schwerpunkte benannt. Das Papier soll 2008 der JFMK zur Beschlussfassung vorgelegt werden.
II. Zusammenfassung
In der folgenden Übersicht werden aus jedem der sechs Kapitel des Positionspapiers zentrale Aussagen sinngemäß wiedergegeben.
Kapitel 1
In den letzten Jahren findet die pädagogische Qualität in Kindertageseinrichtungen verstärkt politische Beachtung. Diese erstreckt sich auf die Ausgestaltung des Bildungsauftrags der Kindertageseinrichtungen - etwa durch die nunmehr in allen Ländern vorliegenden Bildungspläne und -vereinbarungen -, auf Fragen einer angemessenen Orientierungs- und Prozessqualität sowie auf den Einsatz von Instrumenten und Verfahren zur Evaluation der Arbeit in den Einrichtungen. Für eine zielgerichtete Qualitätssteuerung sind Qualitätskriterien und für die Praxis handhabbare Verfahren der systematischen Qualitätsentwicklung unabdingbar. Für die Steuerung von Qualität spielen neben der angemessenen Qualifizierung der pädagogischen Fachkräfte strukturelle Rahmenbedingungen, kontingente Störfaktoren (z.B. mangelhafte Kommunikation) und die Trägerqualität eine wichtige Rolle. Darüber hinaus fordert der Ausbau der Arbeit mit den unter Dreijährigen besondere Beachtung. Da dieses Feld für zahlreiche Einrichtungen vor allem in den westdeutschen Flächenländern Neuland darstellt, ist es wichtig, nicht nur auf quantitativen Ausbau, sondern auf die Sicherung einer der Altersgruppe angemessenen pädagogischen Qualität von Anfang an zu setzen. Weitgehend unbeantwortet bleibt bisher die Frage, welche Auswirkungen bestimmte Förderkonzepte und pädagogische Maßnahmen auf den Bildungserfolg der Kinder haben. Dies gilt aktuell insbesondere für die Sprachförderung. Die Entwicklung von Verfahren, die geeignet sind, den Erfolg der Bildungsförderung bei jungen Kindern zu beschreiben, ist unumgänglich - dies nicht im Sinne einer Leistungsüberprüfung bei den einzelnen Kindern, sondern zur Kontrolle der Effekte von Programmen.
Kapitel 2
Die Einführung und Verbreitung von Bildungsplänen in der Kindertagesbetreuung war ein wichtiger Fortschritt. Mit landesspezifischen Bildungsplänen wird in den meisten Ländern erstmals das pädagogische Geschehen in den Einrichtungen durch allgemein gültige inhaltliche Vorgaben gesteuert. Trotzdem darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Aufgabe, die frühe Bildung zum Wohle der Kinder und der Gesellschaft voranzubringen, bereits erledigt sei. Da ist zum einen die nach wie vor bestehende Notwendigkeit, die Bildungspläne in der Praxis zu verankern und sicherzustellen, dass sie tatsächlich allgemeine Grundlage der Arbeit in der Kindertagesbetreuung werden. Hierauf ist bei künftigen Anstrengungen ein Schwerpunkt zu legen. Die verbindlichen Eckpunkte und Grundsätze müssen dabei klar von Empfehlungen oder Anregungen zur Verbesserung der pädagogischen Praxis unterscheidbar sein. Zum anderen gilt es, die Bildungspläne inhaltlich weiterzuentwickeln. So sind ggf. die Ausführungen zu Bildung und Erziehung für Kinder unter drei Jahren und für Schulkinder in Kindertageseinrichtungen in den Bildungsplänen zu konkretisieren. Im Hinblick auf den Übergang des Kindes in die Grundschule sind an beiden Bildungsorten die Kontinuität der Bildungsbiografie und die Anschlussfähigkeit zwischen den Bereichen durch abgestimmte Maßnahmen zu sichern.
Kapitel 3
Ziel der Reformbemühungen der letzten Jahre ist es, Kindertagespflege als Teil eines qualifizierten, vielfältigen und integrierten Systems der Kindertagesbetreuung weiterzuentwickeln. Kindertagespflege bietet ein flexibles und familienähnliches Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsangebot, das das Angebot der Tageseinrichtungen als eigenständiges Angebot zur Förderung der kindlichen Entwicklung, insbesondere in den ersten Lebensjahren, ergänzt oder an deren Stelle tritt. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. Um diese Bedingungen zu erfüllen, müssen Qualitätskriterien erfüllt sein, beispielsweise die Qualifikation der Tagespflegeperson.
Die Kindertagespflege ist auf dem Weg, ein dem Angebot "Kindertageseinrichtung" gleichrangiges Angebot zu werden. Kindertagespflege ist derzeit ein sehr heterogener Bereich zwischen privater und öffentlich gesteuerter Kindertagesbetreuung, zwischen "Nachbarschaftshilfe" und "professionellem Angebot". Das Qualifikationsniveau der Tagespflegepersonen entspricht derzeit noch dieser Heterogenität. Viele Bundesländer streben einen Ausbau und die Intensivierung der Qualifizierung an.
Beim Ausbau der Kindertagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren wird die Bedeutung der Kindertagespflege zunehmen. Die bundesgesetzlich normierte Gleichrangigkeit mit der institutionellen Kindertagesbetreuung verlangt nach einer in einigen Bundesländern bereits entwickelten Strategie, die in der Kindertagespflege tätigen Tagesmütter und -väter zu qualifizieren und fachlich zu begleiten, damit diese ihren anspruchsvollen Aufgaben gerecht werden können. Dies gilt in besonderer Weise dann, wenn Kindertagespflege an die Stelle der institutionellen Kindertagesbetreuung treten soll. Findet Kindertagespflege ergänzend zur institutionellen Kindertagesbetreuung statt, können die Anforderungen an die Qualifikation der Tagespflegeperson an diese eingeschränkte Aufgabenstellung angepasst werden. Um die Bildungsansprüche der Kinder zu erfüllen, gilt es auch, die Gestaltung des Übergangs von Kindertagespflege zu Kindertagestätten zu unterstützen und, sofern noch nicht geschehen, Abgrenzungskriterien zur institutionellen Kindertagesbetreuung festzulegen, etwa im Hinblick auf die Angebotsform "Großtagespflege".
Kapitel 4
Im Sinne der Beschlüsse der JMK und der KMK über den gemeinsamen Rahmen für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen aus dem Jahr 2004 gilt es verstärkt, die gemeinsamen pädagogischen Grundlagen von Kindergarten und Grundschule - in der Fachwelt und in der Öffentlichkeit - ins Bewusstsein zu heben und im Interesse einer kontinuierlichen Bildungsbiografie des Kindes die Anschlussfähigkeit zwischen den beiden Bereichen zu gewährleisten. Basis der Kooperation sind eine gemeinsame Bildungsphilosophie von Kindergarten und Schule und gemeinsame pädagogische Ansätze beim Übergang. Pädagogische Fachkräfte in Kindergärten und Lehrkräfte sollen sich über pädagogische Konzepte, Methoden und Arbeitsweisen der Kindergärten und der Schulen abstimmen und gemeinsame Vorhaben durchführen. Damit die Kooperation gut gelingt, beziehen sie Eltern ein und bauen eine Erziehungs- und Bildungspartnerschaft auf. Unabdingbar für die Förderung eines Kindes zur Entfaltung seiner Begabungspotenziale ist die Kenntnis und pädagogische Berücksichtigung seines individuellen Entwicklungsstands und Förderbedarfs. Jedem Kind soll eine an seinen individuellen Lernpotenzialen orientierte frühzeitige Förderung ermöglicht werden. Die Erfahrungen und Vorstellungen der Eltern im Hinblick auf das Kind sind zu berücksichtigen. Der Erwerb von Deutschkenntnissen und sprachlichen Kompetenzen soll durchgängiges Prinzip vorschulischer und schulischer Bildungs- und Erziehungsarbeit sein. Kinder mit einer anderen Herkunftssprache erwerben Deutsch als Zielsprache und bauen diese aus. Für Kinder mit Behinderung bzw. drohender Behinderung und sonderpädagogischem Förderbedarf sollen frühzeitig vorschulische Möglichkeiten der Integration/ Inklusion und Fördermöglichkeiten im Schulbereich erörtert werden.
Kapitel 5
Der 12. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung sieht die Zukunftsperspektiven für ein öffentlich verantwortetes System von Erziehung, Bildung und Betreuung in der Kooperation und Vernetzung aller an dieser Aufgabentrias beteiligten Bereiche. Kinder bilden sich an vielen Orten (Familie, Kindertageseinrichtung, Kindertagespflege, Grundschule, Kinderhort, Familienbildungsstätte) und diese Lernorte sind alle in den Blick zu nehmen. Bildung ist das Produkt eines komplexen Wechselspiels der vor- und nachgelagerten und sich ergänzenden Bildungsorte, in denen sich informelle, non-formale und formale Bildungsprozesse vollziehen. Obwohl die Kooperation der Lernorte verschiedentlich auch rechtlich verankert ist, ist die Zusammenarbeit der historisch unterschiedlich entwickelten Bildungsinstitutionen weiter auszubauen. Im Mittelpunkt aller Bemühungen, die Abgrenzungen zwischen den einzelnen Lernorten zu überwinden und Kooperation zu etablieren, steht das gemeinsame Ziel, jedem Kind bestmögliche Bildung von Anfang an zu ermöglichen und Chancengerechtigkeit herzustellen. Fach- und Lehrkräfte, Eltern sowie alle an den Bildungs- und Erziehungsprozessen Beteiligten sollen sich an dem gemeinsamen Bild vom Kind als einem aktiven, kompetenten, seinen eigenen Lern- und Entwicklungsprozess gemeinsam mit relevanten Anderen ko-konstruierenden Kind orientieren, das Freude am Lernen hat und sich in einem individuellen, kulturellen und sozialen Kontext entwickelt. Alle Lernorte haben ihre jeweils spezifischen Aufgaben, gleichzeitig beeinflussen sie sich gegenseitig und partizipieren voneinander. Die Entwicklung einer tragfähigen Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit den Eltern ist dabei von zentraler Bedeutung.
Kapitel 6
Mit der Profilierung von Kindertageseinrichtungen als Bildungsinstitutionen und insbesondere durch die Einführung von Bildungsplänen sind die Anforderungen an die pädagogischen Fachkräfte deutlich gestiegen. Dies gilt insbesondere für Leitungskräfte und die Fachberatung und betrifft besondere Arbeitsfelder wie Sprachförderung, Integration behinderter Kinder, Integration von Kindern mit Migrationshintergrund sowie Vernetzung mit anderen Bildungsinstitutionen bzw. Angeboten im Sozialraum. Zukünftig sollten deshalb in den Ländern in ausreichendem Maß (Fach-) Hochschulstudiengänge mit dem Studienschwerpunkt "Frühpädagogik" eingerichtet werden. Bei deren Konzipierung sollte die Praxis der Jugendhilfe einbezogen werden. Dabei ist auch zu klären, welche Teile der Fachschul-/ Fachakademieausbildung auf das Hochschulstudium angerechnet werden. Zu klären sind des Weiteren die Vergleichbarkeit der Studiengänge und die Reglementierung des Berufszugangs bzw. der staatlichen Anerkennung von Bachelor- und Masterabschlüssen.