Barbara Perras
Am Freitagnachmittag trafen sich die Vorschulkinder und das Kindergartenteam um 15:30 Uhr auf dem Bauernhof der Familie Luber in See bei Kempfenhof/ Sulzbach-Rosenberg. Wir waren u.a. vom Kreisjugendamt Amberg-Sulzbach angeschrieben worden, in dieser Aktionswoche einen Landwirtschaftsbetrieb zu besichtigen, um den Kindern nahe zu bringen, woher unsere Lebensmittel kommen.
Nach einer freundlichen Begrüßung durch die Familie Luber wurden wir in zwei Gruppen durch den Kuhstall geführt. Zuerst sahen wir Kühe und Bullen, welche in ihren Ständen angekettet waren, dann kamen wir zu den Milchkälbern in kleinen Boxen. Die größeren Kälber sahen wir später im Freien, sie hatten einen eigenen Laufstall mit Außenanlage. Auch zwei Schweine werden von den Lubers gehalten, jedoch nur für den Eigenbedarf. In einem großen Laufstall dürfen sich die 43 Milchkühe frei bewegen, sie müssen nur zweimal täglich zum Melken "antreten", was wir später - zur üblichen Zeit - life miterlebten. In der Durchfahrt zwischen zwei Laufställen lag das Futter für die Tiere, normalerweise 1/3 Heu und 1/3 Stroh gehäckselt und mit einem weiteren Drittel Maissilo gemischt. Heute lag überwiegend Heu bereit, damit die Kinder Gelegenheit hatten, die Tiere zu füttern.
Das war eine sehr nette Geste des Junior-Landwirtes und auch seiner Eltern, welche sich sehr in die Kinder einfühlen können! Deshalb hatten sie auch Verständnis für die vielen Jungs und wenigen Mädchen, welche unbedingt vier aufeinander gestapelte Strohballen erklimmen wollten, um dann herunter zu rutschen oder sogar zu springen. Das machte Spaß! Für die technisch interessierten Kinder stand die Besichtigung des neuesten Traktors an.
Anschließend stärkten sich alle mit Kuhmilch und Butterbroten mit Schnittlauch oder Honig; für die Erzieherinnen gab es Kaffee. Einige Kinder hatten kaum Zeit zu Essen, sie konnten vom Klettern im Stroh nicht genug bekommen. Dieses Erleben und Begreifen lag ihren Bedürfnissen näher als das eher körperferne Betrachten der Tiere. Auch die Fahrt mit dem Traktor "bewegte" mehr als das eher ruhige Zuschauen beim Melken.
Immer sechs Kühe können gleichzeitig gemolken werden. Dazu kommen sie aus dem Laufstall in zwei Gassen mit je drei Ständen. Wenn die Kühe richtig stehen, werden die Stände geschlossen. Die Bäuerin macht das Euter sauber und legt die vier Sauger der Melkanlage an. Ist eine Kuh fertig, so darf sie die Gasse in der bereits eingeschlagenen Laufrichtung verlassen und kommt von der anderen Seite zurück in den Laufstall. So wird sichergestellt, dass wirklich alle Kühe gemolken werden, weil nämlich die, welche wenig Milch geben, sich vor dem Melken drücken würden.
Es war schon beeindruckend, Kühe sozusagen von unten zu sehen: Wir mussten einige Treppenstufen tiefer gehen und standen in Augenhöhe mit dem Euter. So wird die Arbeit für den Melker erleichtert. Interessant waren besonders die Klauen der Kühe; als Paarhufer läuft ein Spalt durch ihr Horn und darüber sind zwei zurückgebildete Zehen. Die Kalbinnen, das sind Kühe, welche zum ersten Mal ein Kalb geboren haben, standen sehr unruhig während des Melkvorgangs; oft gelang es ihnen, mit dem Fuß den Melkapparat abzustreifen. Sie wurden von der Bäuerin ermahnt - manchmal half dies...
Gegen 18:00 Uhr bedankten und verabschiedeten wir uns und traten zu Fuß den Rückweg von ca. 5 km zum Kindergarten an. Die Strecke verlief sehr abwechslungsreich zwischen Wiesen, Feldern und Wäldern. Etwa auf der Hälfte der Strecke wurden wir von einer Gruppe von sechs Ponys "überrascht", welche die Kinder abwechselnd ein Stück trug. Gut aufpassen mussten wir beim Kreuzen der Hauptstraßen, weil unser langer Zug das Überqueren nicht bei Grün schaffte. Als wir trotzdem weitergingen - natürlich mit Verständigung der Autofahrer -, war dies für die Kinder schwer begreiflich: Die Ponys kennen keine Verkehrsregeln und -zeichen - sie wollen nur zusammenbleiben, da sie Herdentiere sind, und deshalb wäre es viel gefährlicher, die Gruppe zu teilen und eine auf der einen Straßenseite warten zu lassen.
Zurück im Kindergarten wurden Bratwürste gegrillt und mit Semmeln und Senf oder Ketchup gegessen. Auf der gepflasterten Feuerstelle entstand nach dem Essen schnell ein kleines Lagerfeuer. Die Kinder machten mit kleinen Ästen Fackeln und probierten unter unserer Aufsicht Rauch und Feuer aus. Andere Kinder führten in der Zwischenzeit die Ponys zum Grasen.
Ein Junge bemerkte: "Heute habe ich mir schon viel zugetraut: auf hohe Strohballen klettern und runterspringen, reiten..." Die letzte und wohl wichtigste Mutprobe an diesem Tag war dann gegen 20:00 Uhr das Schlafen in den einzelnen Gruppenräumen. Einige Kinder hatten bisher nur zu Hause geschlafen, und manche von ihnen hatten nun doch Probleme. Ein Mädchen weinte, weil ein Pony auf seinen Fuß getreten war, ein Junge hatte eine kleine Brandblase am Finger. Zu guter Letzt sind doch alle eingeschlafen, und es war relativ ruhig bis Samstagmorgen gegen 8:00 Uhr.
Großen Dank unseren früh aufstehenden Mitarbeiterinnen, welche bereits Semmeln geholt und die Frühstückstische im Flur gedeckt hatten! Nach und nach kamen alle Kinder und Betreuerinnen zum gemeinsamen Frühstück. Einige Kinder brauchten sehr lange im Waschraum und kamen dann doch mit noch schmutzigem Gesicht zu Tisch! Bereits während des Essens wurden die ersten Kinder von ihren Eltern abgeholt. Die meisten haben vermutlich zu wenig geschlafen und werden dies bald zu Hause nachholen.
Ziele des gemeinsamen Übernachtens im Kindergarten sind neben der Mutprobe
- ein Gemeinschaftserlebnis als Höhepunkt der Kindergartenzeit,
- eine Art "Reifezeugnis" als Abschluss,
- ein bewusstes Abschied-Feiern, damit die Trennung leichter verarbeitet werden kann.
Für Kinder, welche zwei, drei oder mehr Jahre den Kindergarten besuchten, fällt der Abschied in jedem Fall schwer. Nach dem Eintritt in den Kindergarten und der Trennung von der Familie ist der Übergang in die Grundschule der zweite große Entwicklungsschritt, auf den wir sie im Kindergarten (hoffentlich) gut vorbereitet haben.