Morgenkreis – Ziele, Durchführung, Sprachförderung

Kathrin Eimler

Ein Morgenkreis findet in nahezu jeder Kita statt. Ob bei den Krippenkindern oder bei den „Großen“ – der Morgenkreis gehört als tägliches Ritual dazu. Er sollte - je nach Alter - länger oder kürzer gestaltet werden. Auch die Inhalte müssen auf die Interessen der Kinder abgestimmt werden. So nehmen die Kinder mit Freude an der gemeinsamen Zeit teil.

In diesem Artikel möchte ich damit befassen, warum ein Morgenkreis wichtig ist und wie und warum der Morgenkreis eine Rolle in der Sprachförderung und Sprachbildung spielt.

Welche Ziele hat ein Morgenkreis?

Der Morgenkreis als tägliches Ritual bietet den Kindern Struktur. Struktur bietet Sicherheit und Vertrautheit. Darum ist ein regelmäßiger Morgenkreis mit gleichbleibendem Ablauf wichtig, um den Kindern Sicherheit im Alltag zu bieten. Denn nur wer sich sicher fühlt, kann sich entspannen und Neues lernen. Außerdem werden durch das Spielen, Zuhören, Singen und Lesen Erfahrungen gespeichert und das Gedächtnis trainiert.

Der Morgenkreis soll Spaß machen! Mit Spaß lernt es sich ebenfalls am besten, darum darf Freude und auch mal Quatsch machen nicht fehlen.

Der Morgenkreis stärkt die Gemeinschaft der Kinder. Durch gemeinsame Aktionen im Morgenkreis agieren die Kinder miteinander, sie nehmen sich gegenseitig wahr und erleben sich als Gruppe.

Der Morgenkreis vermittelt soziale Kompetenzen: Zuhören, aufeinander hören, gemeinsam etwas machen und sich in Interaktion erleben. Die Kinder nehmen sich gegenseitig bewusst wahr, wodurch der Respekt voreinander gefördert wird.

Der Morgenkreis stärkt das Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen jedes einzelnen Kindes. Jedes Kind wird bei der Begrüßung bewusst wahrgenommen. Das Kind merkt durch den wiederkehrenden Ablauf, dass es etwas kennt, nämlich Lieder und Spiele. Es kann mitmachen, erlebt sich selbstwirksam und traut sich etwas zu.

Der Morgenkreis kann zur Wissensvermittlung genutzt werden. Neue Themen und Impulse werden mit den Kindern besprochen, denn morgens sind die Kinder noch ausgeruht und aufnahmefähiger als zu einem späteren Zeitpunkt am Tag.

Der Morgenkreis motiviert die Kinder zum Sprechen, Singen und sich bewegen. Alles das ist wichtig für die Sprachbildung und Sprachförderung.

Vorbereitung und Durchführung eines Morgenkreises

Der Morgenkreis kann als Stuhlkreis oder Sitzkreis auf dem Boden stattfinden. Wenn Sie den Morgenkreis auf dem Fußboden durchführen, stellen Sie jedem Kind ein Sitzkissen, eine Teppichfliese o. Ä. zur Verfügung. So hat jedes Kind seinen festen Platz, was Unruhe vorbeugt. Wenn der Morgenkreis auf dem Fußboden stattfindet, hat das den Vorteil, dass die Gruppe nicht umgeräumt werden muss.

Ich habe es oft erlebt, dass Gruppen morgens einen Sitzkreis auf dem Boden machen und bei besonderen Anlässen, wie z. B einer Geburtstagsfeier, einen Stuhlkreis stellen. So lernen die Kinder beides kennen. Schaffen Sie eine einladende Atmosphäre. Dimmen Sie das Licht, dekorieren Sie den Kreis mit einem Bodentuch, Gegenständen zum Thema, Kerzen o. Ä. In einer Wohlfühlatmosphäre können sich die Kinder besser entspannen und konzentrieren.

Legen Sie Material, das Sie brauchen, bereit. Das vermeidet unnötiges Aufstehen, was wiederum Unruhe in den Kreis bringt. Läuten Sie den Morgenkreis rechtzeitig ein. Mit einer Klangschale, einem Glöckchen oder einem Lied kündigen Sie den Kindern an, dass in ein paar Minuten der Morgenkreis startet. So haben die Kinder Zeit, ihre Beschäftigung zu beenden und in Ruhe anzukommen. Vielleicht können Sie auch hier schon ein Kind mit einbeziehen, das z. B. das Glöckchen klingeln darf.

Das Mitmachen im Morgenkreis sollte freiwillig bleiben. Manche Kinder möchten nicht mitmachen, sondern nur zugucken. Gerade bei neuen Kindern ist das zu beobachten. Geben Sie den Kindern Zeit, sich mit den Ritualen und Abläufen vertraut zu machen.

Gestalten Sie die Morgenkreise bunt, spannend und abwechslungsreich, dann sind die Kinder schnell motiviert, dabei zu sein. Seien Sie selbst motiviert und überzeugt von dem, was Sie machen. Dann wird der Funke schnell auf die Kinder überspringen. Auch neue Themen und Inhalte können Sie den Kindern so einfacher vermitteln.

Im Morgenkreis sollte es Regeln geben. Die Kinder sollen sich gegenseitig zuhören und ausreden lassen. Es sind alle eingeladen, mitzumachen, aber keiner wird gezwungen. Der Morgenkreis sollte eine gleichbleibende Struktur haben. Das schafft Sicherheit. Beginnen Sie den Morgenkreis mit einem gemeinsamen Lied, Spruch oder Fingerspiel. Diese Wiederholung bietet Orientierung.

Nennen Sie in dem Begrüßungslied die Namen der Kinder oder sehen sie anschließend nach, wer alles da ist. Dabei dürfen auch die Kinder mithelfen. Fehlt heute jemand? Wer ist es? So können die Kinder hier schon aktiv mit einbezogen werden und jedes Kind wird bewusst wahrgenommen.

Anschließend ist Zeit für Lieder, Spiele, Geschichten und Erzählrunden. Auch Ideen, Wünsche und Anliegen der Kinder haben nun ihren Raum. Planen Sie den Morgenkreis, aber reagieren Sie flexibel, wenn die Kinder Einfälle haben. Denn auch hier gilt: Woran ich Spaß habe, lerne ich am meisten.

Sie können eine Morgenkreiskiste gestalten. Die Morgenkreiskiste ist gefüllt mit Liedern, Geschichten, Bewegungsgeschichten, Spielliedern, Kreisspiele, Mitmachgedichten, Rätseln, Fingerspielen, Klanggeschichten, Klatschspielen und auch Entspannungsideen. Die Kinder können hier etwas auswählen, das gemeinsam gespielt werden soll. Sie können die Kiste kann thematisch packen, wenn Sie ein besonders Thema (Farben, Märchen, Wald…) in der Gruppe haben oder neue Impulse in die Gruppe geben möchten.

Der Morgenkreis ist oft die einzige Zeit am Tag, in der die ganze Gruppe zusammen ist. Besprechen Sie daher, was an dem Tag noch anliegt. Gibt es Angebote, Feiern, Spaziergänge? Das kann jetzt geklärt werden. Beenden Sie den Morgenkreis mit einem Spruch oder Lied, das genau wie das Begrüßungslied, bekannt ist und als Ritual wiederkehrt.

Sprachbildung und Sprachförderung im Morgenkreis

Im Morgenkreis erleben die Kinder ganz viel Sprache: sie hören zu, erzählen selbst, singen, spielen, bewegen sich und sind aktiv. Das sind wichtige Punkte, um die sprachlichen Kompetenzen der Kinder zu stärken, den Wortschatz zu erweitern und zu festigen und die Sprechfreude anzuregen.

Im Folgenden möchte ich einige Punkte kurz skizzieren.

Sie begrüßen die Kinder und reden im Morgenkreis über verschiedene Themen. Allein das Zuhören fördert die Kinder. Die Kinder nehmen Laute und die Sprachmelodie wahr, sie hören grammatikalische Strukturen und viele Wörter. Der Wortschatz wird erweitert und Begriffe prägen sich ein. Sie merken an dieser Stelle, warum das Wiederholen von Liedern und Spielen wichtig ist. Durch Wiederholungen können sich die Kinder Wörter besser merken und verinnerlichen. Ihr Wortschatz wächst und die grammatikalischen Strukturen festigen sich.

Wenn sie gemeinsam singen, hören die Kinder Melodien und singen mit. Gerade Kindern, die deutsch nicht als Muttersprache haben, fällt das Singen leichter als zu sprechen, weil in Liedern die Melodie vorgegeben ist. Jede Sprache hat eine eigene Sprachmelodie, die gelernt werden muss. Lieder geben eine Melodie vor, die durch verschiedene Strophen wiederholt wird. Dadurch fällt es vielen Kindern leichter, zu singen als zu sprechen. Auch Kinder, die nicht gerne reden, singen oft mit. Singen an sich motiviert, die Kinder müssen hier nicht allein vor der Gruppe sprechen. Dadurch, dass sie mitsingen, aktiv sind und sich selbst erleben, wird ihr Selbstbewusstsein gefördert, wodurch sie sich dann bald trauen, vor der Gruppe zu sprechen.

Beliebt bei Kindern sind Bewegungsgeschichten. Sie lesen eine Geschichte vor und begleiten diese mit Bewegungen. Die Kinder verfolgen den Text und verinnerlichen durch die Bewegung das entsprechende Wort. Wenn es z. B. in der Geschichte heißt: „Wir gehen auf die Wiese“ - gehen dabei alle auf der Stelle. Das Kind verbindet das Wort „gehen“ mit der Bewegung „auf der Stelle gehen“ und erkennt die Bedeutung des Wortes. Durch das Verbinden von Wörtern mit Bewegungen finden wichtige Verknüpfungen im Gehirn statt. Darum kann man Sprache am besten mit Bewegungen lernen.

Das gleiche gilt für Lieder mit Bewegungen. Auch Fingerspiele zählen in diese Kategorie. Bei Geschichten, Reimen und Liedern, in denen es um Körperteile geht, findet das Lernen auf die gleiche Weise statt. Sie kennen alle das Lied: „Kopf und Schulter, Knie und Fuß“. Beim Singen berühren Sie die entsprechenden Körperteile. Das Lied macht mit Bewegungen natürlich mehr Spaß, durch das Berühren der Körperteile lernen die Kinder aber auch die Begrifflichkeiten kennen. Das Sprachverständnis wird gefördert und der Wortschatz erweitert. Wenn Sie das Lied dann noch schneller oder langsamer singen, wird die Motivation mitzumachen erhöht. Die Wörter werden wiederholt und somit gefestigt.

Hier kommt auch der Quatsch ins Spiel. Kinder mögen Quatschgeschichten, in denen Wörter falsch sind. Sie hören der Geschichte zu und lachen, wenn sie falschen Wörter hören. Wortschatz und Sprachverständnis werden hier trainiert.

Kinder lieben Rätsel. Rätsel sind oft in gereimten Versen geschrieben. Reime sind ebenfalls wichtig für die Sprachentwicklung. Die Kinder lauschen hier gespannt den Worten. Sie hören gleiche Laute und nehmen unterschiedliche Laute wahr. Das ist unerlässlich für das spätere Lesen- und Schreibenlernen.

Auch Verse und Geschichten, in denen die Kinder rhythmisch ihren Körper abklopfen, finden Kinder toll. Hier hören und spüren sie Silben. Das Silbenerkennen ist wichtig, um beim Lesenlernen einzelne Wörter erfassen zu können. Sie fördern hier wichtige Vorläuferfertigkeiten, die die Kinder in der Schule brauchen werden.

Wenn Sie „nur“ ein Buch oder eine Geschichte vorlesen, hören die Kinder Wörter und grammatikalische Strukturen. Sie fördern die Konzentration, die wiederum wichtig ist, um Neues zu lernen. Wenn die Geschichte beendet ist, sprechen Sie mit den Kindern über die Geschichte und regen sie so an, aktiv die Sprache zu nutzen.

Fazit

Sie merken, im Morgenkreis findet ganz viel Sprachförderung statt. Durch Geschichten und Lieder hören die Kinder neue Wörter, die Sprachbildung wird angeregt.

Die Wiederholungen festigen den Wortschatz. Wenn die Kinder die Lieder und Spiele kennen, machen sie motivierter mit und beteiligen sich aktiv. Im aktiven Sprechen lernen die Kinder am meisten. Mit der Sprache ist es wie im Sport: Wer aktiv ist und übt, wird es schaffen, die Hürden zu überwinden.

Buchtipp

Wenn Sie neue Impulse für den Morgenkreis suchen, möchte ich Ihnen folgendes Buch empfehlen. „Sprache spielend entdecken – Praxisideen für die Kita und zu Hause“

In diesem Buch finden Sie in fünf Kapiteln zahlreiche Bewegungsgeschichten, Mitmachgedichte, Lieder, Geschichten zur Körperwahrnehmung, Quatschgeschichten und Rätselreime.

Alle Praxisideen sind ohne Material durchführbar, Impulse zur Vertiefung sind gegeben und weitere Tipps für sprachförderliches Verhalten.

Bewegen, hören, singen und spüren – im Morgenkreis, in Kleingruppen oder einfach mal zwischendurch geeignet. Schauen Sie gerne einmal rein!

Über die Autorin

Kathrin Eimler ist freiberufliche Autorin und verfasst Beiträge für Praxiswerke eines Kita-Fachverlages. Sie hat über 20 Jahre in Kindertagesstätten mit Kindern von 0-6 Jahren gearbeitet und war zuletzt für das Bundesprogramm „Sprachkitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ tätig. Die Autorin hat bisher zwei Bücher mit Vorlesegeschichten und ein Bilderbuch veröffentlicht. Weitere Infos und Kontaktdaten: https://kathrin-eimler.de/

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