Barbara Perras
Am Freitag besuchten wir mit allen Kindern, die an diesem Tag bereits fünf Jahre alt waren, das Theater - Salz und Pfeffer - im Kali in Nürnberg. Wir trafen uns am Bahnhof in Eschenau und fuhren mit dem Zug bis zum Nordbahnhof. Dort stiegen wir in die U-Bahn um. Am Opernhaus war für uns Endstation. Bei Sonnenschein machten wir auf den Bänken vor dem Stadttheater Brotzeit. Zu Fuß ging es weiter zum Theater im Kali. Da wir etwas früh dran waren, mussten wir noch eine Runde an der Stadtmauer bummeln.
Das Theatergebäude ist ein Eckhaus an einer stark befahrenen Kreuzung. An einer Glastüre wurden wir von einem Mann und einer Frau in etwas eigentümlicher schwarzer Kleidung empfangen. Im Vorraum mit Tischen und Hockern und einer Cafebar hatten wir noch die Gelegenheit, etwas zu trinken und - noch wichtiger - ein letztes Mal vor der Vorstellung auf die Toilette zu gehen. Eine zweite, etwas kleinere Kindergartengruppe stieß zu uns.
Mit einer Glocke wurden wir auf den Einlass in den Theaterraum aufmerksam gemacht. Der schwarz gekleidete Mann wies die Kinder auf die rot gepolsterten Sitzbänke, die Erwachsenen nahmen auf Kinostühlen in der letzten Reihe Platz. Die Beleuchtung wurde zurückgedreht, so dass das Licht und unser Augenmerk auf eine schwarze einfache Bühne fielen. Im Mittelpunkt stand ein Ballwagen mit Seitengittern, so wie wir ihn aus dem Sportunterricht kennen. Dahinter, von ihm verdeckt, befanden sich noch einige Puppen und Utensilien.
Die beiden Theaterspieler begrüßten uns: "Grüß Gott". Keiner antwortete. Sie versuchten es noch einmal: "Guten Tag." Wieder keine Reaktion. Im fränkischen Dialekt stellten sich beide vor, und plötzlich schienen sie zu vermuten, dass wir sie nicht verstehen würden. Mit Kreide zeichnete die Frau einen Kreis auf den Boden, der Mann ein Rechteck. In diese Formen stellten sie sich jetzt und auch später, wenn sie uns in hochdeutscher Sprache etwas erklärten oder erzählten.
Zunächst begann die Frau das Stück, indem sie eine etwa 50 cm große Biegepuppe, welche selbst auf einem Sockel stehen blieb, auf die improvisierte Bühne stellte: auf zwei Bretter auf dem Ballwagen. Sie stellte uns die Puppe vor: Sie hieß Dagmar. Dagmar lackierte sich die Fingernägel, sie wollte an diesem Nachmittag mit ihrer Freundin ins Kino gehen...
Die Handlung wechselte von einer Erzählung in ein Puppenspiel, und zwischendurch spielte die Frau selbst kurz die Rolle der Puppe. Dadurch war das Spiel sehr lebhaft, und es ähnelte sehr dem Rollenspiel der Kinder. Das Stück ist gleichzeitig auch ein Mitmachtheater, und so wurden nicht nur die Fingernägel von Dagmar und die der Theaterspielerin Wally lackiert - auch ihr Partner Paul und einige unserer Kindergartenkinder bekamen einen farbigen Fingernagel.
Paul hatte in der Zwischenzeit auf einem Koffer einen Kuchen zerteilt und den kleinen Zuschauern Stücke angeboten. Das Stück nahm seinen Lauf. Dagmar durfte nicht ins Kino, sie musste auf Anweisung der Mutter mit ihrem kleinen Bruder Berti zum Spielplatz. Der für Dagmar sehr anstrengende Weg dorthin wurde von Wally erzählt. Auf dem Spielplatz - auf den Brettern des Ballwagens - nervte Bertie weiter: "Dada Lade haben..." Diese Szene spielte Wally wieder als Dialog zwischen den beiden Puppen. Dagmar wünschte schließlich ihren kleinen Bruder zum Mond. Und prompt kam ein Vogel aus der Tasche von Paul und zog die Zuschauer ins Stück mit ein... (Das Theaterstück ist so sehenswert, dass ich hier nicht mehr verrate!).
Die Kinder wurden noch stärker beteiligt: Ein Ball flog zwischen der Bühne und den Zuschauern hin und her. Zunächst von den Schauspielern leer in die Luft gehaltene Hüte wurden mit Kindern "besetzt". Mit Bewegung und Sprache wurde erzählt, mit Puppen gespielt, durch die Theaterspieler dargestellt, mit Kreide auf den Boden gezeichnet. Der Ballwagen unter dem Bühnenbrett war einmal ein Kanal, dann eine Wurstbude und ein Fundbüro, und zuletzt ein Straßenbahnwagen.
Dieses Mitmachstück griff das Als-Ob-Spiel der Kinder auf, welches besonders an der Entwicklung des Denkens beteiligt ist. Mit dem Wechsel verschiedener Methoden entstanden unterschiedliche Spannungssequenzen, welche die Kinder immer am Spiel beteiligt sein ließen. Mit einfachen Puppen und Utensilien, aber auch durch die Erzählungen zwischendurch, wurde die Fantasie der Kinder angeregt. Die Kunst des Theaterspielens wurde ihnen auf gekonnte Weise nahe gebracht. Sie erlebten 45 Minuten eine Unterhaltung, welche gegensätzlicher zur perfekten Darstellung aller Bilder im Fernsehen nicht sein könnte.
Für uns war es zwar die erste, aber sicher nicht die letzte Vorstellung in diesem Theater. Und wir werden kein Jahr bis zum nächsten Theaterausflug verstreichen lassen!