Ulrich Braun
In der Stadt Recklinghausen besteht seit vielen Jahren ein Modell der Zusammenarbeit von Kindertageseinrichtungen mit Kinderärzten. Gemeinsam wurden zunächst die Erzieherbeobachtungsbogen für die Vorsorgeuntersuchungen U8 und U9 im Arbeitskreis "Initiative seelisch gesundes Kind" entwickelt - zusammengesetzt aus Vertretern des Kreisgesundheitsamtes, verschiedenen Trägern von Tageseinrichtungen für Kinder, Personal aus Tageseinrichtungen, Erziehungsberatungsstelle, Elternvertretern, Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten und Kinderärzten. Die Initiative wurde durch das Gesundheitsamt des Kreises Recklinghausen organisatorisch und fachlich sehr unterstützt.
Auf Initiative des Arbeitskreises wurde zunächst ein Pilotprojekt zur Früherkennung psychischer Verhaltensauffälligkeiten durchgeführt. 75% aller Tageseinrichtungen für Kinder in Recklinghausen beteiligten sich an dem Modellprojekt, darunter alle städtischen Tageseinrichtungen für Kinder. Die Erzieherinnen in den Tageseinrichtungen für Kinder füllten einen Beobachtungsbogen zur Vorlage bei den Vorsorgeuntersuchungen U8 und U9 aus, den die Eltern freiwillig an den Kinderarzt weiterreichten und nach der Untersuchung zurückerhielten. In dem halbjährigen Pilotprojekt hat sich der Beobachtungsbogen als aussagekräftiges Instrument und das Verfahren als praktikabel und sehr effizient erwiesen.
Der Beobachtungsbogen im Rahmen des Pilotprojektes bezog sich auf die Früherkennung psychischer Verhaltensauffälligkeiten, die im Rahmen einer ärztlichen Untersuchung im Rahmen der U8 bzw. U9 nur unzureichend diagnostiziert werden konnten. Im Anschluss an das Pilotprojekt wurde aus dem Bereich der Tageseinrichtungen für Kinder darauf hingewirkt, dass die Gelegenheit, dem Kinderarzt Mitteilungen über die Entwicklung des Kindes geben zu können, umfassender verstanden werden soll. Der Beobachtungsbogen wurde daraufhin um die Bereiche "Soziale Kompetenz", Fein- und Visuomotorik, Bewegungsablauf/ Körperkoordination und Konzentration erweitert. Im Laufe der Jahre wurden mehr als 3.000 anonymisierte Erzieherbeobachtungsbogen durch Prof. Dr. Esser, Universität Potsdam, wissenschaftlich ausgewertet.
Die Kommunikation zwischen Kinderärzten und Kindertageseinrichtungen hat sich durch die Einführung der Beobachtungsbogen deutlich verbessert. Die Mitarbeiterinnen in Kindertageseinrichtungen fühlen sich in ihren Beobachtungskompetenzen ernst genommen, und die Erfahrungen, die tagtäglich in einer Tageseinrichtung für Kinder mit Kindern gesammelt werden, können anderen Hilfeinstitutionen bereit gestellt werden.
Der Ausbau der Plätze für Kinder unter drei Jahren führte zur Entwicklung eines Erzieherbeobachtungsbogens für die U7 und U7a. Mit der Einführung dieses neuen Erzieherbeobachtungsbogens beendete der Arbeitskreis "Seelisch gesundes Kind" seine Arbeit.
Der Erzieherbeobachtungsbogen ist geeignet, als standardisiertes Beobachtungsinstrument regelmäßig eingesetzt zu werden. Alle städtischen Tageseinrichtungen für Kinder sowie sehr viele Kindertageseinrichtungen freier und kirchlicher Träger in Recklinghausen und vielen Städten des Kreises Recklinghausen haben die Beobachtungsbogen als Standard eingeführt. Allen Eltern, deren Kinder im Alter der Vorsorgeuntersuchungen U7, U8 oder U9 sind, wird ein Beratungsgespräch angeboten, in dem ihnen Informationen über die Entwicklung ihres Kindes auf der Grundlage des Beobachtungsbogens mitgeteilt werden und ihnen der Beobachtungsbogen überreicht wird.
Inzwischen haben die Erzieherbeobachtungsbogen eine weite Verbreitung gefunden. Der BKK-Bundesverband und der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte haben 2007 ein Projekt in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und dem Saarland gestartet. www.fitvonkleinauf.de/kitavorsorgebogen enthält Materialien und Unterlagen zur U8 und U9.
Der Beobachtungsbogen zu U7 und U7a ist im Netzwerkbüro für Familienzentren in Recklinghausen - auch als PDF-Datei - erhältlich.
Die Bedeutung einer guten Zusammenarbeit von Kinderärzten und Kindertageseinrichtungen wird unterstrichen durch die Aufnahme dieser Zusammenarbeit in die Kriterien zur Zertifizierung als "Familienzentrum NRW". Dort heißt es "Das Familienzentrum sorgt dafür, dass die Inanspruchnahme von U-Untersuchungen und die Zusammenarbeit mit Kinderärzten und Kinderärztinnen durch gezielte Maßnahmen gefördert werden" (A 1.8).
Literatur
Maier, Anke/Lange, Sabine/Horacek, Ulrike/Weinrich, Dirk/Esser Günter: Psychische Störungen und Entwicklungsauffälligkeiten früher erkennen mit neuem Kita-Vorsorgebogen. In: Kinder- und Jugendarzt. Zeitschrift des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte 2007, 38 (3), S. 140-141.