Entwicklungsbeobachtung und -dokumentation für Kinder von 0-3 Jahren mit MONDEY(Milestones of Normal Development in Early Years)

Sabina Pauen und Lena Ganser

MONDEY ist ein Programm zur Beobachtung und Dokumentation frühkindlicher Entwicklung von null bis drei Jahren. Es wurde konzipiert, um Personen, die im Alltag viel mit Säuglingen oder Kleinkindern zu tun haben, bei der Wahrnehmung und Protokollierung von Entwicklungsfortschritten einzelner Kinder zu unterstützen.

Im folgenden Artikel werden nach einer kurzen Darstellung der besonderen Relevanz von genauer Entwicklungsbeobachtung das MONDEY Programm, sein Aufbau und seine Anwendungsmöglichkeiten in der Praxis dargestellt.

Warum Entwicklungsbeobachtung?

Jede gute Förderung beginnt mit einer genauen Beobachtung. Wenn man Kleinkinder in ihrer Entwicklung unterstützen will, muss man als erstes lernen, einen Schritt zurückzutreten und genau hinzusehen.

  • Was kann das Kind schon?
  • Mit welchen Entwicklungsaufgaben ist es gerade beschäftigt?
  • Womit hat es noch Schwierigkeiten?
  • Welcher Schritt steht als nächstes an?

Erst wenn diese Fragen präzise genug beantwortet sind, besteht die Chance herauszufinden, wie man dem Kind dabei behilflich sein kann, die Welt zu entdecken und zu verstehen.

Der russische Pädagoge Wygotski (1934) spricht in diesem Zusammenhang von der Zone der proximalen Entwicklung und meint die Entfernung zwischen dem, was ein Kind von alleine kann, und dem, was es bei geeigneter Unterstützung selber zu leisten imstande ist. Das Kind bleibt Akteur seiner Entwicklung - nur Schritte, die es selbstständig macht, bringen es weiter. Trotzdem findet jede Entwicklung nach Wygotski in einem bestimmten Kontext statt, und folglich ist es auch bedeutsam, welche Anregungen und welches Umfeld Erwachsene dem Kind bieten.

Das gilt in besonderer Weise für die frühe Kindheit. Denn in keiner Phase des Lebens hat der Mensch weniger Einfluss auf die Gestaltung seiner Umwelt als in der Säuglings- und Kleinkindzeit. Erwachsene bestimmen, was ein Kind wahrnimmt und erlebt; sie entscheiden, wann das Kind etwas zu essen bekommt oder schlafen soll, welche Spielzeuge zur Verfügung stehen, wann Zeit für gemeinsames Spiel ist und was das Kind schon alleine machen darf. Anregungen von außen werden dabei umso eher aufgegriffen, je besser sie den individuellen Bedürfnissen und dem eigenen Entwicklungsstand angepasst sind. Nur wer das Kind in diesen Aspekten genau wahrnimmt, kann es mit passenden Anregungen zur passenden Zeit in seiner Entwicklung unterstützen.

Aus diesen einfachen Überlegungen ergibt sich zwingend der Schluss, dass jede gute Frühförderung mit einer genauen Beobachtung beginnt. Auch wenn sich das zunächst leicht anhört - Beobachtung ist eine höchst anspruchsvolle Tätigkeit, die sowohl Wissen als auch Erfahrung voraussetzt.

Wer nicht weiß, worauf er achten soll, hat es schwer, Wichtiges zu entdecken.

Ein Kind bewegt sich, es nimmt wahr und es denkt. Es kommuniziert mit anderen und geht Beziehungen ein. Außerdem reguliert es seine Körperzustände und Gefühle. All das passiert gleichzeitig. Um diese komplexen Verhaltenssignale entschlüsseln zu können, braucht man zunächst eine Systematik, die unterschiedliche Lebens- und Fähigkeitsbereiche unterscheidet. Wenn man sich als Beobachter z.B. auf die Motorik konzentriert, kann man die anderen Bereiche für kurze Zeit ausblenden. Das begrenzt die Menge der Aspekte, auf die man gleichzeitig achten muss, und hilft, in dem fokussierten Bereich keine wichtigen Details zu übersehen. Noch leichter wird die Beobachtung, wenn man auf ganz bestimmte Verhaltensweisen achtet, die im alltäglichen Umgang häufig auftauchen und von denen bekannt ist, dass sie wichtige Hinweise auf den Entwicklungsstand eines Kindes geben.

Nur wer Beobachtungen ordnet, weiß, welche Entwicklungsschritte aufeinander aufbauen.

Jede Kompetenz, die ein Kind zeigt, ist eingebettet in eine ganz bestimmte Lerngeschichte. Oft sind die Entwicklungsschritte, die man in einem Bereich beobachten kann, logisch aufeinander aufgebaut. So ist es unmittelbar einsichtig, dass ein Kind zuerst lernen muss, sich auf seine beiden Beine zu stellen (und dort stehen zu bleiben), bevor es selbstständig laufen kann. Indem man einzelne Kompetenzen in eine Rangordnung bringt, kann man auf der Basis der aktuellen Beobachtung oft vorhersagen, welche Entwicklungsaufgabe als nächstes ansteht.

Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Um alleine sitzen zu können, muss ein Kind erst seine Rückenmuskulatur stärken. Das erkennt man u.a. daran, ob es sich im Liegen auf den Armen aufstützen und längere Zeit in dieser Position aufrecht halten kann. Vorher macht es wenig Sinn (oder ist sogar schädlich), das Kind alleine irgendwo hinzusetzen. Es wird umkippen oder in sich zusammensacken. Schafft ein Kind es jedoch, auf dem Schoß zu sitzen, und lehnt es sich dabei von selber nach vorne, so kann man ihm durchaus auch zutrauen, das Alleine Sitzen auszuprobieren. Die Kenntnis der Gründe für eine bestimmte Reihenfolge, in der Fähigkeiten auftauchen, hilft Erwachsenen, Lernkontexte mit passendem Anspruchsniveau für die Kinder zu schaffen.

Gerade in den ersten Lebensjahren entwickeln Kinder ihre Kompetenzen in einzelnen Bereichen mit sehr unterschiedlichem Tempo (vgl. z.B. Largo 2000). Während manche Kinder erst mit 1,5 Jahren alleine laufen können, zeigen andere das gleiche Verhalten schon mit elf Monaten (Griffith 2001). Einige Kinder sind schon mit 1 Jahr trocken, während andere noch mit drei Jahren in die Hose machen (Largo et al. 1996). Altersnormen erlauben es uns einzuschätzen, ob ein beobachtetes Verhalten noch normal ist. Auch für die Beurteilung, ob das Verhalten früh oder spät auftaucht, sind sie nützlich. Aber sie helfen nicht dabei vorherzusagen, vor welcher Entwicklungsaufgabe ein konkretes Kind gerade steht. Folglich sind sie auch nur bedingt nützlich, wenn man überlegt, welcher Entwicklungskontext für das Kind aktuell besonders förderlich sein könnte. Hier bringt das Wissen über die Reihenfolge, in der Kompetenzen auftauchen, mehr als Wissen über das typische Alter, in dem eine bestimmte Fähigkeit zu beobachten ist.

Über Beobachtungen mit anderen zu sprechen, hilft, das Kind richtig einzuschätzen.

Jeder Mensch hat eine ganz individuelle Perspektive auf ein Kind. Nicht selten verzerren eigene Wünsche oder Vorstellungen die Beobachtung, und es kommt zur Über- oder Unterschätzung von Kompetenzen. Was ein Kind schon kann und was noch nicht, ist oft Interpretationssache. Je klarer definiert ist, um welche Verhaltensweise es gerade geht, desto besser kann es gelingen, sich über den tatsächlichen Entwicklungsstand eines Kindes zu verständigen. Fallen Abweichungen auf (z.B. zeigt das Kind eine bestimmte Kompetenz nur zuhause und nicht in der Kita oder umgekehrt), kann diese Beobachtung wichtige Anregungen für eine Diskussion über die Gründe für diese Diskrepanz geben. Solange das Verhalten selber nicht genau definiert ist, ist eine solche Verständigung nicht möglich.

Was ist MONDEY?

MONDEY steht für "Milestones Of Normal Development in Early Years" (Meilensteine der normalen Entwicklung in den frühen Jahren). Es handelt sich um ein Programm zur Beobachtung und Dokumentation der frühkindlichen Entwicklung, das im Rahmen des Jacobs-Pauen Projektes an der Universität Heidelberg konzipiert wurde. Die Jacobs Foundation hat das Projekt finanziell unterstützt, und Frau Prof. Sabina Pauen hat das Konzept entworfen. MONDEY richtet sich an alle, die mit der Betreuung von Kindern unter drei Jahren zu tun haben und möchte sie bei der Wahrnehmung und Beschreibung von Entwicklungsfortschritten unterstützen.

Im Gegensatz zu in der Psychologie üblichen Entwicklungstests (z.B. BSID-III [Bayley 2006], Denver Entwicklungsskalen [Flehmig/ Schloon/ Uhde/ Bernuth 1973], ET 6-6 [Petermann/ Stein/ Macha 2006], die nur von speziell geschulten Personen mit großem zeitlichem Aufwand durchgeführt werden können, erfordert die Anwendung von MONDEY keine speziellen Fachkenntnisse. Alles, was man braucht, um mit MONDEY umgehen zu können, ist die Bereitschaft, sich Zeit für die Beobachtung eines gegebenen Kindes zu nehmen und seine Entwicklung mit offenen Augen zu begleiten.

Auch wenn MONDEY nicht als "Test" gedacht ist, kann es in der Praxis oder Forschung durchaus als Instrument zur Erfassung des allgemeinen Entwicklungsstandes verwendet werden, sobald umfassende Normen vorliegen und die Gütekriterien ermittelt wurden. Ein zentrales Anliegen des Jacobs-Pauen-Projektes für die nächsten Jahre besteht darin, eine internationale Normstichprobe aufzubauen und dafür Daten zu sammeln. MONDEY wird aus diesem Grund nach einer ersten Erprobungsphase in verschiedene Sprachen übersetzt und auf einer Internetplattform unter www.mondey.de für alle Interessierten auf der Welt zur Verfügung gestellt werden. Menschen, die ihre Beobachtungsdaten an uns übermitteln, können auf diese Weise bei der Erstellung der Normstichprobe helfen.

Neben der Beurteilung des allgemeinen Entwicklungsstandes ist auch die gezielte Betrachtung einzelner Entwicklungsdimensionen möglich. Das ergibt sich aus der Struktur des Beobachtungsinstrumentes.

Wie ist MONDEY aufgebaut?

MONDEY enthält eine Beschreibung vieler einzelner Verhaltensweisen, die man bei Kindern der interessierenden Altersgruppe im Alltag beobachten kann. Diese Verhaltensweisen beziehen sich auf acht wichtige Entwicklungsbereiche. Sie wurden nach dem Kriterium ihrer Bedeutsamkeit für die Bewältigung zentraler Entwicklungsaufgaben in den ersten Jahren ausgewählt und besitzen kulturübergreifende Relevanz. Dazu gehören: Grobmotorik, Feinmotorik, Wahrnehmung, Denken, Sprache, soziale Beziehungen, Selbstregulation und Gefühle (siehe Abb. 1).

Obwohl MONDEY auch Entwicklungsbereiche anspricht, die eng mit der Persönlichkeit eines Kindes in Zusammenhang stehen (z.B. die Fähigkeit zur Selbstregulation oder der Umgang mit Gefühlen), ist das Ziel nicht, Temperamentseigenschaften zu erfassen. Das Temperament bezeichnet die generelle Herangehensweise des Kindes an seine Umwelt (siehe z.B. Asendorpf 2003). MONDEY interessiert sich dagegen für jene Fähigkeiten und Fertigkeiten, die das Kind im Verlauf seiner Entwicklung erwirbt. Für die Erfassung von Temperamentsfaktoren gibt es eigene Fragebögen (z. B. den IBQ-R von Rothbart/ Gartstein 2003 in deutscher Übersetzung von Vonderlin et al. [under review]). Ebenso wenig besteht das Ziel von MONDEY darin, klinische Verhaltensstörungen aufzudecken. Dafür gibt es ebenfalls spezielle Test- und Beobachtungsverfahren. Im Zentrum steht vielmehr die Dokumentation der normalen Entwicklung.

Die acht genannten Entwicklungsbereiche werden jeweils in verschiedene Teilbereiche untergliedert (siehe Abb. 1). Diese Teilbereiche beschreiben Klassen von Verhaltensweisen, wie etwa "Kooperation im Alltag", zu der das Befolgen von Aufforderungen genauso gehört, wie die Bereitschaft zu Helfen oder zu Teilen.

Die konkreten Verhaltensweisen, die in MONDEY definiert sind, werden Meilensteine genannt. Verhaltensweisen, die als Meilenstein in MONDEY aufgenommen wurden, lassen sich im Alltag gut beobachten und beziehen sich auf Kompetenzen, die jedes normal-entwickelte Kind typischerweise innerhalb der ersten Lebensjahre erwirbt. Die inhaltliche Auswahl von Meilensteinen orientiert sich vor allem am Leben westlicher Kulturen. (Eine spätere Anpassung an andere kulturelle Lebenskontexte ist jedoch gut denkbar, indem Meilensteine für einzelne Teilbereiche ausgetauscht werden).

In der ersten Fassung wurden insgesamt 111 Meilensteine formuliert, um den Beobachtungsaufwand in vertretbarem Rahmen zu halten. Später ist geplant, für einzelne Teilbereiche noch zusätzliche Meilensteine zu definieren, die bei Bedarf (z.B. wenn man sich insbesondere für die Entwicklung in einem bestimmten Bereich interessiert) die Basis-Sammlung ergänzen.

Jeder einzelne Meilenstein ist kurz und prägnant formuliert (1 Satz), damit man ihn auf einen Blick erfassen kann. Gleichzeitig wurde darauf geachtet, dass die Beschreibung präzise genug ist, um genau sagen zu können, ob ein gegebenes Kind das betreffende Verhalten bereits zeigt oder noch nicht.

Im vorliegenden Zusammenhang sind Meilensteine nicht im Sinne der "Grenzsteine" von Michaelis und Niemann (2004) zu verstehen. Grenzsteine sind einige wenige Fähigkeiten, die ein Kind bis zu einem bestimmten Lebensalter erreicht haben muss - ansonsten gibt es Anlass zur Sorge (Michaelis 2006; Michaelis/ Niemann, 2004). Hingegen lassen sich sehr viele Meilensteine in der Entwicklung von Kindern finden, die eine qualitative Weiterentwicklung und Veränderung von Fähigkeiten anzeigen, deren Erreichen aber nicht zwingend notwendig ist. Ein Beispiel ist das "Reißverschlüsse öffnen und schließen". Kinder können sehr gut ohne diese Kompetenz leben, aber wenn sie sie zeigen, gibt das einerseits wichtige Hinweise auf ihre feinmotorische Entwicklung und hat andererseits auch wichtige Konsequenzen für ihre Selbstständigkeit, weil sie nun in der Lage sind, sich selber Jacken an- und auszuziehen. Es geht bei der Auswahl der MONDEY-Meilensteine also primär um die Ausbildung von Kompetenzen, die das Kind entwickelt, um im Alltag gut klar zu kommen.

Abbildung 1: Aufbau der Entwicklungsdokumentation für 0- bis 3-Jährige - MONDEY (Milestones of Normal Development in Early Years)

Entwicklungsbereich Teilbereich Anzahl Meilensteine
Grobmotorik Kopfkontrolle 2
Rumpfkontrolle 2
Beinkontrolle 3
Fortbewegung am Boden 2
Fortbewegung im Stehen 4
Balance 2
Hüpfen 2
Fahren 1
Werfen/Fangen 2
Feinmotorik Hand-Körper-Koordination 3
Objekte greifen und halten 3
Gegenstände manipulieren 4
Essen/Trinken 2
Zeichnen 2
An- und Ausziehen 4
Wahrnehmung Sehen 3
Hören 2
Erinnern 2
Denken Symbolisieren 3
Räumlich ordnen 2
Planen 3
Sprache Laute 3
Silben 2
Erste Worte 3
Besondere Worte 4
Sätze 4
Soziale Beziehungen Nähe-Distanz-Regulierung 4
Erste Kommunikation 3
Gemeinsame Raum und Gegenstandsbezüge herstellen 3
Fremde undvertraute Personen unterscheiden 4
Kooperation im Alltag 3
Gemeinsam spielen 5
Selbstregulation Impulse kontrollieren 3
Schlaf regulieren 2
Ausscheidungen regulieren 3
Gefühle Einfache Gefühle zeigen 4
Über Gefühle reden 3
Komplexe Gefühle zeigen 5

Anwendungsmöglichkeiten von MONDEY

MONDEY leitet Beobachter dazu an, die vorgegebenen Meilensteine regelmäßig zu überprüfen und zu dokumentieren. Dadurch wird der Blick für die frühkindliche Entwicklung in allen wichtigen Lebensbereichen systematisch geschult. Im Gegensatz zu anderen Beobachtungsinstrumenten, wie z.B. den Beller Entwicklungsskalen (Beller/ Beller 2000), werden die interessierenden Verhaltensweisen des Kindes ausführlich erläutert und eingeordnet. Die Einschätzung der Entwicklung ergibt sich aus vielen Einzelbeobachtungen und nicht aus einem Test-Gesamtwert.

Weil nicht für jede Nutzergruppe die gleiche Form der Dokumentation sinnvoll ist, gibt es unterschiedliche Formate.

Das in Kürze erscheinende MONDEY Entwicklungstagebuch enthält eine ausführliche Beschreibung zu jedem Meilenstein in Wort und Bild, die eine sichere Erfassung der relevanten Fähigkeit auch für Laien ermöglicht. Der Leser erfährt, welche Konsequenzen das Erreichen des Meilensteins für die weitere Entwicklung des Kindes hat, woran man erkennen kann, ob das Kind schon bereit ist, den betreffenden Entwicklungsschritt zu tun, und wie man es dabei fördern kann, die neue Kompetenz zu erlangen.

Außerdem kann man auf der betreffenden Buchseite das Datum der eigenen Beobachtung eintragen sowie weitere Notizen machen. Auf diese Weise entsteht ein persönliches Entwicklungstagebuch für das beobachtete Kind.

Das Buchformat eignet sich besonders für Eltern und Verwandte, die in ansprechender Form die Entwicklungsgeschichte eines Kindes festhalten möchten. Das Format ist auch geeignet für Personengruppen, die professionell mit Säuglingen und Kleinkindern arbeiten und das Buch als Nachschlagewerk für die Anwendung der Kurzskala (s.u.) verwenden möchten.

In Ergänzung zu der Buchversion gibt es eine MONDEY Kurzskala, auf der nur die Meilensteine selber stehen und das Datum der Beobachtung eingetragen werden kann. Diese handliche Papierversion eignet sich vor allem für bereits geübte Beobachter/innen, die beruflich mit Kleinkindern zu tun haben und für verschiedene Kinder parallel Dokumentationen anfertigen möchten, ohne jedes Mal ein neues Buch kaufen zu müssen.

Schließlich steht in Kürze die MONDEY Internet Plattform zur Verfügung (www.mondey.de), auf der interessierte Beobachter aktuelle Informationen über das Jacobs-Pauen Projekt finden und einen eigenen Beobachter-Account anlegen können. Dieser Account bietet viele interessante Möglichkeiten: Zunächst können sich Teilnehmer ausführlich über MONDEY informieren und in regelmäßigen Abständen die Meilensteine in interaktiver Form überprüfen. Auf Wunsch erhalten sie zudem Erinnerungsmails, damit sie die Dokumentation nicht vergessen. Die Daten werden in anonymisierter Form an uns übermittelt und unter Wahrung strenger datenschutzrechtlicher Regeln verwaltet bzw. ausgewertet. Nach Abschluss der Dokumentation kann für das betreffende Kind automatisch eine individualisierte Entwicklungsgeschichte zusammengestellt werden, ein Entwicklungskalender ausgedruckt oder/und ein Entwicklungsprofil erstellt werden.

Bei der Konzeption von MONDEY wurde auf eine besonders übersichtliche Darstellung und auf möglichst zeit- und kostengünstige Anwendungsmöglichkeiten geachtet. Daher eignet sich MONDEY gut, die in den Bildungsplänen für den Elementarbereich festgelegte Forderung der systematischen Beobachtung und Dokumentation der Entwicklungsverläufe von Kindern in Tagesbetreuung umzusetzen (vgl. Beschluss der Jugendministerkonferenz vom 13./14.05.2004; Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 03./04.06.2004).

Wie sieht die Anwendung von MONDEY in der Praxis aus?

Personen, die MONDEY anwenden wollen, sollten zuvor mindestens drei Wochen regelmäßig mehrere Stunden pro Tag mit dem Kind verbracht haben, das sie beobachten möchten. Nur dann kann man einen guten Eindruck davon bekommen, welche Verhaltensweisen das Kind schon beherrscht und welche es erst noch entwickeln wird.

Bei einer ersten Bestandsaufnahme wird zunächst lediglich eingeschätzt, ob ein Meilenstein von einem Kind schon erreicht wurde oder noch nicht. So erhält der Beobachter einen guten Überblick darüber, was ein Kind zu einem bestimmten Zeitpunkt schon alles kann und was noch nicht. Im Rahmen der Krippenarbeit kann die Bestandsaufnahme dazu dienen, sich im Rahmen von Eltern- oder Teamgesprächen über den Entwicklungsstand eines Kindes auszutauschen. Im häuslichen Kontext kann die Bestandsaufnahme helfen, sich auf einen Arztbesuch im Kontext der normalen Vorsorge-Untersuchung vorzubereiten.

Die Dauer einer Bestandsaufnahme variiert in Abhängigkeit vom Alter des Kindes, von der Vertrautheit des Beobachters mit dem Kind und von der Erfahrung mit MONDEY. Je jünger ein Kind ist, desto schneller ist die Bestandsaufnahme abgeschlossen, weil die meisten Meilensteine noch nicht erreicht sind. Menschen, die das Kind gut kennen (z.B. Eltern), können die meisten Meilensteine aufgrund ihrer Alltagserfahrung überprüfen und müssen nur in wenigen Fällen gezielt bestimmte Situationen herstellen, um beurteilen zu können, ob der betreffende Meilenstein schon erreicht wurde oder nicht, während Menschen, die seltener mit dem Kind Kontakt haben, mehr Zeit benötigen, um eine realistische Einschätzung vornehmen zu können. Routine im Umgang mit MONDEY wird die Ersterfassung ebenfalls erleichtern. Insgesamt hält sich der Zeitaufwand für eine Bestandsaufnahme aber für alle Nutzergruppen in überschaubaren Grenzen und dürfte (bei ausreichender Kenntnis des Kindes) in der Regel innerhalb einer halben Stunde abgeschlossen sein.

Der Bestandsaufnahme kann eine kontinuierliche Entwicklungsdokumentation folgen. Dabei notiert der Beobachter für jeden Meilenstein, wann er vom Kind gezeigt wird. Diese Form der Dokumentation hilft dabei, den eigenen Blick für die jeweils aktuellen Entwicklungsthemen des Kindes zu stärken und genaue zeitliche Einschätzungen vorzunehmen, wann das Kind welchen Meilenstein erreicht hat. Konkret dokumentiert der Beobachter, an welchem Tag ein Kind eine bestimmte Verhaltensweise zum ersten Mal (und zum zweiten Mal) zeigt. Hierfür müssen die MONDEY Meilensteine in regelmäßigen Abständen (mindestens alle drei Wochen) überprüft werden. Ist eine kontinuierliche Entwicklungsbeobachtung aufgrund von äußeren Rahmenbedingungen (z.B. Krankheit, Urlaub) für längere Zeit unterbrochen, gibt es Möglichkeiten, dies in der Dokumentation zu berücksichtigen.

Anwendung von MONDEY in Kindertageseinrichtungen und Tagespflegestellen

MONDEY kann genutzt werden, um der in den Bildungsplänen der einzelnen Länder verankerten Forderung nach Entwicklungsbeobachtung und -dokumentation im Elementarbereich nachzukommen. "Die gezielte Beobachtung und Dokumentation der Bildungs- und Entwicklungsprozesse von Kindern bildet eine wesentliche Grundlage für die pädagogische Arbeit in Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflege und Schulen" (Sozialministerium & Kultusministerium Hessen 2007).

Wenn sich Kindertageseinrichtungen entscheiden, mit MONDEY zu arbeiten, haben sie die Möglichkeit, eine Fortbildung zur Einführung in MONDEY zu erhalten. Dabei werden sowohl Fertigkeiten in der Anwendung von MONDEY als auch vertiefende Kenntnisse zur kindlichen Entwicklung vermittelt. Genauere Informationen zu diesen Fortbildungen finden Sie unter www.mondey.de.

Geschulte Beobachter/innen, die seit einiger Zeit mit MONDEY arbeiten und die Meilensteine gut kennen, sind in der Lage, Kinder in "ruhigen Minuten" mit Hilfe von MONDEY gezielt zu beobachten und später entsprechende Eintragungen im Heft zu machen. Gerade diese "Nebenbei-Beobachtung" schult die Fähigkeit, einzelne Kinder und deren Verhalten besser zu verstehen.

Auch für den Austausch mit Eltern kann MONDEY genutzt werden. Graphische Darstellungen der Entwicklungsverläufe erleichtern es dabei, die Fähigkeiten und Fortschritte eines Kindes den Eltern zu kommunizieren. "In kontinuierlich zu planenden Entwicklungsgesprächen mit den Eltern und in Beratungen im Team können die Äußerungen und Verhaltensweisen des Kindes vor dem Hintergrund seiner bisherigen Entwicklung besser verstanden werden" (Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport, Berlin 2004, S. 37).

Da MONDEY auch von Eltern angewendet werden kann, besteht die Möglichkeit, dass sowohl Erzieher/innen als auch Eltern mit MONDEY arbeiten und sich dann über Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Entwicklungsbeobachtung austauschen können.

Ausblick

MONDEY wurde im letzten Jahr im Rahmen des Jacobs-Pauen Projektes von Prof. Dr. Sabina Pauen konzipiert und steht - genau wie die "kleinen Menschen", für die es erarbeitet wurde - noch am Anfang seiner Entwicklungsgeschichte.

2010 wird zunächst damit begonnen, eine deutsche Normierungsstudie für MONDEY zu starten, die dann international ausgeweitet werden soll. Erst wenn dies geschehen ist, können wir zuverlässig sagen, mit welchem Lebensalter die in MONDEY beschriebenen Meilensteine typischerweise (bzw. "normalerweise") erreicht werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sind wir auf die zuverlässige Mithilfe von möglichst vielen engagierten Beobachter/innen angewiesen. Jede(r), die MONDEY anwendet, kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Frühdiagnostik und -förderung zu verbessern.

Schon bald wird mit der Übersetzung in andere Sprachen (Englisch, Spanisch, Russisch, Türkisch, Französisch) begonnen, um den Aufbau einer internationalen Normstichprobe vorzubereiten.

Weiterhin werden zur Ergänzung der einzelnen Teilbereiche zusätzliche Meilensteine formuliert, um die Möglichkeit einer Vertiefung der Beobachtung zu schaffen. MONDEY ist als dynamisches Projekt konzipiert, das sich auf der Ebene der Meilensteine aktuellen Forschungserkenntnissen sowie besonderen Bedürfnissen von Nutzergruppen kontinuierlich anpassen lässt.

Außerdem werden wir uns mit der Frage beschäftigen, inwiefern die Fremdbetreuung von Kindern in den ersten Lebensjahren einen Einfluss auf ihre weitere Entwicklung hat.

MONDEY lässt sich für vielfältige bestehende und sich noch entwickelnde Fragestellungen einsetzen. Es bietet allen, die mit der Betreuung und Entwicklungsbeobachtung von Kindern unter drei Jahren zu tun haben - ob im täglichen Umgang mit dem Kind oder in wissenschaftlichen Forschungsprojekten -, gute Möglichkeiten, frühkindliche Entwicklung umfassend zu beschreiben.

Literatur

Asendorpf, J.: Temperament. In: H. Keller (Hrsg.): Handbuch der Kleinkindforschung. Bern: Verlag Hans Huber 2003, S. 775-814.

Bayley, N.: Bayley Scales of Infant Developement III. San Antonio: Psychological Corporation 2006.

Bayrisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen/Staatsinstitut für Frühpädagogik (Hrsg.): Der Bayrische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung. Weinheim ; Basel: Beltz Verlag 2006.

Beller, E. K./Beller, S.: Kuno Bellers Entwicklungstabelle. Freie Universität Berlin 2000.

Gartstein, M.A./Rothbart, M. K.: Studying infant temperament via the Revised Infant Behavior Questionnaire. Infant Behavior and Development 2003, 26, S. 64-86.

Griffith, R.: Griffith Entwicklungsskalen (GES) zur Beurteilung der Entwicklung in den ersten beiden Lebensjahren. Deutsche Bearbeitung von I. Brandt/E. Sticker. Göttingen: Beltz Test GmbH 2001.

JMK & KMK: Gemeinsamer Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Tageseinrichtungen. Beschluss der Jugendministerkonferenz vom 13./14.05.2004; Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 03./04.06.2004. http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2004/2004_06_04-Fruehe-Bildung-Kitas.pdf

Largo, R.: Babyjahre. Die frühkindliche Entwicklung aus biologischer Sicht. München: Piper Verlag 2000.

Largo, R.H./Molinari, L./von Siebenthal, K./Wolfensberger, U.: Does a profound change in toilet-training affect development of bowel and bladder control? Developmental Medicine and Child Neurology 1996, 38, S. 106-116.

Michaelis, R.: Die ersten fünf Jahre im Leben eines Kindes. Wie sich ein Kind entwickelt - vom Baby bis zum Vorschulkind. Wie Sie das individuelle Entwicklungstempo erkennen. München: Knaur 2006.

Michaelis, R./Niemann, G.: Entwicklungsneurologie und Neuropädiatrie. Grundlagen und diagnostische Strategien. Stuttgart: Georg Thieme Verlag 2004.

Petermann, F./Stein, I.A./Macha, T.: Entwicklungsdiagnostik mit dem ET 6-6. Frankfurt am Main: Harcourt Test Services GmbH 2006.

Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport (Hrsg.): Das Berliner Bildungsprogramm für die Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen bis zu ihrem Schuleintritt. Berlin: Verlag Das Netz 2004.

Sozialministerium & Kultusministerium Hessen (Hrsg.): Bildung von Anfang an. Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder von 0 bis 10 Jahren in Hessen. Paderborn: Bonifatius GmbH 2007.

Vonderlin, E./Ropeter, A./Pauen, S.: Erfassung des frühkindlichen Temperaments mit dem Infant Behavior Questionnaire Revised. Psychometrische Merkmale einer deutschen Version (under review).

Wygotski, L.S.: Denken und Sprechen. Frankfurt: Fischer 1977.

Kontakt

Universität Heidelberg
Psychologisches Institut
Jacobs-Pauen Projekt MONDEY
Abteilung Entwicklungs- und Biopsychologie
Hauptstraße 47-51
69117 Heidelberg
Website: www.mondey.de

Anzeige: Frühpädagogik bei Herder