Monika Huppertz
In den vergangenen Jahren hat sich die Idee des Waldkindergartens, die von Dänemark ausging, immer mehr verbreitet. Mehr als 300 Waldkindergärten sind es, die mittlerweile in Deutschland bestehen, und die Tendenz ist steigend. In erster Linie werden sie gegründet durch Initiativen von Eltern oder Erzieher/innen. Ein wesentlicher Grund scheint zu sein, dass man etwas tun will, um Natur nicht "vergessen" zu lassen.
Der Wunsch, Kinder in engem Kontakt mit der Natur aufwachsen zu lassen, ist dabei maßgeblich. Die in der Natur liegenden Kräfte möchte man für die Entwicklung sowie die Erziehung und Bildung des Kindes nutzen: Die Natur soll dem Wohle des Kindes dienen. Mit dem Blick in die Zukunft sollen diese Kinder dann einmal die Natur schützen - nach dem Prinzip: Was man im Kindesalter lieben und schätzen gelernt hat, das wird man im Erwachsenenalter schützen und erhalten wollen.
Nach Aussagen von Erzieher/innen im Waldkindergarten entscheiden sich Eltern u.a. vor allem für diese Einrichtung, weil sie sich für ihre Kinder ein intensives Naturerleben erhoffen und durch die Bewegung "an der frischen Luft" eine "Förderung der Motorik und Stärkung des Körpers".
Es entstehen aber nicht nur Waldkindergärten für die Drei- bis Sechsjährigen, sondern auch Waldgruppen für Kleinkinder ab zwei Jahren sowie Waldgruppen und Horte für Schulkinder. Außerdem führen Regelkindergärten zunehmend Waldtage oder Waldwochen durch oder entwickeln Angebote mit integrierten Waldgruppen (drei Tage im Wald, zwei Tage im Kindergarten).
Die neuen Bildungs- und Orientierungspläne in den einzelnen Bundesländern sehen in der Hinführung zur Natur einen wichtigen Auftrag der Erzieherin. Im Orientierungsplan z.B. von Baden-Württemberg wird "direkte, unmittelbare Vermittlung" in der Natur betont. Die Erzieher/innen sollen die Kinder an die Beobachtung der Natur heranführen, ihnen Naturphänomene sinnlich erfahrbar machen und Wertschätzung gegenüber Umwelt, Pflanzen und Tieren stärken. Desgleichen entdecken Schulen zunehmend den Wald und die umliegende Natur als pädagogischen Raum und bieten tageweise "Rucksackschulen" o.ä. an.
Ansprüche an eine neue Pädagogik
Der Waldkindergarten hat sich also inzwischen als vorschulpädagogische Einrichtung neben anderen etabliert. Insofern muss er auch den Aufgaben der Erziehung, Bildung und Betreuung der Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren gerecht werden (§ 22 Abs. 2 KJHG) und die Anforderungen der Bildungs- bzw. Orientierungspläne erfüllen. Der unmittelbare und wenn auch noch so erfahrungs- und erlebnisreiche Kontakt mit der Natur allein reicht dabei nicht aus, um Kindern im Vorschulalter eine altersgemäße Bildung zu ermöglichen. Der Erzieherin fällt die verantwortungsvolle Aufgabe zu, die Kinder in ihrer Entwicklung zu fördern, sie zu erziehen und zu bilden - und zwar planvoll und bewusst.
Über Begeisterung und besonderes Engagement verfügen Walderzieherinnen und -erzieher in hohem Maße. Auch werden sie in der Regel von Seiten der Eltern gut unterstützt. Es sind hohe Anforderungen, die an die Qualität einer pädagogischen Arbeit im Wald gestellt werden. Vorurteile, die die Meinung der Öffentlichkeit über die Arbeit in Waldkindergärten oder Waldgruppen vielerorts prägen, gilt es abzubauen und die pädagogische Fachlichkeit unter Beweis zu stellen.
Weiterbildung "Kindergarten im Wald"
Von diesen Erfahrungen und Ideen geleitet, entwickelte die Naturschule Freiburg e.V. die Weiterbildung "Kindergarten im Wald". Sie bietet für Waldkindergärten, Waldgruppen usw. ein umfassendes pädagogisches Konzept und gibt einen Rahmen, der Wald und Natur als pädagogischen Raum explizit behandelt und zum Gegenstand einer grundlegenden Reflexion macht. Maßgeblich beteiligt an der Entwicklung der Weiterbildung waren - außer weiteren Fachleuten aus Elementar- und Naturpädagogik - Prof. Dr. Norbert Huppertz vom Institut für Erziehungswissenschaft II an der Pädagogischen Hochschule Freiburg sowie die durch mehrere Jahre Praxis erfahrenen Erzieherinnen Susanne Lotz und Angelika Thoma vom Waldkindergarten "Die Trolle" in Gundelfingen.
Die Weiterbildung führt zur Qualifikation für eine pädagogische Arbeit mit Kindern im Wald. Erfahrene Dozentinnen und Dozenten aus Theorie und Praxis der Elementarpädagogik und Naturpädagogik vermitteln das erforderliche Wissen und Können, besonders im Hinblick auf Kind und Natur. Die Teilnehmenden lernen, wie Förder-, Erziehungs- und Bildungsziele im "Kindergarten im Wald" auf natürliche und kindgerechte Weise umzusetzen und für Außenstehende transparent zu machen sind. Das geschieht durch teilnehmerbezogene und erlebende Methoden.
Freude am Lernen steht dabei im Vordergrund. So werden die Erzieher/innen motiviert, ihren Kindern die entsprechenden Bildungsthemen weiter zu vermitteln. Auf die Weise geschulte Fachkräfte sind in der Lage, professionelle pädagogische Arbeit für Kinder im Vorschulalter zu leisten, und tragen dazu bei, Waldkindergärten, Naturkindergärten und Waldgruppen als Erziehungs- und Bildungseinrichtungen weiter zu verbreiten.
Inhalte der Weiterbildung
Die Themen und Inhalte der hier angebotenen Weiterbildung lassen sich in drei Bereiche gliedern:
(1) Das Kind und die pädagogische Arbeit im Wald. In diesem Themenbereich sind folgende Aspekte leitend und werden ausführlich behandelt:
- das Bild vom Kind, das hinter der pädagogischen Arbeit im Wald steht,
- Werte, von denen Erziehung und Bildung getragen sind, und daraus resultierende Erziehungs- und Bildungsziele,
- Kompetenzen der Erzieherin im Wald,
- Anregungs- und Förderungsmöglichkeiten für die Entwicklung des Kindes,
- didaktische Ansätze, nach denen Erziehungs- und Bildungsarbeit im Wald geplant und gestaltet werden kann,
- die Frage, ob Naturthemen für eine umfassende Bildung im Vorschulalter ausreichen - andere Themen und Inhalte,
- Natur als Antwort u.a. auf Sinnfragen - Kraftquelle für den Menschen, besonders für das Kind.
(2) Geländekunde und Alltagspraxis. Grundkenntnisse über biologische und ökologische Zusammenhänge sind erforderlich, um das eigene Verhalten und das der Kinder im Wald und in der Natur darauf einstellen zu können. Schließlich handelt es sich hier um einen besonderen Raum, der mit den Kindern "bewohnt" wird. Damit Forschungs- und Entdeckungsreisen in den Lebensraum Wald mit seinen Pflanzen und Tieren bei den Kindern zu einer echten Bereicherung - auch an Wissen - führen, nehmen Bestimmungsmaterialien sowie Beobachtungs- und Experimentiermethoden einen wichtigen Platz ein. Auch durch didaktische Spiele, wie z.B. Memory, Kimspiele mit Naturmaterialien sowie Suchspiele, oder etwa ein "Waldtheater" zum Thema Eichhörnchen oder Malen mit Erdfarben kann naturpädagogisches Wissen vertieft werden.
Für eine sinnvolle und verantwortbare tägliche Arbeit mit Kindern im Wald sind jedoch viele weitere Dinge zu bedenken, die u.a. Organisation, Ausrüstung und Tagesablauf betreffen. Viele Fragen des Alltags, auch seine Risiken und Gefahren, spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle, wie z.B. Kleidung und Ausstattung der Kinder. Diese müssen in genauen Absprachen mit den Eltern geklärt werden. Überhaupt hat die Elternarbeit einen besonderen Stellenwert und wird eigens thematisiert.
(3) Organisations- und Gründungsfragen. Die Realisierung einer guten Idee kann viel Zeit und Kraft kosten. Um bei der Gründung und Organisation eines Waldkindergartens oder einer Waldgruppe Erfolg zu haben, bedarf es einer klugen, umsichtigen und nachhaltigen Vorgehensweise. Wichtige Personen müssen zur Unterstützung gewonnen werden, um so eher Akzeptanz in der Öffentlichkeit zu bewirken. Das übernimmt zwar meist ein Trägerverein, doch auch die Fachkräfte, denen die Realisierung der pädagogischen Konzeption obliegt, sind an der Öffentlichkeitsarbeit wesentlich beteiligt. Insofern müssen sie die Trägerstrukturen sowie die verschiedenen Kompetenz- und Rechtsbereiche kennen. Manche Konflikte kommen dann erst gar nicht auf.
(4) Erlebnispädagogische Elemente. Originäres Er-leben und Lernen spielen in der Natur- und Waldpädagogik eine wichtige Rolle. Auch in der Weiterbildung werden erlebnispädagogische Elemente als Bereicherung des Lernens eingesetzt.
Dauer und Voraussetzungen
Die gesamte Weiterbildung erstreckt sich über neun Monate und findet an sechs Wochenenden (Freitagabend bis Sonntagnachmittag) in landschaftlich unterschiedlich gelegenen Häusern statt. Dieser Zeitraum macht es möglich, den Wald und die Natur im Rhythmus der Jahreszeiten zu erleben, und trägt dazu bei, dass die Inhalte der Weiterbildung in die Praxis eingebracht und vertieft werden können. Falls vorher keine praktischen Erfahrungen gemacht werden konnten, ist genügend Zeit vorhanden, ein Praktikum in einem Waldkindergarten zu absolvieren. Die Erstellung einer schriftlichen Hausarbeit bietet weiter die Möglichkeit, einen Aspekt der pädagogischen Arbeit mit Kindern im Wald besonders und auf schriftliche Art zu reflektieren und so die Qualifikation des Dokumentierens zu festigen - eine Aufgabe, die in pädagogischen Arbeitsfeldern zunehmend wichtig und auch in den Bildungs- und Orientierungsplänen gefordert wird.
Erfahrungen
Die Naturschule Freiburg e.V. führt die Weiterbildung "Kindergarten im Wald" an mehreren Standorten (Freiburg, Bonn, Stuttgart, Erfurt) mit Erfolg durch. Ihren persönlichen Erfolg drückt eine Teilnehmerin am Ende eines Kurses so aus: "Ich habe viel gelernt in dieser Weiterbildung und gehe zufrieden, beflügelt und motiviert. Es war eine runde Sache, ausgewogen in Theorie und Praxis; gut organisiert und gestaltet."