Aus: Bildung Erziehung Betreuung. IFP-Infodienst 2002, 7. Jg., Heft 1, S. 26-28
Michael Schnabel
In der Wirtschaft, in innovativen Firmen, trägt man ihn schon lange: den maßgeschneiderten Anzug der Weiterqualifikation (Graf 2000) - das Inhouse-Training, der Fachausdruck für Weiterqualifizierungsangebote, die vor Ort in Firmen und Unternehmen durchgeführt werden. Sie nehmen Maß an den Anforderungen und Bedürfnissen der Teilnehmer/innen, die sich aus deren Arbeitsfeldern ergeben. Daher können unbewältigte Schwierigkeiten von gestern gezielt durchgearbeitet und Herausforderungen von morgen vorweg durchgespielt werden.
Kundenorientierung von A bis Z
Fortbildungsveranstaltungen, wenn sie erfolgreich sein sollen, müssen die Teilnehmer/innen mit ihren Fähigkeiten, Erwartungen und Wünschen ins Zentrum stellen. Hinlänglich bekannt ist der Grundsatz aus der Pädagogik: Der Schüler bzw. der Teilnehmer ist dort abzuholen, wo es steht. Ohne Umschweife einsichtig, aber im altbekannten Seminarstil kaum zu erreichen! Denn Vorträge und auch das Frage- und Antwortspiel erreichen oftmals nur einen Teil der Teilnehmer/innen, und noch dazu entpuppen sie sich meist als Motivationskiller.
Hier helfen Inhouse-Trainings weiter und entfalten vielseitige Chancen: Denn sie eröffnen eine gezielte Ausrichtung auf Lernvoraussetzungen und Lernerwartungen der Teilnehmer/innen. Und sie sind daher in der Lage, vorhandene Fertigkeiten auszubauen, Defizite auszugleichen und den Erwerb neuer Kompetenzen zu fördern. Dieses Potential wird nur aktiviert, wenn die Vorteile eines Inhouse-Trainings bewusst abgerufen werden.
Gemäß den Forschungen von Sabine Schmidt-Lauff (1999) qualifizieren sich Inhouse-Trainings durch sorgfältige Gestaltung folgender Elemente: Kontaktaufnahme, Rahmenbedingungen, Bildungsbedarf, Weiterbildungsziele, Konzeption des Ansatzes, Qualitätssicherung, Transfer und Erfolgsbewertung. Dieses globale Anforderungsprofil zeigt am Anwendungsbeispiel "Gesprächsführung", wie sich die Vorteile erschließen und wo Chancen genutzt werden sollten.
Kontaktaufnahme
Wie erreiche ich einen wohlwollenden und freundlichen Eindruck? Wie gewinne ich erste Grobinformationen über Einrichtung und Weiterbildungsbedürfnis? Diese Fragen stehen am Beginn der Kontaktaufnahme. Werden am Anfang gleich Wertschätzung und Anerkennung zum Ausdruck gebracht, so kann ein gutes Arbeitsklima gedeihen und vertrauensvolle Zusammenarbeit entstehen.
Normalerweise erfolgt die erste Anfrage per Telefon. Dabei sollte bereits ermittelt werden: "Gibt es konkrete Anlässe für den Trainingswunsch? Wie viele Personen werden teilnehmen? Wie groß ist die Einrichtung? Welche örtlichen Gegebenheiten sind zu beachten?"
Nachdem die ersten Orientierungsmarken bekannt sind, erfolgt eine genauere Erkundung der Voraussetzungen.
Rahmenbedingungen
"Wie umfänglich soll das Training ausfallen? Wie viele Tage darf es dauern? Welche Räumlichkeiten stehen zur Verfügung? Bieten sich in der Einrichtung Möglichkeiten, neue Medien einzusetzen?"
Erst wenn die Rahmenbedingungen des Trainings maßgenau festliegen, erfolgt eine anforderungsgerechte Planung. Mehr noch! Manche Einschränkungen schließen bestimmte Themen gleich aus: Denn beispielsweise nicht einmal eine oberflächliche Beschäftigung mit den wichtigsten Gesprächstechniken ist an einem Trainingstag möglich.
Wie viel darf das Angebot kosten? Welcher finanzielle Aufwand ist damit noch zusätzlich verbunden? Auch diese Fragen sind Hauptbestandteile der Rahmenbedingungen und sollen möglichst im Erstgespräch geklärt werden.
Bildungsbedarf
Die Anfrage gibt die Richtung vor: Ein Training zur Konfliktmoderation oder zur Schlagfertigkeit legt bereits einen Großteil der Schwerpunkte fest. Dazu begrenzen die Rahmenbedingungen, wie gründlich ein Thema bearbeitet werden wird.
Die Fragen nach dem Bildungsbedarf haben zwei Seiten: Die Dozentin bzw. der Dozent macht sich stark für eine ausführliche und eingehende Bearbeitung des Schwerpunktes. Beispielsweise lässt sich mit Hunderten von Übungen Schlagfertigkeit erlernen: Ja, es kann kaum zuviel trainiert werden, um zur Routine zu gelangen. Dagegen wollen pädagogische Fachkräfte in möglichst kompakter Form dem Stoff begegnen. Sie können am besten einschätzen, ob jede Kompetenznuance einen Nutzen hat. In der Diskussion wird sich ein Angebot herausschälen.
Weiterbildungsziele
Von den Debatten über den Bildungsbedarf profitieren auch die Zielvorstellungen: Sobald festliegt, wie umfänglich das Angebot ausfallen darf und welche Schwerpunkte Priorität besitzen sollten, können Ziele formuliert werden.
Es ist ratsam, zunächst grobmaschige Ziele zu formulieren: Denn die Festlegung auf Techniken und Fertigkeiten der Gesprächsführung ist erfolgversprechender, wenn sie im Trainingsprozess vorgenommen wird. In der Regel wird in den Übungen deutlich, ob bestimmte Fertigkeiten und Techniken eine zu große Umstellung verlangen und Zwischenschritte eingebaut werden müssen. Andererseits lassen die Übungen auch erkennen, wenn bereits gute Vorkenntnisse vorhanden sind und das Training im Laufschritt weiterkommt.
Konzeption des Angebots
Nach dem ersten Telefonat liegen das Thema, der Zeitpunkt, der zeitliche Umfang und die Teilnehmerzahl fest. Die Ausreifung einer tragfähigen Konzeption verlangt aber mehrere Phasen des Informationsaustausches. Nach ersten Telefonaten steht der Rahmen eines Konzepts, das den Teilnehmer/innen übermittelt wird. Erfahrungsgemäß laufen dann Telefonate, Emails und Briefe hin und her: Denn jetzt werden Wünsche konkret und Veränderungen aktuell. Häufig erfordert die Umarbeitung weitere Beratungen im Team der Einrichtung. Und dennoch ist das ausdiskutierte Konzept kein starres Gleis, das beim Training nicht mehr verlassen werden kann.
"Ich habe jetzt noch Lust, bis spät in den Abend weiter zu machen!" - "Diese Technik ist total cool. Können wir dazu noch eine Übung machen?" Solche Wünsche sind ein dickes Lob für das Angebot und für die Dozentin bzw. den Dozenten. Und es gilt Hic et Nunc das Training auszuweiten. Erfahrene Trainer/innen haben Zusatzangebote für diesen Fall schon in der Hinterhand.
Qualitätssicherung
"Ich bin noch gut drauf, um länger zu machen..." - "Wir wollen weitermachen..." - "Im kommenden Jahr werden wir dann einen weiteren Schwerpunkt trainieren..." Derartige Aussagen verdeutlichen aufs Erste: das Training ist gut angekommen. Dieser Beifall beruht auf der sorgfältigen und teilnehmerorientierten Vorbereitung. Sie legt das Fundament für hohe qualitative Anforderungen.
Mehr noch: Gesprächstrainings drängen geradezu Qualitätssicherung als permanenten Prozess auf, denn die Technik des Feedback-Gebens ist ein zentraler Bestandteil des Angebots. Und im Feedback der Teilnehmer/innen wird diese Technik geübt, und zugleich werden Informationen zur Qualität des Angebots abgerufen.
Was taugt das Training? Wie können die Teilnehmer/innen die Aufgaben lösen? Dies wird ungetrübt in genauen Beobachtungen transparent. Nichts zeigt deutlicher den Erwerb entsprechender Gesprächskompetenzen als das Verhalten der Teilnehmer/innen bei Übungen, Gruppentrainings und Rollenspielen.
Es gibt noch eine Steigerung der Qualitätssicherung: die Analyse von Gesprächen, die mit Video aufgenommen wurden.
Transfer
Kompetenzen und Fertigkeiten sind wirkungslos, wenn sie auf das Trockentraining beschränkt bleiben. Welche Veränderungen können helfen, die Kenntnisse ins alltägliche Handeln zu integrieren? Diese Nachforschungen sind gerade für ein Gesprächstraining überlebenswichtig. Denn häufig zeigt sich Folgendes: Im Training gelingt die Technik ausgezeichnet, dagegen ist sie in einem schwierigen Elterngespräch wie weggeblasen. Meist ist bis zum routinierten Einsatz des Aktiv-Zuhörens oder des gekonnten Fragen-Stellens ein langer Weg.
Die ersten Gehversuche erfolgreicher Gesprächsführung verlangen nach einer unermüdlichen Weiterführung. Inhouse-Trainings können für künftige Trainingseinheiten einladen und antreiben: Zusätzliche Übungsblätter sind für die nächsten Wochen vorgesehen. Lustige und spaßige Spiele geben künftigen Teamsitzungen die Würze. Beobachtungs- und Kriterienlisten laden ein, in einem Eltergespräch bestimmte Fertigkeiten besonders zu beachten. Manche Teams spielen sogar Trainingseinheiten beim Teamgespräch durch.
Erfolgsbewertung
Positive Rückmeldungen sind ein Teilelement der Erfolgsbewertung. Feedback-Übungen im Training liefern Informationen darüber, wie die Teilnehmer/innen den Erfolg einschätzen. Gleiches gilt für die Abschlussrunde und einer Befragung mit einem Evaluationsbogen.
Äußerungen im Plenum und Informationen aus den Fragebögen sind häufig schön eingefärbt. Daher geben nur genaue Beobachtungen darüber, wie die Teilnehmer/innen die Fertigkeiten und Techniken in den Übungen beherrschen, unverfälschte Auskunft über den Vermittlungserfolg. Um in den alltäglichen Anforderungen das Gelernte nutzbar machen zu können, sind kontinuierliches Üben und kritische Bewertung der eigenen Praxis erforderlich.
Langzeitwirkung im Höchstmaß?
Ergebnisse aus der Analyse eines Elterngespräches, das im Rahmen einer Studie aufgezeichnet wurde: Aktiv-Zuhören überdurchschnittlich häufig, gekonnter Einsatz von Fragen, geschicktes Nachfragen an entscheidenden Stellen des Gesprächs, Struktur des Gespräches klar und übersichtlich.
Ein hervorragendes Ergebnis! Wo liegt die Ursache dieser Leistung? Ein Telefonat mit der Gesprächsleiterin liefert die Erklärung: "Wir haben in unserer Einrichtung vor zwei Jahren ein Gesprächstraining durchgeführt und mit Hilfe von gezielten Aufgaben über einen längeren Zeitraum die Fertigkeiten eingeübt."
Wenn es sich hier auch nur um eine Einzelbeobachtung handelt, so liegt es auf der Hand: Ein Inhouse-Training trägt entscheidend zu einem langfristigen Lernerfolg bei. Denn das gesamte Team lernt die Anforderungen an ein erfolgreiches Gespräch kennen, so dass die Teilnehmer/innen sich im Alltag auf die Ansprüche gegenseitig aufmerksam machen können. Besonders nachhaltig wirkt ein Gesprächstraining, wenn über einen längeren Zeitraum Fertigkeiten geübt werden. Beispielsweise lassen sich entsprechende Spiele und Trainingseinheiten vor einer Teamsitzung wiederholen. Weiterhin bietet es sich an, in konkreten Gesprächen eine Technik sehr gezielt zu pflegen. Eine Kollegin kann beobachten und informieren, wie die Umsetzung gelang. Wenn sich derartige Wiederholungen eingespielt haben, ist eine stetige Qualifizierung garantiert.
Inhouse-Trainings - ein Allheilmittel in der Fortbildung?
Sind Inhouse-Trainings der Qualitätsschub schlechthin in der Weiterbildung? Angebote zur Gesprächsführung liefern den Beweis: Es lassen sich kaum intensivere Trainings arrangieren als Inhouse-Angebote, die nach den beschriebenen Kriterien geplant werden. Die Aneignung neuer Verhaltensweisen und das Einüben von Fertigkeiten haben große Chancen, in einem solchen Rahmen zu gelingen. Die Verbesserung kommunikativer Fähigkeiten ist ohne Abstriche eine Qualitätssteigerung der Pädagogik.
Aber Vortrag und Diskussion sind noch lange nicht von der Veranstaltungsliste gestrichen: Informationen über neue Forschungsergebnisse, Neuerungen der Konzepte und organisatorische Belange, Diskussionen verschiedener Vorlagen und sogar der Erfahrungsaustausch werden auf bisherige Vermittlungsformen nicht verzichten können.
Literatur
Graf, J.: Die Mühsal der Maßarbeit. Wie der firmenspezifische Zuschnitt von Seminaren gelingt. In: managerSeminare 2000, Heft 45, S 94-102
Schmidt-Lauff, S.: Kooperationsstrategien in der betrieblichen Weiterbildung. München 1999