Aus:
KSFH Aktuell, Nr. 3, Dezember 1999
Hanne Isabell Schaffer
Nach einer aktuellen Studie des Bayerischen Staatsinstituts für Hochschulforschung und Hochschulplanung weichen bereits seit Jahren die rechtlichen und organisatorischen Vorgaben für die Durchführung eines Studiums (also die Studien- und Prüfungsordnungen) und das tatsächliche Studienverhalten eines wachsenden Anteils der Studentinnen und Studenten deutlich voneinander ab.
Die traditionellen StudentInnen, die ihre ganz Zeit und Kraft dem Studium widmen, geraten immer mehr zur bildungspolitischen Fiktion. Sozialerhebungen des Deutschen Studentenwerks belegen, dass faktisch zwei Drittel der Studierenden neben dem Studium regelmäßig erwerbstätig sind und jede/r zehnte Studierende diese Nebenerwerbstätigkeit auch noch zusätzlich mit familiären Verpflichtungen vereinbaren muss. An den großen Hochschulen in Großstädten wie München liegt der Anteil der faktischen "Teilzeit"-StudentInnen besonders hoch, nämlich bei annähernd 50 Prozent (vgl. Berning u. a. 1996, IV). In diesem Bereich liegt also ein objektiver Handlungsbedarf von Seiten der Hochschulen vor, darauf verweist auch eine der letzten Hochschulrektorenkonferenzen in Bonn im Jahr 1997. In anderen europäischen Nachbarländern haben sich die Hochschulen bereits auf diese neue Herausforderung im Hinblick auf ihre zeitlichen Organisationsstrukturen eingestellt, die Bundesrepublik stellt diesbezüglich noch ein bildungspolitisches Entwicklungsland dar.
An der Katholischen Stiftungsfachhochschule München existiert demgegenüber bereits seit dem Jahr 1993 für Erzieherinnen die Möglichkeit, das Studium der Sozialarbeit/Sozialpädagogik berufsbegleitend zu absolvieren. Mit diesem Modell wurde auf die besondere Situation einer Berufsgruppe eingegangen, die typisch für einen Frauenberuf, zwar hoch qualifiziert ist, aber bereits relativ früh an die Obergrenze ihrer Aufstiegsmöglichkeiten stößt (vgl. Tatschmurat 1996, 33). Inzwischen bewegt sich die zweite Studierendengruppe erfolgreich auf das Ende ihres Studiums zu.
Die insgesamt positive Bilanz, die aus den beiden Durchgängen - die auch wissenschaftlich evaluiert worden sind - gezogen werden kann, führte im Jahr 1998 zu dem vom Senat der Hochschule erteilten Beschluss, eine eigene Kommission mit der Erarbeitung einer auf die speziellen Bedürfnisse des berufsbegleitenden Studiums zugeschnittenen Studien- und Prüfungsordnung zu betrauen.
Die Hochschule hat mittlerweile zum Wintersemester 2000/2001 vierzig neue Studierende aufgenommen, wobei der Kreis der BewerberInnen bewusst auf einschlägig in sozialen Berufen qualifizierte und dort auch beruflich Tätige erweitert worden ist. Die Zulassungsvoraussetzungen zum berufsbegleitenden Studium der Sozialen Arbeit sind im neuen Studiengang deutlich verschärft: künftig werden nur noch solche BewerberInnen aufgenommen, die über die regulären Qualifikationsvoraussetzungen hinaus die Voraussetzungen für den Erlass eines praktischen Studiensemesters erfüllen, so dass sich das obligatorische Jahrespraktikum auf ein 20-Wochen-Praktikum reduziert. Die BewerberInnen müssen zudem eine einschlägige kontinuierliche Berufstätigkeit im Umfang von wenigstens einer halben Arbeitszeit entsprechend BAT während des gesamten Studienverlaufs nachweisen.
Die Gruppengröße der berufsbegleitend Studierenden wurde von vormals 25 auf 40 erhöht. Sollte eine Studentin oder ein Student die bei Bewerbung bestehenden Voraussetzungen im Studienverlauf nicht mehr erfüllen (also beispielsweise erwerbslos werden), kann er/sie das Studium nur im regulären Durchgang beenden.
Das berufsbegleitende Studium der Sozialen Arbeit ist von seinen Inhalten her mit dem regulären Studium völlig kompatibel, der Unterschied besteht lediglich in der zeitlichen Organisation. Das Studium ist auf eine Länge von neun Semestern konzipiert. Das Grundstudium umfaßt vier theoretische Semester, danach folgen ein praktisches Studiensemester und schließlich vier weitere theoretische
Semester im Hauptstudium. Die Lehrveranstaltungen finden ausschließlich in Blöcken statt, durchschnittlich sind es zwei Freitag/Samstagblöcke pro Monat sowie eine volle 6-Tage-Blockwoche pro Semester.
Aus den praktischen Erfahrungen heraus zeigt sich, dass die Ableistung des Praktikums für berufsbegleitend Studierende eine besondere Hürde darstellt. Zukünftig sind dafür folgende Ableistungsmodi vorgesehen:
Entweder wird das Praktikum als Gesamtblock mit einer entsprechenden Freistellung vom Arbeitgeber abgeleistet oder als "Teilzeit"-Praktikum bei reduzierter Arbeitszeit (z.B. 1 1/2 Tage pro Woche) oder schließlich - bei einem entsprechend großen Arbeitgeber - unter demselben Dach, aber in anderer Funktion und mit besonderer Aufgabenstellung.
Die besonderen individuellen Planungsbedürfnisse der berufsbegleitend Studierenden machen es notwendig, dass die terminliche Übersicht bereits deutlich vor Beginn des Studienjahres gewährleistet wird. Zudem werden neben den Präsenzblöcken an der Hochschule auch Fernstudienanteile in Form von Studienbriefen installiert. So kann in jeder Blockveranstaltung ein gewisses fachliches Einstiegsniveau vorbereitet werden.
Die Erfahrungen mit den beiden bisherigen Studierendengruppen zeigen, dass es sich um überdurchschnittlich hoch motivierte Studentinnen (bisher waren es ausschließlich Frauen, im neuen Durchgang haben sich neun Männer immatrikuliert) handelt, welche ein hohes fachliches Engagement mit erprobten Organisationskompetenzen kombinieren. Die wichtigsten persönlichen Ressourcen stellen für die meisten Frauen ihre Familie dar, aber in hohem Maß auch die Gruppe der Studierenden selbst, die in belastenden Stresssituationen für Rückhalt und soziale Abstützung sorgt.