Lernen in Lernfeldern - kritische Anmerkungen zur Weiterentwicklung einer Didaktik der Sozialpädagogik

Holger Küls

Seit einigen Jahren erleben wir umfangreiche Veränderungen in der Erzieherinnenausbildung - vor allem auch auf der Lehrplanebene. Hintergrund ist eine Entwicklung, die die gesamte berufliche Bildung in den letzten Jahren geprägt hat - die alten fächerorientierten Curricula wurden ersetzt durch am beruflichen Handeln orientierte Lehrpläne. Daher wird auch in der Sozialpädagogik nicht mehr in Fächern gelernt, sondern in Lernfeldern (Küls 2002) oder, wenn man den Blick über die Ländergrenzen hinaus gehen lässt, in Handlungsfeldern oder in Themenfeldern, in Lerngebieten, in Lernmodulen oder in Lernfeldern und Fächern, in Handlungsfeldern und Lernfeldern oder, oder, oder... Diese Aufzählung legt den Finger in die Wunde - sie deutet ein Problem an, um das es in diesem Aufsatz gehen soll: nämlich die curriculare und didaktische Divergenz, man könnte auch sagen, das curriculare und didaktische Chaos in der Erzieherinnenausbildung (Küls 2008). Dazu sollen an dieser Stelle einige kritische Anmerkungen erfolgen. Aber auch das Lernen in Lernfeldern an sich bedarf im Kontext sozialpädagogischer Bildungsgänge einer grundlegenden Revision und Weiterentwicklung. Dazu sollen ebenfalls einige Überlegungen angestellt werden.

Zur aktuellen curricularen und didaktischen Situation - eine Bestandsaufnahme

Ein Blick auf die Lehrpläne für die Ausbildung zur Erzieherin in den einzelnen Bundesländern zeigt die schon angesprochene deutliche Divergenz der curricularen Entwicklung. Die folgende Aufstellung veranschaulicht, wie unterschiedlich sich die leitenden Gliederungsprinzipien der Lehrpläne darstellen.

Bundesland Leitendes Gliederungsprinzip Zentrale didaktische Prinzipien bzw. Hinweise zur unterrichtlichen Umsetzung
Baden-Württemberg sechs Handlungsfelder mit jeweils (vier bis elf ) zugeordneten Lernfeldern (an beruflichen Handlungsfeldern orientiert)
  • handlungsorientierte Themenbearbeitung
Bayern sieben Lernfelder (an beruflichen Handlungsfeldern orientiert) und Fächer
  • handlungsorientierte Lehr-Lern-Arrangements
  • fachbezogene Unterrichtsorganisation
Berlin fünf Lernbereiche (orientiert an Bereichen der Rahmenvereinbarung) und zugeordnet (zwei bis fünf) Themenfelder (orientiert an beruflichen Handlungsfeldern)
  • Handlungsorientierung
  • Unterricht in Lernsituationen
Brandenburg Lehrplan befindet sich momentan in Überarbeitung
Bremen Lehrplan befindet sich momentan in Überarbeitung
Hamburg acht Fächer (orientiert an Bereichen der Rahmenvereinbarung) und zugeordnet 18 Lernfelder (orientiert an beruflichen Handlungsfeldern)
  • Handlungsorientierung
  • Unterricht in Lernsituationen
  • schulnahes Curriculum
Hessen drei tätigkeitsbezogene Lernbereiche mit mehreren Lerngebieten (schwacher beruflicher Handlungsbezug - sozialpädagogische Inhalte)
  • Handlungsorientierung
  • Entwicklungsaufgaben
  • Erarbeitung schulischer Lernfelder
  • fach- und wissenschaftsorientierte Vermittlung im Zusammenhang mit Handlungssituationen
Mecklenburg-Vorpommern fünf Module (bedeutsame Qualifikationen für eine Erzieherin) mit Praxis- und fächerorientierten Unterrichtsphasen sowie Schlüsselthemen (Lernortkooperation in Kleingruppen zu konkreten Themen) (keine ausdrücklichen didaktischen Prinzipien) BLK-Modellversuch als Grundlage
Niedersachsen acht Lernfelder (an beruflichen Handlungsfeldern orientiert)
  • Handlungsorientierung
  • Entwicklungsaufgaben als Prozessvariable
  • Unterricht in Lernsituationen
  • schulnahes Curriculum
Nordrhein-Westfalen vier Lernfelder und (bzw. als) Entwicklungsaufgaben (an beruflichen Handlungsfeldern orientiert)
  • Handlungsorientierung
  • Entwicklungsaufgaben
  • Unterricht in Lernsituationen
  • Hinweis auf fachwissenschaftliche Durchdringung beruflicher Handlungserfordernisse
Rheinland-Pfalz 12 Module (+ 2 zur Profilbildung) an konkreten beruflichen Aufgabenstellungen orientiert
  • Handlungsorientierung
  • schulnahes Curriculum
  • Orientierung an beruflichen Handlungssituationen
Sachsen acht Lernfelder (an beruflichen Handlungsfeldern orientiert)
  • Handlungsorientierung
  • Unterricht in Lernsituationen
  • schulnahes Curriculum
Sachsen-Anhalt sieben Lernfelder (an beruflichen Handlungsfeldern orientiert)
  • Handlungsorientierung
  • Tätigkeitsfelder und Entwicklungsaufgaben als didaktische Orientierungsfaktoren
  • Unterricht in Lernsituationen
  • zusätzlich linear-zielgerichteter Unterricht (Fachsystematisch)
Saarland vier Lernfelder (an beruflichen Handlungsfeldern orientiert) und acht berufsbezogene Fächer
  • Handlungsorientierung
  • Unterricht in Lernsituationen
Schleswig-Holstein fünf Lernbereiche (orientiert an KMK-Rahmenvereinbarung)
  • Unterricht in Lernbereichen in drei Phasen: Orientierung, Grundlagen, Vertiefung
  • handlungsorientiertes Lernen mit Berufsbezug
Thüringen dreizehn fächerorientierte Lernbereiche und sieben berufsbezogene Lernfelder
  • Handlungsorientierung
  • Unterricht in Lernsituationen

Stand 07/2008

Es wird deutlich, dass wir bundesweit von keiner konsistenten didaktischen Struktur reden können. Nur eine gemeinsame Grundrichtung liegt vor. Unabhängig von der jeweiligen Ausgestaltung des Lehrplans sind grundsätzlich folgende didaktische Prinzipien in allen curricularen Vorgaben verankert:

  • handlungsorientierter Unterricht
  • berufliche Handlungssituationen als Kontext der Lehr-Lern-Arrangements, d.h. fächerübergreifendes Lernen
  • Theorie-Praxis-Bezug (Unterricht am Lernort Schule und praktische Ausbildung in sozialpädagogischen Einrichtungen)
  • eigentätiges bzw. selbstverantwortliches Lernen

Damit wird deutlich, dass weitgehend alle Lehrpläne - egal ob sie Lernfelder, Lernmodule, Lernbereiche, Themenfelder usw. enthalten - an den Grundprinzipien lernfeldorientierten Unterrichts gebunden sind (vgl. Tenberg 2006).

Das Grundprinzip des Lernfeldkonzeptes besteht darin, den Unterricht in der beruflichen Ausbildung an den Arbeits- und Handlungsprozessen des jeweiligen Berufes zu orientieren. Das berufliche Handeln soll leitend werden für das Lernen in der Schule. Die KMK wollte damit 1996 die Berufsausbildungen in der Bundesrepublik Deutschland einer Vereinheitlichung näher bringen. Es sollten im Bereich der dualen Berufsausbildung für alle Bundesländer weitgehend einheitliche Ordnungsmittel (Rahmenlehrpläne, Rahmenrichtlinien) geschaffen und das Lernen in Schule und Betrieb einander angeglichen werden.

Neben dieser eher bildungsorganisatorischen Begründung gab es vor allem auch gewichtige bildungstheoretische Überlegungen, die zur Einführung der Lernfelddidaktik geführt haben. Berufliche Tätigkeiten werden zunehmend komplexer und das im Hinblick auf einen rasanten Wandel der Berufs- und Arbeitswelt. Damit besteht die Notwendigkeit, sich immer wieder neu auf Veränderungen einzustellen, also zu lernen. Damit wird lebenslanges Lernen unabdingbar in der modernen Berufswelt. Diese Entwicklungen führten dazu, dass schon seit längerem der fachorientierte Unterricht mit seiner Wissenslastigkeit hinterfragt wurde und abgelöst werden sollte durch Unterrichtsformen, die die Eigentätigkeit und den Praxis- und Berufsbezug in den Vordergrund rücken. Es konnte nicht mehr vor allem darum gehen, Faktenwissen anzuhäufen, sondern der Erwerb beruflicher Problemlösungskompetenz wurde vorrangiges Ziel. Dies sollte seit den 1990er Jahren durch handlungsorientiertes Lernen erreicht werden.

Es ist vor allem das didaktische Prinzip der Handlungsorientierung, das durch die entsprechende curriculare Vorgabe des Lernfeldkonzeptes unterstützt werden sollte und soll. Handlungsorientierung lässt sich durch eine Reihe von Bestimmungsgrößen definieren:

  • komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet
  • handlungssystematisches Vorgehen
  • integrierter Fachunterrichtsraum
  • kooperatives und kommunikatives Lernen
  • integrative offene Leistungsfeststellung
  • unterstützende Lehrerrolle
  • Selbststeuerung und Freiheitsgrade
  • innere Differenzierung

(Schelten 2008, S. 47).

Hier zeigt sich, dass die Handlungsorientierung wichtige Konzepte der pädagogischen Psychologie bzw. der aktuellen Lehr-Lern-Forschung wie "problemorientiertes Lernen", "situiertes Lernen", "kooperatives Lernen", "offenes und selbstgesteuertes Lernen" aufnimmt (vgl. Rost 2006). Lernfelder wollen auf curricularer Ebene die Berücksichtigung der aufgezeigten didaktischen Prinzipien bei der Planung und Durchführung von Unterricht unterstützen. Vor diesem Hintergrund wurde die Lernfelddidaktik inzwischen ausgehend vom Bereich der dualen Berufsausbildung auf weitgehend alle anderen Ausbildungsgänge im Bereich der beruflichen Bildung übertragen.

Dazu noch eine kleine Randnotiz: Der eigentliche Ausgangspunkt für Reformen und neue Lehrpläne in der Erzieherinnenausbildung bundesweit war die KMK-Rahmenvereinbarung zur Ausbildung und Prüfung von Erzieherinnen aus dem Jahr 2000 (Sekretariat der KMK 2000). Diese findet sich wortwörtlich übernommen in der Rahmenvereinbarung der KMK für Fachschulen von 2002 wieder (Sekretariat der KMK 2002). Darin werden Lernfelder nicht erwähnt, noch nicht einmal die Handlungsorientierung als didaktisches Prinzip. Einzige didaktisch-methodische Vorgabe darin sind die Entwicklungsaufgaben. Dass wir in der Sozialpädagogik in Lernfeldern unterrichten, scheint vor allem durch den zeitlichen Zusammenfall der KMK-Rahmenvereinbarung für die Erzieherinnenausbildung und der Diskussion in der beruflichen Bildung über Lernfelder entstanden - ohne eine Erörterung der fachdidaktischen Notwendigkeit und einer weitergehenden Klärung der Sinnhaftigkeit.

Problematisierungen

Es stellt sich nun die Frage, wie diese curriculare und didaktische Situation insgesamt einzuschätzen ist. Trotz aller vielleicht berechtigten Kritik zeigen sich auch deutliche Vorteile des Lernfeldkonzeptes in der Erzieherinnenausbildung:

  • ein hoher Bezug des Lehrplanes und damit des Unterrichts zum beruflichen Handeln und damit die Unterstützung des Theorie-Praxis-Bezuges sowie der Lernortkooperationen.
  • die verbindliche Implementierung zentraler Erkenntnisse der Lehr-Lern-Forschung wie das Konzept des "situierten Lernens", des "kooperativen Lernens", eines "problemorientierten Zugangs" und des "selbstgesteuerten Lernens".
  • die Übertragung didaktischer Verantwortung an die Teams in den Schulen aufgrund der Notwendigkeit, aus den Lernfeldern Lernsituationen als Grundlage der schulinternen Curricula zu entwickeln - was die Team- und Schulentwicklung unterstützt.

Daneben gibt es aber bei genauerer Betrachtung Aspekte, die problematisch erscheinen. Hierbei sind zwei Ebenen zu unterscheiden. Zum einen gibt es einige Ungereimtheiten auf der Ebene der Lehrpläne selbst. Ein Blick auf sie verdeutlicht, was auf der Hand liegt:

  • Die bundesweite Vielfalt an Bezeichnungen und Begriffen, an Konzepten und didaktischen Prinzipien verwirrt. Eine Diskussion über Curricula für die Erzieherinnenausbildung muss immer erstmal klären, aus welchem Bundesland kommt der jeweilige Gesprächspartner? Was meint er mit Lernfeld, Themenfeld etc.? Das schwächt die Position der Fachschulen in der Qualitätsdiskussion. Gerade in einer Zeit, in der die Fachschulausbildung angefragt ist und es um die Frage der Verlagerung der Erzieherinnenausbildung in den Hochschulbereich geht, sollte klar sein, welches didaktische Konzept verfolgt wird. Nur so lässt sich eine Fachdidaktik oder Berufsfelddidaktik für die Sozialpädagogik begründen und voranbringen.
  • Eng mit der curricularen Divergenz hängt auch zusammen, dass die inhaltliche Seite der Erzieherinnenausbildung zu wenig im Blick ist. Lernfelder nehmen ihren Ausgang von beruflichen Handlungsfeldern. Das geschieht bundesweit sehr heterogen. Es fehlt weitgehend an einer empirischen Berufsfeldforschung, die erstmal verdeutlicht, was eine Erzieherin in welchem Umfang tut - und welche Kompetenzen sie hierfür benötigt.

Diese wenigen Anmerkungen mögen an dieser Stelle genügen. Es ist offensichtlich, dass es sich hier um Probleme handelt, die mit dem föderalen System in Deutschland zusammenhängen. Wenn jedes Bundesland seinen eigenen Lehrplan kreiert und seine eigenen Vorstellungen von einer Berufsfelddidaktik Sozialpädagogik, dann kann es nur zu einer verwirrenden Vielfalt, zu einem Auseinanderlaufen der didaktischen und curricularen Entwicklungen kommen - was für das sozialpädagogische Feld alles andere als gut ist. Es sei daran erinnert, dass das Lernfeldkonzept eigentlich die curriculare Vielfalt reduzieren sollte.

Auf einer zweiten Ebene gibt es aber ein noch viel grundsätzlicheres Problem. Zur Notwendigkeit fachsystematischen Lernens muss hier nichts weiter gesagt werden. Es ist klar, dass handlungssystematisches und fachsystematisches Lernen integriert werden müssen. Das ist sowohl in der Pädagogischen Psychologie als auch in der Didaktik inzwischen unhinterfragt. Es gibt einen anderen Aspekt, der leider in der Didaktikdiskussion zu kurz kommt. Dieser hängt mit einem spezifischen Verständnis beruflichen Handelns zusammen, das leitend ist für das Lernen in Lernfeldern, wie es in der Berufspädagogik begriffen wird. Und das hat unmittelbare didaktische Konsequenzen. Dem Lernfeldkonzept liegt ein Handlungsbegriff zugrunde, der sich nicht eins zu eins auf die sozialberuflichen Bildungsgänge übertragen lässt.

Und dazu ist es wichtig, das berufliche Handeln bzw. das Berufsfeld genauer in den Blick zu nehmen. Eine Didaktik in der beruflichen Bildung wird durch das Berufsfeld mit beeinflusst, wofür es ausbildet. Der Unterricht in Lernfeldern hat seine Wurzeln in den dualen Ausbildungen im gewerblich-technischen und kaufmännischen Bereich, die durch zwei wesentliche Merkmale gekennzeichnet sind:

  1. Die Lernfelder beziehen sich erstens auf Berufsfelder, die durch gut identifizierbare Technologien bzw. Arbeits- und Geschäftsprozesse beschrieben werden können. Schaut man sich die Tätigkeitszusammenhänge etwa in einer Bank, einem handwerklichen Beruf, im Bürobereich eines Betriebes usw. an, zeigen sich berufliche Aufgaben, die relativ gut abgrenzbar und deutlich abbildbar sind. Man denke etwa an die Einrichtung eines Kontos, das Einsetzen eines Fensters, die Vorbereitung einer Einkaufsentscheidung - klar abgrenzbare berufliche Handlungszusammenhänge.
  2. Zweitens orientiert sich unter handlungstheoretischer Perspektive das berufliche Handeln dabei im technischen wie auch im kaufmännischen Bereich paradigmatisch am Subjekt-Objekt-Schema, d.h. das Handeln des Berufstätigen ist auf ein Objekt gerichtet. So geht es bei dem Einrichten eines Kontos um einen klar umrissenen Gegenstand bzw. Vorgang. Der Kunde steht in seiner Kundenrolle vor dem Tresen. Natürlich ist er auf einer ethischen Ebene als Subjekt zu betrachten - aber beruflich gesehen erscheint er als Objekt des Handelns, in seiner Rolle als Kunde. Verhält er sich spontan im Widerspruch zu seiner Kundenrolle, liegt eine Störung vor - und der Chef oder der Sicherheitsservice wird gerufen. Beim Einsetzen eines Fensters bzw. der Vorbereitung einer Einkaufsentscheidung verhält es sich ebenso.

Diese Aussagen sind hier mit aller Vorsicht und mit einer im Rahmen dieses Aufsatzes notwendigen Vereinfachung zu sehen. Sicherlich ist auch die Arbeit in einer Bank usw. anspruchsvoll und differenziert - das soll nicht bezweifelt werden.

Beide Merkmale beruflichen Handelns treffen in dieser Weise aber für die Tätigkeit einer Erzieherin nicht durchgehend zu. Ein wesentliches Merkmal sozialpädagogischen Handelns ist seine Vielschichtigkeit und Komplexität. Die Erzieherin ist, wie Gruschka (et al. 1995, S. 64) sagt, mit der ganzen Vielfalt, Offenheit, dem "ganzen geregelten Chaos" pädagogischer Handlungssituationen konfrontiert. Hierzu muss man sich nur einmal kurz in einen Gruppenraum eines Kindergartens während einer Freispielphase setzen und schauen, auf wie vielen Ebenen eine Erzieherin parallel handeln muss. Es geht dabei - und das durchzieht jede berufliche Situation einer Erzieherin - um vielschichtige, gleichzeitig ablaufende Beziehungs-, Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsprozesse, die sich gerade nicht in Handlungsroutinen bzw. Handlungssystematiken abbilden lassen und die eben nicht deutlich voneinander abgrenzbar sind.

Hier klingt schon an, dass das Subjekt-Objekt-Schema so nicht greifen kann. Pädagogische Interaktionen sind ganzheitlich und durchgehend sozialisierend. Eine Erzieherin beeinflusst nahezu zu jedem Zeitpunkt die Entwicklung und Sozialisation der Kinder bzw. Jugendlichen, mit denen sie es zu tun hat. Diese treten dabei als spontan agierende Subjekte auf, d.h. ihr Verhalten orientiert sich nicht an festen Rollen, sondern Kinder und Jugendliche agieren mit ihrer ganzen Persönlichkeit unvorhersehbar in der jeweiligen Situation. Man denke z.B. an ein vierjähriges Mädchen, das in der Ecke des Gruppenraums steht und weint. Hier liegt ein ganzheitliches, einmaliges Verhalten vor. Oder man denke an einen 16-Jährigen, der sich im Juze vor einem Erzieher aufbaut und ihm Schläge androht.

Daher lassen sich diese pädagogischen Interaktionen in ihrem Verlauf grundsätzlich nicht vorhersehen. Der Rückgriff auf Handlungsroutinen ist daher problematisch und nicht angemessen. Natürlich verfügt eine erfahrene Erzieherin über ein ausdifferenziertes Handlungsrepertoire und kann neue Situationen in aller Regel schnell fachlich versiert einschätzen. Aber trotzdem bleibt auch für sie ein Rest prinzipieller Unvorhersehbarkeit. Sie kann und wird durch das Agieren eines Kindes oder Jugendlichen im Kontext ihres beruflichen Handelns immer wieder überrascht werden. Pädagogische Interaktionen sind prinzipiell unabgeschlossen und nicht antizipierbar, und das gehört grundsätzlich zum sozialpädagogischen Beruf dazu.

Was hier nur kurz angerissen werden kann, hat deutliche Folgen für die Didaktik. Das didaktische Prinzip der Handlungsorientierung und das handlungssystematische Lernen etwa nach der Leittextmethode sind sinnvoll und ausreichend, wenn für einen Beruf ausgebildet wird, der sich in gut abgrenzbare und beschreibbare Arbeits- und Geschäftsprozesse fassen lässt und der dem Subjekt-Objekt-Schema folgt.

Das reicht für sozialpädagogische Bildungsgänge allerdings nicht aus. Die skizzierten beruflichen Situationen einer Erzieherin erfordern weitere didaktische Prinzipien. Eine Berufsfelddidaktik Sozialpädagogik muss neben der Handlungsorientierung und integrierter fachsystematischer Sequenzen vor allem einer ausgewiesenen Persönlichkeitsorientierung in der Ausbildung mehr Raum geben - und zwar weit über das hinaus, was als Personalkompetenz oder Humankompetenz im Rahmen des Leitziels berufliche Handlungskompetenz in der KMK-Handreichung für Rahmenlehrpläne gemeint ist (Sekretariat der KMK 2007).

Skizze einer Weiterentwicklung

Damit kommen wir zu einigen Überlegungen zur Weiterentwicklung einer Fachdidaktik bzw. Berufsfelddidaktik Sozialpädagogik. Es wurde auf zwei Problemzusammenhänge hingewiesen: erstens auf die verwirrende Situation auf der Ebene der Lehrpläne und zweitens auf die didaktische Unzulänglichkeit eines allein handlungssystematischen bzw. handlungsorientierten Unterrichts in der Sozialpädagogik im Kontext eines Handlungsbegriffs, der sich am Subjekt-Objekt-Schema und an beruflicher Problemlösungskompetenz ausrichtet.

Angesichts des ersten Problems muss ein erster wesentlicher Schritt darin bestehen, auch für die Erzieherinnenausbildung einen bundesweiten Rahmenlehrplan zu erarbeiten, der grundlegende didaktische Konzepte, Prinzipien und Strukturen z.B. in Form einer neuen bzw. erweiterten Rahmenvereinbarung auf KMK-Ebene einheitlich entwickelt und realisiert. Und dieser muss sich auf Ergebnisse einer Berufsfeldforschung beziehen, die aufklärt, was eine Erzieherin eigentlich tut.

Bei einer neuen Rahmenvereinbarung muss aber ein didaktisches Konzept grundgelegt werden, das den spezifischen Anforderungen sozialpädagogischen Handelns gerecht wird. Damit sind wir bei dem zweiten Problemzusammenhang. Eine zukünftige Erzieherin wird nur dann Professionalität im Rahmen der Ausbildung erreichen, wenn sie sowohl berufliche Handlungskompetenz im Sinne von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten erwirbt als sich auch in ihrer Persönlichkeit entwickelt, d.h. ihre berufliche Identität ausbaut, ihre Beobachtungs- und Reflexionsfähigkeit voranbringt und lernt, ihre Person und ihre Persönlichkeit als wesentliche Dimension ihres Berufes zu verstehen. Nur so ist sie für Situationen gerüstet, wie sie bezogen auf das weinende Mädchen oder den aggressiven Jugendlichen angedeutet wurden.

Dazu bedarf es persönlichkeitsorientierter didaktischer Ansätze. Dabei müssen wir nicht bei Null beginnen. Schon in den 1980er Jahren wurden wesentliche Grundgedanken zu einer Didaktik der Sozialpädagogik formuliert. Ein Blick auf die Ergebnisse des Berufskolleg-Versuchs von Gruschka (1985) sowie auf Überlegungen zur Sozialdidaktik von Karsten oder Dittrich (Habel/Karsten 1986 und Karsten 2003, Krüger/Dittrich 1986) weisen den Weg. Er zeigt drei didaktische Prinzipien auf, die der Ausbuchstabierung einer persönlichkeitsorientierten Didaktik in der Sozialpädagogik Richtung geben können. Diese drei Prinzipien sollen kurz gekennzeichnet werden, wobei hier kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird - es handelt sich um erste Skizzen:

  • integrale Persönlichkeitsentwicklung, die den beruflichen Sozialisationsprozess zur Erzieherin gestaltet
  • Rekonstruktion sozialpädagogischer Theorien ausgehend von Problemsituationen der Praxis
  • das Prinzip der doppelten Vermittlungspraxis

Persönlichkeitsentwicklung muss integraler Bestandteil jedes Lernens in der Sozialpädagogik sein. Gruschka (1985) hat empirisch gut abgesichert ein Konzept erprobt, dass durch vier Entwicklungsaufgaben dem sozialpädagogischen Lernen eine hilfreiche Orientierungsstruktur liefert. Damit steht die Entwicklung der Persönlichkeit zur Erzieherin im Mittelpunkt der Ausbildung. Gleichzeitig geht er von einem Schülerinnenbild aus, bei dem diese immer schon pädagogische Kompetenzen mitbringt. Es gilt dann, die vorhandenen Kompetenzen zu erfassen und weiterzuentwickeln. Dahinter verbirgt sich ein grundsätzlich anderes Verständnis vom Lernen, von Ausbildung als das defizitorientierte des berufspädagogischen Kompetenzbegriffs. Im Übrigen handelt es sich dabei um kein schlechtes Modell auch für den pädagogischen Umgang von Erzieherinnen mit Kindern.

Als ein großes Defizit der Ausbildung hat sich die Distanz zwischen der Aneignung von Theorie und dem Erleben von Praxis erwiesen. Die Antwort darauf war ein Konzept, das in den Büchern "Aus der Praxis lernen" und "In Praxisfeldern handeln" (Gruschka et al. 1995, 1998) dargestellt wird. Handlungssituationen werden dabei nicht nur als Rahmen beruflicher Problemstellungen gesehen, die es zu lösen gilt, sondern als Ausgangspunkt der Reflexion von geschehenem Handeln. Dafür eignen sich von den Schülerinnen selbst erlebte Situationen etwa aus der praktischen Ausbildung.

  • In einem ersten Schritt wird das konkret berichtete Handeln analysiert.
  • Ein zweiter Schritt besteht darin, über mehrere Fallanalysen hinweg Regelhaftes herauszukristallisieren, was sich in der Praxis bewährt hat.
  • Und erst im dritten Schritt wird der Bezug zu fachwissenschaftlichen Theorien, Modellen und Konzepten hergestellt bzw. werden diese rekonstruiert. Auf diesem Wege kommen sich Theorie und Praxis näher, und die Schülerinnen verstehen aus der Auseinandersetzung mit erlebten Situationen, dass Theorien, Modelle, Konzepte helfen können.

Hinter dem Prinzip der doppelten Vermittlungspraxis steht der Gedanke, dass sozialpädagogische Lehrkräfte in der Ausbildung junge Menschen auf einen pädagogischen Beruf vorbereiten, d.h. sie gestalten pädagogische Prozesse mit dem Ziel, Schülerinnen in die Lage zu versetzen, pädagogische Prozesse zu gestalten. Damit werden Lehrkräfte Modell. Wenn das Unterrichtsthema "Partizipation" thematisiert wird und Schülerinnen an den Entscheidungsprozessen in der Schule und im Unterricht nicht teilhaben, wird das Vorbild und Verhalten der Lehrkräfte viel wirkungsvoller sein als alles was sie sagen. Auch der Aspekt der gegenseitigen Wertschätzung oder das Eingehen auf die Situation und Befindlichkeit des Gegenübers (d.h. der Schülerinnen) haben hohen Modellcharakter für die Schülerinnen in Bezug auf das, was sie an Handlungsweisen und Haltungen für ihren Beruf übernehmen.

Alles selbstverständlich, denken wir - und doch ist es nicht systematisch in unserem didaktischen Denken verankert. Diese drei didaktischen Prinzipien müssen noch weiter konkretisiert werden. Momentan fehlt es noch an einem umfassenden didaktischen Konzept für sozialpädagogische Bildungsgänge. Viele Schulen sind noch dabei, das Lernfeldkonzept umzusetzen - und das mit Bauchschmerzen. Diese Bauchschmerzen sind begründet in dem, was hier problematisiert wurde. Wie schon gesagt, das Lernfeldkonzept enthält sinnvolle und begründete Ansätze. Es muss allerdings erweitert werden um die dargestellten didaktischen Prinzipien einer persönlichkeitsorientierten Ausbildung. In einem letzten Gedankengang soll eine mögliche Integration der didaktischen Konzepte angedeutet werden. Das könnte so aussehen, dass das Lernfeldkonzept als Rahmen genutzt wird.

  1. Die Handlungskompetenzen einer Erzieherin werden als Fach- bzw. Personal- und Sozialkompetenzen in Lernfeldern beschrieben.
  2. Die entsprechend zu erarbeitenden Makrosequenzen oder Lernsituationen sind aber nicht allein handlungssystematisch gefasst. Sie können und müssen an bestimmten Stellen auch fachsystematisch gestaltet sein und ebenfalls kommunikationssystematisch. Bei diesen steht die Reflexion von pädagogischen Situationen oder auch von Situationen in der Klasse im Vordergrund.
  3. Die Planung, Konzeption und Durchführung des Unterrichts muss dabei außerdem durchgehend die aufgeführten didaktischen Prinzipien Integrale Persönlichkeitsentwicklung, Rekonstruktion von Theorie ausgehend von erlebter Praxis und das Prinzip der doppelten Vermittlungspraxis berücksichtigen.

Auf diese Weise ließe sich das Lernen in Lernfeldern sozialpädagogisch reflektiert weiter entwickeln und auf die spezifischen Bedingungen sozial- und elementarpädagogischer Handlungsfelder beziehen.

Literatur

Gruschka, A. (1985): Wie Schüler Erzieher werden - Studie zur Kompetenzentwicklung und fachlichen Identitätsbildung in einem doppeltqualifizierenden Bildungsgang des Kollegschulversuchs NW, Wetzlar (2 Bände).

Gruschka, A. et al. (1995): Aus der Praxis lernen (Schülerband), Düsseldorf.

Gruschka, A. et al. (1995): Aus der Praxis lernen (Lehrerband), Düsseldorf.

Gruschka, A. et al. (1998): In Praxisfeldern handeln - Arbeitsbuch für den Praxiseinstieg angehender Erzieherinnen, Düsseldorf.

Habel, W./Karsten, M.-E. (1986): Zur Profilierung der sozialpädagogischen Ausbildung: Eine eigenständige Didaktik sozialen Lernens? In: Rabe-Kleberg, U./Krüger, H./Derschau, D. v. (Hrsg.): Qualifikationen für Erzieherarbeit. Bd. 3. München, S. 313-323.

Karsten, M.E. (2003): Sozialdidaktik - Zum Eigensinn didaktischer Reflexionen in der Berufsbildung für soziale und sozialpädagogische (Frauen-) Berufe. In: Schlüter, A. (Hrsg.): Aktuelles und Querliegendes zur Didaktik und Curriculumentwicklung. Bielefeld, S. 350-374.

Krüger, H./Dittrich, J. (1986): Sozialdidaktik - Ein eigenständiger Ansatz in der Ausbildung für soziale Berufe. In: Rabe-Kleberg, U. (Hrsg.): Qualifikationen für Erzieherarbeit. Bd. 3 Beruf oder Privatarbeit - eine falsche Alternative. München, S. 325-342.

Küls, H. (2008): Lehrpläne der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern. Curriculare Vielfalt oder curriculare Divergenz? In: Die Berufsbildende Schule 60, 3, S. 81-84.

Küls, H. (2002): Lernen in Lernfeldern. http://www.kindergartenpaedagogik.de/762.html [23.02.2009].

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Sekretariat der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder (2000): Rahmenvereinbarung zur Ausbildung und Prüfung von Erziehern /Erzieherinnen (Beschluss der KMK-Konferenz vom 28.01.2000). http://www.dbsh.de/Erzieherinnen.pdf [23.02.2009].

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Sekretariat der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder (2007): Handreichung für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule und ihre Abstimmung mit Ausbildungsordnungen des Bundes für anerkannte Ausbildungsberufe. http://www.kmk.org/fileadmin/pdf/Bildung/BeruflicheBildung/handreich.pdf [23.02.2009].

Tenberg, R. (2006): Didaktik lernfeldstrukturierten Unterrichts: Theorie und Praxis beruflichen Lernens und Lehrens. Hamburg, Bad Heilbrunn.

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