DBSH: Erzieherausbildung nicht "verwässern"

Aus: Forum Sozial, Heft 3/2008 (i.E.)

Michael Böwer

"Die besten Fachkräfte für die Kleinsten" - wer erinnert sich nicht an die gleich nach Bekanntwerden der Pisa-Ergebnisse landauf, landab erhobenen Forderungen vieler Fachverbände und Politiker/innen (1). Doch daraus scheint erstmal nichts zu werden. Jedenfalls wenn die Pläne der Großen Koalition für ein "Kinderförderungsgesetz (KiföG)" so umgesetzt werden, wie derzeit im Referentenentwurf vorgesehen. Dort steht, dass das Betreuungsangebot für unter Dreijährige ausgebaut werden soll und ein Rechtsanspruch auf Tagesbetreuung für die Kinder eingeführt wird, die das erste Lebensjahr überschritten haben. Die Kindertagesbetreuung soll sich "mittelfristig zu einem anerkannten, angemessen vergüteten Berufsbild" entwickeln (2). Wie zuletzt das KICK, soll das KiföG als Änderungsgesetz in das KJHG eingehen.

So weit, so gut - doch nicht wie sonst im KJHG üblich, wird hier der "Fachkraft"-Begriff zugrunde gelegt: Vielmehr wird der neue Begriff der "Tagespflegeperson" ins KJHG eingeführt. Und das könnte zunächst einmal jede/r sein, der Lust hat, solch eine Tätigkeit aufzunehmen. Und selbst wenn dies ein Erzieher/eine Erzieherin oder ein/eine Sozialassisten/in sein sollte: Es muss nicht Tariflohn gezahlt werden, denn die Bezahlung soll sich einzig an vergleichbaren Tätigkeiten "orientieren" müssen. Im gleichen Schritt soll auch das "Betreuungsgeld" ins KJHG eingeführt werden. Dabei handelt es sich um das im Vorlauf als "Herdprämie" kritisierte CDU-Konzept, das eine Geldleistung für all jene beinhaltet, die sich dafür entscheiden, ihr Kind zuhause zu betreuen.

Dagegen regt sich fachlicher Widerstand. Im Rahmen des gesetzgeberischen Anhörungsverfahrens der Fachverbände haben diese über die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) zum Referentenentwurf Position bezogen (3) - darunter auch der DBSH. Einhellig kritisieren die Verbände das Betreuungsgeld als fachlich nicht begründet und problematisieren, dass auf Transferleistungen angewiesene Familien dazu neigen könnten, institutionelle Förderangebote nicht zu nutzen. Die Bundesfachgruppe Kinder- und Jugendhilfe, die die DBSH-Position über ihren Kompetenzpool kurzfristig zu Papier gebracht hat, bemängelt die Nichtberücksichtigung langjähriger fachlicher Forderungen für die Reform der Kindertagesbetreuung (reelle Vorbereitungszeiten, Einführung eines Mindestbetreuungsschlüssels), kritisiert die Begrenzung des Betreuungsanspruchs auf die Altersspanne von 1-3 Jahren und wies darauf hin, dass ein Qualitätsanspruch nur mit qualifizierten Mitarbeitern erreichbar sei. Aus DBSH-Sicht bliebe der Entwurf sonst hinter seinem Anspruch zurück.

Schon jetzt müssten Sozialassistentinnen und Sozialassistenten eine zweijährige Ausbildung absolvieren und mindestens den Hauptschulabschluss nachweisen. Es bestehe nun die Gefahr, dass nicht bzw. nicht einschlägig Qualifizierte auf Zuweisung der Arbeitsagentur Tagesbetreuungsaufgaben z.T. auch nur für kürzere Zeit übernehmen. Dies aber bedeute, dass die Qualität elementarpädagogischer Arbeit, die ja ohnehin weit unterhalb der Gehaltsstruktur des Primarbereiches liege, weiter abschmelze. Die vom Entwurf erwogene Angleichung an die Entgeltstruktur der Sozialassistent/innen oder der der Erzieher/innen sei im Kern nur dann haltbar, wenn auch ein adäquates Qualifikationsmodell entwickelt werde. So könne man gemeinsam mit den Fachschulen durchaus langfristige Ausbildungen "on the job" entwickeln und dafür auch Konzepte einbeziehen, wie es sie etwa für die Schulung von Pflegeeltern gebe.

Ein anschließend an die Anhörung der Fachverbände vorgelegtes Diskussionspapier des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge (DV) greift diese Punkte auf (4) und warnt vor einer Deprofessionalisierung im Feld der Kindertagesbetreuung. Auch der DV sieht die Gefahr, dass von Arbeitsagenturen dahin gehend motivierte Nicht-Qualifizierte die Kindertagesbetreuung vereinnahmen. Für den DV ist (daher) eine Überführung der Qualifikation in die Erzieherausbildung sinnvoll; allerdings müsse es sich hier um ein Anreizsystem handeln, dass den Kommunen auch den bedarfsgerechten Ausbau der Kindertagesbetreuung ermögliche.

Eine Grundqualifikation durch Schulungen analog eines Konzepts des DJI wird für erforderlich gehalten. Die dort "gesammelten Alltagserfahrungen" aber müssten tätigkeitsbegleitend gemessen an fachlichen Standards reflektiert und weiter entwickelt werden, weshalb der DV vorschlägt: "Um den Tagespflegepersonen einen Anreiz zu schaffen, sich in einem pädagogischen Berufsfeld (z.B. Erzieher/innenausbildung) zu qualifizieren, sind deren praktische Erfahrungen, informelle Qualifizierung sowie die Teilnahme an Fortbildungsangeboten auf die Berufsausbildung anzurechnen, z.B. durch verkürzte Ausbildungszeiten oder externe Prüfungsmöglichkeiten. Tagespflegepersonen ohne pädagogische Vorqualifikation sollten regelmäßig an Fortbildungsveranstaltungen teilnehmen." (DV 2008, S. 7 f.)

Die hier ins Spiel gebrachte Anrechnung von alltäglichen Betreuungserfahrungen, wie man sie z.B. durch die Erziehung eigener Kinder erwirbt, auf die Zeiten der Erzieherausbildung kann es aber laut DBSH nicht geben. Ausbildung sei nicht durch Erfahrung ersetzbar. Dies weiche nun wirklich die Qualifikationslandschaft auf und entwerte die Erzieherausbildung. Daher sei es konsequent, wenn die AGJ festgehalten habe, dass es zur angestrebten "Verberuflichung" der Kindertagespflege "vor allem einer durchgängigen Orientierung an zeitgemäßen professionellen Standards und einer entsprechenden fachlichen Ausbildung" bedarf, und mit der auch vom DBSH-Papier geteilten Feststellung schließt: "Die angestrebte - und vor dem Hintergrund der Erhöhung des Stellenwertes der Kindertagespflege im Leistungsspektrum des SGB VIII konsequente - Professionalisierung der Kindertagespflege ist unter Beachtung der öffentlichen Verantwortung für den Schutz von Kindern letztlich nur durch professionelle Qualifikationen möglich und vertretbar" (AGJ 2008, S. 4).

Anmerkungen

  1. Vgl. dazu die Positionierung des DBSH zur Pisa-Studie, die DBSH-Stellungnahme zur ErzieherInnenausbildung unter dem Titel "Wir brauchen eine Qualifizierung in der Breite" (2004) und die zusammenfassende Broschüre "Jugendhilfe und Bildung" (2006).
  2. BMFSFJ: Begründung zum "Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetz - KiföG)" vom 7. März 2008
  3. AGJ: Referentenentwurf eines Gesetzes zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetz - KiföG). Stellungnahme des Geschäftsführenden Vorstandes der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe - AGJ. 3. April 2008. Berlin
  4. Deutscher Verein: Diskussionspapier des Deutschen Vereins zur qualitativen, rechtlichen und finanziellen Ausgestaltung der Kindertagespflege - Ergänzung der Empfehlungen von 2005. 26.2.2008. Berlin. Dass der DV in seinem Diskussionsimpuls auch die finanzielle Machbarkeit der "Verberuflichung" der Kindertagespflege für die Kommunen unterstreicht, hängt sicher auch damit zusammen, dass diese (eine) wesentliche Mitgliedergruppe des DV sind (vgl. http://www.deutscher-verein.de/01-verein/ueberuns/mitglieder).
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