Das beste Personal für unsere Kinder - Für eine Stärkung der Attraktivität und des fachlichen Standards der Erzieherausbildung

Gerhard Stranz

Es ist gut, dass in den letzten Jahren die Frage der Stärkung der Attraktivität der Erzieherausbildung in den Mittelpunkt gestellt wird. Eine Fokussierung auf veränderte Ausbildungsgänge ist jedoch in keiner Weise ausreichend, um zu tatsächlich erforderlichen Verbesserungen zu gelangen. Die Verbesserung der Bildungsbedingungen der Kinder sowie die Stärkung der Attraktivität des Arbeitsfeldes und der fachlichen Standards setzen voraus, dass die Rahmenbedingungen in dem Arbeitsfeld für die Beschäftigten heute verbessert werden. Dazu zählt, dass die Erzieher/innen, Kinderpfleger/innen, Sozialpädagog/innen und sonstige Tätige verbesserte Möglichkeiten erhalten, an Fort- und Aufbauausbildungsgängen teilzunehmen und im Arbeitsfeld fachliche Begleitung und Unterstützung erhalten.

Erforderlich sind konkret:

  • Ausweitung der öffentlichen Förderung für die Fortbildung,
  • Ausweitung der personellen Besetzung,
  • Verbesserung der Regelungen zur Freistellung (Leitungsfreistellung und Verfügungszeiten),
  • Einsatz von Vertretungskräften, damit Teilnahmemöglichkeiten geschaffen werden können.

Eine Veränderung der Bedingungen der Ausbildung von Erzieher/innen muss von dem Bedarf der Kinder und der Kultur zur Gestaltung von Bildungsprozessen in der Bundesrepublik ausgehen. Eine Übertragung von Modellen aus anderen Ländern ist nicht 1:1 möglich.

Kinder brauchen zur Begleitung in ihrer Entwicklung, in der immer Erziehung, Bildung und Betreuung gleichzeitig erfolgen, Menschen, die in angemessener Weise auf sie eingehen können und ihnen einen sicheren und verlässlichen Entwicklungsraum schaffen. Dies sind Mitarbeiter/innen, die sicher auf die Bedarfslage der Kinder unterschiedlichen Alters eingehen können.

Fähigkeiten der Beschäftigten in Tageseinrichtungen werden auch bei der Diagnosefähigkeit, der therapeutischen Kompetenz, der Konzeptentwicklung und Evaluation, der Mitarbeiterführung, der Marktbeobachtung und ökonomischen Verantwortlichkeit, bei der Beratung und im Austausch mit Eltern, bei der Kooperation mit anderen Beteiligten im Umfeld, der sozialräumlichen Zusammenarbeit benötigt. Diese vielfältigen Anforderungen können weder durch einen Ausbildungsgang, geschweige denn auf Fachhochschul- oder Hochschul-Niveau, abgedeckt noch alleine im Rahmen der Ausbildung vermittelt werden.

Die Vielfalt der Aufgaben macht deutlich, dass unterschiedliche Qualifikationen für die Gestaltung von gelingenden Bildungsprozessen in Tageseinrichtungen erforderlich sind, dass aber auch vor allem berufsbegleitende Fortbildungen möglich werden müssen - zumal bestimmte Inhalte der Anforderungen nicht im Rahmen einer grundständigen Ausbildung "vermittelt" werden können, wie dies z.B. für die Zusammenarbeit mit Eltern gilt.

Entsprechend der unterschiedlichen Aufgabenstellungen in Tageseinrichtungen müssten Fachkräfte mit unterschiedlichen Qualifikationen tätig werden können. Neben Erzieher/innen in der regelmäßigen Gruppenarbeit könnten Therapeut/innen, Sozialpädagog/innen und Sozialarbeiter/innen tätig werden, die die Voraussetzungen für die Übernahme der unterschiedlichen Aufgaben in der Einrichtung oder für Einrichtungen erfüllen. Insofern gilt auch, dass in allen Ausbildungsstätten, Fachschule, Fachhochschule und Hochschule dem Arbeitsbereich Elementarerziehung differenzierter Aufmerksamkeit gewidmet wird und die dort Ausbildenden tatsächlich praktische Zugänge und regelmäßige Berührungen mit dem Arbeitsfeld haben.

Voraussetzung dafür, dass in dem Arbeitsfeld unterschiedlich qualifizierte Fachkräfte tätig werden können und dieses auch attraktiver wird, ist, dass die Vergütungsregelung auf die erworbene Einstiegsqualifikation Rücksicht nimmt.

Von einer Diskussion sollte Abstand genommen werden, die die Notwendigkeit einer Hochzonung der Erzieherausbildung auf Fachhochschul- oder Hochschulniveau in den Mittelpunkt stellt. Eine solche Ausrichtung verkennt, dass eine entsprechende Hochzonung kurzfristig überhaupt nicht möglich wäre. Für die in der Bundesrepublik 364.868 tätigen Erzieher/innen (Stand: 2002) müssten, wenn das Ziel in fünf Jahren erreicht werden sollte, jährlich 72.973 Abgänger/innen in etwa 364 Studiengängen mit jeweils 200 Teilnehmenden ausgebildet werden.

Oder wie Frau Wolf (2004) Herrn Prof. Dr. Dr. Dr. Fthenakis zitiert: Er hat "vorgerechnet, dass alleine das Ziel pro Einrichtung in Deutschland eine akademisch ausgebildete Kraft einzustellen, bei zehn Studiengängen à 200 Absolvent/innen pro Jahr erst in 25 Jahren zu erreichen wäre."

Da insofern weder die Kapazitäten an den Fachhoch- und Hochschulen vorhanden noch genügend qualifizierte Hochschullehrer/innen verfügbar sind, sollte nicht auf zukünftige Lösungen gesetzt, sondern jetzt mögliche Wege beschritten werden. Insofern kommen m.E. nur differenzierte Lösungen in Frage, die Fortbildungsmöglichkeiten der derzeit tätigen Beschäftigten verbessern, zusätzliche Ausbildungsmöglichkeiten schaffen und vor allem den Einsatz und die entsprechende Vergütung von anders qualifizierten Fachkräften ermöglichen.

Die Diskussion über die Hochzonung kann auch als Kritik an der Tätigkeit der derzeit tätigen Erzieher/innen verstanden werden, denen damit unzureichende Professionalität bestätigt wird. Damit wird den Fachkräften nicht nur noch weiter die erforderlich Wertschätzung für ihre Arbeit vorenthalten, sondern sie werden auch noch zusätzlich kritisiert. Dies erfolgt vor dem Hintergrund, dass die Rahmenbedingungen für die Tätigen in Tageseinrichtungen permanent drastisch verschlechtert wurden und werden (Reduzierung der personellen Besetzung, Zunahme der Gruppenstärke, Erhöhung der Erwartungen, sinkende Arbeitszeit - Teilzeittätigkeit, abnehmendes Realeinkommen, steigende Kooperationsnotwendigkeiten).

Erschreckend müsste die Feststellung aus der Sichtung der Nachfrage nach Fortbildungen aus dem zentralen Fortbildungspool während der diesjährigen Bildungsmesse in Köln wirken: dass Erzieher/innen nach Fortbildungsmöglichkeiten suchen, die ihnen für einen Ausstieg aus dem Kindergarten dienen können, und nur noch Leiter/innen an fachlich orientieren Fortbildungen für den Arbeitsbereich interessiert sind (KiTa aktuell NRW, 2/2004, Seite 117).

Eine Steigerung der Attraktivität des Beschäftigten im Arbeitsfeld setzt eine Anerkennung auch dadurch voraus, dass eine materiell angemessenere Vergütung erfolgt, die einerseits die Tarifvertragspartner auszuhandeln haben, die aber andererseits auch die Regelungen zum Personaleinsatz betrifft, da z.B. in NRW nicht gesichert ist, dass zwei Fachkräfte pro Gruppe eingestellt werden. Konkret gilt es, im Rahmen des Eingruppierungstarifvertrages zum BAT von der Koppelung der Höhe der Vergütung für eine Leiterin von der Anzahl der Plätze abzusehen und auf die Anzahl der Gruppen Bezug zu nehmen, zumal Mitarbeiter/innen Einkommenseinbußen von bis zu 6.000 EUR pro Jahr haben, wenn die Quote von 40 Plätzen unterschritten wird. Es muss für alle Träger möglich werden, Sozialpädagog/innen auf "Fachkraftstellen" auch entsprechend ihrer Qualifikation vergüten zu können. Es müssen finanzielle Höhervergütungen nach der Absolvierung von Zusatzausbildungen, z.B. Aufbaubildungsgängen mit staatlicher Anerkennung, vorgesehen werden.

Auch sollte es Regelungen geben, dass Berufspraktikant/innen nur noch zusätzlich eingesetzt werden können. Tatsächlich werden vor allem im kommunalen Bereich Berufspraktikant/innen auf Ergänzungskraftstellen eingesetzt. Diese Möglichkeit der Einsparung von Personalausgaben korrespondiert mit dem Interesse der Berufspraktikant/innen selbst, die auf einer entsprechenden Stelle als Ergänzungskräfte höher als auf einer Stelle als Berufspraktikantin vergütet werden. Im Ergebnis werden damit nicht nur Anzahl und Qualität der personellen Besetzung gemindert, sondern auch der Einsatz von Berufspraktikant/innen bei anderen Trägern eingeschränkt, die keine Mitarbeiter/innen mehr finden, zumal die "besser" dotierten Tätigkeitsmöglichkeiten als Ergänzungskraftstellen von Berufspraktikant/innen "natürlich" vorgezogen werden.

Abschließende Einschätzungen

Eine Verbesserung der Erzieherausbildung ist nicht mit der Diskussion über die Notwendigkeit und Veränderungsperspektiven erledigt und auf den Weg gebracht. Es ist zumindest gleichzeitig erforderlich, dass die Bedingungen der derzeit tätigen Mitarbeiter/innen im Elementarbereich verbessert werden.

Bildung, Erziehung und Betreuung finden immer gleichzeitig in der unmittelbaren Begegnung mit dem Kind tagtäglich statt. Sie brauchen bessere Bedingungen, zumal sich der Veränderungsbedarf jetzt in der Praxis stellt.

Eine kurzfristige "Hochzonung" der Ausbildung ist nicht mit nachhaltigen Verbesserungen für die Praxis zu realisieren und sollte daher als alleinige Variante für Verbesserungen von Fort- und Ausbildung nicht forciert werden. Es müssen differenzierte und vielfältigere Qualifikationen mit unmittelbarem Praxisbezug zum Arbeitsfeld ermöglicht werden.

Es müssen insofern nicht nur unterschiedliche Zugänge für das Tätigwerden auch von qualifiziert ausgebildeten Fachkräften aus dem Fachhochschul- und Hochschulbereich ermöglicht werden. Die Tätigkeit von Absolventen der Fachschulen wird damit nicht überflüssig. Es müssen und können darüber hinaus aber jetzt Verbesserungen im Arbeitsfeld erfolgen, die kurzfristige dazu beitragen können, den Elementarbereich besser auszustatten und attraktiver zu machen.

Literatur

Dagmar Wolf: Nur mit Studium? Welt des Kindes, 4/2004, Seite 14

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