Kollegiale Beratung in KindertagesstättenEine Studie zu Lernen und Belastungsreduktion in heterogenen Teams

Elisabeth Asam-van den Boogaart

Ausgangslage

Seit längerem lässt sich beobachten, dass in der Kindertagesbetreuung die Personalzusammensetzung heterogener wird und damit die Notwendigkeit von Personalentwicklung im Arbeitsfeld vorliegt, um die Prozessqualität zu sichern – Kita-Teams sollen zu lernenden Organisationen werden (vgl. Weltzien/Viernickel, 2021).

Wertfein, Kofler und Becker-Stoll haben beschrieben, wie Teams u.a. durch Reflexion gefestigt werden können. Dabei sind ein wertschätzender Umgang miteinander, Offenheit für Unterschiede, gegenseitige Unterstützung und kritische Prüfung des eigenen Handelns zentrale Voraussetzungen für professionelles pädagogisches Handeln und nicht zuletzt ein Schutz gegen respektloses, übergriffiges oder gar verletzendes Verhalten gegenüber Kindern in herausfordernden Interaktionen (vgl. Boll/Rehmsperger-Kehm, 2021). Konkret schlugen Wertfein et al. regelmäßige Fallbesprechungen, kollegiale Beratungen oder Supervision vor (vgl. Wertfein/Kofler/Becker-Stoll, 2021).

Vor wenigen Monaten veröffentlichten Trauernicht, Besser und Anders Studienergebnisse, die belegen, dass eine unbefriedigende Zusammenarbeit im Team mit erhöhten Burnout-Werten, konkret in Form von emotionaler Erschöpfung und verringerter Zufriedenheit, einhergeht (vgl. Trauernicht/Besser/Anders, 2022).

Nun startet in den Kindergartenjahren 2022/23 und 2023/24 das aktuelle bayerische Mini-Kita-Modell mit Absenkung der Quote an Fachkräften auf mindestens 33% statt 50% und gleichzeitiger Erhöhung der Kinderzahl von 12 auf 15 (vgl. Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, 2022). Als Schwerpunkte werden die Gewinnung neuen Personals und dabei die Weiterbildung von Ergänzungskräften zu Fachkräften und der Ausbau multiprofessioneller Teams angegeben (vgl. ebd.).

These

In dieser Situation, die sich als Gemengelage aus besonders heterogen zusammengesetzten Teams (vom (früh-)pädagogischen Studium über eine Ausbildung bis hin zu einer noch anstehenden Nachqualifizierung) und besonders herausfordernden Arbeitsbedingungen (v.a. im Hinblick auf den vorhandenen Fachkräftemangel) – insbesondere bezogen auf die Teamarbeit unter sehr unterschiedlichen Ausgangsbedingugen im Hinblick auf das pädagogische Vorwissen – darstellt, könnte die Methode der kollegialen Beratung geeignet sein, ein kooperatives Miteinander zu fördern, einen teaminternen fachlichen Diskurs und damit Lernen anzuregen, Prozessqualität zu sichern und zudem die berufsbedingten Belastungen zu reduzieren. Die kollegiale Beratung zielt wie pädagogische Beratung im Allgemeinen darauf ab, Alltagsprobleme in Lerngelegenheiten zu überführen (vgl. Hechler, 2010).

Begründung

Die kollegiale Beratung verspricht gemäß der Fachliteratur sowie empirischen Untersuchungsergebnissen (Eine Übersicht über beides findet sich in Asam-van den Boogaart, 2022 b) Entlastung bei starker beruflicher Beanspruchung. Sie ist aus der Praxis heraus entstanden, beispielsweise in Ermangelung von Supervision, und nachträglich theoretisch gerahmt worden.

Prinzipiell ist in der Methode der kollegialen Beratung die Möglichkeit angelegt, von der angeleiteten in die selbst geleitete Form dieser Beratungsmethode überzugehen (vgl. Fiege, 1999; Schmidt, 1999; Mutzeck, 2005; Macha et al., 2010). In der angeleiteten kollegialen Beratung hat die Beratungsgruppe die Aufgabe, mit Hilfe einer moderierenden, pädagogisch beratenden Person der falleinbringenden Person mögliche Handlungsoptionen zur Perspektiverweiterung und als Entscheidungshilfe anzubieten. In der kollegialen Beratung als Selbsthilfe, die dem Empowerment-Ansatz zugeordnet werden kann (vgl. Asam-van den Boogaart, 2022 b), sind Ratsuchende und Berater_innen austauschbar und der einzige Unterschied besteht in den aktuell ausgeübten Rollen im Beratungsprozess.

Kindertagesstätten sind aufgrund ihrer Arbeitsbedingungen und Anforderungen ein belastetes Arbeitsfeld (vgl. Trauernicht/Besser/Anders, 2022), in dem vielfältige personale und soziale Kompetenzen vorausgesetzt werden, um pädagogische Qualitätsstandards einhalten zu können. Außerdem herrscht Personalmangel, der sich in den kommenden Jahren noch verstärken wird (vgl. Bertelsmann-Stiftung, 2021). In einschlägigen Studien (vgl. z.B. GEW, 2008; Schreyer et al., 2015; OECD, 2019; Bock-Famulla et al., 2020) kristallisierte sich das Bild von grundsätzlich mit ihrem Beruf sehr zufriedenem KiTa-Personal heraus, das aber im Vergleich zu anderen Berufen hohen berufsbezogenen Belastungen ausgesetzt ist.

Insofern ist es angesichts der aktuellen Situation dringend notwendig, abzuklären, ob kollegiale Beratung als Ressource dem betroffenen Personal durch signifikantes Lernen hilft, Stress auslösenden Situationen im Arbeitsalltag besser gewachsen zu sein und so die berufsbedingte Belastung in elementarpädagogischen Arbeitsfeldern effektiv verringern kann.

Erste Forschungsergebnisse

Eine Fragebogenstudie der Autorin unter KiTa-Personal in Augsburg und Umgebung (n=365) ergab einen signifikanten Zusammenhang zwischen berufsbezogener Beratung und der erlebten Belastung im Beruf. Bei regelmäßiger Nutzung von Beratung welcher Art auch immer gab es kaum beruflich belastete Personen. Hingegen war die erlebte berufliche Belastung sehr hoch, wenn keinerlei berufsbezogene Beratung zur Verfügung stand.

Auch wurde ein Zusammenhang zwischen berufsbezogener Beratung und Zufriedenheit gefunden: Regelmäßige Beratung korrelierte mit einem p-Wert von 0,00001 auf einem extrem hohen Signifikanzniveau mit beruflicher Zufriedenheit. So lässt sich berufsbezogene Beratung im Allgemeinen als gewinnbringende Ressource zur Förderung allgemeiner beruflicher Zufriedenheit und Senkung erlebter beruflicher Belastung und damit als geeignete Coping-Strategie gegen Stress bei KiTa-Personal identifizieren.

In einer zweiten, ausdifferenzierteren Fragebogenstudie (n=222) wurden speziell die Wirkungen kollegialer Beratung – wobei hier zwischen der angeleiteten Form und der selbstgeleiteten Form unterschieden wurde – und sonstiger Beratungsmethoden wie Supervision untersucht. Der Zusammenhang zwischen der genutzten Beratungsart und emotionaler Belastung war mit einem errechneten p-Wert von 0,005 statistisch hoch signifikant. Beispielsweise gaben Nutzer_innen kollegialer Beratung und Supervision weniger Konflikte im Team an als andere Gruppen (p=0,09).

Beim Vergleich der Beratungsmethoden bezüglich ihrer spezifischen positiven Effekte ist einer der Vorteile kollegialer Beratung, dass sie mit 51,78% hohe Werte für die berufliche Weiterentwicklung erhielt. Auch bekam sie mit 91,67% die höchste Zustimmung für die Nützlichkeit im Berufsalltag. Dies betrifft die intern geleitete Form kollegialer Beratung, die ebenfalls Spitzenwerte bei der Anregung des pädagogischen Austauschs unter Kolleg_innen (80% Zustimmung), der Erleichterung des beruflichen Alltagshandelns (79,17%) und der Ermutigung durch die Erfahrungen von Kolleg_innen (78,26%) erhielt.

Ausblick bezogen auf kollegiale Beratung in der elementarpädagogischen Praxis

Kollegiale Beratung ist ein nützliches Angebot, wegen einer anderen Schwerpunktsetzung durchaus ergänzend zur Supervision, oder gerade wenn es keine regelmäßige Supervision oder vergleichbare Beratungsangebote gibt. Das jeweilige Team einer Kindertagesstätte sollte zusammen mit dem Träger entscheiden, auch im Hinblick auf die aktuellen finanziellen Möglichkeiten für Fortbildungen etc., ob für sie eine extern angeleitete, eine selbst geleitete kollegiale Beratung oder der Übergang von der einen in die andere Form infrage kommt. Für Letzteres wäre eine Fortbildung zur Einführung in die Methode denkbar.

Wichtig sind regelmäßige kollegiale Beratungen, damit Fälle, z.B. Dilemmasituationen oder Konflikte, zeitnah besprochen werden und durch angeregte Lernprozesse schnell Erleichterung im Berufsalltag erfahren werden und somit die empfundene berufsbedingte Belastung reduziert werden kann. Dies würde auch der pädagogischen Qualität, gerade von Interaktionen der (sich z.T. noch einarbeitenden) Ergänzungskräfte mit Kindern, die im Rahmen der kollegialen Beratung im Rollenspiel geprobt werden können, zugutekommen.

Fazit

Am Ende der hier vorgestellten Studie steht die Erkenntnis, dass das Wissen über die Potenziale und Wirkungen kollegialer Beratung in elementarpädagogischen Arbeitsfeldern gerade erst am Anfang steht. Lohnend verspricht der Einsatz dieser Methode jedenfalls zu sein und ist daher anzuraten, insbesondere für sehr heterogene Teams, um die eigene Berufspraxis kritisch zu reflektieren und voneinander zu lernen sowie zur Einarbeitung neuer Mitarbeiter_innen.

Literatur

Asam-van den Boogaart, E.: Kollegiale Beratung in pädagogischen Teams. Online verfügbar unter: https://www.kindergartenpaedagogik.de/fachartikel/kita-leitung-organisatorisches-teamarbeit/kita-leitung-und-teamarbeit/kollegiale-beratung-in-paedagogischen-teams/ (Zugriff 05.09.2022), 2022 a.

Asam-van den Boogaart, E.: Kollegiale Beratung an Institutionen der Elementarpädagogik. Münster: Waxmann Verlag, 2022 b.
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Autorin
Dr. Elisabeth Asam-van den Boogaart ist Diplom-Sozialpädagogin (FH) und Diplom-Pädagogin (Univ.), hat viele Jahre Berufserfahrung in verschiedenen elementarpädagogischen Arbeitsfeldern und im Jahr 2021 mit dem hier vorgestellten Thema im Fach Pädagogik an der Universität Augsburg promoviert. Sie arbeitet derzeit als Berufsschullehrerin und gibt als Referentin Fortbildungen zu kollegialer Beratung für pädagogische und soziale Berufe.

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