Michael Leinenbach
Verfolgt man die derzeitige Diskussion, so tritt ein heftiger Richtungsstreit über die Zukunft des Berufsbildes der Erzieherin zu Tage. Eine wesentliche Fragestellung hierbei nimmt die zukünftige Ausbildung der Erzieher/innen ein. Stehen wir vor einer Akademisierung der Erzieher/innenausbildung oder wird weiterhin die Ausbildung auf Fachschulniveau gehalten? Was spricht für die Akademisierung und was dagegen? Ein Blick in die aktuelle politische Diskussion zeigt den Spannungsbogen auf.
Anfang Januar äußerte sich die neue Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) in einem Pressegespräch dahingehend, dass "zumindest an der Spitze von Kindergärten und Ganztagesstätten zukünftig Akademiker stehen sollten". Die Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) vertrat hingegen in einem Interview im Dezember 2007 die Meinung, dass es keine generelle Akademisierung der Erzieher/innen geben müsse. Vielmehr solle es im Rahmen der Qualifizierungsinitiative der Bundesregierung ein besseres Angebot zur Weiterbildung im Bereich der Stärkung des Bildungsauftrages in den Kindergärten geben.
Unbestritten jedoch ist, dass die Zahl der Betreuungsplätze quantitativ ausgebaut werden soll. Dieser Ausbau soll auch mit Hilfe von gering qualifizierten Tagesmüttern gestaltet werden. Hintergrund dieser Entwicklung ist zunächst die Förderung der Beruflichkeit von Frauen und die schnellstmögliche Verbesserung der Betreuungsquoten.
Qualitativ hat sich, angesichts sich immer problematischer gestaltender familiärer Verhältnisse, ein Erziehungs- und Beratungsauftrag der Kindergärten durchgesetzt, der weit über die Ansätze Fröbelscher Pädagogik hinausgeht.
Vertieft durch die Situation in anderen Ländern, die Ergebnisse diverser Bildungsstudien und neuester Ergebnisse der Lernforschung wurden mittlerweile in fast allen Bundesländern für die Kindertageseinrichtungen Bildungspläne diskutiert, die in ihrem Anspruch durchaus vergleichbar sind mit denen des Systems "Schule".
Damit stellt sich nicht nur die Frage nach der Akademisierung der Beruflichkeit in Kindergärten, sondern auch deren Zuordnung zu Jugendhilfe oder Schule.
Noch aber ist die Diskussion über die Akademisierung des Erzieher/innenberufs eine Akademische. Trotz mittlerweile 20 entsprechender BA-Studiengänge beharren die Kostenträger auf die bisherige Personalstruktur, sollen doch über die Kosten des quantitativen Ausbaus hinaus nicht auch noch zusätzliche Gehaltskosten entstehen.
Es wird sich also noch zeigen müssen, wie sich die Politik zwischen Kostendruck und der notwendigen Qualifizierung entscheiden wird. Die Erzieher/innen müssen Acht geben, dass nicht einerseits immer neue Aufgaben und Ansprüche an sie herangetragen werden, die Eingruppierung jedoch weiter auf Fachschulniveau verbleibt.
Zu der Bandbreite der hier angesprochenen Themen habe ich Gaby Böhme, Leiterin einer Kindertageseinrichtung und Vorsitzende des Landesverbandes Saar des DBSH und Vorsitzende unserer Bundestarifkommission nach ihren ganz praktischen Erfahrungen und Erwartungen befragt.
Interview mit Gaby Böhme
- Was hat Dich dazu bewegt, gerade den Beruf der Erzieherin zu wählen?
Ich wollte eigentlich immer schon mit Kindern arbeiten. In der frühen Jugend konnte ich mit Kindern immer schon gut umgehen. Nach meiner mittleren Reife bin ich auf die Fachschule für Sozialpädagogik gewechselt. Zuvor konnte ich in den Praktika im Kindergarten und einer sonderpädagogischen Einrichtung der Lebenshilfe meine ersten Erfahrungen sammeln. Für mich standen die Unterstützung der Kinder in ihrer Entwicklung und das Ziel der Chancengleichheit immer im Vordergrund. Nach meiner Überzeugung sollten Kinder alle Möglichkeiten wahrnehmen können, auch außerhalb ihrer Familie etwas lernen zu können.
- Kannst Du uns kurz Deine Einrichtung und Dein Tätigkeitsfeld vorstellen?
Ich leite eine große Kindertageseinrichtung für 135 Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren sowie zusätzlich einem Krippenbereich für zehn Kinder. Mein Stammpersonal beträgt 23 Kolleg/innen. Die Einrichtung liegt im größten Stadtteil von Saarlouis. Insgesamt 35% aller Kinder haben einen Migrationshintergrund, so dass eine multikulturelle Erziehung fest im Konzept verankert ist. Ein weiterer inhaltlicher Schwerpunkt liegt in der Integration behinderter Kinder. Neben dem Stammpersonal arbeiten täglich aus den verschiedensten sozialen Diensten und pädagogischen Bereichen z.B. Erzieher/innen der Frühförderung, Logopäd/innen, Ergotherapeut/innen, Stützpädagog/innen, Mitarbeiter/innen der sozialpädagogischen Familienhilfe sowie Sozialarbeiter/innen des Jugendamtes mit.
Mein Tätigkeitsfeld als Leiterin umfasst die pädagogische Leitung, konzeptionelle Arbeit, die Teamleitung, das Prüfen der Beobachtungs- und Entwicklungsbögen für alle Kinder der Einrichtung, Absprachen mit weiteren sozialen Diensten und die Mitarbeit an der Jugendhilfeplanung vor Ort. Innerhalb unserer Konzeption haben die Elternarbeit sowie die Zusammenarbeit mit den Grundschulen und anderen Einrichtungen im Gemeinwesen eine große Bedeutung. Uns ist es wichtig, dass wir regelmäßig unsere pädagogische Konzeption im Rahmen einer Evaluation überprüfen und den aktuellsten Bildungs- und Erziehungsbedürfnissen anpassen.
Ein großer Teil meiner Tätigkeit liegt darüber hinaus in den Bereichen der Einrichtungsorganisation, dem Management, der Personalführung, der Hauswirtschaft und Hygiene sowie der gesamten Verwaltung der Einrichtung.
In meiner Einrichtung werden regelmäßig zwei Vorpraktikant/innen sowie eine Berufspraktikantin für das Anerkennungsjahr ausgebildet. Zusätzlich leiten wir regelmäßig Praktikant/innen der Fachoberschule für Sozialwesen sowie Praktikant/innen in Betriebspraktika an und leisten somit einen wichtigen Beitrag zur Ausbildung.
- Konntest Du in Deiner konkreten Arbeit Veränderungen in den letzten Jahren feststellen? Wenn ja, welche Gründe siehst Du dafür?
Natürlich habe ich in den letzten Jahren Veränderungen festgestellt. Ich denke, dass die Gründe in der gesellschaftlichen Entwicklung liegen. Hierzu zähle ich einen immer größer werdender Anteil an alleinerziehenden Elternteilen und Patchwork-Familien, mehr Kinder mit Migrationshintergrund sowie eine generelle Zunahme von Kindern aus problematischen Familienverhältnissen. Es fällt auf, dass familiäre Bindungen immer loser werden.
Kindertageseinrichtungen werden oftmals als erste Institution mit den Konflikten der Familien konfrontiert. In Folge müssen sie eine immer weiter wachsende sozialpädagogische Arbeit für die Familien leisten. Für diese zusätzlichen Aufgaben steht jedoch kein zusätzliches Personal zur Verfügung.
- Was, meinst Du, brauchen Erzieher/innen, um besser arbeiten zu können?
Sie benötigen bessere Rahmenbedingungen. Hierunter verstehe ich eine entsprechende personelle Besetzung der Kindertagesstätten und Qualitätsstandards, die den heutigen Ansprüchen an Erziehung, Bildung und Betreuung gerecht werden.
- Wie beurteilst Du derzeit die Ausbildung zur Erzieherin/ zum Erzieher?
Derzeit dauert die dualisierte Ausbildung hier bei uns im Saarland vier Jahre. Die Praxisanteile der Auszubildenden sind momentan gut auf die gesamte Ausbildungsdauer verteilt. Das Anerkennungsjahr ist meiner Meinung nach in seiner Gänze zu kurz. Ich würde mir wünschen, dass dieses um ein halbes Jahr verlängert wird, so dass die erlernte Theorie in der Praxis verstärkt erprobt und gelernt werden kann. Mein Plädoyer geht grundsätzlich in Richtung der Erhöhung der Praxisanteile. Auch würde ich mir wünschen, dass die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Ausbildung zur Erzieher/in entsprechend neu definiert werden. Hierbei sollte neben der entsprechenden schulischen Voraussetzung auch die soziale Kompetenz ein wichtiges Kriterium sein.
- Gibt es so was wie einen Praxisschock für neue Berufskolleg/innen?
Ja! Allerdings kommt nach meiner Meinung der "Praxisschock" schon im Anerkennungsjahr. Wenn die Praktikant/innen aus der theoretischen Ausbildung in die Praxis kommen, stellen sie oftmals fest, dass das bisher theoretisch Erlernte in der täglichen Praxis ganz anders nachgefragt wird oder sich ganz anders zeigt.
So sind Erzieher/innen am Anfang oftmals von der Menge der Kinder überfordert. In der Ausbildung und den dazu gehörigen Praktika wird meist nur mit kleinen Gruppen gearbeitet. Im Berufsleben ändert sich das von einem auf den anderen Tag. Dazu kommt die Übernahme der Verantwortung für die entsprechende Gruppengröße (meist 25 Kinder) und der Umgang mit den Kindern, die alle ihre eigenen Wünsche, Bedürfnisse und auch Forderungen entwickeln. Hinzu kommt die individuell täglich zu leistende Elternarbeit. Viele Erzieher/innen lernen auch erst dann die Vielschichtigkeit der Arbeit kennen und müssen sich den Anforderungen von unterschiedlichen Seiten (Kinder, Eltern, Mitarbeiter, Träger usw.) stellen.
- Was hältst Du von der Idee der Akademisierung der Erzieher/innen? Soll die Ausbildung entsprechend angehoben werden oder favorisierst Du die Fachschulausbildung?
Das Problem sehe ich darin, dass Kolleg/innen, wenn sie das Studium zum Bachelor absolviert haben, durch die generalisierte Ausbildung zwar in vielen Teilbereichen ausgebildet sind, es jedoch an praktischer Vertiefung fehlt. Meiner Meinung nach benötigen die Mitarbeiter/innen in den Kindertageseinrichtungen eine entsprechende Praxisausbildung, die ich in der derzeitigen Bachelorausbildung so nicht erkennen kann. Sollten im Studium zum Bachelor entsprechende Praxisanteile vorkommen, wäre die Frage neu zu erörtern. Jedoch würde sich das Studium dann entsprechend zeitlich verlängern bzw. müssten im Anschluss entsprechende Ausbildungszeiten im Praxisbereich (z.B. durch ein - wie von mir in der derzeitigen Ausbildung schon geforderten - verlängertes Anerkennungsjahr) erfolgen.
- Die Bundesregierung sieht im Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG) einen wichtigen Schritt in die Zukunft. Welche Qualitätskriterien müssen nach Deiner Meinung vorliegen, um diesem Anspruch gerecht zu werden?
Ein qualitätsorientierter Ausbau von Kindertagesbetreuung kann zweifelsfrei nur durch gut qualifizierte Fachkräfte gewährleistet werden. Ein bedarfsgerechter Ausbau der Tagesbetreuung darf nicht auf Kosten der Kinder durch Streichungen sowohl im Personal als auch durch das Herabsetzen der personellen, räumlichen und/ oder auch materiellen Standards erfolgen.
- Im Tagesbetreuungsgesetz soll gleichzeitig eine Aufwertung der Kindertagespflege zu einer qualitativ gleichrangigen Alternative erfolgen. Im Gesetz werden Anforderungen an Tagespflegepersonen beschrieben, nicht aber "Ausbildungsabschlüsse" als Qualitätsmerkmale. Wann meinst Du ist ein Einsatz von Tagesmüttern sinnvoll und wo siehst Du die Grenzen eines solchen Einsatzes?
Grundsätzlich sehe ich den Einsatz von Kindertagesmüttern als ein rein zusätzliches Betreuungsangebot neben den Kindertageseinrichtungen an. Wie ich eben schon feststellte, gehören für mich in der Arbeit mit Kindern die Bereiche Betreuung, Erziehung und Bildung zusammen. Der Einsatz von Tagesmüttern kann nur deshalb als Angebot zur Überbrückung von Schließzeiten der Kindertageseinrichtungen gesehen werden, weil der im Gesetz definierte Anspruch an die Qualifikation der Tagesmütter keine pädagogisch qualifizierte Ausbildung fordert. Grundsätzlich fordere ich einen bedarfsgerechten Ausbau von qualitätsorientierten institutionellen Kindertageseinrichtungen.
- Der DBSH fordert eine eigene Entgeltordnung zum neuen TVöD im Bereich: "Soziale Arbeit". Siehst Du durch eine solche Entgeltordnung die Interessen der Erzieher/innen entsprechend vertreten?
Grundsätzlich können in einer Entgeltordnung "Soziale Arbeit" auch die Interessen der Erzieher/innen vertreten werden. Der DBSH hat in seinem Entwurf die Erzieher/innen entsprechend berücksichtigt. Würde ein solcher Entwurf von den Tarifpartnern angenommen, wären für mich die Interessen der Erzieher/innen ausreichend vertreten. Gibt es eine "Schmalspurlösung", sollten die Erzieher/innen den politischen Vertreter/innen durch entsprechende Arbeitskampfmaßnahmen zeigen, welchen Stellenwert sie eigentlich in der Gesellschaft haben.
- Der DBSH ist Fachgewerkschaft für Soziale Arbeit im dbb Beamtenbund und Tarifunion. Im Rahmen der Anträge zum Gewerkschaftstag hat der DBSH für die Erzieher/innen die grundsätzliche Eingruppierung innerhalb des TVöD in die E8 gefordert. Welche Botschaft verbindest Du mit dieser Forderung?
Grundsätzlich fordere ich für eine qualifizierte Arbeit auch eine entsprechende Bezahlung! Für mich hat die Tätigkeit einer Erzieherin einen wichtigen gesellschaftlichen Stellenwert und wird auf einem hohen Qualifizierungsniveau (derzeit vierjährige Fachschulausbildung) erbracht. Aus diesem Grund ist die Forderung der Eingruppierung innerhalb des TVöD in die E8 absolut gerechtfertigt.
- In einem weiteren Antrag zum Gewerkschaftstag forderte der DBSH einen qualitäts- orientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Kinderbetreuung. So fordert der DBSH eine bundesweit einheitliche Standards zum Betrieb von Kindertageseinrichtungen wie Gruppengröße, materielle Standards, Qualifikation, Stellenbesetzung, usw. zu verbinden. Wie beurteilst Du diese Forderung aus der Sicht der Erzieher/innen?
Ich kann aus meiner Sicht als Erzieherin diese Forderungen nur voll und ganz unterstützen. Mit bundeseinheitlichen Standards wäre das Wohl der Kinder entsprechend zu gewährleisten, auch um so in allen Bundesländern Chancengleichheit für Kinder zu garantieren.
- Welche Perspektiven siehst Du für das Berufsbild der Erzieherin in der Zukunft?
Wenn der Stellenwert und die Bezahlung nicht stimmig sind, ist das Berufsbild der Erzieher/innen für gut qualifizierte Personen nicht mehr attraktiv. Sollte die Tätigkeit schlecht bezahlt werden, sehe ich die Gefahr, dass die pädagogische Qualität in den Kindertageseinrichtungen nicht mehr gewährleistet werden kann. Die Perspektive für den Erzieher/innenberuf kann daher nur eine den anspruchsvollen Tätigkeiten entsprechende Bezahlung sein.
- Welche Erfahrungen machst Du mit Berufsaussteiger/innen und Berufsrückkehrer/innen?
Wenn sie zu lange aus dem Berufsleben ausgeschieden waren, haben sie bei der Rückkehr oftmals große Schwierigkeiten, sich an die aktuellen pädagogischen Entwicklungen zu gewöhnen. Auch die Anspruchshaltung der Eltern und Kinder wandelt sich mit der Zeit. Ich plädiere dafür, dass für Berufsrückkehrer/innen entsprechende Einstiegsprojekte/ Fördermaßnahmen/ Qualifizierungen angeboten werden.
Wichtig ist es mir aber auch darauf hinzuweisen, dass Mitarbeiter/innen, die vor ihrem Berufsausstieg über eine längere Berufspraxis und somit über einen vielfältigen Erfahrungsschatz verfügten, gerne von den Einrichtungen wieder eingestellt werden, da diese auf das bereits vorhandene Fachwissen zurückgreifen möchten.
- Welche Arbeitsfelder siehst Du, in denen zukünftig Erzieher/innen beschäftigt werden können?
Ich sehe die Arbeitsfelder der Zukunft in allen Einrichtungen, in denen die Bereiche Erziehung, Bildung und Betreuung entsprechend qualifiziert angeboten werden. Hierzu zählen u.a. die Kindertageseinrichtungen, die Heimerziehung, die sozialpädagogische Familienhilfe, Ganztagsschulen, Gesundheitsbereich wie z.B. Mutter-Kind Kurbetrieb, Kinder- und Jugendarbeit in speziellen Einrichtungen wie Kinderhäusern, Farmen, Sonderpädagogische Einrichtungen, Feriencamps.
- Welchen Rat gibst Du den jungen Menschen, die den Beruf der Erzieherin ausüben möchten?
Der Beruf der Erzieherin fordert den Menschen in seiner Gesamtpersönlichkeit und leistet einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung. Es muss ein Mindestmaß an Berufung vorliegen, da der Erzieherberuf eine Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien beinhaltet und somit eine ethische Verpflichtung besteht. Meine Erwartung ist daher neben der schulischen Qualifizierung eine entsprechende soziale Kompetenz der jungen Menschen auf dem Weg zur Erzieherin.
- Kurz noch zum Thema "Gender Mainstreaming". Wie sieht das Zahlenverhältnis zwischen weiblichen und männlichen Erzieher/innen aus? Was hältst Du von der Idee "Männer in die Kindertagesstätten"?
Nach meinem Kenntnisstand ist der Anteil von männlichen Mitarbeitern in Kindertageseinrichtungen immer noch sehr gering, was ich sehr bedauere. Die Idee "Männer in Kindertagesstätten" kann ich nur befürworten. Der Anteil der Männer sollte sich hier dringend entsprechend erhöhen. Gerade durch die neuen Familienstrukturen, dem oftmaligen Fehlen von Männern in der Erziehung, sehe ich in der Beschäftigung von Männern in Kindertagesstätten einen wichtigen Beitrag, um den Jungen eine Identifikation in ihrer Männerrolle anzubieten.
- Warum denkst Du, dass so wenig Erzieher in Kindertageseinrichtungen arbeiten?
Ganz klar: die schlechte Bezahlung im sozialen Sektor und vor allem im Elementarbereich und die fehlenden langfristigen Perspektiven bzw. Aufstiegsmöglichkeiten.
- Wie Du geäußert hast, entstehen durch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen immer höhere Anforderungen. Wie schützen sich die Erzieher/innen vor dem Burn-out Syndrom?
Eigentlich können sich Erzieher/innen in der täglichen Arbeit mit den Kindern nicht wirklich davor schützen. Die Kinder sind täglich bis zu 12 Stunden in der Einrichtung und wollen jederzeit die Erzieher/innen in Anspruch nehmen können. Auch die anderen täglichen Anforderungen bleiben.
Wie schützen sich die Erzieher/innen? Ich denke, sie sollten Supervision beanspruchen, sie sollten sich intensiv im Team austauschen können (hier besteht akuter Handlungsbedarf für eine in den Einrichtungen notwendige Teamzeit), sie sollten das jeweilige berufliche Netzwerk nutzen und hier auf unterstützende Hilfesysteme zurückgreifen. Nicht zuletzt sollten sie sich einen entsprechenden Ausgleich in der Freizeit schaffen.
- Wie empfinden Erzieher/innen den Lärmpegel im Gruppendienst? Ist dieser nicht wirklich sehr anstrengend?
Der Lärmpegel in den Gruppen ist wirklich sehr hoch. Erzieher/innen gewöhnen sich im Laufe der Zeit schon ein Stück weit daran, jedoch bleibt eine permanente belastende Geräuschkulisse, die Einzelförderung und eine individuelle Betreuung von Kindern nur bedingt ermöglicht. Auch eine Elternarbeit muss sich der Gegebenheit entsprechend anpassen.
- Dürfen wir von Dir erfahren, welchen Ausgleich Du in der Freizeit in Anspruch nimmst?
Gerne. Meinen Ausgleich finde ich in vielfältigen sportlichen Aktivitäten. Es beginnt bei Entspannungsangeboten wie Yoga, geht über ein Training im Fitnessstudio bis hin zu viel Bewegung an frischer Luft. So gehe ich regelmäßig laufen, wandere mit Freunden und fahre ebenso gerne Rad. Auch das in Anspruch nehmen von kulturellen Angeboten wie Theaterbesuche, Konzerte, Besichtigungen usw. dienen meiner Entspannung. Ich denke, hier muss jede/r seinen eigenen Weg finden.
- Kannst Du Dir vorstellen, noch mit 65 Jahren in der Kindertagesstätte zu arbeiten?
Ja!!! So lange ich gesundheitlich fit bin und meinen Platz in der Einrichtung habe, kann ich mir das vorstellen. Ich denke, dass auch das Alter seinen besonderen Wert hat und durch die von mir schon aufgezeigten familiären Situationen oftmals das Alter in den Familien nicht mehr vorkommt. Warum daher nicht den Bogen zwischen den Generationen spannen? Ich finde es gut, wenn in den Einrichtungen alle Generationen vertreten sind und spezielle Projekte zwischen Senioren und Kindern dann über den Projektstatus hinaus bereits Standard und somit Alltag sind.
- Du bist im DBSH als Landesvorsitzende Saar sowie als Vorsitzende der Bundestarifkommission engagiert. Welche Botschaft gibst Du den Erzieher/innen als Funktionsträgerin im DBSH? Was sollen die Kolleg/innen tun?
Erzieher/innen sollten sich im DBSH engagieren, um sich so für ihre wichtigen gesellschaftlichen Anliegen und Aufträge gemeinsam einsetzen zu können. Eine Aufwertung des Berufsbildes der Erzieherin kann nur dadurch entstehen, dass sich die Erzieher/innen für ihre Belange selbst einsetzen. Hierzu zählt vor allem auch das Engagement in Verband und Gewerkschaft.
Ich selbst möchte den Erzieher/innen durch meine Arbeit als Führungskraft im DBSH zeigen, dass der Berufsstand der Erzieher/innen sein politisches Engagement und seine Qualitätskriterien im DBSH entsprechend einbringen kann.
Ich lade alle Erzieher/innen ein, sich tatkräftig und engagiert an einer positiven Entwicklung des zukünftigen Erzieherberufes mit zu beteiligen.
- Gaby, wir danken Dir für das Interview!!!