In: Forum Sozial 2004, Heft 2, S. 25-27
Martin R.Textor
In den letzten Jahren sind vermehrt Anstrengungen unternommen worden, die Aufgaben von Erzieher/innen zu definieren. Zum einen geschah dies im Kontext der Qualitätsdiskussion - man kann nur Standards entwickeln, wenn zuvor z.B. festgelegt wurde, für welche Tätigkeiten sie gelten sollen. Zum anderen passiert dies gerade im Zusammenhang mit der Entwicklung von Bildungsplänen, wobei hier die Aufgabenbereiche von Erzieher/innen umfassender und zugleich detaillierter betrachtet werden. Da Sie die entsprechenden Aussagen des Berliner Bildungsplans kennen, möchte ich bei meinen nun folgenden Ausführungen auf dem "Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung" in der Version vom Oktober 2003 fokussieren (Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen/ Staatsinstitut für Frühpädagogik 2003). Hier werden den Erzieher/innen folgende Aufgaben zugeschrieben:
- Förderung individuumsbezogener Kompetenzen und Ressourcen bei Kindern, also von personalen, motivationalen, kognitiven und physischen Fähigkeiten,
- Förderung von Kompetenzen zum Handeln im sozialen Kontext, also von zwischenmenschlichen Fertigkeiten, von Werten und Orientierungskompetenz, von der Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und der Bereitschaft zur demokratischen Teilhabe,
- Förderung der lernmethodischen Kompetenz, d.h. Kinder sollen lernen, wie man lernt,
- Förderung von Resilienz (Widerstandsfähigkeit),
- Begleitung des Übergangs von der Familie in die Kindertageseinrichtung und des Übergangs in die Schule,
- interkulturelle Erziehung,
- geschlechtsbewusste Erziehung,
- Förderung von Kindern mit Entwicklungsrisiken und (drohender) Behinderung,
- Förderung von Kindern mit Hochbegabung,
- ethische und religiöse Bildung,
- sprachliche Bildung,
- mathematische Bildung,
- naturwissenschaftliche und technische Bildung,
- Umweltbildung und -erziehung,
- Medienerziehung und elementare informationstechnische Bildung,
- ästhetische, bildnerische und kulturelle Bildung,
- musikalische Bildung,
- Bewegungserziehung,
- gesundheitliche Erziehung,
- Beobachtung und Dokumentation der Lern- und Entwicklungsprozesse des Kindes,
- Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit den Eltern,
- Kooperation und Vernetzung mit anderen Stellen, Gemeinwesenorientierung,
- Abwendung von Gefährdungen des Kindeswohls.
Diese Auflistung lässt sich noch ergänzen um Aufgaben, die noch nicht in den Bildungs- und Erziehungsplan in der jetzigen Fassung aufgenommen wurden:
- Entwicklung der Einrichtungskonzeption,
- Individualisierung des pädagogischen Angebots im Sinne einer inneren Differenzierung,
- Gestaltung der Innen- und Außenräume,
- Gestaltung des Tagesablaufs,
- Kooperation mit Träger, Leitung und Kolleg/innen.
Hieraus ergibt sich ein komplexes, vielseitiges und vielschichtiges Aufgabenprofil für das Berufsbild "Erzieher/in".
Selbst wenn die detaillierte Darstellung der vorgenannten Aufgaben im Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan 250 DinA4-Seiten umfasst und auf den ersten Blick vielleicht den Eindruck vermittelt, daraus könne nur eine totale Überforderung von Erzieher/innen resultieren, muss Folgendes festgehalten werden: Im Grunde werden die weitaus meisten Aufgaben von Erzieher/innen mehr oder minder gut - wie in jedem Berufsfeld - seit Jahrzehnten erfüllt. Neu sind eigentlich nur einige Akzentsetzungen wie beispielsweise:
- die stärkere Fokussierung auf kognitives Lernen, insbesondere in den Bereichen mathematische und naturwissenschaftliche Bildung,
- die Intensivierung der sprachlichen Förderung, insbesondere bei ausländischen Kindern,
- die Betonung der Notwendigkeit, die kindliche Entwicklung genau zu beobachten - auch unter Einsatz von Beobachtungsbögen - und zu dokumentieren,
- die intensivere Kooperation mit den Eltern, die z.B. mindestens zwei lange Termingespräche pro Jahr umfassen soll,
- die stärkeren Mitbestimmungsrechte und vermehrten Mitwirkungsmöglichkeiten für Eltern.
Relativ neu ist ferner, dass Bildung mehr als sozialer Prozess gesehen wird - als etwas, was sich beim Kind als Ergebnis ko-konstruktiver Prozesse mit der Erzieherin und anderen Kindern ergibt. Daraus folgt die Notwendigkeit einer Intensivierung bildungsrelevanter Interaktionen zwischen Erzieher/innen und Kindern sowie einer gezielten Initiierung und Förderung von Lerngemeinschaften. Generell werden Kinder als vollwertige Persönlichkeiten mit eigenen Rechten gesehen, die an ihrer Erziehung und Bildung sowie an der Gestaltung des Zusammenlebens in der Kindertageseinrichtung angemessen zu beteiligen sind. Diese Forderung nach mehr Mitbestimmung seitens der Kinder wurde wie einige andere relativ neue Zielsetzungen - z.B. das Erlernen des Umgangs mit dem Computer, die Förderung von Resilienz oder die Identifikation hochbegabter Kinder - in den letzten Jahren bereits mehrfach geäußert.
Zu wenig Berücksichtigung im Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan fand bisher die Erzieherin-Kind-Beziehung. So wissen wir z.B. aus der Bindungsforschung, wie wichtig eine sichere Bindung zwischen Kind und Bezugsperson für die Persönlichkeitsentwicklung, das Verhalten und das Lernen ist. Auch in der Erziehungswissenschaft wird seit Jahrhunderten betont, dass der "pädagogische Bezug" (Nohl) die Grundlage jeder Bildung und Erziehung sei. Erzieher/innen benötigen somit große zwischenmenschliche Fähigkeiten - darüber hinaus aber auch professionelle Kompetenzen für die "Beziehungsarbeit". So ist es in der Regel nicht leicht, beispielsweise zu verhaltensauffälligen oder schon in ihrer Familie unsicher gebundenen Kindern eine positive Beziehung aufzubauen.
Die Ausbildung von Erzieher/innen
Obwohl die Anforderungen an Erzieher/innen eher mäßig ansteigen, wurde in den letzten Jahren immer wieder ihre Ausbildung problematisiert. Zunächst kam - vor allem von den Fachkräften selbst - die Kritik, dass die Ausbildung nicht genügend praxisorientiert sei und dass z.B. Kenntnisse und Fertigkeiten hinsichtlich des Umgangs mit verhaltensauffälligen und behinderten Kindern, der (Sprach-) Förderung ausländischer Kinder oder der Gesprächsführung mit Eltern bzw. deren Beratung nicht in ausreichendem Maße vermittelt würden. Diese Kritik wurde in jüngster Zeit ausgeweitet auf die mangelhafte oder sogar ganz fehlende Ausbildung im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich und im Umgang mit Computern.
Ferner wird oft an der Ausbildung an Fachschulen kritisiert, dass die Unterrichtsinhalte an den Interessen der Studierenden ausgerichtet und zu "verkopft" seien. Die Studierenden würden nicht lernen, Bildungsinhalte auf die Ebene von Drei-/ Vierjährigen "herunterzubrechen" und interessant anzubieten. Auch würde den Studierenden nicht die Fähigkeit vermittelt, z.B. Märchen und Geschichten zu erzählen (anstatt vorzulesen), aus einem großen Repertoire von Liedern schöpfend mit Kindern zu singen, Theater zu spielen oder Naturphänomene wahrzunehmen und mit den Kindern zu untersuchen. Letztlich bedeutet dies, dass die Studierenden zu wenig über die Didaktik und Methodik von Bildungsangeboten für Kleinkinder lernen würden.
Neben dieser aus der Praxis kommenden Kritik zeigte eine vergleichende Studie mit dem Titel "Kinderbetreuung in Europa" (Oberhuemer/ Ulich 1997) vor einigen Jahren auf, dass in allen entwickelten Ländern mit Ausnahme von Österreich die Ausbildung von Erzieher/innen auf einem höheren Niveau stattfindet als in der Bundesrepublik Deutschland.
Schließlich wurde vor allem im Kontext der Diskussion über die PISA-Studie betont, dass Erzieher/innen bei weitem schlechter als Grundschullehrer/innen qualifiziert und zu wenig den Herausforderungen gewachsen seien, die sich aus den Ergebnissen dieser Untersuchung ergäben. Sie besäßen zu wenig kinderpsychologische Kenntnisse, würden zu wenig "bildend" tätig sein, würden ausländische, hochbegabte und in Teilbereichen begabte Kinder zu wenig fördern, würden Kindern nicht das Lernen lehren - kurz und gut, sie würden viele der im Kleinkindalter liegenden Chancen von Bildung und Erziehung vertun. Eine ähnliche Kritik kam gleichzeitig aus der Richtung von Hirnforschern bzw. von deren Forschungsergebnissen - nicht immer richtig - wiedergebenden Journalist/innen.
Zur Akademisierung des Erzieher/innenberufs
So wurden Forderungen nach einer Akademisierung der Erzieher/innenausbildung immer lauter. Inzwischen entstehen schon die ersten deutschsprachigen Studiengänge. Zwei davon - der eine auf Universitäts-, der andere auf Fachhochschulebene - möchte ich kurz vorstellen.
(1) Laureatsstudiengang "Bildungswissenschaften für den Primarbereich" an der Freien Universität Bozen in Brixen: In diesem vier Jahre umfassenden Studiengang werden die beiden Studienrichtungen "Ausbildung von Grundschullehrer/innen" und "Ausbildung von Kindergärtner/innen" angeboten, wobei die Studierenden in den beiden ersten Jahren dieselben Veranstaltungen besuchen und sich erst in den letzten vier Semestern in der jeweiligen Studienrichtung spezialisieren. "Die Studienordnung sieht eine praxisnahe Ausbildung vor. Für die Studienrichtung Ausbildung der KindergärtnerInnen ist eine Gesamtzahl von 2080 Stunden vorgesehen; davon werden 1245 Stunden in Form von Vorlesungen und Seminaren, 435 Stunden in Form von Laboratorien und 400 Stunden in Form von Praktika abgehalten. ... Der praxisnahe Unterricht macht in der Studienrichtung Ausbildung der KindergärtnerInnen 835 Stunden ... aus" (Freie Universität Bozen 2003, S. 2). Den Laureat erwirbt, wer während des Studiums 28 Prüfungen besteht und insgesamt 240 Credit Points erwirbt, eine Diplomarbeit verfasst und die Abschlussprüfung bestanden hat. Beispielsweise müssen im 1. Studienjahr Prüfungen in Didaktik, Psychologie, Integrationspädagogik, einer zweiten Sprache, Naturwissenschaften, Mathematik/Informatik und einem Wahlfach absolviert werden. Im 3. Studienjahr stehen in der Studienrichtung "Kindergarten" Prüfungen in Anthropologie, Unterrichtsplanung/ -auswertung, Muttersprache, Zeichnen, Didaktik der Mathematik/ Informatik, Leibeserziehung, Didaktik der Geschichte/ Geographie und in einem Wahlfach an; im 4. Studienjahr in der Beobachtung kindlichen Verhaltens, Spiel/ Animationspädagogik, Didaktik der Naturwissenschaften, Musik und im Wahlfach.
(2) Der "Bachelor of Arts"-Studiengang "Erziehung und Bildung im Kindesalter" soll ab dem Jahr 2004 an der Alice-Salomon-Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Berlin eingerichtet werden. Der 7 Semester umfassende Studiengang bildet für die Arbeit mit Kindern von der Geburt bis zum 12./13. Lebensjahr aus. In insgesamt 142 Semesterwochenstunden sollen die Studienbereiche "wissenschaftliche Grundlagen" (33 SWS), "Pädagogik im sozialen Kontext" (57 SWS), "Bildung und Didaktik" (36 SWS) und "Rechtliche, organisatorische und finanzielle Rahmenbedingungen" (16 SWS) abgedeckt werden. Im 1. Semester haben die Kurse Bezeichnungen wie "Sozialisationsprozesse bei Jungen und Mädchen", "Wissenschaftliches Arbeiten", "Orte für Kinder", "Bildungsbereich Sprache", "Körperliche Entwicklung" und "Spielpädagogik", im 6. Semester wie "Forschungsmethoden", "Arbeitsfelder der Pädagogik", "Bildungsbereich Kreativität", "Bildungsbereich Körper und Bewegung" und "Konfliktmediation". Hinzu kommen fünf Praxisphasen: eine Hospitation von einer Woche im Grundstudium und vier Praktika von je 6 Wochen Dauer im Hauptstudium (ab dem 4. Semester). Während des Studiums müssen verschiedene Arten von Prüfungsleistungen - Klausuren, Referate, Präsentationen, Hausarbeiten, Berichte - erbracht und dadurch insgesamt 210 Credit Points gesammelt werden. Das Studium wird mit einer Bachelorarbeit und einem Colloquium über dieselbe abgeschlossen.
Während der Laureatsstudiengang in Brixen stark an Lehramtsstudiengängen orientiert ist und seinen Schwerpunkt im Bereich "Didaktik und Methodik" hat, ist der geplante Bachelor-Studiengang in Berlin umfassender konzipiert: So soll nicht nur für den Kindergartenbereich ausgebildet werden, sondern für den gesamten Bereich der außerschulischen Kinderbetreuung. Dementsprechend sind die Studieninhalte allgemeiner, wobei der Schwerpunkt auf dem Erwerb von Fachkompetenzen - d.h. von Orientierungs-, Erklärungs- und Handlungswissen - sowie von fachunabhängigen Kompetenzen liegt; zu Letzteren gehören z.B. soziale, ethische bzw. interkulturelle Kompetenz, Selbst-, Gender-, Methoden- und Medienkompetenz. Auch wird ein größerer Wert als in Brixen auf transdisziplinäre Verknüpfungen gelegt, d.h., psychologische, pädagogische und soziologische Kenntnisse werden in übergreifende Fächer bzw. Projekte eingebunden.
Ich möchte Ihnen aber nicht verschweigen, dass ich hinsichtlich solcher Reformvorschläge eher pessimistisch eingestellt bin. Fachhochschulen sind nicht für eine besonders praxisnahe Ausbildung von Sozialpädagog/innen "berühmt", und die Lehrerausbildung an Universitäten wird seit vielen Jahren stark kritisiert. So dürfte eine Verlagerung der Erzieherausbildung an Fachhochschulen oder Universitäten wohl kaum zu einer besseren Berufsausbildung führen. Hinzu kommt, dass derzeit weder an Fachhochschulen noch an Universitäten mehr als 10 bis 15 im Bereich der Frühpädagogik qualifizierte Professor/innen und Assistent/innen zur Verfügung stehen. Schon die Schaffung des einzigen deutschsprachigen Studienganges für Erzieher/innen an der Universität Bozen war mit extremen Problemen bei der Personalsuche verbunden: Ein Großteil der Lehrkräfte reist derzeit für einige Unterrichtsstunden pro Woche aus Österreich und Deutschland an...
Vor allem aber beruht mein Pessimismus auf folgenden Gründen: Akademisch ausgebildete Erzieher/innen haben Anspruch auf ein viel höheres Gehalt. Und ich sehe nicht die geringste Bereitschaft bei Kommunen, Ländern und Wohlfahrtsverbänden, hierfür die finanziellen Mittel aufzubringen. Und was soll mit den derzeit berufstätigen Erzieher/innen passieren? Sollen sie in mehrjährigen Fortbildungsgängen nachqualifiziert werden? Auf den Stand von Fachhochschul- oder Universitätsabsolvent/innen gebracht werden? Und was soll mit den Fachschulen passieren? Sollen sie aufgelöst und die dort tätigen Lehrkräfte in die Arbeitslosigkeit entlassen werden?
So fürchte ich, dass es auf absehbare Zeit nicht zu einer "Akademisierung" des Erzieherberufs kommen wird. Realisierbar scheint nur die Verbesserung der derzeitigen Ausbildung auf Fachschulniveau und der Fortbildung zu sein. Hier kommt es darauf an, Erzieher/innen für die in diesem Referat aufgezählten Anforderungen zu qualifizieren.
Ausbildungsstandards der NAEYC
Zum Schluss möchte ich noch kurz auf relevante amerikanische Vorstellungen eingehen: Die National Association for the Education of Young Children, die größte Organisation von Fachkräften im vorschulischen Bereich, hat im Jahr 2001 die "NAEYC Standards for Early Childhood Professional Preparation: Initial Licensure Programs" verabschiedet (National Association for the Education of Young Children/ National Council for Accreditation of Teacher Education 2001). In diesen Richtlinien wird festgelegt, was ein/e Professionelle/r am Ende ihrer/ seiner (Grund-) Ausbildung wissen und können soll. Eine Kurzfassung mit etwas abweichender Formulierung wurde 2002 im März-Heft von Young Children veröffentlicht. Es folgt eine Übersetzung der fünf Standards:
"1. Die kindliche Entwicklung und das Lernen fördern: Gut ausgebildete Professionelle im vorschulischen Bereich
verstehen, wie Kleinkinder sind;
verstehen, was deren Entwicklung beeinflusst; und
nutzen dieses Verständnis, um großartige Umwelten zu schaffen, in denen sich alle Kinder weiterentwickeln können.
2. Beziehungen zu Familien und Gemeinde aufbauen: Gut ausgebildete Professionelle im vorschulischen Bereich
verstehen und zeigen Wertschätzung für die Familien und Subkulturen der Kinder;
schaffen respektvolle wechselseitige Beziehungen; und
beteiligen alle Familien an der Entwicklung und dem Lernen ihrer Kinder.
3. Beobachten, dokumentieren und beurteilen: Gut ausgebildete Professionelle im vorschulischen Bereich
verstehen den Zweck von Beurteilungen;
setzen effektive Beurteilungsstrategien ein; und
benutzen Beurteilungen verantwortungsbewusst, um die Entwicklung und das Lernen der Kinder positiv zu beeinflussen.
4. Lehren und Lernen: Gut ausgebildete Professionelle im vorschulischen Bereich
bilden enge Beziehungen zu Kindern und Familien aus;
setzen entwicklungsgemäße Lehr- und Lernstrategien ein;
haben ein tief gehendes Wissen in den akademischen Fächern oder Inhaltsbereichen; und
verknüpfen all dies, um Kindern Erfahrungen zu vermitteln, die Entwicklung und Lernen fördern.
5. Ein/e Professionelle/r werden: Gut ausgebildete Professionelle im vorschulischen Bereich
identifizieren sich mit dem Beruf als vorschulische Fachkraft;
werden von ethischen und anderen professionellen Standards geleitet;
sind kontinuierlich, kooperativ Lernende;
denken gründlich und kritisch nach; und
setzen sich für Kinder, Familien und ihre Berufsgruppe ein" (Young Children, March 2002, S. 78).
Deutlich wird, dass in den USA die Schwerpunkte bei der Ausbildung von Fachkräften für den vorschulischen Bereich etwas anders gesetzt werden als in der Bundesrepublik Deutschland. So wird in Standard 1 die Notwendigkeit umfassender entwicklungs- bzw. kinderpsychologischer Kenntnisse betont - die die Fachkräfte vor Ort praktisch umsetzen sollen, zum Wohl eines jeden Kindes. Der Schwerpunkt liegt hier auf dem einzelnen Kind und der Förderung seiner Entwicklung und seines Lernens. Danach folgt in Standard 2 gleich der Fokus auf der Familie und kulturellen Zugehörigkeit des Kindes: Die Fachkraft soll nach Abschluss ihrer Ausbildung fähig sein, zu jeder Familie eine enge Beziehung auszubilden und sie in die Erziehung und Bildung ihres Kindes zu involvieren, also mit ihr eine Erziehungs- und Bildungspartnerschaft einzugehen. Dies bedeutet nicht nur eine intensive Elternarbeit mit starken elternbildenden Komponenten, sondern auch die Einbindung der Eltern in das Lernen ihres Kindes in der Kindertageseinrichtung.
Insbesondere Standard 3 wirkt auf deutsche Fachleute ungewohnt: Nach Abschluss ihrer Ausbildung sollen Fachkräfte fähig ein, die Entwicklung von Kindern genau zu beobachten, anhand wissenschaftlich fundierter Kriterien zu beurteilen und zu dokumentieren. Nur auf dieser Grundlage können sie das individuelle Kind bestmöglich in seiner Entwicklung und in seinem Lernen fördern. Hier geht es also um die Ausbildung diagnostischer Fähigkeiten und das Erlernen entsprechender Techniken (bis hin zum Einsatz von Tests) - schon während des Studiums.
Bei Standard 4 wird erneut die Bedeutung einer guten Beziehung zwischen der Fachkraft auf der einen und dem Kind und seiner Familie auf der anderen Seite betont. Die Studierenden sollen lernen, im Kontext einer engen Bindung zum Kind entwicklungsgemäße Lernerfahrungen kindgerecht zu vermitteln. Hier wird die Bedeutung sowohl der Didaktik - Fachkräfte benötigen umfassende Kenntnisse in den "akademischen Fächern" - als auch der Methodik betont: Die Fachkräfte müssen Lerninhalte elementarisieren und so lehren können, dass es bei Kleinkindern zum gewünschten Lernerfolg kommt. Schließlich sollten die Studierenden lernen, in der Praxis die Elemente "pädagogischer Bezug zum einzelnen Kind", "enge Beziehung zu seiner Familie", "entwicklungsgemäßer Ansatz" und "akademisches Wissen" so miteinander zu kombinieren, dass jedes Kind beste Entwicklungsbedingungen vorfindet.
Auch Standard 5 wird in Deutschland kaum berücksichtigt. In den USA haben Verbände wie die NAEYC hingegen ethische und professionelle Standards entwickelt und dokumentiert. Sie fordern ihre Mitglieder auf, sich an diesen zu orientieren - und so ist es nicht überraschend, dass Fachkräfte sie schon während ihrer Ausbildung kennen lernen und internalisieren sollten. Ferner wird die Professionalisierung der Fachkräfte betont, die die Identifikation mit dem Beruf und eine ständige Lernbereitschaft beinhaltet - die Fachkräfte sollen den Kindern ein Vorbild im lebenslangen Lernen sein. Es wird eine kritische Grundhaltung gefordert, die auch zu einem (familien-, kommunal-, berufs-) politischen Engagement führen soll - analog zum Einmischungsauftrag, wie er in Deutschland für die Kinder- und Jugendhilfe formuliert wurde, aber im Kinderbetreuungsbereich weitgehend unberücksichtigt bleibt.
Vielleicht lassen sich diese Standards der NAEYC auch in Deutschland bei der Ausbildung von Erzieherinnen an Fachschulen bzw. Fachakademien berücksichtigen...
Literatur
Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen/ Staatsinstitut für Frühpädagogik (Hrsg.): Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung. Entwurf für die Erprobung. München: Staatsinstitut für Frühpädagogik 2003
Balluseck, H. von: Studienaufbau, Kompetenzen und Curriculum im Studiengang Erziehung und Bildung im Kindesalter (Bachelor of Arts) an der ASFH. Berlin: Alice-Salomon-Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik 2003
Freie Universität Bozen: Laureatsstudiengang Bildungswissenschaften für den Primarbereich. http://www.unibz.it/web4archiv/objects/pdf/standard/1/manifestostudi_biwi2003__dt.pdf, 2003
National Association for the Education of Young Children (NAEYC)/ National Council for Accreditation of Teacher Education (NCATE): NAEYC Standards for Early Childhood Professional Preparation: Initial Licensure Programs. http://www.naeyc.org/faculty/pdf/2001.pdf, 2001
Oberhuemer, P./ Ulich, M.: Kinderbetreuung in Europa. Tageseinrichtungen und pädagogisches Personal. Eine Bestandsaufnahme in den Ländern der Europäischen Union. Weinheim, Basel: Beltz 1997