Martin R. Textor
In den kommenden Jahren wird die Zahl der Kinder unter sechs Jahren aufgrund der niedrigen Geburtenrate und der abnehmenden Zahl junger Erwachsener sinken, während gleichzeitig die Anzahl der alten Menschen und Hochbetagten stark ansteigen wird. Senioren werden zur wichtigsten Wählergruppe werden und somit ihre Interessen immer besser gegenüber denjenigen von Familien und Bildungseinrichtungen durchsetzen können - zumal sie auch unter Parteimitgliedern überrepräsentiert sind. Die unvermeidbar zunehmenden Ausgaben für Menschen, die älter als 65 Jahre sind, und zurückgehende Steuereinnahmen aufgrund der sinkenden Zahl Erwerbstätiger werden in naher Zukunft zu Einsparungen bei den öffentlichen Ausgaben für Kitas, Kinder und Familien führen.
Der Zeitraum, in dem noch Verbesserungen für die letztgenannten Gruppen erreicht werden könnten, wird somit immer kleiner. Nur wenn Erzieher/innen in viel höherem Maße als heute aktiv werden und sich - möglichst gemeinsam mit Eltern - für positive Veränderungen einsetzen, könnten in den nächsten Jahren noch Erfolge erzielt werden. In diesem Artikel geht es darum, wie sich Fachkräfte für die Interessen ihrer Berufsgruppe, von Kindern und Familien engagieren können.
Sich für Kitas einsetzen
Viele Erzieher/innen sind mit ihrer beruflichen Situation unzufrieden. Sie klagen über die praxisferne Ausbildung, die schlechte Bezahlung, die mangelnden Aufstiegsmöglichkeiten und den verhältnismäßig niedrigen sozialen Status. Oft können sie nicht alle ihnen zustehenden Fortbildungstage nehmen; viele müssen die Kosten für die Weiterbildung selbst zahlen oder erhalten nur einen finanziellen Zuschuss. Hinzu kommen hohe körperliche und gesundheitliche Belastungen, die nicht zu vermeiden sind und somit auch noch im Alter von 50 oder 60 Jahren zu ertragen sind.
Ferner sehen viele Erzieher/innen die Rahmenbedingungen in ihren Kitas kritisch: Beispielsweise monieren sie zu große Gruppen, schlechte Fachkraft-Kind-Relationen, den häufigen Personalwechsel innerhalb einer Kindergruppe (bedingt durch die vielen Teilzeitkräfte und die langen Öffnungszeiten), fehlende Nebenräume, ein zu kleines Außengelände usw. Oft haben sie keine/kaum Zeit für die Vor- und Nachbereitung von Bildungsangeboten, für (Team-) Besprechungen und Elterngespräche. Aufgrund der schlechten Rahmenbedingungen haben Erzieher/innen häufig das Gefühl, stillen und "unauffälligen" Kindern, Kindern mit Migrationshintergrund bzw. aus sozial schwachen Familien sowie behinderten oder chronisch kranken Kindern nicht genügend Zeit widmen zu können. Viele beklagen, dass sie pädagogische Ziele wie z.B. Beobachtung/ Dokumentation, Individualisierung/ Differenzierung, Sprachförderung, Inklusion, Qualitätssicherung, Erziehungspartnerschaft mit Eltern oder Vernetzung mit psychosozialen Diensten nicht zu ihrer eigenen Zufriedenheit umsetzen können.
Leider bleibt es zumeist bei solchen und ähnlichen Klagen. Nur sehr selten werden Erzieher/innen aktiv und kämpfen für Verbesserungen. Zu oft verlassen sie sich hingegen auf Dritte wie z.B. die Trägerverbände, die Gewerkschaften oder die Wissenschaft. Dabei ist vielen Fachkräften nicht bewusst, dass Wohlfahrtsverbände und Kommunale Spitzenverbände in erster Linie nicht ihre Interessen vertreten, sondern eben die der Träger von Kitas. Zudem konkurriert innerhalb des jeweiligen Verbandes der Kita-Bereich mit anderen Verbandsbereichen - die zumeist mehr "Power" haben (Vertretung im Vorstand, in der Verwaltungsspitze oder in der Arbeitnehmervertretung, höhere Reputation und besseres Durchsetzungsvermögen der - zumeist akademisch gebildeten - Mitarbeiter/innen etc.). Dies gilt erst recht für den Fall, dass Wohlfahrtsverbände den Kita-Bereich in einen Unterverband ausgelagert haben, wie dies bei Caritas und Diakonischem Werk zumeist der Fall ist. Zudem sind Wohlfahrtsverbände weitestgehend von öffentlichen Mitteln abhängig - und wer will es sich schon mit seinen Geldgebern verscherzen?
Erst recht vertreten nicht die über Kitas forschenden Wissenschaftler/innen die Interessen von Erzieher/innen. Sie mögen wohl auf die unbefriedigende Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität oder die schlechte Ausbildung hinweisen (und im Idealfall z.B. bei einer Anhörung im Landtag vortragen), aber daraus ganz andere Empfehlungen ableiten, als dies die Fachkräfte tun würden - beispielsweise die Gründung einer Nationalen Qualitätsagentur, die alle Kitas regelmäßig prüft, oder die Akademisierung der Ausbildung.
Auch auf Gewerkschaften wie GEW, Ver.di, KEG, e+s oder VBE sollten sich Erzieher/innen nicht verlassen. Da hier nur wenige Erzieher/innen Mitglied sind, haben ihre Vorstellungen bei weitem weniger Gewicht als diejenigen stärker vertretener Berufsgruppen. Es fehlt somit ein Verband, der ausschließlich die Interessen von Kita-Mitarbeiter/innen gegenüber Politik und Verwaltung vertritt. Nur eine eigene, mitgliederstarke Lobbygruppe könnte den Anliegen der Fachkräfte Gehör verschaffen - aber solch einen Berufsverband gibt es (noch) nicht.
Somit müssen Erzieher/innen selbst aktiv werden und sich berufspolitisch für eine bessere Aus- und Fortbildung, eine angemessene Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen sowie fachpolitisch für eine höhere Strukturqualität der frühkindlichen Bildung, genügend Verfügungszeit und eine adäquate räumliche Ausstattung von Kitas engagieren.
Sich für Kinder einsetzen
Fachkräfte, die für eine qualitativ hochwertige Kindertagesbetreuung plädieren, vertreten damit selbstverständlich auch Kinderinteressen. Jedoch geht der gesetzliche (!) Auftrag weit darüber hinaus: Wie bekannt sein dürfte, sind die Kita-Gesetze der Bundesländer Ausführungsgesetze des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (SGB VIII), und damit gilt für Erzieher/innen folgende Rechtsnorm:
§ 1 Recht auf Erziehung, Elternverantwortung, Jugendhilfe
(1) Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Jugendhilfe soll zur Verwirklichung des Rechts nach Absatz 1 insbesondere
1. junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern und dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen,
2. Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung beraten und unterstützen,
3. Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen,
4. dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen.
Zum einen sollen Erzieher/innen in ihrer Kita die Entwicklung von Kleinkindern fördern und sie in Kooperation mit den Eltern zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten erziehen. Dabei sollen sie Benachteiligungen abbauen, die sich z.B. aus dem Wesen der Kinder (Entwicklungsverzögerung, Behinderung, Verhaltensauffälligkeit usw.), ihrer Herkunft (Migrationshintergrund, Schichtzugehörigkeit usw.) oder ihrer Lebenssituation (z.B. Trennung/ Scheidung der Eltern, Teil-/ Stieffamilie, Arbeitslosigkeit, Armut, Eltern mit somatischen, psychischen oder Suchtkrankheiten) ergeben. Letztendlich hat jedes Kleinkind besondere Bedürfnisse und Bedarfe, die es auf dem Wege der Individualisierung und Differenzierung - unter Umständen unter Einbindung Dritter (z.B. von Heilpädagoginnen oder Psychologen) - zu befriedigen gilt. Jedes Kind ist andersartig und benötigt somit entsprechend des Inklusionsgrundsatzes eine auf es zugeschnittene Betreuung, Erziehung und Bildung.
Zum anderen sollen Erzieher/innen nach außen hin Kleinkinder vor einer Kindeswohlgefährdung schützen und zu einer kinderfreundlichen Umwelt beitragen. Was für Kinder positive Lebensbedingungen beinhaltet, ist aber vielen Fachkräften nicht bewusst. So sollten sie eine "Vision", eine Vorstellung davon haben, was eine glückliche Kindheit ist, was eine gute Familienerziehung ausmacht und was Kinder (mit besonderen Bedürfnissen, mit Migrationshintergrund, aus sozial schwachen Familien usw.) wirklich benötigen. Aus einem solchen Idealbild werden sich Impulse nicht nur für die Erziehungspartnerschaft mit Eltern ergeben, sondern auch für Aktivitäten jenseits des Kita-Bereichs (z.B. Einsatz für naturbelassene Flächen im Ortsteil, für eine anspruchsvollere Spielplatzgestaltung, für Ferienangebote für hochbegabte Kinder oder für eine Blindenampel an einem Übergang, der auch von sehbehinderten Kindern genutzt wird). Besonders sinnvoll wäre eine miteinander geteilte bzw. gemeinsame Vision, die ein ganzes Team (und die Elternschaft der Kita) oder gar eine größere Gruppe von Fachkräften leiten würde.
Anzumerken ist, dass eine Kindeswohlgefährdung natürlich auch in der Kita auftreten kann. Wenn z.B. eine Krippenerzieherin mehrere Monate lang zehn oder gar zwölf unter Dreijährige alleine betreuen soll, weil ihre Kollegin längerfristig erkrankt ist und der Träger keinen Ersatz stellen kann/will, ist eine solche Situation gegeben. Hier muss die Fachkraft die Kita-Leitung, den Träger, die Eltern u.a. auf die daraus resultierende Gefahr für das Kindeswohl deutlich hinweisen. Sie muss aber auch aktiv werden, wenn sie beobachtet, dass in einer anderen Gruppe (einzelne) Kinder vernachlässigt, herabwürdigend beschimpft oder unzulässig bestraft werden (z.B. durch den Entzug des Mittagessens).
Sich für Familien einsetzen
Aus dem zuvor zitierten § 1 SGB VIII ergibt sich ferner, dass Erzieher/innen zum einen Eltern bei der Erziehung beraten und unterstützen sowie zum anderen zu positiven Lebensbedingungen für Familien und einer familienfreundlichen Umwelt beitragen sollen. Ersteres geschieht vor allem durch individuelle Elterngespräche im Rahmen der Erziehungspartnerschaft und durch elternbildende Veranstaltungen, aber auch durch die Vermittlung von Hilfsangeboten psychosozialer Dienste. Letzteres kann die Kita betreffen (z.B. wenn das Team beim Träger für längere Öffnungszeiten plädiert, um einem entsprechenden Betreuungsbedarf berufstätiger Eltern befriedigen zu können), wird aber in der Regel darüber hinaus gehen.
So können sich Erzieher/innen folgende Fragen stellen: Was würde Eltern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern? Fehlen z.B. Betreuungsangebote während der Kita- bzw. Schulferien? Wie könnten Eltern das kindliche Lernen besser fördern? Was benötigen sie an familienbildenden und beratenden Angeboten vor Ort? Werden sie bei Bedarf auch in ihrer Wohnung von Familienhebammen, Erziehungsbeiständen oder im Rahmen von Hausbesuchsprogrammen unterstützt? Welche Bedarfe von Familien mit Migrationshintergrund, mit behinderten Kindern oder mit besonderen Belastungen (wie chronischer Ehekonflikt, Trennung/ Scheidung, Alleinerzieherschaft, Armut, mit psychisch krankem Elternteil oder pflegebedürftigen Großeltern usw.) werden vor Ort noch nicht genügend abgedeckt? Wie könnte Eltern im Fall einer Kindeswohlgefährdung noch besser geholfen werden? Werden Mittel für die Familien- und Müttererholung benötigt? Könnten Räume für Elterngruppen (z.B. von Alleinerziehenden, von Eltern mit behinderten Kindern oder von muslimischen Müttern) bereitgestellt werden? Wie könnten Sprachkurse für zugewanderte Eltern gestaltet werden? Aus den Antworten auf diese Fragen ergeben sich dann Handlungsziele, für die sich die Fachkräfte einsetzen könnten.
Der Öffentlichkeit - inklusive der (Kommunal-) Politik, der Verwaltung und der Medien - ist noch zu wenig bewusst, dass niemand außer den Eltern selbst die Interessen von Familien so gut vertreten können wie Erzieher/innen. So haben diese im Gegensatz zu anderen relevanten Berufsgruppen (Psychologinnen, Sozialarbeiter usw.) auch mit "normalen" Familien zu tun. Zudem ist die Beziehung zwischen Erzieher/innen und Eltern aufgrund der täglichen Kontakte beim Bringen und Abholen der Kinder, der Entwicklungsgespräche und anderer Angebote im Rahmen der Erziehungspartnerschaft viel intensiver als z.B. der Kontakt zwischen Eltern und Lehrer/innen. Dies gilt auch für Familien mit Migrationshintergrund oder für sozial schwache Familien, da sie zumeist von Kitas besser erreicht werden als von Schulen. Erzieher/innen sollten deshalb offensiv auf ihre Fähigkeit verweisen, kompetent über die Situation von Familien mit Kleinkindern sowie über deren Bedarfe sprechen zu können.
Die Erzieherin als Advokatin
Erzieher/innen können die Interessen von Kitas, Kindern und Familien auf verschiedenen Ebenen vertreten:
- im privaten Bereich (also gegenüber Verwandten, Freunden und Bekannten),
- im kommunalen Bereich (gegenüber Gemeinde-/ Stadtrat und Kommunalverwaltung),
- auf der Landesebene (gegenüber Landtag, Ministerien und nachgeordneten Landesbehörden),
- gegenüber Medien (Zeitungen, Radio- und Fernsehsendern) sowie
- gegenüber der Wirtschaft (indem z.B. ortsansässige Betriebe auf Probleme bei der Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf oder auf den Bedarf an betrieblicher Kinderbetreuung - insbesondere an Abenden oder Wochenenden - hingewiesen werden oder indem Unternehmen auf gefährliche Spielsachen und für Kleinkinder nicht geeignete elektronische Spiele aufmerksam gemacht werden).
Eine Fachkraft sollte diejenige Form des "Advokatentums" wählen, die ihr am meisten liegt, und diese bewusst ausgestalten. Mit der Zeit wird sie neue Kompetenzen entwickeln - und weitere Kreise ziehen. Dann wird sie auch immer mehr Bündnispartner finden...
Interessen auf der kommunalen Ebene vertreten
Kindertagesbetreuung und andere Jugendhilfemaßnahmen, familienunterstützende Leistungen, Gesundheits-, Sozial- und Wohnungshilfe sowie die Schaffung positiver Lebensbedingungen für (Klein-) Kinder und Familien sind kommunale Aufgaben. Wollen Erzieher/innen hier Verbesserungen erreichen, müssen sie sich an den Gemeinde-, Kreis- oder Stadtrat, die Kreis- bzw. Stadtverwaltung, den Landrat bzw. Bürgermeister wenden. Da die meisten kommunalen Leistungen nicht genau per Gesetz festgelegt sind, haben Bürgervertretung und Verwaltung relativ große Handlungsspielräume. Sie können also im Einzelfall z.B. bessere Rahmenbedingungen für eine Kita im sozialen Brennpunkt, die Freistellung der Leiterin oder mehr Fortbildungsmittel beschließen.
Am häufigsten werden Erzieher/innen wohl diesen Weg beschreiten, wenn es um die eigene Kita geht. Hier ist es sinnvoll, wenn Kita-Leitung und Team nicht erst aktiv werden, wenn ein Problem anliegt, sondern relevante Kontakte längerfristig aufbauen. So sollten sie zunächst erfassen, wie die für den Kita-Bereich wichtigsten Entscheidungsträger heißen: Welche Gemeinde-, Kreis- bzw. Stadträte befassen sich mit Kindertagesbetreuung und Familienfragen? Wie heißen Sozialreferent und Jugendamtsleiter? Wer sind die zuständigen Mitarbeiter im Jugendamt? Dann wird überlegt, wie Kita-Leitung und Team Beziehungen zu solchen Entscheidungsträgern aufbauen könnten: Wem wollen wir unsere "Produkte" wie Konzeption, Jahresberichte oder Kindergartenzeitungen zusenden? Wer würde sich für allgemeine Informationen wie z.B. Kopien aus Fachzeitschriften interessieren? Wen wollen wir zum Tag der offenen Tür, zum "Hineinschnuppern" in den Kita-Alltag (Hospitation), zu einer Ausstellung von Kinderzeichnungen oder zum Abschluss eines Projekts einladen? Wer sollte zu einem Fest oder zu einer Jubiläumsveranstaltung kommen? Und schließlich ist die Frage zu stellen, wie Kontakte zu Entscheidungsträgern aufrechterhalten und intensiviert werden können.
Die Leiterin eines kommunalen Kindergartens in einer bayerischen Kleinstadt machte es sich zur Gewohnheit, dass sie Schreiben an die Gemeindeverwaltung nicht mit der Post verschickte, sondern sie persönlich - und in Begleitung einiger Kinder - überbrachte. So lernte sie die zuständigen Sachbearbeiter immer besser kennen. Hatte der Bürgermeister Geburtstag, besuchte sie ihn mit einer Gruppe von Kindern, die ihm ein Lied vortrugen und ein selbst gebasteltes Geschenk überreichten. Dieser enge Kontakt zur Stadtverwaltung zahlte sich aus, wann immer der Kindergarten besondere Wünsche hatte. Als z.B. Bäume im Außengelände geschnitten werden mussten, wurden sofort Gemeindearbeiter geschickt - die natürlich von den Kindern mit einem Imbiss und Getränken versorgt wurden...
Aber auch schon ein einzelner Kontakt kann längerfristige Wirkungen haben: So wandte sich eine Kita-Leitung per Brief an den Bürgermeister, um die zunehmende Zahl der Kinder mit besonderen Bedürfnissen zu beklagen, denen sie mit ihren wenigen Mitarbeiterinnen nicht mehr entsprechen könnte. Kurz darauf wurde sie zu einer Gemeinderatssitzung eingeladen. Dort schilderte sie die Situation in ihrer Kita mit so eindrucksvollen Worten, dass ihr eine zusätzliche Fachkraft bewilligt wurde. Seitdem wird sie gelegentlich als Fachfrau zu Gemeinderatssitzungen eingeladen, bei denen es um Familienfragen geht.
So bewähren sich die von einer Kita aufgebauten Kontakte zu Entscheidungsträgern. Jedoch können nicht alle Kitas in einer Gemeinde - und erst recht nicht in einer Großstadt! - diesen Weg gehen. Außerdem betreffen viele Probleme mehrere Kitas bzw. eine große Anzahl von Kindern und Familien. So ist es sinnvoll, wenn Erzieher/innen vor Ort die Zusammenarbeit suchen. Außerdem ist man gemeinsam stärker: Wenn eine Kita eine andere Kita für eine Aktion gewinnt, diese eine dritte und letztere eine vierte, dann kommt schnell eine größere Gruppe von Fachkräften zusammen. Und wenn dann jede Kindertageseinrichtung noch ihre Elternschaft mobilisiert...
Prinzipiell ist es sinnvoll, zur Vertretung der Interessen von Kitas, Kindern und Familien vor Ort Arbeitskreise zu bilden. An ihnen müssen nicht immer die Leiter/innen teilnehmen, sondern es können durchaus auch interessierte Teammitglieder sein. In diesen Arbeitsgruppen kann diskutiert werden, was in der Gemeinde oder in der Stadt verbessert werden sollte. Dann können Aktionen geplant werden, durch die das jeweilige Ziel erreicht werden soll. Dabei kann es sich z.B. um einen von allen Arbeitskreismitgliedern oder von allen Kita-Leitungen unterschriebener Antrag, die Bitte um einen Gesprächstermin (der dann von einer Delegation wahrgenommen wird) oder die Einladung von Entscheidungsträgern in die Arbeitsgruppe handeln. Ferner können Vertreter/innen des Arbeitskreises zu einer öffentlichen Rats- oder Ausschusssitzung gehen, in der für sie relevante Themen behandelt werden sollen. Insbesondere wenn sie anwesende Stadt-, Kreis- bzw. Gemeinderäte kennen, werden sie häufig um einen Kommentar gebeten. Sonst können sie immer noch ihre Meinung zu einem Diskussionsbeitrag nonverbal zeigen...
Gelingt es einem Leiter/innen- bzw. Arbeitskreis nicht, auf diese Weise das jeweilige Ziel zu erreichen, kann er sich an die Öffentlichkeit wenden. Übliche Wege reichen von der Einschaltung örtlicher Medien über Abendveranstaltungen, Stände in der Fußgängerzone bzw. in einem Einkaufszentrum und das Verteilen von Flugblättern bis hin zu Demonstrationen (mit Eltern und deren Kindern!) auf dem Rathausplatz.
Viele Erzieher/innen wissen nicht, dass ein Jugendamt sowohl aus dem Jugendhilfeausschuss als auch aus der Verwaltung besteht (§ 70 Abs. 1 SGB VIII); sie haben nur mit der Behörde zu tun. Zum Jugendhilfeausschuss heißt es in § 71 Abs. 2 und 3 SGB VIII:
(2) Der Jugendhilfeausschuss befasst sich mit allen Angelegenheiten der Jugendhilfe, insbesondere mit
1. der Erörterung aktueller Problemlagen junger Menschen und ihrer Familien sowie mit Anregungen und Vorschlägen für die Weiterentwicklung der Jugendhilfe,
2. der Jugendhilfeplanung und
3. der Förderung der freien Jugendhilfe.
(3) Er hat Beschlussrecht in Angelegenheiten der Jugendhilfe im Rahmen der von der Vertretungskörperschaft bereitgestellten Mittel, der von ihr erlassenen Satzung und der von ihr gefassten Beschlüsse. Er soll vor jeder Beschlussfassung der Vertretungskörperschaft in Fragen der Jugendhilfe und vor der Berufung eines Leiters des Jugendamts gehört werden und hat das Recht, an die Vertretungskörperschaft Anträge zu stellen. Er tritt nach Bedarf zusammen und ist auf Antrag von mindestens einem Fünftel der Stimmberechtigten einzuberufen. Seine Sitzungen sind öffentlich, soweit nicht das Wohl der Allgemeinheit, berechtigte Interessen einzelner Personen oder schutzbedürftiger Gruppen entgegenstehen.
Der Jugendhilfeausschuss ist also ein wichtiges Gremium auf kommunaler Ebene. Obwohl 63% der Jugendhilfeausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden im Jahr 2012 für Kindertagesbetreuung ausgegeben wurden und die meisten Mitarbeiter/innen der Jugendhilfe Erzieher/innen sind, sind diese nur selten mit einer Person im Jugendhilfeausschuss vertreten. So sollten sich die Kitas in einer kreisfreien Stadt oder auf Landkreisebene dafür einsetzen, dass mehrere Erzieher/innen in den Jugendhilfeausschuss berufen werden. Laut § 71 Abs. 1 SGB VIII müssen diese von der Vertretungskörperschaft gewählt werden - entweder auf Vorschlag eines Stadtrats bzw. Kreistagsabgeordneten oder eines anerkannten Trägers der freien Jugendhilfe (z.B. eines Wohlfahrtsverbandes).
Anzumerken ist, dass in den meisten Bundesländern auch das Landesjugendamt Funktionen im Kita-Bereich ausübt (z.B. Rechts- und Fachaufsicht, Mittelzuweisung, Fachberatung). Es besteht ebenfalls aus Jugendhilfeausschuss und Verwaltung (§§ 70 Abs. 3, 71 Abs. 4 SGB VIII). Erzieher/innen sollten auf den in den nächsten Absätzen beschriebenen Wegen zu erreichen versuchen, dass ihre Berufsgruppe im Landesjugendhilfeausschuss angemessen repräsentiert ist.
Interessen auf der Landesebene vertreten
Da Kindertagesbetreuung wie alle anderen Jugendhilfeleistungen in den Zuständigkeitsbereich der Bundesländer fällt, haben die Landtage Kita-Gesetze und andere Ausführungsgesetze zum SGB VIII verabschiedet. Ähnliches gilt für viele familienunterstützende Maßnahmen. Diese Landesgesetze bilden die Rechtsgrundlage für die genannten Bereiche und regeln zumeist auch deren Finanzierung. Prinzipiell wird zwischen Muss-, Soll- und Kann-Leistungen unterschieden. Während die Mittel für die erstgenannten Maßnahmen immer aufgebracht werden müssen, können für die anderen Leistungen die zur Verfügung gestellten Gelder begrenzt werden. Die von der Landesregierung vorgeschlagenen Budgets werden vom Landtag verabschiedet, der sie natürlich erhöhen oder senken kann.
Für Kitas und andere Anbieter von Jugendhilfeleistungen und familienunterstützenden Maßnahmen sind aber zumeist die (Ausführungs-) Verordnungen, (Förder-) Richtlinien, Verwaltungsvorschriften und Empfehlungen wichtiger, die von den zuständigen Landesministerien (und nachgeordneten Behörden wie z.B. den Landesjugendämtern) zur Umsetzung der vom Landtag verabschiedeten Gesetze erlassen werden. Hier werden Details wie Rahmenbedingungen, Qualifikation des Personals, Investitionszuschüsse, die Verteilung von Förder- und Projektmitteln etc. geregelt.
Prinzipiell können Erzieher/innen - wie alle anderen Bürger/innen - versuchen, auf Entscheidungsprozesse sowohl im Landtag als auch im zuständigen Landesministerium Einfluss zu nehmen oder sie anzuregen. Die Möglichkeiten einer einzigen Fachkraft sind aber gering, diejenigen einer größeren Gruppe schon besser und die einer konzertierten Aktion (z.B. in der Form eines Bürgerbegehrens, falls im Bundesland zugelassen) am besten. Immer aber müssen Erzieher/innen mit anderen Lobbygruppen wie Berufs- und Fachverbänden, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften konkurrieren - wie bereits erwähnt, haben sie ja keine eigene einflussreiche Organisation gebildet.
Wie bei der Interessenvertretung auf kommunaler Ebene sollten Erzieher/innen nicht erst bei einem besonderen Anlass aktiv werden, sondern längerfristig planen. Zunächst gilt es, relevante Informationen zu sammeln: Welche Landtagsabgeordneten wurden vor Ort gewählt? Wo haben sie ihre Stimmkreisbüros? Bieten sie regelmäßig Bürgersprechstunden an oder muss man Termine vereinbaren? Haben die Abgeordneten oder ihre Partner eine Ausbildung als Erzieherin, Sozialpädagoge, Psychologin usw. erhalten? Engagieren sie sich z.B. im Kinderschutzbund oder in einem Familienverband? Befassen sie sich überhaupt mit Kita- und Familienfragen? Haben sie zumindest kleine Kinder oder Enkel? Nicht nur wenn die beiden letzten Fragen verneint werden müssen, sollten Erzieher/innen auch ermitteln, welche Ausschüsse im Landtag für Kindertagesbetreuung und Familienfragen zuständig sind und wie deren Mitglieder heißen. In ihnen finden nämlich die für sie relevanten Entscheidungsprozesse statt; die übrigen Abgeordneten der regierenden Partei(-en) stimmen den hier verabschiedeten (Gesetzes-) Vorlagen in der Regel ohne weitere Diskussion zu. Ferner sollte erfasst werden, welches Landesministerium für Kita- und Familienfragen zuständig ist (es können auch mehrere sein, z.B. das Kultus- und das Sozialministerium), wie die verantwortlichen Referent/innen heißen und welche nachgeordneten Landesbehörden relevante (Richtlinien-) Kompetenzen haben.
Besonders wichtig ist, dass Erzieher/innen möglichst frühzeitig herausfinden, ob Gesetze, Verordnungen, Erlasse usw. geändert werden sollen. Dies setzt voraus, dass sie nach entsprechenden Informationen in Tageszeitungen sowie auf den Websites des Landestages und der Ministerien suchen. Manche Behörden geben auch Newsletter für Kitas heraus, die abonniert werden können. Sehr hilfreich ist auch ein guter Kontakt zu den Trägerverbänden, da sie frühzeitig von den in Ministerien oder Landtagsausschüssen ablaufenden Entscheidungsprozessen erfahren, in der Regel um Stellungnahmen gebeten werden und häufig zu Sitzungen in ein Ministerium bzw. zu Anhörungen in einen Ausschuss eingeladen werden.
Hier zeigen sich schon die ersten Einflussmöglichkeiten: Erfahren Erzieher/innen frühzeitig von geplanten Veränderungen, können sie sich den Entwurf des jeweiligen Gesetzes, der Verordnung oder der Verwaltungsvorschrift besorgen, diesen im Team, in einem Arbeitskreis oder auf der Leiter/innenkonferenz diskutieren, Kontakt zu den zuständigen Mitarbeiter/innen des Trägerverbandes aufnehmen und insistieren, dass diese die Diskussionsergebnisse in ihre Stellungnahme an den Landtag bzw. das Ministerium einfließen lassen. Manchmal werden einzelne Fachkräfte von den Verbandsvertretern zu Anhörungen oder Sitzungen mitgenommen, damit dort die Praxis zu Wort komme - Erzieher/innen können darauf hinwirken, dass dies zur Regel wird.
Selbstverständlich kann eine einzelne Erzieherin, ein Team oder die "Delegation" eines (Leiter/innen-) Arbeitskreises auch den direkten Kontakt zu Abgeordneten oder den zuständigen Mitarbeiter/innen eines Ministeriums bzw. einer Landesbehörde suchen. So können die Fachkräfte z.B. selbst eine Stellungnahme verfassen und versenden, einen Besprechungstermin mit Abgeordneten in ihren Stimmkreisbüros bzw. am Sitz des Landtags oder mit den verantwortlichen Referent/innen im Ministerium vereinbaren oder zu einer öffentlichen Ausschusssitzung fahren, bei der sich Gespräche mit Abgeordneten z.B. in den Pausen ergeben könnten. Schließlich sind größere Aktionen möglich - so können Minister/innen bzw. Abgeordnete mit Schreiben, E-Mails oder Telefonanrufen einer größeren Anzahl von Erzieher/innen "bombardiert" werden, können Demonstrationen oder andere Veranstaltungen organisiert und die Medien eingebunden werden.
Anzumerken ist, dass auf den genannten Wegen Veränderungen von Gesetzen, Verordnungen und Erlassen auch angestoßen werden können. Dies gilt ebenfalls für (Online-) Petitionen, die vom Petitionsausschuss des Landtages behandelt werden müssen. Oft werden Abgeordnete oder Mitarbeiter/innen eines Ministeriums erst aktiv, wenn sie einen gewissen Druck verspüren - und dieser lässt sich z.B. besonders leicht in der Vorwahlzeit aufbauen...
Für alle mündlichen und schriftlichen Stellungnahmen gilt, dass sie kurz, prägnant und gut gegliedert sein sollten; dann werden sie eher zur Kenntnis genommen. So sollten keine langen Forderungskataloge vorgetragen werden, sondern die Erzieher/innen sollten sich auf zwei bis fünf Punkte beschränken. Es ist sinnvoll, wenn jedes Ziel in zwei bis drei Sätzen zusammengefasst und dann von einer kurzen Begründung gefolgt wird. Im Schreiben bzw. im Gespräch sollte angedeutet werden, dass ergänzende Informationen wie Fachartikel, wissenschaftliche Studien oder Broschüren zur Verfügung gestellt werden können, was dann natürlich auch geschehen muss (also zu Besprechungen mitnehmen).
Bei Gesprächsterminen ist wichtig, vorab zu eruieren, wie viel Zeit zur Verfügung steht. Dann kann geplant werden, wie lange das jeweilige Ziel maximal diskutiert werden darf, damit alle vorgesehenen Punkte angesprochen werden können. Erzieher/innen sollten auch nicht enttäuscht sein, wenn sich ein Abgeordneter von einem seiner Mitarbeiter, ein Minister von einer seiner Referatsleiterinnen oder ein Referent von einem seiner Sachbearbeiter vertreten lassen - diese sind zumeist für die jeweilige Thematik zuständig und somit sachkompetent. Zudem haben Minister/innen nur selten Zeit für ein Gespräch. Sie beantworten auch keine an sie gerichteten Schreiben, unterzeichnen höchstens den Antwortbrief. Abschließend ist noch anzumerken, dass man bei Schreiben bzw. schriftlichen Stellungnahmen um eine Antwort bitten sollte. Nach einem Gesprächstermin bedankt man sich per Brief, in dem sich auch wichtige Diskussionsergebnisse festhalten lassen.
Interessen gegenüber den Medien vertreten
Neben Lobbygruppen üben auch Zeitungen, Radio- und Fernsehsender einen großen Einfluss auf Politik und Verwaltung aus. Deshalb sollten Kitas gute und langfristig angelegte Kontakte zu den örtlichen Medien sowie Leiter/innenkonferenzen und Arbeitskreise darüber hinaus auch zu überregionalen Medien aufbauen.
Zunächst ist zu erfassen, welche Journalistinnen und Redakteure über Kita-, Kinder- und Familienthemen berichten und wie sie erreicht werden können. Dann kann ihnen immer wieder aktuelles Material zugesandt werden (z.B. für ihre Berichterstattung relevante Forschungsergebnisse, Studien oder Fachartikel). Beispielsweise erfasst die Bertelsmann Stiftung jedes Jahr die Rahmenbedingungen von Kitas in ihrem Ländermonitor. Auf dieser Grundlage könnten Erzieher/innen Journalisten darauf aufmerksam machen, dass in ihrem Bundesland die Personalschlüssel schlechter als in den meisten anderen Bundesländern sind, dass hier überdurchschnittlich viele schlecht qualifizierte Fachkräfte arbeiten oder besonders wenige Leiter/innen freigestellt sind. Oder sie können ihnen anhand des Bundesbildungsberichts 2012 aufzeigen, dass in Westdeutschland die Interessen von Kleinkindern mit Migrationshintergrund zu wenig gewahrt werden, da sich ein Drittel dieser Kinder in Kitas ballt, in denen mehr als die Hälfte der betreuten Kinder zu Hause kein Deutsch spricht.
Journalisten und Redakteurinnen können auch in die Kita eingeladen werden (z.B. bei ausgefallenen Aktivitäten, zu besonderen Projekten oder Ausstellungen). Solche Gelegenheiten lassen sich nutzen, um Probleme bzw. besondere Interessen von Kitas, Kindern und Familien anzusprechen.
Ferner können Erzieher/innen entsprechende Artikel selbst verfassen und an ihren Ansprechpartner in der jeweiligen Zeitungsredaktion senden - ein interessanter Text in Verbindung mit ein, zwei Kinderfotos erhöht die Wahrscheinlichkeit der Veröffentlichung. In Zukunft werden Redaktionen noch häufiger auf solche Manuskripte zurückgreifen, da aufgrund der sinkenden Werbeeinnahmen die Zahl der Journalisten reduziert wird. Wochenblätter, die kostenlos verteilt werden, haben oft nur einen einzigen Redakteur - der sich zumeist über derartige Zusendungen freut.
Einzelne Erzieher/innen oder die Sprecher von Leiterkonferenzen bzw. Arbeitskreisen können sich auch schriftlich oder telefonisch an (lokale) Zeitungen, Radio- oder Fernsehsender wenden, um sie auf bestimmte Interessen von Kitas, Kindern bzw. Familien aufmerksam zu machen. Hier gilt dasselbe wie für Kontakte zu Abgeordneten und Mitarbeitern von Ministerien: sich auf wenige Punkte beschränken und diese knapp und zitierfähig formulieren. Fragen müssen natürlich beantwortet werden, aber immer wieder sollten die Fachkräfte auf die (nächsten) Ziele zurückkommen. Persönliche Erfahrungen sind für Journalisten zumeist interessantere Begründungen als wissenschaftliche Studien.
Bei Interviews oder wörtlichen Zitaten sollten Erzieher/innen darum bitten, dass ihnen die Texte bzw. Gesprächsmitschnitte vorab zur Genehmigung zugesandt werden. Dies ist durchaus üblich - und kann gelegentlich potenzielle Probleme verhindern. Da Journalisten unter Zeitdruck stehen, müssen sie aber kurz nach Erhalt des Textes eine Rückmeldung bekommen.
Ein wichtiges Mittel zur Interessenvertretung ist schließlich der Leserbrief (auch als E-Mail oder als Kommentar auf den Websites von Zeitungen, Zeitschriften, Radio- und Fernsehsendern). Wenn Medien negativ über den Kita-Bereich oder einzelne Kindertageseinrichtungen berichten, müssten sie eigentlich mit einer Flut von (kurzen!) Leserbriefen überschüttet werden, in denen z.B. die schlechten Arbeits- und Rahmenbedingungen in Kitas angeprangert oder positive Gegenbeispiele genannt werden. Je mehr Leserbriefe eingehen, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass zumindest einer veröffentlicht wird.
Berichte über die Lage von Kindern und Eltern, über die Absichten von Politikern oder über familienpolitische Maßnahmen von Ministerien bieten eine gute Gelegenheit, sich in Leserbriefen für die Interessen von Familien einzusetzen oder ergänzende Informationen beizutragen. Werden schlechte Kinderfilme oder die kindliche Entwicklung gefährdende Fernsehsendungen bzw. Werbespots im Nachmittagsprogramm gezeigt, könnte dies ebenfalls ein Anlass für Leserbriefe oder für negative Kommentare auf den Websites der Sender sein. Und immer denken: Auch Leserbriefe, die nicht veröffentlicht werden, können durchaus eine Wirkung haben!
Interessen gemeinsam mit Bündnispartnern vertreten
In absehbarer Zeit wird die Zahl der Erzieher/innen, die für die Interessen von Kitas, Kindern und Familien kämpfen, vermutlich nur wenig wachsen. Umso wichtiger ist es, dass sich die Aktiven Bündnispartner suchen, die sie bei ihren - kleineren oder größeren - Aktionen unterstützen. Hier ist zunächst an die Eltern der betreuten Kinder und an die von ihnen gewählten Vertreter zu denken, da sie direkt angesprochen werden können und ähnliche Interessen wie die Fachkräfte haben. Auch sie können z.B. Leserbriefe schreiben, in Arbeitskreisen mitarbeiten, beim Verfassen von Stellungnahmen helfen oder zu Gesprächsterminen mitgehen.
Erzieher/innen sollten frühzeitig erfassen (möglichst schon bei der Anmeldung oder während der Eingewöhnungsphase), welche Eltern besonders wichtige Bündnispartner wären: Wer ist Gemeinde- bzw. Stadtrat? Wer kennt den Bürgermeister oder den Jugendamtsleiter persönlich? Wer kann Kontakt zu einem Abgeordneten vermitteln? Wer ist in einem einflussreichen Verband tätig? Wer ist mit einem Journalisten befreundet? Wer könnte Faltblätter, Plakate oder Broschüren ansprechend gestalten? Wer könnte Sponsoren für die Druckkosten oder für besondere Aktionen gewinnen?
Manche Eltern (z.B. Parteimitglieder, Unternehmer, Bankmanager, Redakteure, Gewerkschaftsvertreter oder Beamte im höheren Dienst) haben bei weitem mehr Einfluss als Erzieher/innen und könnten diesen zugunsten von Kitas, Kindern und Familien einsetzen. Da sie sich aber häufig nicht mit deren Interessen befasst haben, benötigen sie detaillierte Informationen und Begründungen zu den von den Fachkräften verfolgten Zielen.
Vereinzelt können Eltern sogar Wünsche der Erzieher/innen direkt erfüllen. Beispielsweise kann ein Vater, der im Vorstand eines Sportvereins ist, der Kita die regelmäßige Nutzung des Sportgeländes ermöglichen, sodass eine zu kleine Außenspielfläche und ein fehlender Turnraum kompensiert werden. Ein Elternteil, der bei einem Rotary oder Lions Club aktiv ist, könnte es erreichen, dass die Kosten für einen wöchentlichen Schwimmbadbesuch übernommen werden, sodass auch Kinder aus sozial schwachen Familien Schwimmen lernen können. Und ein Bankmanager kann seine Geschäftsstelle veranlassen, für neue Klettergerüste auf dem öffentlichen Spielplatz zu spenden.
Während in einigen Bundesländern die Kita-Gesetze vorschreiben, dass die Elternbeiräte auch auf der Kreis- und auf der Landesebene repräsentiert sein müssen, ist dies in anderen Ländern nicht der Fall. Hier könnten Erzieher/innen die Elternbeiräte motivieren, sich zumindest auf der Kreisebene zu organisieren, eine gemeinsame Agenda zu entwickeln und einen Sprecher zu wählen, der die Belange der Familien - aber auch die Interessen der Kitas - gegenüber dem Stadtrat bzw. Kreistag oder gegenüber den kommunalen Behörden vertritt. Dieser Sprecher kann bei Bedarf zu Leiter/innenkonferenzen oder Arbeitskreissitzungen eingeladen werden, sodass von den Elternbeiräten mitgetragene Stellungnahmen und Aktionen entstehen könnten.
Potenzielle Bündnispartner von Erzieher/innen können - neben den Eltern - (Kommunal-) Politiker/innen, Behördenvertreter, Kinderärzte, Erziehungsberaterinnen, Pfarrgemeinderäte oder Mitglieder von Vereinen bzw. (Behinderten-, Familien-) Verbänden sein, die ähnliche Interessen auf der kommunalen bzw. Landesebene durchsetzen wollen. Aber auch Unternehmen, die Industrie- und Handelskammer oder die Handwerkskammer sind oft bereit, sich z.B. für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie für eine qualitativ hochwertige Kindertagesbetreuung zu engagieren. Und wenn es um die tarifliche Eingruppierung und die Arbeitsbedingungen von Erzieher/innen geht, kommen diese m.E. um die Mitwirkung in den Gewerkschaften nicht herum, da diese als Tarifparteien die Arbeitnehmer bei entsprechenden Verhandlungen mit den Arbeitgeberverbänden vertreten.
Erfolgreich kämpfen
Abschließend ist festzuhalten, dass Erzieher/innen eher die Interessen von Kitas, Kindern und Familien durchsetzen können, wenn sie
- sich zunächst auf zwei bis fünf klar definierte Ziele beschränken, d.h. aus der Vielzahl anzustrebender Verbesserungen einige wenige aussuchen und sich erst neue Ziele setzen, wenn die alten erreicht wurden (oder aufgegeben werden mussten).
- das zugrundeliegende Problem genau definiert und analysiert haben, wobei sie oft auf Fachliteratur zurückgreifen müssen.
- sich auf Erkenntnisse der Hirnforschung, der Entwicklungs- und Lernpsychologie, der Pädagogik der frühen Kindheit oder der Familienforschung berufen können.
- ihre Ziele mit einer Thematik verknüpft haben, die der regierenden Fraktion im Gemeinde-, Kreis- bzw. Stadtrat oder im Landtag, den zuständigen kommunalen Behörden und den Ministerien wichtig ist.
- gemeinsam eine Strategie entwickelt haben, wie sie ihre Ziele erreichen können, und diese möglichst zusammen mit Bündnispartnern umsetzen.
- das Interesse von Medien geweckt haben oder an ein dort heiß diskutiertes Thema anknüpfen konnten.
- einen guten Zeitpunkt für Aktionen gefunden haben (z.B. anstehende Wahlen, für die herrschende Partei schlechte Umfrageergebnisse - insbesondere zur Familienpolitik - oder die Veröffentlichung einer neuen Studie über die schlechte Qualität der Kindertagesbetreuung).
- auch kleine Erfolge feiern und so ihre Motivation (und die ihrer Bündnispartner) aufrechterhalten.
Zur Effizienz des gemeinsamen Handelns können auch die neuen Medien beitragen: So lassen sich z.B. über Facebook oder Twitter Netzwerke von Gleichgesinnten aufbauen. Ein Arbeitskreis kann interessierte Kolleg/innen, Eltern und andere Bündnispartner mit Hilfe eines (kostenlosen) Newsletterprogramms auf dem Laufenden halten. Auch könnten die Kitas in einer Stadt oder in einem Landkreis die E-Mail-Adressen der Eltern von allen betreuten Kindern zusammentragen. Bei einem entsprechenden Anlass können sie ihnen mailen und sie zur Mitwirkung an einer Aktion aufrufen. Selbst wenn nur jedes zehnte Elternteil ein (vorformuliertes) Schreiben, ein Fax oder eine E-Mail an den Bürgermeister bzw. Landrat oder an bestimmte Landtagsabgeordnete schicken würde...
Anmerkung
Der im Text erwähnte Ländermonitor der Bertelsmann Stiftung ist unter http://www.laendermonitor.de/ und der Bildungsbericht 2012 unter http://www.bildungsbericht.de/ zu finden.