Axel Jansa und Lore Miedaner
1. Wie ist die Situation?
Die Berufseinmündung von Absolventinnen und Absolventen der Bachelor-Studiengänge der Bildung und Erziehung in der Kindheit (1) verläuft derzeit holprig, was einerseits nicht verwunderlich ist, handelt es sich doch um neue Studiengänge, deren Absolvent/innen teilweise in Berufsfelder drängen, die von anderen Berufsgruppen "besetzt" sind. Zudem ist die "Qualität der Absolventinnen und Absolventen" bei den "Abnehmern" noch kaum bekannt. Andererseits erstaunt es aber doch wegen der seit vielen Jahren von fachlicher und gewerkschaftlicher Seite (GEW) geforderten Höherqualifizierung von Erzieher/innen und angesichts dessen, dass solche Studiengänge in manchen Bundesländern von der Politik ausdrücklich geschaffen wurden (z.B. in Baden-Württemberg an den Pädagogischen Hochschulen). In Anbetracht dessen hätte man meinen können, dass man zumindest in diesen Bundesländern geradezu auf die Absolvent/innen gewartet hätte und dass dort Vorkehrungen für die Berufseinmündung getroffen worden wären. Aber dem ist nicht so!
Nach Beobachtungen an der Hochschule Esslingen (2) lassen sich erste Schlüsse über die Berufsseinmündung ziehen. Es zeigt sich, dass eine Reihe von Absolventinnen eine Anstellung bei privat-gewerblichen oder frei-gemeinnützigen Trägern von Kindertageseinrichtungen gefunden hat, andere haben eine Tätigkeit im Bereich Erziehungshilfen und in der Arbeit mit Familien aufgenommen, und eine dritte Gruppe arbeitet im Schul- oder schulbezogenen Bereich. Einzelne Absolventinnen gehen auch in kommunale Kindertageseinrichtungen, z.B. weil sie alleinerziehend oder aus anderen Gründen nicht mobil sind (3).
Was kann aus diesen Erfahrungen für die Berufseinmündung abgeleitet werden?
Erstens - und dies ist die positive Botschaft - die Berufseinmündung klappt irgendwie und zwar auch für grundständig Studierende, also für Absolvent/innen ohne vorherige Erzieher/innenausbildung. Die meisten Studierenden haben eine Stelle mit einer für ihre Qualifikation angemessenen Bezahlung gefunden oder zumindest mit einer, die über der durch den TVöD festgelegten Eingruppierung von Fachschulabsolvent/innen liegt.
Zum zweiten zeigen sich aber auch problematische Tendenzen: Die Situation, dass Fachkräfte mit Hochschulstudium vor allem in privat-gewerbliche Kindertageseinrichtungen und allenfalls in frei-gemeinnützige münden, die sich für eine angemessene Bezahlung einsetzen, aber wegen nicht angemessener Bezahlung kaum in kommunale, muss als höchst problematisch bewertet werden. Was sich für die einzelnen Absolvent/innen als eine Chance darstellt, ist bildungspolitisch fatal. Damit wird ein vorhandenes und seit langem - durch die PISA-Studien - erkanntes Problem weiter verschärft: die Chancenungerechtigkeit im deutschen Bildungssystem.
Zugegeben das sind nur erste Beobachtungen (4), dennoch stellen sich dadurch Fragen wie durch welche Strukturen dies begünstigt wird und ob das sozial- und bildungspolitisch so gewollt sein kann - in einem Sozialstaat, der die Qualität einer öffentlich verantworteten Bildung und Erziehung für alle Kinder sichern muss. Nach unserer Meinung kann diese Verschärfung von Chancenungerechtigkeit nicht hingenommen werden. Wurden die Hochschulstudiengänge zur Bildung und Erziehung in der Kindheit doch in der Folge der ersten PISA-Ergebnisse in der Absicht aufgebaut, zur Anhebung des Bildungsniveaus und zur Chancengerechtigkeit in Deutschland beizutragen und zudem in der Fachkräfteausbildung an europäisches Niveau anzuschließen.
Dass Deutschland auch in der neuesten PISA-Untersuchung (5) nach wie vor von allen untersuchten Ländern bei der Förderung von Kindern aus Familien mit niedrigem sozioökonomischem Hintergrund an letzter Stelle steht, zeigt, dass Bildungspolitik und Bildungspraxis weiterhin erhebliche Defizite bei der Schaffung von Chancengerechtigkeit aufweisen.
Wenn nicht auch Stellen in kommunalen Kindertageseinrichtungen für an Hochschulen qualifiziertes Personal geschaffen werden, so ist zu befürchten, dass sich die Bildungsschere eher weiter auseinander bewegt anstatt sich zu schließen: Kindern aus privilegierten Kreisen wird somit bereits in Kindertageseinrichtungen eine bessere Bildung im frühkindlichen Bereich zuteil als anderen Kindern. Dadurch wird gerade auch Kindern aus benachteiligten Verhältnissen die dringend erforderliche qualitativ hochwertige Förderung und Unterstützung vorenthaltenen (6). Und das in einem Land, das dringend auf gut qualifizierte Fachkräfte angewiesen sein wird. Entgegen vielen Aussagen von Politikern scheint man lieber Fachkräfte für die Wirtschaft aus dem Ausland holen zu wollen, als die "Bildungsreserven" in unserem Land mit der Bereitstellung deutlich verbesserter Rahmenbedingungen für die wichtige frühkindliche Bildung und Erziehung auszuschöpfen zu wollen. Das ist ein bildungspolitischer Skandal!
Aber auch Arbeitgebern in Kindertageseinrichtungen kann es kaum gefallen, wenn sich Hochschulabsolvent/innen ohne angemessene Bezahlung in den Gruppenalltag integrieren. Denn es ist anzunehmen, dass sie sich baldmöglichst um eine höher dotierte Stelle in anderen Einrichtungen bewerben werden. Dies dient weder der Qualität der Arbeit in den betreffenden Kindertageseinrichtungen, noch entspricht dies dem, was Kinder als beziehungssichere Basis (7) für gute Bildung brauchen.
Wenn die genannten Fehlentwicklungen in Zukunft vermieden werden sollen, ist eine strukturelle Steuerung für eine angemessene Berufseinmündung von Hochschulabsolventinnen und -absolventen von Anfang an für die ganze Breite des Berufsfeldes erforderlich.
2. Welche Ursachen haben diese Probleme?
Absolventinnen und Absolventen der Studiengänge, die die Schwierigkeiten beim Berufseinstieg am eigenen Leibe erlebt haben bzw. gerade erleben, haben ein zusammenhängendes Problembündel ausgemacht (8).
- Staatliche Anerkennung
Es gib bisher keinen bundesweit einheitlich geregelten Berufszugang. Absolvent/innen der Studiengänge Bildung und Erziehung in der Kindheit erhalten in manchen Bundesländern eine staatliche Anerkennung als Erzieherin (z.B. in Berlin) und können damit in Kindertageseinrichtungen arbeiten. In anderen Bundesländern sind die Absolvent/innen im Fachkräftekatalog für Kindertageseinrichtungen anerkannt, brauchen also keine staatliche Anerkennung, um dort beschäftigt zu werden (9). Wenn sie jedoch das Bundesland wechseln wollen, verhindert die fehlende staatliche Anerkennung eine Anstellung in Kindertageseinrichtungen.
Der Berufszugang in andere Jugendamts- oder Sozialamtsbereiche ist aber sogar in den Bundesländern, in denen sie ohne staatliche Anerkennung als Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen arbeiten können, kaum möglich, obwohl die Studierenden an Hochschulen hervorragend auch z.B. für eine Arbeit in der Erziehungshilfe oder mit Familien und für die kind- und familiengerechte Gestaltung des Sozialraums ausgebildet sind. Auch in diesen Feldern wird ganz wesentlich über Bildungschancen und Bildungsgerechtigkeit mit entschieden sowie über Inklusion in die Gesellschaft. Diese Doppelbödigkeit macht die Konfusion für Anstellungsträger und Absolvent/innen vollends perfekt.
- Tarifliche Eingruppierung
Wie bereits deutlich wurde, ist eine angemessene tarifliche Eingruppierung für Absolvent/innen der Studiengänge Bildung und Erziehung in der Kindheit offensichtlich nicht selbstverständlich. Dafür tragen der Bund, die Länder und die Tarifparteien die Verantwortung. In Baden-Württemberg scheiterte eine angemessene Bezahlung z.B. an der Landeregierung. Im Rahmen der Diskussion um die Einführung des Orientierungsplanes (10) in Kindertageseinrichtungen wurden finanzielle Mittel, die u.a. für eine angemessene Bezahlung der Hochschulabsolvent/innen zur Verfügung stehen sollten, nicht bereitgestellt. Stattdessen wurden die in der überarbeiteten vorläufigen Fassung des Orientierungsplanes von 2009 (11) verbindlich festgelegten Qualitätsmerkmale vorläufig aus- oder abgesetzt, da diese unter den gegebenen Rahmenbedingungen nur eingeschränkt erfüllt werden können.
Dass sich aber nicht nur die Politik, sondern auch die Gewerkschaften dieses Problems nicht wirklich angenommen haben, zeigt sich unter anderem darin, dass die GEW und Verdi bei den zurückliegenden Tarifverhandlungen eine höhere Bewertung der Arbeit in Kindertageseinrichtungen nicht durchgesetzt und damit die Gruppe der Hochschulqualifizierten nicht angemessen vertreten haben. Zwischen GEW und Verdi bestehen anscheinend hinsichtlich der Bezahlung höher qualifizierter Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen unterschiedliche Positionen: Das Argument, das eine bessere Eingruppierung von Hochschulabsolvent/innen in Kindertageseinrichtungen als für Fachschul- und Berufsfachschulabsolvent/innen verhindert, lautet: "Gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit". Was bei der Bezahlung von Leiharbeit und bei der Geschlechtergerechtigkeit richtig ist, ist im Falle von Kindertageseinrichtungen jedoch geradezu zynisch, denn gerade hier liegt das Problem: Erstens handelt es sich um einen schlecht bezahlten und zugleich sehr verantwortungsvollen Frauenberuf, zweitens wird die höhere Qualifizierung von der GEW gefordert, um eine höhere Bildungsqualität in den Einrichtungen zu erreichen und auch in diesem Feld an europäisches Niveau anzuschließen. Die höhere Qualifizierung wurde aber nicht gefordert, um grundlegend andere Tätigkeiten durchzuführen, sondern um das Berufsfeld seiner Bedeutung entsprechend neu zu bewerten. Es kann also nicht darum gehen, Kindertageseinrichtungen neu zu erfinden (12).
- Berufsbezeichnung
Ein dritter Punkt für die ungeregelte Berufseinmündung ist eine fehlende bundesweit einheitliche Berufsbezeichnung. Der Berufsbezeichnung kommt eine wesentliche Weichenstellung mit Signalcharakter für die tarifliche Eingruppierung und für eine breite Berufseinmündung zu. Bei den Überlegungen zur Berufsbezeichnung ist darauf zu achten, dass sie das Profil der Studiengänge wirklich abbildet. Denn es handelt sich nicht einfach um eine Höherqualifizierung für die Breitbandausbildung zur Erzieherin im Längsschnitt des Lebenslaufs oder um eine reine Spezialisierung auf den institutionellen Zuschnitt "Kindertageseinrichtungen", sondern um ein Querschnittsstudium für den Zeitraum der Kindheit (0 bis 10, 12 oder 14 Jahre) und damit um berufsqualifizierende Studiengänge mit neuem Zuschnitt. Es ist daher eine Berufsbezeichnung erforderlich, die die Breite der Qualifikation sichtbar macht und der Tatsache gerecht wird, dass mit bundesweit 29% (13) ein nicht unerheblicher Anteil der Studierenden vor dem Studium der Bildung und Erziehung in der Kindheit eine Ausbildung als Erzieherin oder Erzieher abgeschlossen hat (14). Sie qualifizieren sich damit weiter und zwar auch mit der Motivation, danach besser bezahlt zu werden (15).
Ein weiteres Hemmnis, das sich bei der Berufseinmündung zusammen mit der fehlenden Berufsbezeichnung ungünstig auswirkt, ist, dass Anstellungsträger derzeit kaum eine Vorstellung über das Qualifikationsprofil der Absolventinnen und Absolventen haben.
In der Mehrzahl der Studiengänge wird für die pädagogische Arbeit in Kindertageseinrichtungen und Grundschulen, für Elternbildung, für die Zusammenarbeit im Gemeinwesen einschließlich der Sozialplanung unter dem Gesichtspunkt der Bildungsgerechtigkeit für Familien und Kinder und für Inklusionspädagogik sowie für Leitungstätigkeiten in den entsprechenden Einrichtungen qualifiziert, jedoch mit einer Schwerpunktsetzung auf ganzheitlicher Bildungsarbeit in Kindertageseinrichtungen (16). Nur wenige Studiengänge - zumeist eher die im Bereich der Lehrerbildung angesiedelten - haben einen engeren Zuschnitt, nämlich auf die Bildungsarbeit mit starker fachdidaktischer Prägung (z.B. Bremen) und nicht auf die Gesamtheit der Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsarbeit in Kindertageseinrichtungen.
Zur weiteren Verdeutlichung der Qualifikationsbreite und -tiefe wird daher derzeit sowohl an der Hochschule Esslingen als auch in der BAG-BEK an einem differenzierten Qualifikationsprofil gearbeitet. Auch von einer Berufsverbleibsstudie, die am Zentrum für Kinder- und Jugendforschung der Evangelischen Hochschule Freiburg durchgeführt und von der Robert Bosch-Stiftung finanziert wird, kann hier mehr Klarheit erwartet werden.
3. Was muss eine Berufsbezeichnung leisten?
Dass die Berufsbezeichnung bei der Berufseinmündung wichtig ist, zeigte sich bereits. Sie hat aber auch eine weit darüber hinausgehende Bedeutung.
Eine Berufsbezeichnung muss
- Arbeitgebern ein Qualifikationsprofil der Hochschulabsolventinnen und -absolventen signalisieren, das dieses von anderen Studiengängen und Berufsausbildungen unterscheidet,
- eine bundesweit einheitliche Berufseinmündung mit angemessener tariflicher Eingruppierung ermöglichen,
- angemessen breite Berufseinmündungsmöglichkeiten sichern, also im vorliegenden Fall darf sie nicht auf Kindertageseinrichtungen verengen, sondern muss den ganzen Bereich abbilden, für den qualifiziert wird und der in der Praxis erforderlich ist,
- eine Berufsidentität für Studierende und Absolvent/innen ermöglichen,
- Mobilität während des Studiums und in der Phase der Berufstätigkeit zulassen,
- kurz und eindeutig verständlich sein.
Die Diskussion um die Berufsbezeichnung wurde in den zurückliegenden Jahren breit geführt, kam aber bisher nicht zu einem Abschluss. Die Schwierigkeiten liegen teilweise darin begründet, dass die mittlerweile ca. 70 Studiengänge neben ähnlichen Schwerpunkten auch unterschiedliche beinhalten. Daher hat die BAG-BEK (17) auf ihrer Tagung im November 2009, in Köln, einen Qualifikationsrahmen verabschiedet, der Eckpunkte für die Gestaltung der Studiengänge bietet sowie für die Akkreditierungsagenturen und die Anstellungsträger kenntlich macht, welche Kernbereiche in den entsprechenden Studiengängen enthalten sein müssen, um eine einheitliche Berufsbezeichnungen zu rechtfertigen (18).
In unterschiedlichen Gremien und bei einer Länderumfrage des Landes Brandenburg zeigte sich, dass unterschiedliche Berufsbezeichnungen vorgeschlagen werden beziehungsweise in verschiedenen Bundesländern im Gebrauch sind. Dies sind Früh- oder Elementarpädagog/in, Familien- und Entwicklungspädagog/in, Kinder- und Familienpädagog/in, Inklusionspädagog/in, Sozialpädagog/in oder Pädagog/in mit Zusatz Kindheit und möglicherweise eine Reihe anderer.
In der zurückliegenden Fachdiskussion wurde in unterschiedlichen Gremien hinsichtlich der inhaltlichen Bewertung klar, dass die von einigen Seiten präferierten Bezeichnungen Früh- oder Elementarpädagog/in die Qualifikationsbereiche der Absolventinnen und Absolventen bei weitem nicht abbilden, da sie z.B. Kinder im Schulalter und die Arbeit mit Familien und im sozialen Umfeld nicht kenntlich machen. Das Argument, dass die Benennung Frühpädagog/in im Kontext der an Universitäten eingeführten Disziplinbezeichnung Frühpädagogik zu verorten sei und deshalb als Berufsbezeichnung verwendet werden sollte, ist angesichts dessen nicht überzeugend. Dieser Logik folgend sprach sich die Gründungsversammlung für einen eigenen Studiengangstag der Studiengänge am 4.2.2011 in Köln nahezu einstimmig für den Namen "Pädagogik der Kindheit" ohne spezifizierende Einschränkung "frühe" Kindheit für dieses Gremium aus.
Auch andere Vorschläge fanden bisher keine breite Resonanz, wenngleich man durchaus Argumente für sie finden kann. In einigen wenigen Bundesländern wird die Berufsbezeichnung Sozialpädagog/in/ Sozialarbeiter/in verwendet, da sich die meisten Studiengänge an Hochschulen im Fachbereich Sozialwesen befinden. Die Berufsbezeichnung Sozialpädagog/in entspräche zwar der sozialpädagogischen Tradition von Kindertageseinrichtungen und hat möglicherweise Vorteile für die Studierenden. Sie könnten somit im Laufe ihres Berufslebens in allen Feldern der Sozialpädagogik arbeiten. Die Nachteile liegen jedoch darin, dass das spezifische Studienprofil undeutlich bleibt und die Studiengänge, die im Bereich der Lehrerbildung angesiedelt sind, nicht eingeschlossen wären.
Die von der GEW favorisierte Berufsbezeichnung Pädagog/in (BA) (MA) mit Zusatz z.B. Schule, Kindheit, Erwachsenenbildung hält nach deren Meinung offen, dass es im Zuge der Reform der Lehrerausbildung wie auch anderer pädagogischer Berufe zu einer gemeinsamen Pädagogenausbildung kommen kann, deren Spezialisierung durch Nennung des Spezialgebietes kenntlich gemacht wird. Die Bezeichnung Pädagog/in bleibt jedoch eher wenig aussagekräftig, da sie immer einen Zusatz hinsichtlich des Schwerpunkts benötigt.
Die von der BAG-BEK vorgeschlagene Berufsbezeichnung Kindheitspädagog/in nimmt das soziologische Verständnis von Kindheit in Verbindung mit der Tätigkeitsbezeichnung auf. Dieser Begriff signalisiert, dass die gesamten Aspekte des Lebens von Kindern mit dem Wandel von Kindheit im Mittelpunkt stehen: das Individuum, die Familie, die Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsinstitutionen sowie das gesellschaftliche Umfeld. Das heißt, der Begriff drückt aus, dass die Absolventinnen und Absolventen sich mit Kindern in einem familiären, institutionellen und gesellschaftlichen Rahmen befassen (19). Er böte ein klares Signal für das Alter der Zielgruppe, für die Art der Tätigkeit und für die Breite des Feldes, für das ausgebildet wird. Diese Berufsbezeichnung hat sich inzwischen in einer Reihe von Bundesländern durchgesetzt.
In einem Fachgespräch, zu dem die zuständige Arbeitsgemeinschaft der Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) am 27.1.2011 Vertreter und Vertreterinnen verschiedener mit der Frage der Berufsbezeichnung befasster Organisationen und Gremien eingeladen hatte, wurden die Ergebnisse der Länderumfrage zur Berufsbezeichnung vorgestellt. Vor dem sich zeigenden heterogenen Bild werden den zuständigen Ministerien der Länder die beiden am meisten genannten Berufsbezeichnungen als Vorschläge vorgelegt: Kindheitspädagogin/ Kindheitspädagoge und Elementarpädagogin/ Elementarpädagoge. Eine Entscheidung soll im Sommer 2011 erfolgen.
Erfreulich ist, dass mit dieser Fokussierung auf zwei Vorschläge eine Entscheidung in greifbare Nähe rückt und damit eine Reihe von Problemen gelöst werden kann, die derzeit die Berufseinmündung für Studierende erschweren. Die Vor- und Nachteile beider Begriffe dürften in diesem Beitrag deutlich geworden sein.
4. Was ist zu tun?
Zur Gestaltung der Berufseinmündung der Absolventinnen und Absolventen der Studiengänge Bildung und Erziehung in der Kindheit müssen im Interesse der Verbesserung der Chancengerechtigkeit für Kinder unterschiedliche Beteiligte beitragen:
Die Politik muss Entscheidungen hinsichtlich der Frage der staatlichen Anerkennung und der Berufsbezeichnung treffen. Entweder ist die staatliche Anerkennung allen Absolvent/innen der Hochschulstudiengänge im sozialen Bereich zu ermöglichen oder es wäre gänzlich auf sie zu verzichten und zwar dann auch im Bereich der Sozialarbeit/ Sozialpädagogik. Denn derzeit gilt die staatliche Anerkennung vielerorts als Ausdruck für fachliche Eignung und Professionalität und dient der Klärung von Eingruppierungsfragen. Wenn hier keine Gleichbehandlung erfolgt, werden Absolvent/innen der Studiengänge Bildung und Erziehung in der Kindheit auf dem Arbeitsmarkt im öffentlichen Sektor benachteiligt.
Die Tarifpartner müssen die Frage der Eingruppierung regeln und zwar nicht erst nach dem Auslaufen der geltenden Tarifvereinbarungen am 31.12.2014. Wenn wie angekündigt im Sommer 2011 die Fragen der staatlichen Anerkennung und der Berufsbezeichnung bundesweit geregelt werden, sind umgehend qualifikationsangemessene tarifliche Regelungen zu schaffen.
Die Hochschulen müssen Inhalte und Schwerpunktsetzung der Studiengänge in die (Fach-) Öffentlichkeit vermitteln: regional an den einzelnen Standorten, zum Teil auch in sich entwickelnden Kompetenzzentren, in überregionalen Netzwerken und bundesweiten Zusammenschlüssen wie der BAG-BEK und dem Studiengangstag Pädagogik der Kindheit.
Nicht zuletzt müssen sich die Studierenden sowie die Absolventinnen und Absolventen selbst für ihre Belange einsetzen; ihre Qualifikation ist auch darauf ausgerichtet, sich bildungspolitisch zu artikulieren, Vernetzungen - wie sie im Rahmen der GEW und der BAG-BEK bereits in Ansätzen existieren - aus- und in weiteren Verbänden aufzubauen und an der Modernisierung des Berufsfeldes gestaltend mitzuarbeiten und ihren Platz darin zu finden. Die Entwicklung des sozialpädagogischen Berufsfeldes seit dem zweiten Weltkrieg hat gezeigt, dass es immer auch des Engagements der Fachkräfte selbst bedurfte, das Arbeitsfeld (20) weiterzuentwickeln und die Berufseinmündung erfolgreich zu gestalten.
5. Fazit
Perspektivisch muss im Interesse einer nachhaltigen und möglichst guten Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in öffentlicher Verantwortung die Aufwertung des gesamten Feldes erfolgen, die mit der Etablierung entsprechender Studiengänge begonnen hat. Die Tätigkeit in Kindertageseinrichtungen muss wie die sozialpädagogische Arbeit oder die Tätigkeit einer Lehrkraft bewertet werden. Daraus folgt, dass sich eine Hochschulqualifizierung in der Höhe des Gehaltes niederschlagen muss und dass sich Erzieher/innen, die sich über Fort- und Weiterbildung weiter qualifizieren wollen, ebenfalls ein vergleichbares Gehaltsniveau erreichen können.
Vielfach beruft sich Politik auch in Deutschland auf den skandinavischen Slogan "für die Jüngsten brauchen wir die Besten". Aber eine glaubwürdige Umsetzung dieses Slogans in der Sozial- und Bildungspolitik in unserer Gesellschaft fehlt bisher! Er ist jedoch dringend erforderlich.
Literatur
BAG-BEK: Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung und Erziehung im Kindesalter e.V., als Plattform zur Vernetzung für Akteurinnen und Akteure im Feld der Bildung und Erziehung im Kindesalter. Sitz Fachhochschule Koblenz
Demmer, Marianne: (K)ein Grund zur Euphorie? Unverständlich die Zufriedenheit mit den PISA-Ergebnissen 2009. In: GEW Erziehung und Wissenschaft 1/2011, S. 23-25
Ebert, Sigrid: Erzieherin - ein Beruf im Spannungsfeld von Gesellschaft und Politik. Freiburg im Breisgau: Herder 2006
Helm, Jutta: Das Bachelorstudium Frühpädagogik. Zugangswege - Studienzufriedenheit - Berufserwartungen. Ergebnisse einer Befragung von Studierenden. WiFF Studien Band 5. München: Deutsches Jugendinstitut e.V.
Liegle, Ludwig: Erziehung als Aufforderung zur Bildung. Aufgaben der Fachkräfte in Tageseinrichtungen für Kinder in der Perspektive der frühpädagogischen Didaktik. In: Thole, Werner u.a.: Bildung und Kindheit. Pädagogik der frühen Kindheit in Wissenschaft und Lehre. Opladen: Verlag Barbara Budrich 2008, S. 86-113
Menke, Birgit: Neue Pisa-Studie. Deutschlands Schüler immer noch Mittelmaß. In: Spiegel online. Schulspiegel 1.2.20011
Morys, Regine: Studienzufriedenheit und die subjektive Sicht auf den Berufsübergang von Kindheitspädagoginnen - Ergebnisse einer qualitativen Befragung von 2010 von Absolventinnen des Studienganges "Bildung und Erziehung in der Kindheit (BA)" an der Hochschule Esslingen. Unveröffentlichtes Manuskript 2011
Orientierungsplan für Bildung und Erziehung für die baden-württembergischen Kindergärten und weiteren Kindertageseinrichtungen. Pilotphase. Hrsg. vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg. Weinheim, Basel: Beltz Verlag 2006
Orientierungsplan für Bildung und Erziehung in baden-württembergischen Kindergärten und weiteren Kindertageseinrichtungen. Vorläufige Fassung nach Anhörung. Hrsg. vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport. Kopie ausgegeben 2009
PISA 2009 Ergebnisse. Zusammenfassung. Paris: OECD 2010
WIFF, Weiterbildungsinitiative frühpädagogische Fachkräfte: Neue Erhebungsdaten von WIFF zeigen deutlichen Optimierungsbedarf in der Erzieher(innen)ausbildung. Pressemitteilung 8.12.2010
Anmerkungen
- Dieser Begriff wird als Sammelbegriff für die Studiengänge mit unterschiedlichen Benennungen aber gleichen Kerninhalten verwendet.
- In Esslingen handelt es sich um einen grundständigen Studiengang.
- Etwa ein Drittel der bisherigen Esslinger Absolventinnen schließt ein Masterstudium an; ein ähnlicher Anteil wird auch von anderen grundständigen Studiengängen berichtet.
- Unseres Wissens wurden bislang noch keine auf die neuen Studiengänge bezogenen Verbleibsstudien veröffentlicht; in Baden-Württemberg hat zur Zeit eine landesweite vom Zentrum für Kinder- und Jugendforschung der Evangelischen Hochschule Freiburg durchgeführte und von der Robert Bosch Stiftung finanzierte Befragung begonnen.
- PISA 2009 Ergebnisse. Zusammenfassung. OECD 2010; Demmer, 2009; Birgit Menke 2011.
- Im Zusammenhang mit dem "Kinderförderungsgesetz (KiföG)" warnte die GEW 2008 davor, dass die "Förderung profitorientierter Kita-Unternehmen ... die soziale Entmischung in Krippen und Kindergärten beschleunigen (wird): Es gibt teure Bildung für die Reichen und billige Betreuung für die Armen": http://gew.de/GEW_Kein_Geschaeft_mit_Kindern.html. Der "Privatisierungsreport 7 - Kindertagesstätten 2008" umreißt die Thematik ausführlich: http://gew.de/Binaries/Binary34835/GEW-Priva-7_2.pdf. Auch die AWO warnt im gleichen Zusammenhang "vor Anbietern in nicht gemeinnütziger Trägerschaft, die ausschließlich kommerzielle Interessen verfolgen und auf diesen Markt drängen. Gemeinwohl orientierte Träger zeichnen sich von ihrer Unternehmensphilosophie her durch Wertegebundenheit aus": http://www.awo.org/nc/awo-aktuell/awo-aktuell-newsdetails/article/awo-warnt-vor-billigloesungen-beim-kinderfoerderungsgesetz.html?cHash=17ac273f30&sword_list[0]=unternehmensphilosophie.
- Liegle 2008, S. 97
- Brief von Absolventinnen an die GEW vom 3.12.2010. Ähnliches wird in einer Absolventinnenbefragung an der Hochschule Esslingen deutlich. Diese Probleme schränken die Zustimmung zu Studiengängen der Bildung und Erziehung in der Kindheit bei manchen Absolventinnen, trotz sonstiger Zustimmung, deutlich ein. Morys 2011, S. 9, 12
- Dies ist z.B. seit März 2009 in Baden-Württemberg im Kindertagesbetreuungsgesetz geregelt: § 7 "Fachkräfte in Einrichtungen sind ... 8. Absolventen der in Baden-Württemberg nach den gesetzlichen Vorschriften eingerichteten Bachelorstudiengänge frühkindliche Pädagogik".
- Die Bildungspläne für Kindertageseinrichtungen haben in verschiedenen Bundesländern unterschiedliche Bezeichnungen. In Baden-Württemberg ist der Titel: Orientierungsplan für Bildung und Erziehung für die baden-württembergischen Kindergärten. Pilotphase. 2006. Demnächst soll eine überarbeitete Fassung erscheinen.
- Orientierungsplan für Bildung und Erziehung in baden-württembergischen Kindergärten und weiteren Kindertageseinrichtungen. 2009, S. 69 und 76
- Eine studentische Praktikantin erfuhr die unterschiedlichen Qualitätsauffassungen u.a. auf folgende Weise: Beim Wickeln von Kleinkindern entschied sie sich entsprechend der fachlichen Positionen zur achtsamen und fördernden Pflege. Dabei werden alle Handlungen sprachlich begleitet, und die Kinder erfahren z.B. beim Eincremen, welche Körperteile Nase, Stirn und Wangen genannt werden, oder lernen, wo frische Windeln liegen, und holen diese sobald sie können selber. Die Kolleginnen in dieser Einrichtung bewerteten dies aber negativ, weil die Studentin nicht mehr Kinder in kurzer Zeit wickelte. An diesem Beispiel wird deutlich, dass mit der Pflege bei einer entsprechenden Haltung eine hohe integrierte Beziehungs-, Bildungs- und Förderqualität verbunden sein kann und dass es nicht einfach nur um die Sauberkeit geht, wie es in der Praxis leider noch häufig gesehen wird.
- Vgl. Helm 2011, S. 76 und 30 f.
- Im grundständigen Studiengang der Hochschule Esslingen beträgt der Anteil der Erzieherinnen und Erzieher bei insgesamt fünf Jahrgängen im Durchschnitt etwa ein Drittel; die aufbauenden Studiengänge u.a. in Bayern nehmen ausschließlich ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher auf.
- Vgl. Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WIFF).
- Unter ganzheitlicher Bildung verstehen wir eine Bildung, die nicht bereichs- oder fächerspezifisches Training im Blick hat, sondern ausgehend von der Lebenssituation des Kindes vor allem in Alltagssituationen bei beiläufigem Lernen aber auch in speziell gestalteten Lernsettings neben den kognitiven Aspekten möglichst viele Sinne anspricht sowie auf die gleichzeitige soziale und emotionale Entwicklung achtet und Wert auf das Wohlbefinden und die Interessen der Kinder legt. Wesentliches Ziel ist Lernfreude zu erhalten oder zu entwickeln.
- BAG-BEK: Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung und Erziehung im Kindesalter e.V., Plattform zur Vernetzung für Akteurinnen und Akteure im Feld der Bildung und Erziehung im Kindesalter. Sitz Fachhochschule Koblenz.
- Qualifikationsrahmen für BA-Studiengänge der "Kindheitspädagogik"/ "Bildung und Erziehung in der Kindheit". Verabschiedet auf der Tagung der BAG-BEK am 26.11.2009 in Köln. Neben den übereinstimmenden Inhalten gibt es einen ausgewiesenen Bereich, der der erwünschten Profilbildung der einzelnen Studiengänge entsprechend dem Bedarf in den Bundesländern und Regionen dient.
- vgl. BAG-BEK-Position zur Berufsbezeichnung, Januar 2011
- vgl. Ebert 2006
Autor/Autorin
Prof. Dr. Axel Jansa, Hochschule Esslingen, Studiengangleitung "Bildung und Erziehung in der Kindheit (BA)" Email: Axel.Jansa@hs-esslingen.de
Prof. Dr. Lore Miedaner, Hochschule Esslingen (i.R.), Aufbau des Studienganges "Bildung und Erziehung in der Kindheit (BA)" gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen. Email: Lore.Miedaner@hs-esslingen.de