Martin Knoke
„In einem wankenden Schiff fällt um, wer stillsteht, nicht wer sich bewegt.“ Diese Erkenntnis von Ludwig Boerne, dem Wegbereiter des Feuilletons in Deutschland, lässt sich durchaus als Bild für die Bedeutung lebenslangen Lernens begreifen. Auch Kindertageseinrichtungen sind mit stetig veränderlichen Umwelten konfrontiert, die einen Balance-Akt bzw. organisatorische Anpassungen erfordern. Ob es sich um neue Bildungsaufträge, die Herausforderungen der Digitalisierung, ein verändertes mediales Verhalten der Kinder, Anforderungen im Kontext der Inklusion oder den Ausbau von Krippen und Ganztagsbetreuung handelt: Veränderte Anforderungen der Umwelten sind in Kindertagesstätten allgegenwärtig (Knoke/Weichert, 2019, S. 399).
Auf der individuellen Ebene der Fach- und Führungskräfte ist damit ein Qualifizierungsbedarf im Sinne der professionellen Weiterentwicklung verbunden: Denn Menschen, die mit ca. 20 Jahren eine erste Ausbildung abschließen, haben über 40 Jahre Erwerbstätigkeit vor sich und müssen sich – trotz des Fachkräftemangels – wohl immer wieder die Frage stellen: „Reichen die in Ausbildung, Studium und Beruf erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten wirklich aus, um trotz sich ständig verändernder Umweltbedingungen auf dem Arbeitsmarkt nicht an Attraktivität zu verlieren?“ (Diermeier/Geis-Thöne, 2023, S. 5) Die Erweiterung der eigenen Qualifikationen in Form von themenbezogenen Fortbildungen oder auf der Erstausbildung aufbauenden Weiterbildungen ist insofern eine schlichte Notwendigkeit, um eine zeitgemäßeund hochwertige Betreuung zu gewährleisten. Zugleich eröffnet sie – aus individueller Sicht – berufliche Perspektiven.
Auf dem Weiterbildungsmarkt haben sich inzwischen unzählige Anbieter etabliert, die von kurzen abendlichen Online-Seminaren über mehrtägige Lehrgänge bis hin zu umfassenden Zertifikaten ein breites Spektrum von fachlichen Themen, z.B. ADHS, Waldpädagogik oder Kinderschutz abdecken. Daneben finden sich zunehmend Studienangebote an Hochschulen, die als Bachelor-Studiengänge sowie daran anschließende Master-Studiengänge mit einem akademischen Abschluss verbunden sind und insofern vielfältige Aufstiegsmöglichkeiten bieten oder fachliche Schwerpunktsetzungen ermöglichen. Berufsbegleitende Studiengänge finden sich heute sowohl an staatlichen als auch an privaten Hochschulen.
Der Schwerpunkt an staatlichen Universitäten, Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen liegt noch immer in klassischen Studiengängen in Vollzeit und Präsenz sowie in berufsbegleitenden Master-Studiengängen, inzwischen jedoch bieten sie auch einige berufsbegleitende Bachelor-Studiengänge an. Hinzu kommen Berufsakademien und Duale Hochschulen, die im Bereich der dualen Studiengänge aktiv sind. Umfangreicher ist das Angebot an berufsbegleitenden Studiengängen an privaten Hochschulen, die aufgrund ihrer staatlichen Anerkennung sowie der Akkreditierung der einzelnen Studiengänge gleichwertige Alternativen darstellen. Mit ihrem Fokus auf den berufsbegleitenden Bereich haben sie in den vergangenen zehn Jahren rasant an Bedeutung gewonnen: Trotz der Finanzierung über Studiengebühren sind heute 343.000 Personen bzw. 11,6% aller Studierenden an privaten Hochschulen immatrikuliert (Diermeier/Geis-Thöne, 2023, S. 4).
Prinzipiell besteht aus Sicht von Studieninteressierten immer die Möglichkeit, die bisherige Anstellung zu aufzugeben und ein Studium in Vollzeit aufzunehmen. In der Praxis jedoch, mit Blick auf einen einmal erreichten Lebensstandard oder finanzielle Verpflichtungen ist dies in der Regel keine realistische Option. Und so kann es auch nicht überraschen, dass 75% aller Berufstätigen einen berufsqualifizierenden Abschluss berufsbegleitend anstreben bzw. nur 20% einen Abschluss in Vollzeit erwerben würden (Statista, 2017). Berufsbegleitende, mit der Berufstätigkeit vereinbare Studienangebote, sei es in Form eines Teilzeit- oder Fernstudiums, sind insofern auch für Erzieherinnen und Erzieher von besonderem Interesse.
Studieninhalte und Studienrichtungen
Die Studienwahl – und hier unterscheiden sich berufstätige Studierende nicht von anderen Studierenden – ist in erster Linie intrinsisch motiviert: Man will bestimmte fachliche Inhalte erkunden oder vertiefen, sich neue Perspektiven erschließen oder Aufstiegsmöglichkeiten schaffen. Entsprechend bieten berufsbegleitende Studiengänge nahezu das gleiche Spektrum, das sich auch in Vollzeit-Studiengängen findet: Fachlich-pädagogische Studienangebote mit engerem oder weiterem Fokus, betriebswirtschaftlich ausgerichtete Studiengänge, die auf Leitungs- und Führungsaufgaben vorbereiten und fachverwandte Studienoptionen wie z.B. Psychologie oder Heilpädagogik.
Wenn fachliche Interessen im Vordergrund der Studienwahl stehen, bieten sich zunächst einmal Studiengänge an, die an den Ausbildungsinhalten als Erzieherin oder Erzieher und den beruflichen Aufgaben in der Kindertagesbetreuung anknüpfen und – auf einem akademischen Niveau – das Fachwissen und die Kompetenzen im Bereich der Frühpädagogik erweitern und vertiefen. Typische Beispiele sind Studiengänge in „Kindheitspädagogik“, „Frühpädagogik“ oder „Bildung und Kindheit“. Einen speziellen fachlichen Fokus kann man mit Studiengängen wie „Heilpädagogik“, „Inklusion und Schule“, „Integrative Lerntherapie“ oder „Spiel- und Medienpädagogik“ wählen. Prinzipiell eröffnen sich damit neue berufliche Perspektiven, z.B., in der Fachberatung oder aufgrund des akademischen Abschlusses als Leitungskraft. In der Praxis finden sich Absolventinnen und Absolventen aufgrund der fehlenden Finanzierung entsprechender Stellen jedoch nicht immer in Positionen, die nicht nur ein anspruchsvolleres und interessanteres Aufgabenfeld, sondern auch eine höhere Vergütung mit sich bringen. Angesichts des Fachkräftemangels und der erwartbaren Ausdifferenzierung von Berufsbildern im sozialen Bereich, könnte sich dies in den kommenden Jahren jedoch durchaus ändern.
Eine ebenfalls fachlich orientierte, jedoch breiter konzipierte Qualifizierungsmöglichkeit stellen Studiengänge im Bereich der Sozialen Arbeit oder der Erziehungswissenschaften bzw. Pädagogik dar. Beide Fachrichtungen befassen sich zwar auch mit Kindern und Jugendlichen, behandeln darüber hinaus aber weitere Zielgruppen, z.B. im Rahmen der Sozialen Arbeit in der Sucht- oder Wohnungslosenhilfe, mit Menschen mit Behinderungen oder mit Senioren, oder in der Gesundheitspädagogik oder Erwachsenenpädagogik. Typischerweise finden sich hier Vertiefungsmöglichkeiten, mit denen Erzieherinnen und Erzieher in ihrem angestammten Feld verbleiben und als Fachkräfte der Sozialen Arbeit bzw. pädagogische Fachkräfte z.B. in Erziehungsberatungsstellen oder im Jugendamt Anstellung finden. Parallel dazu ergeben sich völlig neue Perspektiven jenseits der Kinder- und Jugendhilfe, die ebenfalls mit einer höheren Dotierung verbunden sind.
Eine Möglichkeit, der eigenen Biografie und dem eigenen Fachgebiet verbunden zu bleiben, aber die anspruchsvolle, manchmal belastende tägliche Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zu ergänzen bzw. ganz zu verlassen, besteht in einem managementorientierten Studium. In Studiengängen wie „Kindheitspädagogik, Leitung und Management“ oder „Leitung von Kindertageseinrichtungen“ befasst man sich mit betriebswirtschaftlichen Fragestellungen in Krippen, Kindertagesstätten und Horten und qualifiziert sich so für die Übernahme von Führungsverantwortung – verbunden mit einem höheren Gehalt. Eine breitere Perspektive bieten Studiengänge zum „Sozialmanagement“, die nicht auf Kindertageseinrichtungen beschränkt sind, sondern soziale Einrichtungen allgemein in den Fokus nehmen und somit den Perspektivenraum erweitern.
Der Vollständigkeit halber seien abschließend verwandte Studiengänge genannt, die deutlich weiter gefasste Perspektiven erschließen, und inzwischen berufsbegleitend studierbar sind, z.B. „Psychologie“, „Berufspädagogik“ oder „Sozialwissenschaften“.
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Eine gute Übersicht mit entsprechenden Recherchefunktionen bieten Studienplattformen
wie z.B. www.studieren.de oder www.berufsbegleitend-studieren.de
sowie die Webseiten der einzelnen Hochschulen. Meistens können Sie dort Unterlagen zu den Studiengängen herunterladen oder sich für Online-Informationsveranstaltungen anmelden.
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Formen des berufsbegleitenden Studiums
Unabhängig vom Studienfach stehen Studierende, die eine berufsbegleitende akademische Qualifizierung anstreben, vor der Herausforderung, ihr Studium mit beruflichen und privaten Verpflichtungen zu vereinbaren (Bärtele/Gröger/Deimann, 2016, S. 35). Wichtig ist vor diesem Hintergrund ein möglichst flexibles und individuell gestaltbares Studienmodell, in dem die Studierenden ihr Studium vorantreiben können, wenn es die Zeit erlaubt, zugleich aber Pausen einlegen können, wenn andere Verpflichtungen Vorrang haben.
Ein klassisches Vollzeitstudium, das eine tägliche Anwesenheit an der Hochschule erfordert und feste Termine für Prüfungsleistungen vorsieht, erfüllt diese Bedingungen in der Regel nicht. Häufig wird zwar die Möglichkeit eingeräumt, das Studium in einer Teilzeitvariante zu absolvieren, was zu einer Reduzierung der Workload auf 20 bis 30 Wochenstunden führt und somit mit einer Teilzeitbeschäftigung vereinbar wäre, konzipiert ist dies jedoch als Ausnahme und nicht als Regelfall. Außerdem ist hierfür ein Antrag zu stellen und zu begründen, der im Falle der Genehmigung für ein Studienjahr gilt und anschließend neu beantragt werden muss. De facto ist dies also nur eine Option für Studierende, die grundsätzlich in Vollzeit studieren und nur vorübergehend Teilzeitsemester einschieben möchten.
Für Berufstätige, die berufsbegleitend studieren wollen, sind andere Studienmodelle deutlich besser geeignet. Dazu zählen Studiengänge, die explizit als Teilzeitstudiengänge in Präsenz konzipiert sind, sowie Fernstudienangebote und duale Studiengänge. Hinzu kommen hybride Formen, die die Komponenten dieser Modelle in unterschiedlicher Weise verknüpfen.
Teilzeitstudiengänge in Präsenz
Teilzeitstudiengänge in Präsenz sind dadurch gekennzeichnet, dass sie die gesamte Workload für ein Studium über einen längeren Zeitraum strecken und dadurch in jedem Semester eine geringere Workload mit weniger Veranstaltungen und Prüfungen vorsehen, was eine parallele Berufstätigkeit – zumindest in Teilzeit – erst ermöglicht. Üblicherweise ist ein Teilzeitstudium auf die doppelte Regelstudienzeit angelegt, verteilt die Workload eines Semesters also auf ein Jahr, es gibt aber auch Modelle, die eine kürzere oder längere Zeitspanne vorsehen. Mit Blick auf die Zielgruppe der Berufstätigen werden Veranstaltungen typischerweise als Block- und Wochenendseminare oder im Abendstudium angeboten, sodass eine Vereinbarkeit mit Beruf und Familienleben gewährleistet ist. Das Studium ähnelt also einem klassischen Studium in Vollzeit insofern, als die Vermittlung der Studieninhalte „Face to Face“ über Vorlesungen, Übungen und Seminare in Präsenz erfolgt, ergänzt durch eigene Recherchen in Bibliotheken und Gruppenarbeiten der Studierenden – nur dass sich dies über einen längeren Zeitraum erstreckt.
Die Vorteile des Teilzeitstudiums in Präsenz liegen in der geringeren wöchentlichen Belastung und der daraus resultierenden Vereinbarkeit von Studium, Familie und Beruf. Darüber hinaus bieten die regelmäßigen Präsenzphasen – im Vergleich zum Fernstudium – die Möglichkeit, sich intensiv mit anderen Studierenden aus dem gleichen oder einem ähnlichen Berufsfeld auszutauschen und zu vernetzen, was dazu beiträgt, die eigenen Kompetenzen zu vertiefen und von den Erfahrungen anderer zu lernen. Da für Teilzeitstudiengänge in aller Regel feste Studiengruppen bzw. Kohorten gebildet werden, die das Studium gemeinsam durchlaufen, können Studierende auch voneinander profitieren, indem sie sich gemeinsam auf Prüfungen vorbereiten, sich gegenseitig motivieren oder einander als Maßstab für den individuellen Studienfortschritt und Studienerfolg dienen. Darüber hinaus bilden die festen, vorgegebenen Strukturen und Termine einen geordneten Rahmen, der bis zu einem gewissen Grad die im berufsbegleitenden Studium erforderlichen Fähigkeiten der Planung, des Selbstmanagements und der Selbstdisziplin ersetzen kann.
Ein wesentlicher Nachteil des Teilzeitstudiums in Präsenz besteht darin, dass die Studierenden trotz aller Bemühungen der Anbieter um Flexibilität und Vereinbarkeit von Studium, Familie und Beruf an feste Termine für Veranstaltungen und Prüfungen gebunden sind, mit der Folge, dass sie ihre Berufstätigkeit reduzieren und finanzielle Einbußen in Kauf nehmen müssen. Je nach Ausgestaltung des Studienmodells, z.B. im Abendstudium oder mit nur wenigen Block- und Wochenendveranstaltungen ist eine Berufstätigkeit in Vollzeit zwar prinzipiell denkbar, muss aber durch Verzicht auf Erholung am Wochenende oder Urlaub für Blockwochen erkauft werden. Hinzu kommt eine außerordentliche Belastung durch eine Berufstätigkeit in Vollzeit plus 20 Wochenstunden Studium. Den zuvor genannten Vorteilen der gemeinsamen Gruppe steht entgegen, dass man an den für die Kohorte konzipierten Zeitplan gebunden ist und keine individuellen Gestaltungsmöglichkeiten besitzt. Sollte man dem vorgegebenen Tempo nicht folgen können, weil berufliche oder private Verpflichtungen vorübergehend Vorrang haben, besteht die Gefahr, aus der vertrauten Gruppe herauszufallen.
Fernstudiengänge
Fernstudiengänge sind dadurch gekennzeichnet, dass Sie eine Anwesenheit am Standort der Hochschule nicht oder nur in geringem Umfang bzw. in freiwilligen Begleitveranstaltungen erfordern, und das Studium in erster Linie online absolviert wird. Üblicherweise geschieht dies durch die eigenständige Auseinandersetzung mit schriftlichen Studienmaterialien, die von der Hochschule erstellt bzw. zur Verfügung gestellt werden. Diese Unterlagen sind didaktisch für das Selbststudium aufbereitet, z.B. indem sie durch Lernziele und Übungsaufgaben mit Lösungsvorschlägen versehen sind. Erweitert wird dies in einem modernen Verständnis von Fernstudium durch eine Vielzahl von multimedialen Komponenten, angefangen von Online-Quizzes zur Selbstüberprüfung und animierten Videos über Vorlesungsaufzeichnungen und Audio-Abstracts bis zu ergänzenden Fachartikeln oder dem Zugang zu Online-Bibliotheken. Je nach Ausrichtung der Hochschule und Konzeption des Studiengangs können freiwillige oder verpflichtende Online-Vorlesungen Teil des Studiums sein, in geringem Umfang auch entsprechende Veranstaltungen in Präsenz. Denn manche Inhalte und Kompetenzen, in der Sozialen Arbeit zum Beispiel zur Gesprächsführung oder Reflexion professionellen Handelns, lassen sich nicht oder nur schwer online vermitteln. Ergänzend können sich die Studierenden in Foren austauschen oder sich jederzeit per Mail oder in Sprechstunden mit Fragen an die Lehrenden wenden, sodass sie nicht auf sich allein gestellt sind und trotz des Fernstudiums eine gewisse Nähe gegeben ist.
Der Vorteil von Fernstudiengängen besteht unbestritten in der enormen Flexibilität, die dieses Modell mit sich bringt. Da die Studienmaterialien und multimedialen Lerneinheiten jederzeit online verfügbar sind, bietet das Studium eine örtliche und zeitliche Unabhängigkeit: Man studiert wo auch immer man sich befindet, ob zuhause, auf dem Arbeitsweg oder im Urlaub, und wann auch immer sich Freiräume bieten, ob morgens vor der Arbeit, am Abend oder am Wochenende. Besonders flexibel wird das Fernstudium, wenn – was aber nicht überall der Fall ist – die Hochschule keine Kohorten bildet und damit doch ein zeitliches Korsett vorgibt. Dann können die Studierenden nach ihrem eigenen Zeitplan lernen, die einzelnen Module und Studieninhalte in ihrem selbst gewählten Tempo absolvieren und so die Belastungen mit Blick auf Studium, Familie und Beruf individuell steuern.
Da Fernstudiengänge mit Blick auf die angestrebte Flexibilität für die Studierenden nur wenig oder gar keine Präsenzphasen vorsehen und teils auch keine festen Studiengruppen existieren, ist der direkte Austausch mit Lehrenden und anderen Studierenden reduziert oder erfolgt über andere Kanäle. Fernhochschulen nutzen zwar die Möglichkeiten der Digitalisierung, z.B. über Online-Vorlesungen, Break-Out-Rooms für Gruppenarbeiten, interaktive Tools für die digitale Lehre, Online-Sprechstunden, Foren oder Studierenden-Chats, um Kontakt und Nähe auch im Fernstudium zu schaffen, die Intensität eines Austauschs in Präsenz lässt sich damit aber nicht immer erreichen. Typischerweise organisieren sich auch die Studierenden in eigenständigen Foren und Chat-Gruppen, der Kontakt ist jedoch loser Natur und mit der Kohäsion und der motivatorischen Wirkung einer festen Studierendengruppe nicht vergleichbar. Entsprechend sind Studierende im Fernstudium trotz aller Unterstützung stärker auf sich allein gestellt, was hohe Anforderungen an ihre Selbstorganisation und Selbstdisziplin stellt, da die Studierenden ihren Studienplan und ihre Lernzeiten selbst festlegen und auch einhalten müssen. Dies kann dazu führen, dass die Studiendauer – gerade, wenn das Studium neben einer Berufstätigkeit in Vollzeit aufgenommen wird – den ursprünglich geplanten Zeitraum übertrifft. Die Belastung aus Berufstätigkeit, Studium und familiären Verpflichtungen unterscheidet sich nicht von einem Teilzeitstudium, nur lässt sie sich besser steuern – mit allen Vorteilen und Nachteilen, die dies mit sich bringt.
Duales Studium
Ein duales Studium ist durch die Verknüpfung von praktischen und theoretischen Elementen gekennzeichnet. Das theoretische Fachwissen wird an einer Hochschule vermittelt, während man die berufliche Praxis in pädagogischen bzw. sozialen Einrichtungen kennenlernt. Gemäß der Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Entwicklung des dualen Studiums müssen die beiden Lernorte, Hochschule und Unternehmen, aufeinander abgestimmt sein. Die Inhalte des Studiums sind mit den Aufgaben in der Praxis zu verknüpfen. Außerdem muss ein duales Studium mindestens zur Hälfte an der Hochschule verbracht werden (Wissenschaftsrat, 2013, S. 22-23).
Je nach Konzeption kann es sich bei dualen Studiengängen um eine einfache Verzahnung von Studium und Praxis handeln oder ein Ausbildungsabschluss (z.B. als Erzieher/Erzieherin mit staatlicher Anerkennung) integraler Bestandteil des Studienabschlusses sein. Entsprechend unterscheidet man ausbildungsintegrierende, praxisintegrierende und berufsintegrierende duale Studiengänge. Ausbildungsintegrierende Studiengänge sind für Berufstätige, die bereits eine Ausbildung abgeschlossen haben, weniger von Interesse, es sei denn, sie möchten sich noch einmal in einem anderen Feld qualifizieren, z.B. als Erzieherinnen bzw. Erzieher im Bereich der Heilpädagogik oder der Logopädie. Ein solches Studium wäre aber regelmäßig mit der Aufgabe der bisherigen Berufstätigkeit und der Aufnahme einer Ausbildung ohne oder mit nur geringem Gehalt verbunden.
Auch praxisintegrierende Studiengänge kommen für Berufstätige in der Regel nicht in Frage, da sie regelmäßige Praxisanteile – mehr als nur ein obligatorisches Praxissemester – vorsehen, häufig in verschiedenen Aufgabenfeldern, was mit einer Berufstätigkeit kaum vereinbar ist und ebenfalls Gehaltseinbußen nach sich zieht. Berufsintegrierende Studiengänge hingegen stellen die bestehende Berufstätigkeit in den Fokus und setzen im Studium nur einen Bezugsrahmen, der von den Praxisstellen zu beachten ist. Typischerweise verbleibt man dabei – z.B., wenn man als Erzieherin oder Erzieher ein Studium der frühkindlichen Pädagogik aufnimmt, im angestammten Beruf, und reduziert in Abstimmung mit dem Arbeitgeber den Stellenumfang, um Zeit für das Studium zu gewinnen. Die Unterstützung durch den Arbeitgeber und die gezielte Integration von Studium und Praxis sind also – anders als bei Teilzeit- oder Fernstudiengängen – eine zwingende Voraussetzung.
Die Vorteile dualer Studiengänge liegen unbestreitbar in der Verzahnung von Theorie und Praxis: Erkenntnisse und Kompetenzen, die an der Hochschule vermittelt werden, können in der Praxis umgesetzt und weiterentwickelt werden, um sie dann wieder an der Hochschule zu reflektieren. Die praktische Erfahrung ist aus Sicht von Arbeitgebern von Interesse, vor allem im Falle von ausbildungsbegleitenden Studiengängen. Hinzu kommt, dass die tatsächliche Berufspraxis – ergänzt durch Berichte oder Reflexionsübungen – als Teil der studentischen Arbeitsbelastung angerechnet wird, sodass sich die Belastung durch das Studium selbst reduziert, weil wichtige Kompetenzen in der Praxis erworben werden.
Umgekehrt ist der wissenschaftliche Anspruch dualer Studiengänge aufgrund der expliziten Praxisausrichtung und der reduzierten Studienphasen in der Regel weniger ausgeprägt. Von Nachteil sind die – je nach Modell mehr oder weniger umfangreichen – Gehaltseinbußen, sowie die notwendige Abstimmung mit den Vorgesetzten. Viele Arbeitgeber stehen solchen Studienmodellen insofern kritisch gegenüber, als sie vor allem den Verlust an Arbeitszeit sehen. Mit dem zunehmenden Fachkräftemangel könnte dies zwar noch bestärkt werden, zugleich werden Entwicklungsmöglichkeiten für Mitarbeitende, z.B. durch ein Studium, heute vermehrt als Maßnahme der Mitarbeitendenbindung verstanden und positiv bewertet.
Anforderungen in berufsbegleitenden Studiengängen
Um ein berufsbegleitendes Studium aufzunehmen sind – wie bei klassischen Studiengängen auch – zunächst einmal die formalen Zulassungsvoraussetzungen zu erfüllen. In Deutschland sind dies die allgemeine Hochschulreife, die Fachhochschulreife oder die fachgebundene Hochschulreife, die den Zugang zu allen Fachbereichen an Fachhochschulen ermöglicht, für Universitäten aber auf bestimmte Fachgebiete beschränkt. Möglich ist der Hochschulzugang gemäß Beschluss der Kultusministerkonferenz außerdem für beruflich Qualifizierte, wenn sie aufbauend auf ihrer Ausbildung eine durch Bundes- oder Landesrecht geregelte Fortbildung im Umfang von mindestens 400 Stunden (z.B. Sozialwirt, Fachpflege, Meister) abgeschlossen haben oder über eine mindestens 2-jährige Berufsausbildung sowie eine mindestens 3-jährige Berufspraxis verfügen und ein Eignungsfeststellungsverfahren absolvieren. Der Studiengang muss fachlich zur Ausbildung und Berufspraxis passen (Kultusministerkonferenz, 2009, S, 2). Darüber hinaus gibt es landesrechtliche Regelungen, die ergänzende Zugangsmöglichkeiten eröffnen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass im Sinne einer politisch gewünschten Bildungsmobilität und Durchlässigkeit heute vielfältige Zugänge zum Hochschulstudium existieren – und dass es sich lohnt, die Regelungen in den einzelnen Bundesländern zu prüfen oder auch mit „nur“ einer Mittleren Reife an der jeweiligen Hochschule nachzufragen.
Denn ob die Voraussetzungen für ein Studium erfüllt werden, prüft und entscheidet – immer im Rahmen der gesetzlichen Regelungen – in der Regel die Hochschule, die den jeweiligen Studiengang anbietet. Das bedeutet zugleich, dass sie die Zugangsvoraussetzungen zu ihren Studiengängen durch hochschulspezifische Anforderungen ergänzen können, indem sie z.B. vorbereitende Praktika, eine abgeschlossene Ausbildung oder Berufserfahrung erwarten.
Zweifelsohne kann die Zulassung zum Studium eine Hürde darstellen, die deutlich größere Herausforderung auf dem Weg zu einem erfolgreichen Abschluss im berufsbegleitenden Studium besteht jedoch im Management der Anforderungen durch Studium, Familie und Beruf – wobei in Befragungen unter Studierenden deutlich wurde, dass insbesondere soziale Kontakte und die Freizeitgestaltung unter der Belastung leiden (Nickel/Püttmann/Schulz, 2018, S.1 112). Aufgrund der dreifachen Beanspruchung im berufsbegleitenden Studium verzeichnen solche Studiengänge – abhängig auch von Studienform, Studienkonzeption und Betreuung durch die Hochschule – eine vergleichsweise hohe Drop-out-Quote, auch weil nicht allen Studierenden die Bewältigung der damit verbundenen Herausforderungen gelingt.
Entscheidend mit Blick auf den tatsächlichen Studienabschluss ist neben der intrinsischen Motivation für das Studium, über einen längeren Zeitraum hinweg der „Wille zum Handeln“, um das ursprüngliche Ziel bewusst und auch unter Überwindung von inneren und äußeren Widerständen zu verfolgen (Bärtele/Gröger/Deimann, 2016, S. 35). Diese in der Psychologie als „Volition“ bezeichnete Eigenschaft umfasst vier Komponenten, wie die folgende Abbildung illustriert.
Abbildung 1: Volitionale Kompetenzen im berufsbegleitenden Studium. Quelle: In Anlehnung an Deimann/Weber/Bastiaens, 2008, S. 18
Die Autoren entwickeln dieses Modell zwar für das Fernstudium, mit geringfügig veränderten Schwerpunkten lässt es sich jedoch problemlos auf das berufsbegleitende Studium generell übertragen. Entlang der vier Hauptkomponenten volitionaler Handlungssteuerung lassen sich nun typische Anforderungen im berufsbegleitenden Studium identifizieren.
Aus motivationaler Perspektive sind vor allem Relevanz und Selbstwirksamkeit zu nennen. Die Studierenden müssen – ausgehend von ihrer ursprünglichen Studienmotivation – die tatsächlich vermittelten Studieninhalte und Kompetenzen als bedeutsam mit Blick auf die eigenen Interessen bzw. Studienziele wahrnehmen und für sich den Eindruck gewinnen, diese Ziele aufgrund eigener Kompetenzen und durch eigene Handlungen erreichen zu können. Dies gilt umso mehr im berufsbegleitenden Studium, als der Austausch mit Lehrenden und Mitstudierenden sowie damit verbundenen motivationalen Effekt weniger ausgeprägt sind (Deimann/Weber/Bastiaens, 2008, S. 19).
Auf der kognitiven Ebene geht es – wie bei der Darstellung der verschiedenen Studienmodelle bereits deutlich wurde – um klare Zielsetzungen, eine ambitionierte, zugleich aber realistische Planung, ein entsprechendes Zeitmanagement sowie die Selbstdisziplin, Pläne, Lernzeiten und Prüfungstermine einzuhalten. Dies zeigen auch Ergebnisse einer Befragung von Studierenden an der Hochschule Kempten: „Als zentral für ein Gelingen des berufsbegleitenden Studiums erkennen die Studierenden zügig und klar die Notwendigkeit einer strikten Prioritätensetzung sowie ein hohes Maß an Selbstorganisation. […] Durchgehend als wichtig erachtet wird dabei von den Studierenden das Schaffen individueller zeitlicher Freiräume für das kontinuierliche Arbeiten an Studieninhalten, was unter anderem mit der Bereitschaft einhergeht, zugunsten des Studiums Einschränkungen und Schwierigkeiten in Kauf zu nehmen und Prioritäten zu setzen.“ (Miller/Roland/Pfeil, 2021, S. 187)
Die Kompetenz, mit Einschränkungen und Schwierigkeiten umzugehen, verweist bereits auf die hohe Bedeutung emotionaler Komponenten für einen erfolgreichen Studienabschluss. Da man sich aufgrund der dreifachen Belastung durch Studium, Familie und Beruf nicht allein auf das Studium fokussieren kann, sind Verzögerungen und Rückschläge nicht unüblich und die Anforderung besteht darin, den Willen zum Studienabschluss trotz dieser Widerstände aufrechtzuerhalten – was sich insofern als besonders herausfordernd erweist, als das Studium trotz aller Unterstützung durch die Hochschulen und den prinzipiell möglichen Austausch mit anderen Studierenden zunächst einmal „isoliert“ betrieben wird. Feste Studiengruppen können dem entgegenwirken, schränken aber die Flexibilität von Planung und Zeitmanagement ein.
Anforderungen im berufsbegleitenden Studium ergeben sich schließlich aus situationaler Perspektive und dem Umgang mit kontextuellen Bedingungen. Dazu können administrative Hürden ebenso gehören wie unvorhergesehene Belastungen durch Familie und Beruf. Wichtig ist zudem die Kompetenz im Umgang mit Erwartungen der Lehrenden bzw. im Austausch in der Gruppe der Mitstudierenden und der Nutzung von Netzwerken.
Perspektiven nach einem berufsbegleitenden Studienabschluss
Abschließend soll ein Blick auf die beruflichen Perspektiven nach einem berufsbegleitenden Studienabschluss geworfen werden. Inhaltlich hängen diese von dem gewählten Studiengang und den damit verbundenen Studieninhalten ab. Hat man sich auf Fachgebiete wie Inklusion, Kindheitspädagogik, Frühförderung oder Heilpädagogik spezialisiert, kann man sich für entsprechend ausgeschriebene Stellen als Fachkraft oder in der Fachberatung bewerben und neben einer anspruchsvolleren Aufgabe in der Regel mit einer höheren Vergütung rechnen. Denn grundsätzlich liegt das Gehalt akademisch qualifizierter Fachkräfte höher als das Gehalt von Erzieherinnen und Erziehern. In der Praxis gibt es jedoch nicht immer eine geeignete Stelle, sodass man sich trotz des Studiums nicht zwingend über eine höhere Vergütung freuen kann. Anders stellt sich dies dar, wenn man sich mit einem Abschluss in Soziale Arbeit oder Pädagogik breiter aufstellt oder in Leitungsverantwortung gelangt, denn beides ist besser dotiert. Typischerweise erleichtert der akademische Grad den Zugang in Führungspositionen, insbesondere natürlich im Falle von Abschlüssen im Bereich Management oder Leitung von Kindertageseinrichtungen.
Oft stellt sich mit Blick auf die beruflichen Perspektiven die Frage nach der Gleichwertigkeit eines berufsbegleitenden Studiums bzw. der Akzeptanz bei den Arbeitgebern. Rein formal ist der Studienabschluss, wie bereits verdeutlicht wurde, dem Abschluss an Präsenzhochschulen bzw. in Vollzeitstudiengängen gleichgestellt, vorausgesetzt dass die Hochschule über eine staatliche Anerkennung verfügt und der betreffende Studiengang akkreditiert ist. Das aber ist heute nahezu immer der Fall. Problematischer war über lange Zeit eine fehlende Akzeptanz bei potenziellen Arbeitgebern, weil es noch Unsicherheiten bezüglich der noch unbekannten Studienform gab und man angesichts der Mehrfachbelastung implizit davon ausging, dass es sich nicht um ein gleichwertiges Studium handeln könne.
Mit der Etablierung des Systems aus Bachelor- und Master-Studiengängen im Rahmen des sogenannten Bologna-Prozesses jedoch haben sich solche Einstellungen grundlegend gewandelt. Denn heute ist es nicht selten, dass Studierende nach einem Bachelor-Abschluss in die Praxis gehen und dann nach einigen Jahren der Berufstätigkeit ein (häufig berufsbegleitendes) Master-Studium aufnehmen, was auch auf Bachelor-Abschlüsse ausstrahlt: Das Konzept des berufsbegleitenden Studiums wurde dadurch bekannter und erfährt aufgrund der positiven Erfahrungen inzwischen eine große Akzeptanz bei Arbeitgebern. Häufig werden Absolventinnen und Absolventen von berufsbegleitenden Studiengängen sogar besonders positive Eigenschaften zugeschrieben, weil sie nicht nur Praxiserfahrung mitbringen, sondern sich im Rahmen ihres Studiums durch besonders ausgeprägte Fähigkeiten mit Blick auf Ziel- und Lösungsorientierung, Planung, Eigenverantwortung, Selbstmanagement und Selbstdisziplin oder Belastbarkeit und Resilienz ausgezeichnet haben – alles Kompetenzen, die im Berufsleben von Bedeutung sind.
Literatur
Bärtele, S./Gröger, G./Deimann, M.: Anforderungen an die Stakeholder in Hochschulweiterbildung und Beruf. Ergebnisse einer Befragung von zwei Gruppen berufsbegleitend Studierender, in: Hochschule und Weiterbildung, 2016 (1), S. 34-39
Deimann, M./Weber, B./Bastiaens, T.: Volitionale Transferunterstützung (VTU) – Ein innovatives Konzept (nicht nur) für das Fernstudium, in: IfBM.Impuls – Schriftenreihe des Instituts für Bildungswissenschaft und Medienforschung, 2008 (1), S. 5-43
Diermeier,M./Geis-Thöne, W.: Private Hochschulbildung für eine resiliente Transformationsgesellschaft, Gutachten im Auftrag des Verbands der Privaten Hochschulen e.V. Köln: Institut der Deutschen Wirtschaft, 2023
Knoke, M./Weichert, K.: Change Management, in: Das große Handbuch Organisation und Verwaltung in der Kita, hrsg. von Harald Christa, Kronach: C. Link, 2019, S. 399-415
Kultusministerkonferenz: Hochschulzugang für beruflich qualifizierte Bewerber ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung, Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 06.03.2009. Berlin, 2009
Miller, T./Roland, R./Pfeil, P.: Berufsbegleitend studieren 2021, in: Neue Wege an Hochschulen, hrsg. Von Nick, P./Pfeil, P. Wiesbaden: Springer VS, 2021, S. 183-212
Nickel, S./Püttmann, V./Schulz, N.: Trends im berufsbegleitenden und dualen Studium. Vergleichende Analysen zur Lernsituation von Studierenden und Studiengangsgestaltung. Düsseldorf: Hans Böckler Stiftung, 2018
Statista: Wie würden Sie einen berufsqualifizierenden Abschluss gern erwerben? Umfrage „Arbeitnehmer 2017“, Abruf vom 12. Dezember 2023
Wissenschaftsrat: Empfehlungen zur Entwicklung des dualen Studiums. Positionspapier, Berlin, 2013
Autorenhinweis
Prof. Dr. Martin Knoke ist Staatlich anerkannter Erzieher, Staatlich anerkannter Sozialarbeiter und promovierter Betriebswirt. Er lehrt als Professor für Sozialmanagement an der SRH Fernhochschule Riedlingen – The Mobile University, einer Hochschule mit Fokus auf berufsbegleitenden Studiengängen in den Bereichen Wirtschaft, Psychologie und Gesundheit, Soziale Arbeit sowie Informatik, Technologie und Ingenieurwesen.