Wofür ein Mann gebraucht wird...

Aus: Kindertageseinrichtungen aktuell KiTa spezial, Nr. 2/2001, S. 35-38; überarbeitete Fassung von 2005

Tim Rohrmann

... ist manchmal gar nicht so einfach auszudrücken. Was fällt Ihnen als erstes auf diese Frage ein? Vielleicht die Begeisterung, mit der sich Jungen und Mädchen auf jeden Mann stürzen, der in die Kindertagesstätte kommt - und sei es der unbeholfenste Praktikant oder der unfreundlichste Handwerker. Oder Sie denken an die Kinder alleinerziehender Mütter, in deren Leben es überhaupt keine Männer gibt. Gerade bei Jungen heißt es dann: "Der braucht einen Mann". Jungen brauchen Männer - ein griffiger Slogan. Aber wofür eigentlich? Und: Was brauchen Männer, um ihren Platz in der Kita zu finden?

Für eine Beschäftigung von Männern in Kindertagesstätten gibt es eine ganze Reihe von guten Gründen. Männer bringen frischen Wind ins Team und haben Interessen und Sichtweisen, die in Kindertagesstätten oft zu wenig berücksichtigt werden. Manche jungen- und männertypische Interessen und Bedürfnisse kommen im normalen Kita-Alltag zu kurz, weil viele Frauen nur wenig darauf eingehen. Raufen und Toben, sich für Handwerkliches und Technik begeistern, Klettern und körperliche Grenzen austesten: Das alles können Frauen zwar prinzipiell auch, aber oft haben sie dazu einfach keine Lust.

Manche schwierigen Verhaltensweisen von Jungen hängen damit zusammen, dass sie beweisen wollen, wie "männlich" sie sind - wobei sie viel zu wenig darüber wissen, wie Männer wirklich sind, nämlich durchaus nicht immer stark, überlegen, erfolgreich und ohne Angst. Um das herauszufinden, bräuchten sie mehr Männer in ihrem Alltag, mit denen sie die ganze Bandbreite menschlicher Gefühle und Verhaltensweisen erleben könnten. Kinder orientieren sich allerdings nicht nur an Vorbildern des eigenen Geschlechts. Jungen grenzen sich zwar auf ihrer Suche nach Männlichkeit manchmal sehr von Frauen und allem "Weiblichen" ab, aber sie übernehmen auch Sichtweisen ihrer Mütter und anderer Frauen und möchten von ihnen geliebt und bewundert werden (vgl. Rohrmann, 2001).

Umgekehrt brauchen auch Mädchen Männer. Sie werden selbstbewusster, wenn sie von ihren Vätern und anderen Männern ernstgenommen und unterstützt werden. Schließlich: einen partnerschaftlicher Umgang, in dem Frauen und Männer einander mit Wertschätzung und Respekt begegnen, können Jungen und Mädchen nur dann erleben, wenn es in ihrem Alltag auch Männer und Frauen gibt.

Männer: Exotische Pflanzen im Garten der Frauen

Männer sind im Alltag insbesondere von kleinen Kindern jedoch Mangelware. Diese bekommen oft mit, dass Männer zwar in Familie und Gesellschaft "das Sagen", im Grunde aber keine Ahnung haben. Als Randpersonen in der Familie, als "Gäste" oder Ausnahmeerscheinungen in der Kindertagesstätte scheinen sie zum Alltag der Erziehung von Kindern nur wenig beizutragen. Sowohl Frauen als auch die Männer selbst sind oft der Meinung, dass Frauen "das einfach besser können". Männer, die sich um Kinder kümmern, werden zwar zunächst oft gelobt und bewundert - zum Verdruss der Frauen, für die es selbstverständlicher Alltag ist, ohne dass sie dafür besonders hervorgehoben werden. Wer sich aber als Mann über längere Zeit in der Kindererziehung engagiert, ob als Hausmann und Vater oder als Mann im "Frauenberuf" Erzieher, muss damit rechnen, von Verwandten oder Freunden irgendwann gefragt zu werden, ob er denn keine "richtige Arbeit" finden würde.

Männer im Kindergarten sind in der Regel keine "typischen" Männer. Dennoch können sie durch ihre Lebenserfahrung als Junge und Mann Qualitäten und Ideen in die Kindertagesstätte einbringen, die dort oft fehlen. Ein Mann im Team kann daher für Jungen und Mädchen (!) Ansprechpartner für eher jungen- und männertypische Wünsche und Themen sein. Das bedeutet nicht, dass ein Erzieher auf diese Rolle festgelegt bleiben muss. "Andererseits", meint ein Horterzieher, "unterscheide ich mich positiv von anderen Männern, allein schon weil ich Kindergärtner bin". Er ist damit ein "angreifbares" Modell dafür, dass ein Mann anders ist, als es die Klischeebilder aus Werbung, Fernsehen oder Spielzeug nahe legen.

Allerdings fällt oft auf, dass manche geschlechtstypischen Muster gerade dann auftreten, wenn Frauen und Männer gemeinsam arbeiten. Männliche Erzieher beklagen sich oft darüber, zum "Hausmeister" und "Handwerker" gemacht zu werden. "Draußen vor dem Auto steht noch eine Kiste Wasser", heißt es dann lapidar, ohne dass noch speziell eine Bitte an den männlichen Kollegen formuliert werden muss - wer hat die Kisten eigentlich hereingetragen, als es in der Einrichtung noch keinen männlichen Kollegen gab? Wenn es einen Mann gibt, der bestimmte, manchmal unangenehme Arbeiten erledigt oder manches besser kann, ziehen sich Frauen oft schnell zurück - ihnen fällt buchstäblich "der Hammer aus der Hand", wenn ein Mann den Raum betritt. Oft erwarten sie vom Kollegen, dass er die Dinge tut, die Männer üblicherweise tun - stark sein, sich mit Technik auskennen, Fußball spielen... Nicht überraschend, dass Kinder, die ähnliches ja von zu Hause kennen, Frauen oft keine handwerklichen Fähigkeiten zutrauen oder zunächst irritiert sind, wenn eine Frau mit ihnen Fußball spielen will, der männliche Kollege aber nicht (weil er Fußball schon immer blöd fand).

Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, neben der Berücksichtigung individueller Vorlieben und Stärken immer wieder einmal den Blick darauf zu richten, ob oder wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschlechtstypische Einstellungen der Kinder bestärken, ohne das zu wollen. In der Zusammenarbeit mit Frauen müssen männliche Mitarbeiter einerseits vermeiden, nur auf "männertypische" Aufgabenbereiche und Verhaltensweisen festgelegt zu werden, andererseits sich dem "heimlichen Lehrplan" der Einrichtung widersetzen, der jungen- und männertypischen Interessen und Bedürfnissen manchmal nur wenig Raum lässt.

Manches geht mit Männern besser

Besondere Beziehungsqualitäten von Männern werden in erster Linie dann benannt, wenn es um Konflikte, Aggressionen und Macht geht. Es wird angenommen, dass Männer mit diesen Themen besser umgehen können. Tatsächlich setzen sich Männer nicht nur mehr durch, sondern ihre Entscheidungen werden auch von Kindern oft eher akzeptiert. Eine Horterzieherin meint: "Wenn wir Frauen meckern, wird uns das hart angekreidet. Unser Kollege wird schneller als Autorität anerkannt". "Manchmal erschrecken wir uns sogar", erzählt sie weiter, weil der Kollege "nicht nur härter durchgreift, sondern auch 'mal brüllt". Der Kollege wiederum wundert sich darüber, dass die Frauen aggressives Verhalten von Jungen oft eher entschuldigen als er selbst. Andere Männer wiederum berichten, dass Frauen Jungen aggressiv nennen, bei denen sie selbst eher Unsicherheit oder Traurigkeit wahrnehmen.

Frauen und Männer haben aufgrund ihrer unterschiedlichen Lebensgeschichte oft ein sehr unterschiedliches Verständnis von Aggression und Gewalt. "Kraft und Kampf, das Messen mit anderen ist den meisten Männern von Kindesbeinen an vertraut", berichtet Rüdiger Hansen aus einer Arbeitseinheit mit männlichen Erziehern zum Thema Aggression. "Das hat durchaus positive Seiten, wie lachende, erhitzte Männergesichter bewiesen: Es kann nämlich Spaß machen!" (Hansen, 1999, S. 62). Für Jungen ist es allerdings auch schwerer als für Mädchen, sich solchen Spielen und Auseinandersetzungen zu entziehen. So erleben sie auch die negativen Seiten körperlicher Auseinandersetzungen häufiger.

Ich habe als Junge nicht viel mit anderen gerauft und hatte als Grundschüler oft Angst, von den Größeren verprügelt zu werden. So war ich überrascht, als in einem Gespräch in einer gemischten Gruppe deutlich wurde, dass sowohl spielerisches Raufen als auch die dabei vorkommenden Grenzüberschreitungen mir viel selbstverständlicher waren als manchen Frauen, die als Mädchen kaum derartige Erfahrungen gemacht hatten. Die bewusste Erinnerung an meine Jungenkämpfe eröffnet mir heute Zugänge zu wilden und aggressiven Auseinandersetzungen - ich weiß, was Spaß machen kann, spüre aber auch genau, wo Spaß in Ernst umkippt.

Ein weiterer Bereich, in dem sich das Fehlen der Männer besonders bemerkbar macht, sind "der kleine Unterschied" und Sexualität - schon im Kindergarten ein spannendes Thema für Jungen und Mädchen. Je älter sie werden, umso wichtiger ist es, dass Jungen hier auch männliche Ansprechpartner finden. Wenn bei einem plötzlichen "Notfall" während eines Ausflugs eine Horterzieherin einem achtjährigen (!) Jungen zeigen muss, wie er im Stehen pinkeln muss, weil ihm das noch nie ein Mann gezeigt hat, dann ist das für beide Seiten eine peinliche Angelegenheit. Im Alltag ergeben sich immer wieder Situationen, in denen es gut ist, einen Mann dabei zu haben. So ist es, erzählt die Erzieherin weiter, eine "sehr wirksame Strafe", wenn die älteren Jungen beim Schwimmengehen mit den Frauen in den Umkleideraum gehen müssen. Andernfalls bleibt nur die Möglichkeit, sie allein zu lassen. Für offene Gespräche über das eigene und das andere Geschlecht, wie sie Mädchen mit den Betreuerinnen in der Umkleidesituation führen können, brauchen Jungen Männer!

Mehr Männer in die Kita!

Die Forderung "Mehr Männer in den Erziehungsbereich!" ist zunächst einmal eine politische Frage. 2001 benannte das Forum Bildung die "Gewinnung von Männern für den Beruf des Erziehers" als eine wichtige Aufgabe von Bund, Ländern, Kommunen und Trägerorganisationen (Forum Bildung, 2001, S. 16). Bereits 1995 Jahren hatte das Netzwerk für Kinderbetreuung der Europäischen Kommission vorgeschlagen, dass bis zum Jahre 2006 20% der Beschäftigten in öffentlichen Einrichtungen für Kinder Männer sein sollten. Dabei war gemeint, dass Männer auf allen Ebenen arbeiten sollten, nicht überproportional häufig als Leiter. Allerdings wurde das Thema auch als "heikel" angesehen. In einigen Ländern führte die Beschäftigung von Männern zu Sorgen wegen Kindesmissbrauchs. Befürchtet wurde auch, "dass die zunehmende Zahl von männlichen Beschäftigten in einer traditionell weiblichen Arbeitsdomäne die Beschäftigungsmöglichkeiten von Frauen verringern könnte" (Netzwerk der EK, 1996, S. 24). Dies sollte einerseits durch eine Verbesserung des gesamten Niveaus der Kinderbetreuungseinrichtungen verhindert werden, andererseits durch Parallelprogramme, die die Beschäftigung von Frauen in bislang von Männern dominierten Bereichen fördert. Das Netzwerk hielt trotz aller Befürchtungen die Beschäftigung von direkt mit den Kindern arbeitenden Männern für ein wichtiges Mittel, Geschlechterstereotype in Frage zu stellen und eine verstärkte Anteilnahme von Vätern zu ermutigen.

Die Realität ist von diesen Zielen nach wie vor weit entfernt. Der Männeranteil an den Beschäftigten in deutschen Kitas betrug Ende 2002 3,84%, im pädagogischen Bereich sogar nur 2,67%, und hat sich damit seit 1998 kaum verändert (Rohrmann, 2005). Allerdings ist der Ruf nach mehr Männern als Erziehern in den letzten Jahren immer häufiger zu hören. In jüngster Zeit gibt es an verschiedenen Bemühungen, die Situation von Männern in Kindertageseinrichtungen genauer zu untersuchen, Jungen für den Beruf des Erziehers zu interessieren und mehr Männer für eine Tätigkeit in Kindertageseinrichtungen zu qualifizieren (vgl. Stuve/ Krabel, 2005). In Wien, Linz und München gab bzw. gibt es sogar Modellprojekte, die ausdrücklich eine paritätische Besetzung des Kitateams vorsehen.

Der Versuch, Erziehung mit Frauen und Männern gemeinsam zu gestalten, bringt allerdings auch Schwierigkeiten mit sich. Manche Kolleginnen berichten sehr positiv von einer solchen Zusammenarbeit. Auf der anderen Seite sind immer wieder auch Klagen zu hören: Über uneinfühlsame Kollegen, mit denen kein gleichberechtigtes Miteinander möglich sei; über "Weicheier", die kein eigenes Profil und die Gruppe nicht "im Griff" haben; über unfähige Praktikanten, die mit der höheren Kompetenz und Weisungsbefugnis von Frauen nicht zurechtkommen.

Vielleicht sind dies Gründe dafür, dass die Wichtigkeit von Männern für die Entwicklung von Jungen zwar verbal oft schnell akzeptiert wird, das Interesse an einer konkreten Auseinandersetzung mit Möglichkeiten der Einbeziehung von Männern in die Kindertagesstätte dagegen oft deutlich geringer ist. Auf Fortbildungen zu Geschlechterthemen habe ich mehrfach erlebt, dass eine Arbeitsgruppe zum Thema nicht zustande kam und sich die Kolleginnen lieber damit beschäftigten, was sie ohne männliche Unterstützung verbessern und ausprobieren könnten. Vielleicht steckt dahinter die (nicht ganz unbegründete) Befürchtung, dass liebgewordene Gewohnheiten in Frage gestellt würden und es mehr zu Konflikten käme, wenn im Alltag mehr Männer anwesend wären. Zudem kann es ja auch eine Kränkung oder Zumutung sein, trotz aller Anstrengungen für gute pädagogische Arbeit in gewisser Hinsicht "ungenügend" zu sein - und sich dann gerade um diejenigen bemühen zu sollen, die der eigenen Arbeit am wenigsten Interesse und Respekt entgegenbringen!

Bedenken wie die vorgenannten sowie vor allem berufspolitische Argumente führen dazu, dass Renate Klees-Möller und Kolleginnen in ihrer Veröffentlichung zu Mädchen in Kindertagesstätten die Beschäftigung von mehr männlichen Erziehern ausdrücklich ablehnen. Sie befürchten eine "Verdrängung von Frauen" aus Leitungspositionen und halten dagegen: "Frauen in diesem Feld besitzen das fachliche Know-how und die Power, die Professionalisierung des Erzieherinnenberufes weiter voranzutreiben" (1998, S. 72). Dass Jungen und Mädchen auch männliche Bezugspersonen brauchen, wie zuvor durchaus eingeräumt, gerät so aus dem Blick. Lediglich die Einbeziehung von Vätern oder das Engagement von Honorarkräften für geschlechtsspezifische Arbeit mit Jungen wird in Erwägung gezogen.

Hier entsteht der Eindruck einer einäugigen feministischen Sichtweise, die Dominanz und Macht stets nur auf Seiten der Männer problematisiert. Eine geschlechtsbewusste Pädagogik braucht aber Engagement und Auseinandersetzung von Frauen und Männern - und nicht nur die gelegentliche Einbeziehung von Männern in die Frauen-"Bastion" Kindererziehung zu von Frauen definierten Bedingungen. Insbesondere kann es problematisch sein, als Mann im Auftrag von Frauen Jungenarbeit durchzuführen. Erwartungen und Wünsche der beauftragenden Frauen, der männlichen Pädagogen und der Jungen selbst sind oft nicht deckungsgleich - z.B. wenn Frauen erwarten, dass Jungen durch ein Jungenarbeits-Angebot "weniger aggressiv" werden, der Jungenarbeiter das Verhalten der Jungen aber nicht so problematisch erlebt wie die Kolleginnen. Nötig ist daher eine gleichberechtigte Auseinandersetzung von verlässlichen männlichen und weiblichen Kollegen über die Arbeit mit Jungen und Mädchen.

Fortbildungen für Männer

Die Forderung nach mehr Männern in Kindertagesstätten reicht nicht aus. Es muss nach den besonderen Qualitäten gefragt werden, die diese Männer in ihre Arbeit und in die Beziehungen zu Jungen und Mädchen einbringen sollen. Dafür braucht es gezielte Aus- und Fortbildung für männliche Mitarbeiter. Von Experten aus verschiedenen europäischen Ländern wird betont, dass Unterstützung für bereits in Kitas tätige männliche Beschäftigte erforderlich ist, um der Isolation der vereinzelten Männer in diesem Bereich entgegenzuwirken. Die Experten sehen es als eine Aufgabe der verantwortlichen Institutionen an, Austausch und Fortbildung nicht nur für Frauen und gemischtgeschlechtliche Gruppen, sondern auch speziell für Männer zu ermöglichen. Dies dient nicht zuletzt dem Ziel, Männer zu ermutigen, in diesem Arbeitsfeld zu bleiben, und die hohe Fluktuation zu vermindern (Netzwerk der EK, 1993; Jensen, 1996).

Dies macht angesichts der üblichen Struktur von Fortbildungsangeboten, die im großen Ausmaß an die jeweiligen Träger angebunden sind, übergreifende Kooperationen erforderlich. Die wenigsten Träger beschäftigen so viele Männern, dass sich genügend Teilnehmer für ein trägerinternes Männerseminar finden ließen. Seit 1995 führe ich daher jedes Jahr zusammen mit Kollegen ein bis zwei Fortbildungen für männliche Mitarbeiter von Kindertageseinrichtungen aus dem gesamten Bundesgebiet durch. Nicht zuletzt auf Grund unserer Erfahrungen können wir zunächst einem verbreiteten Mythos entgegentreten: Oft wird angenommen, dass Männer die Kita entweder nach kurzer Zeit wieder verlassen oder aber binnen kurzem in Leitungspositionen aufsteigen. Zahlen des statistischen Bundesamtes belegen, dass Männer kaum überdurchschnittlich häufig die Leitung von Kitas übernehmen. Zwar ist der Männeranteil unter den Leitungskräften mit 4,80% höher als ihr Anteil im Gruppendienst, aber nur 6,41% der in Kitas beschäftigten Männer sind Leitungskräfte; bei den Frauen sind es mit 5,08% fast genau so viel (Rohrmann, 2005). Fluktuation von Mitarbeitern ist zwar ein Problem, aber wir erleben auch zahlreiche Männer, die engagiert und oft seit langem im Gruppendienst tätig sind.

Fortbildungen für Männer müssen einerseits die untypischen Lebenswege von Männern in sozialen Berufen, andererseits ihre manchmal schwierige Situation als "Mann im Garten der Frauen" berücksichtigen. Einige Männer kommen seit Jahren zu unseren Fortbildungen. Sie freuen sich schon lange vorher auf die Möglichkeit des Austauschs mit anderen Männern, der in ihrem Alltag fehlt. Wir tragen diesem Bedürfnis Rechnung, indem wir neben einem thematischen Schwerpunkt, der jedes Jahr wechselt, viel Raum für die aktuellen Themen der Teilnehmer lassen. Inhaltliche Schwerpunkte der letzten Jahre waren Jungen und Mädchen - geschlechtsbewusste Pädagogik; Konflikt und Aggression; Umgang mit Grenzen; Macht und Ohnmacht. Neben dem Blick auf die Praxis gehören Selbstreflexion, der Blick auf die eigene Lebensgeschichte sowie die Beschäftigung mit Zukunftsperspektiven im Erzieherberuf zu den wiederkehrenden Bestandteilen unserer Arbeit (vgl. Hansen, 1999).

Rückmeldungen von Teilnehmern zeigen, wie wichtig diese Angebote sind:

  • "Die Fortbildungen haben dazu beigetragen, mich weit über meine "nur" theoretischen Kenntnisse hinaus mit meiner Rolle als Mann in der Arbeit mit Jungen und Mädchen zu befassen und sie bewusst zu erleben."
  • "Ich habe viele Ideen und Anregungen bekommen, in der Kita 'zu altern' - entscheidend war (...) einfach zu erkennen, dass 'Altern' durchaus möglich ist, und man die Fragen, die mit diesem Prozess einhergehen, mit Gelassenheit auf sich zukommen lassen sollte (...)."

Darüber hinaus betonen Fachleute, dass Erzieher neben einzelnen Fortbildungen regelmäßige Möglichkeiten brauchen, um sich mit Kollegen über ihre Arbeit auszutauschen. In einem Expertenbericht für die Europäische Kommission forderte Jytte Juul Jensen daher, Netzwerke von männlichen Mitarbeitern zu unterstützen: "Advice and support male networks!" (1996, S. 49).

Zurzeit gibt es regionale Arbeitskreise von männlichen Erziehern unter anderem in München und Dresden. Manche Kollegen finden Ansprechpartner in regionalen Arbeitskreisen zu Jungenarbeit. Mit erfahrenen Kollegen aus den Bereichen Ausbildung, Fortbildung und Fachberatung haben wir zudem vor einigen Jahren den Männerfachkreis für geschlechtsbewusste Pädagogik in Kindertagesstätten und Grundschule gegründet.

Fazit

Die Zusammenarbeit von Frauen und Männern in der Kindererziehung ist eine Chance, aber auch eine Herausforderung. Vor allem braucht es dabei eines: Lust an der Auseinandersetzung. Die Frage der Zusammenarbeit mit Männern muss häufiger zum Thema in Teamgesprächen, Fachberatung und Fortbildungen werden. Die oft vereinzelten männlichen Mitarbeiter brauchen Unterstützung durch Austausch und Fortbildung. Fortbildungen nur für Männer, wie wir sie inzwischen mehrfach durchgeführt haben, zeigen, dass ein Austausch nur unter männlichen Kollegen gut tut, für die Alltagsarbeit motiviert und die Entwicklung der eigenen Berufsperspektive unterstützt. Mit Frauen und Männern gemeinsam neue Wege zu entdecken, ist nicht immer einfach - aber, wenn es gelingt, ein spannendes Abenteuer.

Literatur

Engelhardt, Walter Josef (1998): "Onkel Tante Helmut" oder "Wo bleiben sie denn, die Männer in den Kindertagesstätten?". Kindertagesstätten aktuell, Ausgabe BY, 10/98, S. 200-203.

Engelhardt, Walter Josef (1999): Väterlichkeit als Beruf. Eine Annäherung aus Sicht der Männer und Jungen. Kindertagesstätten aktuell, Ausgabe BY, 5/99, S. 106-109.

Forum Bildung (2001): Förderung von Chancengleichheit. Vorläufige Empfehlungen und Expertenbericht. Bonn: Arbeitsstab Forum Bildung in der Geschäftsstelle der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung.

Hansen, Rüdiger (1999): Wilde Jungs und nette Männer. Bericht über eine Fortbildung für Männer in Kindertageseinrichtungen. Kindertageseinrichtungen aktuell, Ausgabe ND, 7(3).

Jensen, Jytte Juul (1996): Men as Workers in Childcare Services. Discussion Paper/ European Commission Network on Childcare. Brüssel: Europäische Kommission.

Klees-Möller, Renate (1998): Mädchen in Kindertageseinrichtungen. Erfahrungen, Ergebnisse und Praxisanregungen aus dem Modellprojekt "Mädchenarbeit im Hort". Düsseldorf: Deutsches Rotes Kreuz.

Netzwerk der Europäischen Kommission für Kinderbetreuung (1996): Qualitätsziele in Einrichtungen für kleine Kinder. Brüssel: Europäische Kommission.

Netzwerk der Europäischen Kommission für Kinderbetreuung (1993): Männer als Betreuer. Für eine Kultur der Verantwortung, der Aufgabenteilung und Gegenseitigkeit zwischen Mann und Frau bei der Betreuung und Erziehung der Kinder. Brüssel: Europäische Kommission.

Rohrmann, Tim (2005). Männer in Kindertageseinrichtungen: Immer noch eine kleine Minderheit. Switchboard, Zeitschrift für Männer und Jungenarbeit, Nr. 169, 17 (4-5), S. 20-21.

Rohrmann, Tim (2001): Echte Kerle. Jungen und ihre Helden. Reinbek: Rowohlt.

Rohrmann, Tim/ Thoma, Peter (1998): Jungen in Kindertagesstätten. Ein Handbuch zur geschlechtsbezogenen Pädagogik. Freiburg: Lambertus.

Krabel, Jens/ Stuve, Olav (Hg.) (2006): Männer in "Frauen-Berufen" der Pflege und Erziehung. Opladen: Verlag Barbara Budrich.

Verlinden, Martin/ Külbel, Anke (2005). Väter im Kindergarten. Anregungen für die Zusammenarbeit mit Vätern in Tageseinrichtungen für Kinder. Weinheim: Beltz.

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