Erziehen als BerufÜberblick über eine sich dynamisch entwickelnde Ausbildungslandschaft

Erstveröffentlichung: Erziehen als Beruf. Überblick über eine sich dynamisch entwickelnde Ausbildungslandschaft, in: Engagement 39 (2021), H. 1, S. 30 – 37.

Axel Bernd Kunze

 

Traditionell erfolgt die Ausbildung pädagogischer Berufe im Bereich Erziehung, Bildung und Betreuung an Berufsfachschulen (Sozialassistenten- oder Kinderpflegeausbildung) sowie Fachschulen oder Fachakademien für Sozialpädagogik (Erzieherausbildung). Seit 2004 haben sich im Zuge der PISA-Debatte und der Hochschulreformen im Gefolge des sogenannten Bolognaprozesses – aus der Sozialpädagogik und der Sozialen Arbeit heraus – eigene spezialisierte Fachhochschulstudiengänge zur Pädagogik der frühen Kindheit und das akademisierte Berufsbild des Kindheitspädagogen herausgebildet.

 

  1. Tageseinrichtungen sind Einrichtungen, in denen sich Kinder für einen Teil des Tages oder ganztägig aufhalten und in Gruppen gefördert werden. […]
  2. Tageseinrichtungen für Kinder […] sollen
    1. die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit fördern,
    2. die Erziehung und Bildung in der Familie unterstützen und ergänzen,
    3. den Eltern dabei helfen, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung besser miteinander vereinbaren zu können.
  3. Der Förderungsauftrag umfasst Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes und bezieht sich auf die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung des Kindes. Er schließt die Vermittlung orientierender Werte und Regeln ein. Die Förderung soll sich am Alter und Entwicklungsstand, den sprachlichen und sonstigen Fähigkeiten, der Lebenssituation sowie den Interessen und Bedürfnissen des einzelnen Kindes orientieren und seine ethnische Herkunft berücksichtigen.[1]

So lautet der einschlägige Paragraph aus dem Achten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VIII), das sich der Kinder- und Jugendhilfe widmet. Der Paragraph beschreibt die Aufgaben von Krippen, Kindertagesstätten oder Kinderhäusern und bildet die zentrale gesetzliche Grundlage für deren Arbeit. Traditionell gehören Tageseinrichtungen für Kinder dem sozialpädagogischen Bereich an (vgl. ausführlicher Kunze 2019). Der Ausbau der Tageseinrichtungen für Kinder sowie sukzessiv ausgebaute Rechtsansprüche auf Betreuung (seit 1996 für Kinder ab drei Jahren bis zum Schuleintritt, seit 2013 ab dem ersten Lebensjahr, ab 2025 auch für das Grundschulalter geplant) haben zu einem erheblichen Fachkräftebedarf geführt, dem mit einer Pluralisierung der Ausbildungslandschaft, der Einführung kindheitspädagogischer Bachelorstudiengänge, einer stärkeren Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Qualifizierungswegen sowie einer zunehmenden Vernetzung der Angebote begegnet werden soll (vgl. Diller/Rauschenbach 2006). So besteht etwa die Möglichkeit, im Rahmen der Berufsfachschule einen gleichwertigen mittleren Bildungsabschluss zu erwerben oder begleitend zur Fachschulausbildung die allgemeine Fachhochschulreife oder mitunter auch die allgemeine Hochschulreife. Bei Aufnahme eines affinen Studiums im Anschluss an eine Erzieherausbildung kann die Studiendauer durch Anrechnung von Ausbildungsinhalten verkürzt werden. Integrierte Studienmodelle wiederum verzahnen Ausbildung und akademische Weiterqualifizierung miteinander. Die konkrete Ausgestaltung der Ausbildungsgänge und Qualifizierungswege variiert zwischen den einzelnen Bundesländern. Im Zuge der Bildungsreformdebatte, die sich nach dem Erscheinen der ersten PISA-Studie entwickelte, gewann der Bereich der frühkindlichen Erziehung deutlich an Aufmerksamkeit. „Die frühen Jahre sind die wichtigsten“, lautete nur einer der Slogans.

Veränderungen im Professionalisierungsdiskurs

Mit dem Bildungsbegriff verbindet sich im öffentlichen Reformdiskurs, wie er nach der ersten PISA-Studie einsetzte, die starke Hoffnung auf eine frühpädagogische Professionalisierung (vgl. Starke 2018, S. 184 f.). Der eigenständige Bildungsauftrag, den die Kultusministerkonferenz 2004 mit dem Gemeinsamen Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen[2] diesen zuschreibt, hat die Bemühungen verstärkt, die Frühpädagogik zu akademisieren. Peer Pasternack zählte zehn Jahre später rund hundertzwanzig frühpädagogische Studiengänge an etwa neunzig Hochschulen. Diese haben nicht zu einer Ablösung der traditionellen Erzieherausbildung an Fachschulen geführt, weshalb der Wittenberger Hochschulforscher von einer „Teilakademisierung der Frühpädagogik“ (Pasternack 2015) spricht. Doch sind damit in diesem Berufsfeld neue Anschluss- und Aufstiegsmöglichkeiten geschaffen worden. So haben laut einer Studie Pasternacks etwa drei Viertel der Bachelorstudenten in der Kindheitspädagogik zuvor einen Erzieherabschluss erworben.

Neben einer Qualitätssteigerung des pädagogischen Angebots verbinden sich mit der Akademisierung in der öffentlichen Debatte weitere Hoffnungen, die das Berufsbild betreffen: Die berufliche Tätigkeit in Kindertageseinrichtungen soll ein besseres gesellschaftliches Ansehen erhalten und höher vergütet, mehr Männer hierfür gewonnen und die Verbleibsquote im Beruf erhöht werden. Ferner sollen mehr wissenschaftliche Ressourcen und Forschungsaktivitäten für das Themenfeld Frühe Bildung und Kindheit generiert werden. Auch wenn sich die Akademisierungsbestrebungen nahezu vollständig auf die traditionell weniger forschungsintensiven Fachhochschulen konzentrieren, errechnet Pasternack für den Zeitraum von 2003 bis 2014 eine Versechsfachung der Forschungsmittel (vgl. auch Nentwig-Gesemann/FröhlichGildhoff 2017).

Die vielfältigen Erwartungen haben sich der Studie zufolge aber nur teilweise erfüllt; die auszumachenden Veränderungen stehen auch nur bedingt in einer ursächlichen Verbindung mit den verschiedenen Akademisierungsinitiativen. Wichtiger scheine, dass sich durch die öffentliche Debatte insgesamt der Stellenwert frühkindlicher Bildung und Erziehung erhöht habe. Einkommenszuwächse verdankten sich eher der hohen Nachfrage nach Pädagogischen Fachkräften, verstärkt durch den ausgeweiteten Rechtsanspruch auf frühkindliche Betreuung, und dem anhaltenden Tarifdruck der Gewerkschaften. Nur ein kleinerer Teil der Hochschulabsolventen erhalte auf der ersten Stelle eine höhere Besoldung; eine solche ergebe sich wie bei den Absolventen von Fachschulen erst durch eine Bewerbung auf höherwertige Funktionsstellen. Der Männeranteil sei in den Ausbildungsgängen an Fachschulen (rund achtzehn Prozent) höher als in den entsprechenden Studiengängen (rund acht Prozent). Zur Verbleibsquote seien belastbare Aussagen noch nicht möglich.

Ein symbolischer Prestigegewinn konnte dadurch erzielt werden, dass es im Rahmen der nationalen Umsetzung des Kopenhagenprozesses politisch gelungen ist, die Fachschulen für Sozialpädagogik auf Niveau 6 des Deutschen Qualifikationsrahmens einzustufen und damit im Kompetenzerwerb dem Bachelor gleichzustellen. Bei Äquivalenzprüfungen erhalten staatlich anerkannte Erzieher in der Regel für ihre Ausbildung Leistungen gutgeschrieben, die es erlauben, das Studium um zwei Semester zu verkürzen. In integrierten Studienmodellen können die Möglichkeiten, die Studiendauer zu reduzieren, noch weiter gehen. An der noch jungen Disziplin Früher Bildung und Erziehung erweist sich recht deutlich, wie die Grenzen zwischen beruflichen und akademischen Qualifizierungswegen verschwimmen.

Unterschiede zwischen Ausbildung und Studium zeigen sich allenfalls in einem Höher, Schneller, Weiter, in dem sich bestenfalls noch ein gradueller Unterschied, nicht mehr aber ein prinzipieller zwischen beruflich-praktischer und akademisch-hermeneutischer Bildung ausdrückt. Eine höhere Qualifikation äußert sich in „einer höheren Begründungs- und Reflexionsverpflichtung, komplexeren Deutungen des beruflichen Alltags, stärker ausgeprägten höhersymbolischen Sprachstilen, einer höheren Komplexität der Wissensdomänen, präziser ausformulierten gesellschaftstheoretischen Ansprüchen und einer größeren Nähe zu fachlichen und – in sehr eingeschränktem Maße – wissenschaftlichen Diskursen“ (Cloos 2013, S. 55[3]). Bezeichnend ist schon, dass der Student zumindest im ersten Studienabschnitt, dem Bachelorstudium, mit wissenschaftlichen Diskursen nur „eingeschränkt“ in Berührung kommen soll.

Akademisierungsansprüche werden zunehmend vom beruflichen Habitus her begründet, der sich durch Biographie, berufliche Sozialisation, Ausbildung, formale Funktion und Teamposition bildet. Im Zuge dieser Entwicklung verbindet sich mit dem Bildungsmotiv die strategische Erwartung, auch unterhalb einer Akademisierung ähnliche Vorteile für Pädagogische Fachkräfte zu mobilisieren. Neue Anforderungen, die aus dem erweiterten frühpädagogischen Bildungsauftrag abgeleitet werden, sollen bei den Pädagogischen Fachkräften Prozesse der Selbstveränderung anstoßen und in der Folge ein höheres Maß an Anerkennung generieren, wie ein ethnographisch orientiertes Forschungsprojekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit dem Titel „Autorisierungen des pädagogischen Selbst“ verdeutlicht. Es geht also weniger um eine veränderte Ausgestaltung der ersten Phase der kindlichen Bildungsbiographie als vielmehr um eine veränderte Inszenierung der eigenen beruflichen Möglichkeiten und eine veränderte Verkörperung des professionellen Selbstverständnisses auf Erzieherseite: „Die Aufgabe der Professionalisierung wird an die Adresse der Erzieherin gebunden. Innerhalb der Reformulierung der Frühpädagogik als Bildungsraum sind die Fachkräfte im Namen einer positiven Veränderung der Praxis dazu aufgefordert, diese Veränderungen als persönliche Herausforderung zu verstehen“ (Starke 2018, S. 189[4]). Die performative Aufführung der eigenen Professionalität soll zu einer veränderten Praxis führen.[5]

Die Hinwendung von einem sozialpädagogischen zu einem bildungsbezogenen Sprachgebrauch dient dabei als äußere Bestätigung, die bezeugt, was auch bisher schon vorhanden gewesen sei: „Die Professionalität der Erzieherinnen wird […] bestätigt und honoriert; denn sie brauchen nichts an sich zu verändern. Sie bringen schon alles in ihrer Person, in ihrem Lebenslauf mit“ (ebd., S 190). Professionalisierung ist nicht allein eine Aufgabe der „Selbst-Bildung“, sondern der Selbstdarstellung: Anerkennung, Sozialprestige und monetäre Anreize sind davon abhängig, wie sich eine Berufsgruppe auf dem öffentlichen Markt präsentiert. Mit dem Bildungsbegriff wird der Erzieherberuf stärker in die Nähe zu schulischen Berufen gerückt, was eine Aufwertung der eigenen Tätigkeit verspricht.

Zugleich zeigt sich aber auch ein Paradox: Anerkennung bleibt ein fragiles Konstrukt. Denn sobald ein Berufsbild im Professionalisierungsdiskurs befragbar wird, muss die angestrebte Anerkennung immer wieder von neuem hergestellt werden. Anerkennung spielt dann auch im neueren professionalisierungstheoretischen oder bildungsethischen Diskurs eine tragende Rolle.

Ausbildungsgänge

Pädagogische Fachkräfte werden in vollzeitschulischen Schularten des beruflichen Schulwesens ausgebildet. Die Ausbildungen sind – im Einklang mit Rahmenvorgaben der Kultusministerkonferenz – landesrechtlich geregelt und folgen, der aktuellen Kompetenzorientierung entsprechend, einer fächerübergreifenden, vernetzten Handlungsfelddidaktik. Die jeweiligen Berufsabschlüsse können auch, ohne eine vollständige Ausbildung absolvieren zu müssen, durch externe Schulfremdenprüfungen erworben werden. Aufgrund der traditionell vorherrschenden Trägervielfalt im Bereich der Elementarbildung befinden sich viele sozialpädagogische Ausbildungsstätten in freier, z. B. kirchlicher, Trägerschaft, verbunden mit dem Auftrag, Nachwuchskräfte für die eigenen Träger auszubilden.   

Im Zuge der eingangs geschilderten Veränderungen innerhalb der Ausbildungslandschaft sind in den einzelnen Bundesländern nach und nach praxisintegrierte Ausbildungsgänge mit verstärkten Praxisphasen enstanden, die schulrechtlich allerdings gleichfalls vollzeitschulischen Charakter haben. Die Vermehrung unterschiedlicher Ausbildungsgänge erhöht allerdings für Ausbildungseinrichtungen Planungsunsicherheit und wirtschaftliches Risiko und wird entsprechend durch Befürchtungen begleitet, nicht alle Klassen füllen zu können. Die Schüler und Schülerinnen arbeiten im Rahmen eines Ausbildungsvertrages, ggf. unter begrenzter Anrechnung auf den Fachkräfteschlüssel sowie unter entsprechender Vergütung bei einem Träger der Kinder- und Jugendhilfe; die Ausbildungsverantwortung liegt bei der jeweiligen Ausbildungsschule. Praxisintegrierte Ausbildungsgänge sollen nicht zuletzt ältere, männliche oder bereits mit einer beruflichen oder akademischen Vorqualifikation versehene Zielgruppen erschließen helfen und schneller dem Arbeitsmarkt zuführen. Ferner gibt es Teilzeitausbildungen, die im Rahmen einer verlängerten Ausbildungsdauer eine höhere Flexibilität im Umgang mit den im Rahmen der Ausbildungs- und Prüfungsordnungen verbindlichen Praxiszeiten erlauben.

Zunehmend arbeiten im Elementarbereich multiprofessionelle Teams mit unterschiedlichen beruflichen Vorerfahrungen und unterschiedlichen Qualifikationsniveaus. Aufgrund des Fachkräftemangels im Bereich von Bildung, Erziehung und Betreuung öffnen einzelne Bundesländer auch verschiedene Möglichkeiten der Nachqualifizierung, z. B. durch berufsbegleitende Nachqualifizierungsmaßnahmen im Anschluss an affine Berufsbilder (das baden-württembergische Kindertagesbetreuungsgesetz sieht dies etwa für Kinderkrankenschwestern, Ergo- und Physiotherapeuten, Hebammen oder Inhaber einer ersten Staatsprüfung für das Lehramt für die Primarstufe vor). Ferner ist der, mitunter einrichtungs- oder trägergebundene, Einsatz pädagogischer Hilfskräfte oder Erziehungshelfer ohne abgeschlossene sozialpädagogische Ausbildung erlaubt.

Kinderpfleger oder Kinderpflegerin

Staatlich anerkannte Kinderpfleger bzw. staatlich anerkannte Kinderpflegerinnen werden an Berufsfachschulen ausgebildet, etwa in Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen oder Thüringen. Die Ausbildung dauert in der Regel zwei Jahre in Vollzeit; in Baden-Württemberg folgt noch ein einjähriges, praktisch ausgerichtetes, vergütetes Berufspraktikum, bevor die staatliche Anerkennung verliehen werden kann. Der Abschluss ist im Deutschen Qualifikationsrahmen der Niveaustufe 4 zugeordnet. Voraussetzung für die Ausbildung ist der Hauptschul- oder ein vergleichbarer Schulabschluss oder die Berufsschulreife. Wer im Rahmen der Berufsfachschule begleitend einen mittleren Schulabschluss erwirbt, kann eine Erzieherausbildung anschließen.

Das Berufsbild zählt nicht zu den reglementierten Berufen, für deren Berufsausübung ein bestimmter Qualifikationsnachweis zwingend erforderlich ist. Mitunter bereits totgesagt, hat die Kinderpflegeausbildung im Zuge des Fachkräftemangels wieder an Bedeutung gewonnen, mitunter sind sogar neue Ausbildungsformate in praxisintegrierter oder Teilzeitform im Aufbau. Die Ausbildung bietet Schulabgängern mit Hauptschulabschluss oder aus berufsvorbereitenden Maßnahmen, die nicht selten schon eine schwierige Bildungsbiographie hinter sich haben, einen Einstieg in das Berufsfeld professioneller Erziehung. Kinderpfleger und Kinderpflegerinnen arbeiten in aller Regel als pädagogische Zweit- oder Ergänzungskräfte ohne Leitungsverantwortung; allerdings hat die Zunahme offener Konzepte in den Tageseinrichtungen für Kinder faktisch zu erweiterten Einsatzmöglichkeiten geführt. In Baden-Württemberg besteht mittlerweile nach § 7 Kindertagesbetreuungsgesetz (KiTaG) die Möglichkeit, dass sich Kinderpfleger und Kinderpflegerinnen mit zweijähriger Berufserfahrung durch eine berufsbegleitende Fortbildung für die Übernahme einer Gruppenleitung weiterqualifzieren. Die traditionelle Berufsbezeichnung verweist darauf, dass Kinderpfleger und Kinderpflegerinnen stärker mit pflegerischen Tätigkeiten, etwa in der Krippen- und Säuglingspflege, betraut werden. Da die überkommene Berufsbezeichnung nicht selten mit Berufen im Gesundheits- und Pflegebereich verwechselt wird, hat Baden-Württemberg mittlerweile angekündigt, diese durch den staatlich anerkannten sozialpädagogischen Assistenten bzw. die staatlich anerkannte sozialpädagogische Assistentin zu ersetzen (in der praxisintegrierten Ausbildungsform ist dies bereits geschehen, in der „klassischen“ Berufsfachschule soll dies zum Schuljahr 2022/23 erfolgen).   

Sozialassistent oder Sozialassistentin

Sozialassistenten oder Sozialassistentinnen arbeiten in der Familien-, Heilerziehungs-, Kinderpflege oder im Bereich der Betreuung, Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen, auch ein Einsatz in Senioreneinrichtungen oder Krankenhäusern ist möglich. Sie ergänzen die Arbeit der pädagogischen oder pflegerischen Fachkräfte und übernehmen hauswirtschaftliche, pflegerische oder erzieherische Tätigkeiten.

In einigen Bundesländern wird für den Elementarbereich die Ausbildungsform mit dem Schwerpunkt Sozialpädagogik angeboten. Die landesrechtliche Ausgestaltung dieses berufsfachschulischen Ausbildungsgangs variiert zwischen den verschiedenen Bundesländern sehr deutlich. Abhängig vom jeweiligen Bundesland und der Zugangsvoraussetzung, die jemand mitbringt, schwankt die Ausbildungsdauer zwischen ein (z. B. bei allgemeiner Hochschulreife), zwei (z. B. bei einem mittlerem Bildungsabschluss) oder drei (z. B. bei einem Hauptschulabschluss) Jahren.

In vielen Bundesländern, z. B. Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen oder Hessen, ist eine abgeschlossene Ausbildung als Sozialassistent oder Sozialassistentin Voraussetzung für die Aufnahme einer Erzieherausbildung.

Kindertagespflegeperson

Eine weitere Form frühkindlicher Betreuung und Erziehung ist die Kindertagespflege, eine familienähnliche, sehr flexible Betreuungsform, bei der ein bis fünf Kinder betreut werden. Eine besondere Form ist die sogenannte Großtagespflegestelle, in der mehrere Tagespflegepersonen, von denen in der Regel mindestens eine die Qualifikation als pädagogische Fachkraft besitzen muss, zusammenarbeiten; auf diese Weise können Kosten für die notwendige Infrastruktur geteilt und Ausfallrisiken, etwa im Krankheitsfall, gesenkt werden. 

Wer in diesem Bereich arbeiten möchte, benötigt eine Pflegeerlaubnis. Seit 2006 müssen Kindertagespflegepersonen, umgangssprachlich auch Tageseltern genannt, eine pädagogische Qualifizierung und Erste-Hilfe-Kenntnisse nachweisen. Mit dem erweiterten Rechtsanspruch auf Betreuung unter drei Jahren hat die Kindertagespflege an Bedeutung gewonnen und es wird angestrebt, diesen Bereich zunehmend zu professionalisieren. Seit 2015 gibt es eine entsprechende Qualifizierungsmaßnahme im Umfang von dreihundert Stunden, verbunden mit Praktika und Leistungsüberprüfungen. Die Kindertagespflege befindet sich damit auf dem Weg von einer ehrenamtlichen Honorartätigkeit zu einem eigenständigen Beruf. Mittlerweile gibt es auch Modelle, nach denen Erzieher und Erzieherinnen im Rahmen ihrer Ausbildung – im Zusammenspiel von Fachschulen und Tageselternvereinen – eine Zusatzqualifizierung zur Kindertagespflegeperson erwerben können.

Pädagogische Fachkraft für Grundschulkindbetreuung

Sollte 2025 ein Rechtsanspruch auf Betreuung von Grundschulkindern greifen, steht zu erwarten, dass sich der sozialpädagogische Fachkräftemangel weiter fortsetzt. Aus diesem Grund hat die Kultusministerkonferenz den Auftrag vergeben, neue Berufsbilder prüfen zu lassen, die – angesiedelt zwischen einer Kinderpflege- oder Sozialassistentenausbildung auf der einen und einer vollen Erzieherausbildung auf der anderen Seite, für die Arbeit mit einer spezifischen Zielgruppe qualifizieren. Auf diese Weise sollen neue Zielgruppen für eine Ausbildung in der Erziehung und Betreuung von Kindern erschlossen werden.

Einzelne Bundesländer, z. B. Baden-Württemberg, haben politisch bekundet, dass man entsprechende Bestrebungen anderer Länder zwar mittragen, selber aber nicht umsetzen werde. Eine Vorreiterrolle hingegen hat Bayern übernommen. Hier existiert mittlerweile eine Ausbildung zur Pädagogischen Fachkraft für Grundschulkindbetreuung; der gleichnamige Berufsabschluss im Rahmen einer staatlichen Abschlussprüfung ist vorerst nur auf Landesebene anerkannt. Die vollzeitschulische Ausbildung, die zur Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe wie in schulischen Angeboten sowie zur Arbeit mit Schulkindern mit und ohne Förderbedarf befähigt, dauert zwei Jahre, unterteilt in ein Schuljahr mit fachtheoretischem und fachpraktischem Unterricht und ein zwölfmonatiges Berufspraktikum. Zugangsvoraussetzung ist ein mittlerer Bildungsabschluss, eine berufliche oder akademische Vorbildung, die durch einen zweijährigen Ausbildungsberuf oder ein abgeschlossenes Studium erworben wurde, und ein sechswöchiges sozialpädagogisches oder schulisches Vorpraktikum.

Erzieher oder Erzieherin

Die Erzieherausbildung gilt in den meisten Bundesländern als Zweitausbildung und ist daher an Fachschulen oder Fachakademien, also postsekundären Einrichtungen der beruflichen Weiterbildung (international häufig dem tertiären Bereich zugeordnet), angesiedelt. 1967 wurden durch Rahmenvereinbarungen der Kultusministerkonferenz verschiedene Ausbildungen, z. B. Kindergärtner, Hortner oder Jugend- und Heimerzieher, zum einheitlichen Berufsbild des Erziehers zusammengefasst (allerdings gibt es auch weiterhin Bundesländer wie Baden-Württemberg, in denen sich eine eigenständige Ausbildung zum Jugend- und Heimerzieher erhalten hat). Es handelt sich um eine Breitbandausbildung, die zur Arbeit mit Kleinkindern, Schulkindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen befähigt. Erzieher und Erzieherinnen arbeiten in Tageseinrichtungen für Kinder (Krippen, Kindertagesstätten, Kinderhäuser), der offenen, stationären oder teilstationären Kinder- und Jugendhilfe, in der schulischen Ganztagesbetreuung oder in Horten, in Einrichtungen der Behindertenhilfe oder auch verwandten Arbeitsfeldern, in denen pädagogische Kompetenzen gefragt sind.

Im Deutschen Qualifikationsrahmen ist der Ausbildungsabschluss der Niveaustufe 6 zugeordnet (Voraussetzung ist ein Umfang von mindstens 2.400 Unterrrichts- und 1.200 Praxisstunden im Rahmen der Ausbildung) und damit im Kompetenzniveau einem geprüften Meister oder Bachelorabschluss gleichgestellt. Zugangsvoraussetzung ist in der Regel ein qualifizierter Sekundarabschluss I (Realschulabschluss oder vergleichbar), eine berufliche Erstausbildung (z. B. als Sozialassistent oder Sozialassistentin) und der Nachweis praktischer Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Einzelne Bundesländer, z. B. Baden-Württemberg, kennen sogenannte „unechte“ Fachschulen für Sozialpädagogik, da hier der Fachschule zwar ein berufsvorbereitender oder berufsorientierender Ausbildungsabschnitt (z. B. ein einjähriges Berufskolleg für Sozialpädagogik) vorgeschaltet ist, aber keine Erstausbildung im Vollsinne zwingend vorausgesetzt wird. Die schulische Ausbildung kann nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG; Aufstiegs-BaföG) finanziell gefördert werden. In der Regel kann durch Zusatzunterricht eine Hochschulzugangsberechtigung ausbildungsbegleitend erworben werden.

Durch die im Herbst 2020 novellierte Rahmenvereinbarung der Kultusministerkonferenz für die Fachschulen ist es Erzieherinnen und Erziehern mit staatlicher Anerkennung künftig grundsätzlich möglich, ein Studium zu beginnen. Die Rahmenvereinbarung wird in den einzelnen Bundesländern auf verschiedene Weise umgesetzt (in Baden-Württemberg beispielsweise durch eine Änderung des Landeshochschulgesetzes, verbunden mit der Verpflichtung zu einem Beratungsgespräch an der Hochschule). Ferner wird parallel zur staatlichen Anerkennung künftig die Berufsbezeichnung „Bachelor professional in Sozialwesen“. Dabei handelt es sich um eine berufliche Aufstiegsqualifizierung, welche die berufsbildenden Abschlüsse in Europa besser vergleichbar machen soll.

Aufbau und Dauer der Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher bzw. zur staatlich anerkannten Erzieherin variieren zwischen den Bundesländern sowie abhängig von Vorbildung und Praxiserfahrung, und zwar zwischen zwei und fünf Jahren. Einige Bundesländer kennen nach dem Abschluss der schulischen Ausbildung ein einjähriges, praktisch ausgerichtetes, vergütetes Berufspraktikum; in anderen Bundesländern besteht eine durchgängig schulische Ausbildung mit integrierten längeren Praxisphasen. Für die Erzieherausbildung liegt seit 2012 der Entwurf eines kompetenzorientierten Länderübergreifenden Lehrplans Erzieherin/Erzieher (01.07.2012) vor, an dem sich vierzehn der sechzehn Bundesländer beteiligt haben.[6] Zu den Ausbildungsinhalten zählen pädagogische, psychologische, soziologische, didaktisch-methodische, sozial-, medien-, sonder- und heilpädagogische, medizinische, ernährungswissenschaftliche oder rechtliche Themen. Daneben werden praktische Kompetenzen in zentralen Bildungs- und Entwicklungsfeldern vermittelt, z. B. aus den Bereichen Sprach- und Spielförderung, Religionspädagogik, Bewegungserziehung, ästhetische Bildung, Musik und Rhythmik oder der naturwissenschaftlich-mathematisch-technischen Frühbildung.

Anschlussmöglichkeiten

Nicht nur die Durchlässigkeit im Bereich der sozialpädagogischen Ausbildungsformen (so ist grundsätzlich ein Durchstieg vom Hauptschulabschluss bis zum Studium möglich), sondern auch deren Anschlussfähigkeit hat sich deutlich erhöht, sowohl durch berufliche als auch akademische Möglichkeiten der Weiterqualifizierung.

Weiterbildungen

Bei den Anschlussmöglichkeiten nach Erwerb der staatlichen Anerkennung als Erzieher oder Erzieherin sind Spezialisierungs- und Aufstiegsweiterbildungen zu unterscheiden.

Beispielsweise besteht die Möglichkeit, durch Spezialisierungslehrgänge Inhalte der Grundausbildung zu vertiefen, z. B. in den Bereichen Früh- oder Vorschulpädagogik, Heim- oder Horterziehung, Erziehungsberatung, Jugendarbeit und Jugendhilfe, Sport-, Spiel- oder Musikpädagogik, Ernährungslehre, Diätwesen und Hauswirtschaft, Entwicklungspsychologie oder Sozialarbeit.

Aufstiegsweiterbildungen mit zertifizierten Abschlüssen befähigen in der Regel für Leitungsaufgaben oder Konzeptionsstellen auf Einrichtungs-, Träger- oder Verbandsebene. Hierzu zählen beispielsweise der Fachwirt bzw. die Fachwirtin für Erziehungswesen, der staatlich geprüfte Fachwirt bzw. die staatlich geprüfte Fachwirtin für Organisation und Führung mit Schwerpunkt Sozialpädagogik, der Betriebswirt bzw. die Betriebswirtin Sozialwesen oder der Qualitätsbeauftragte bzw. die Qualitätsbeauftragte im Gesundheits- und Sozialwesen. Weitere Aufstiegsweiterbildungen bestehen ferner im Bereich der Sonder- und Heilpädagogik, als staatlich geprüfter Fachlehrer oder staatlich geprüfte Fachlehrerin oder als Motopäde bzw. Motopädin.

Akademische Weiterqualifizierung

Allerdings konkurrieren die verschiedenen Formen einer Aufstiegsweiterbildung zunehmend mit Angeboten einer akademischen Weiterqualifizierung, etwa in den Bereichen Kindheitspädagogik, Diakoniewissenschaft, Heilpädagogik, Frühförderung, Lerntherapie, Pädagogik- oder Sozialmanagement. Neben Vollzeitstudiengängen existieren berufsbegleitende, Teilzeit- oder duale Studiengänge sowie Studienformate, die eigens auf besonders berufsqualifizierte Erzieher und Erzieherinnen mit Berufserfahrung, aber ohne Hochschulzugangsberechtigung zugeschnitten sind.

Durch Kooperationsmodelle zwischen Hochschulen und Fachschulen mit aufeinander abgestimmten Curricula bestehen mittlerweile auch über den engeren Bereich der Kindheitspädagogik hinaus Studienangebote, die gezielt auf einer Erzieherausbildung aufbauen und die Anrechnung von Ausbildungsinhalten auf das Studium ermöglichen, z. B. in den Disziplinen Soziale Arbeit, Pädagogik oder Heilpädagogik.

Absolventen oder Absolventinnen von Fachschulen für Sozialpädagogik nutzen mitunter auch ein kindheitspädagogisches Studium, um über den dort erworbenen Bachelorabschluss ein universitäres Studium, etwa für das Lehramt an Grundschulen, aufnehmen zu können.

Zu guter Letzt ...

Wenn Manfred Müller-Neuendorf (2006) vor einigen Jahren gefragt hat: „Ist die Ausbildung der Erzieher und Erzieherinnen an Fachschulen noch zukunftsfähig?“, so wird man diese Frage gegenwärtig wohl mit einem Ja beantworten. Hochfliegende Erwartungen an eine Vollakademisierung erzieherischer Tätigkeiten und Betreuungsaufgaben haben sich nicht erfüllt, und zwar nicht allein mangels finanzieller Ressourcen für eine flächendeckende, akademischen Ansprüchen genügende Höhergruppierung in diesem Berufsfeld. Auch der Fachkräftemangel, aber auch ausbildungstheoretische Überlegungen haben diese gedämpft. Mittlerweile besteht ein differenziertes Geflecht unterschiedlicher Qualifizierungswege, das unterschiedlichen Bedürfnissen, Lebenssituationen, berufsbiographischen Erwartungen (etwa für Berufseinsteiger oder Berufswechsler) oder Lernwegen gerecht wird. Auszubildende mit unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungen und Vorerfahrungen finden einen Zugang in das professionelle, sozialpädagogische Arbeiten mit Kindern und Jugendlichen. Was Müller-Neuendorf noch als Vision formulierte, ist mittlerweile schon Realität geworden: Durch neue Formen der Durchlässigkeit und Vernetzung haben die Fachschulen für Sozialpädagogik ihren Platz in einer differenzierten Ausbildungs- und Studienlandschaft behauptet.

Literatur

Cloos, Peter (2013): Kindheitspädagogische Professionalität im Spiegel vergleichender Forschung. Über mögliche Unterschiede zwischen fachschul- und hochschulausgebildeten Fachkräften, in: Felix Berth, Angelika Diller, Carola Nürnberg, Thomas Rauschenbach (Hgg.): Gleich und doch nicht gleich. Der Deutsche Qualifikationsrahmen und seine Folgen für frühpädagogische Ausbildungen, München, S. 39 – 62.

Diller, Angelika; Rauschenbach, Thomas (2006) (Hgg.): Reform oder Ende der Erzieherinnenausbildung? Beiträge zu einer kontroversen Fachdebatte, München.

Kunze, Axel Bernd (2019): Sind Tageseinrichtungen für Kinder Institutionen der Sozialpädagogik oder der Elementarbildung? Überlegungen zum bildungsbezogenen Sprachgebrauch um frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung, in: Rainer Kaenders, Anke Redeker, Stephan Stomporowski (Hgg.): Bildung – noch immer ein wertvoller Begriff?!. Festschrift für Prof. Dr. Volker Ladenthin, Göttingen, S. 199 – 217.

Müller-Neuendorf, Manfred (2006): Ist die Ausbildung der Erzieher und Erzieherinnen an Fachschulen noch zukunftsfähig?, in: Angelika Diller, Thomas Rauschenbach (Hgg.): Reform oder Ende der Erzieherinnenausbildung? Beiträge zu einer kontroversen Fachdebatte, München, S. 167 – 180.

Nentwig-Gesemann, Iris;  Fröhlich-Gildhoff, Klaus (Hgg.) (2017): Forschung in der Frühpädagogik X. Zehn Jahre frühpädagogische Forschung – Bilanzierungen und Reflexionen, o. O. (Freiburg i. Brsg.).

Pasternack, Peer (2015): Die Teilakademisierung der Frühpädagogik. Eine Zehnjahresbeobachtung, Leipzig.

Starke, Pauline (2018): Die Aufgabe der Professionalisierung: Entgrenzung und Mobilisierung durch Bildung in der Frühpädagogik, in: Edith Glaser, Hans-Christoph Koller, Werner Thole, Salome Krumme (Hgg.): Räume für Bildung – Räume der Bildung. Beiträge zum 25. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, Opladen u. a., S. 184 – 191.

Der Verfasser (PD, Dr. theol., Dipl.-Päd., Zweite Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe II/I), Sozialethiker und Erziehungswissenschaftler, lehrt als Privatdozent für Erziehungswissenschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Er ist als Schulleiter einer Fachschule für Sozialpädagogik tätig. Daneben hält er Lehraufträge in der Ethik der Sozialen Arbeit (Katholische Stiftungshochschule München und DIPLOMA Hochschule) sowie der Kindheitspädagogik (Evangelische Hochschule Freiburg).

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