Sarah Michaela Orlovský: Eine halbe Banane und die Ordnung der Welt. Innsbruck, Wien: Tyrolia Verlag 2021, 58 Seiten, EUR 12,95 – direkt bestellen durch Anklicken
Es gibt viel Literatur über Anorexia nervosa, über mögliche Ursachen und Heilungschancen. Sarah Michaela Orlovský hat nun ein außergewöhnliches Kinder- bzw. Jugendbuch über Magersucht verfasst, einsetzbar in therapeutischen Gesprächen, Es braucht sensible Erwachsene, die bereit sind, das Thema mit jungen Menschen zu besprechen und im Umfeld Verständnis für sie zu entwickeln.
In dem Buch geht es um zwei Schwestern. Lebenserfahrung und Wissen prallen auf Lebensfreude und kindliche Unbeschwertheit. Dann „trennt“ sie eine Krankheit: Magersucht. Nun stehen die Gefühle der Schwestern im Mittelpunkt. Das eine Mädchen kämpft damit, ihre magersüchtige Schwester zu verstehen und ihr zu signalisieren, wie sehr sie sie braucht. Sie ist bemüht, wieder Frohsinn und Lebensfreude bei ihr aufzubauen. Sie spürt aber auch Ratlosigkeit, Ohnmacht und Wut. Beim Lesen taucht man ein in ihre Selbstgespräche.
Es ist kein Buch, das man einem jungen Menschen so einfach in die Hand drücken kann. Man muss berücksichtigen, dass dieses Thema viele Kinder in der (Früh-) Pubertät beschäftigt. Vielleicht gibt es ein betroffenes Kind im Umfeld, in der Schule. Das Buch trägt dazu bei, dass Kinder mit Magersucht nicht ausgegrenzt werden. Indem es Einblick in das Denken und die Gefühlswelt der gesunden Schwester gibt, motiviert es, wie diese zu versuchen, magersüchtige Geschwister, Klassenkameraden oder Freunde zu verstehen.
Hier eine Leseprobe: „Hunger. Mama hat mir ihre alte Handtasche geschenkt. Ich wollte sie unbedingt, obwohl sie so schäbig aussieht. Sie hat überall braune Flecken. Die kommen von den vielen zerquetschten Bananen. Ohne Banane hat Mama das Haus nicht verlassen, hat sie erzählt. Wir waren beide Hungergrant-Kinder. Sobald wir ein bisschen hungrig waren, kam der Grant. Von einem Moment auf den anderen waren wir gereizt. Streitsüchtig. Dünnhäutig. Aber eine halbe Banane für jeden und die Welt war wieder in Ordnung. Wenn der Hunger weg ist, verschwindet der Grant. So war das. Nur jetzt ist es umgekehrt bei dir. Jetzt ist der Hunger weg und der Grant ist geblieben. Tagein, tagaus. Ich wünsche mir deinen Hunger zurück. Den Hunger auf Bananen. Und den Hunger aufs Leben“ (Seite 36-37).
Bitte lesen Sie das Buch selbst, bevor Sie es einem Kind zum Lesen geben oder es verschenken. Das Buch kann helfen, aber auch erschrecken. Ein herzliches Dankeschön an die Autorin, dass sie sich dieses Themas angenommen hat!