Zitiervorschlag

Aus: KinderTageseinrichtungen aktuell, KiTa BY 1997, 9, S. 200-201

Teamberatung - eine wichtige Methode zur Weiterqualifizierung von Fachkräften. Erfahrungen aus dem Modellversuch "Intensivierung der Elternarbeit"

Martin R. Textor

 

In Bayern werden ganz unterschiedliche Formen der Weiterqualifizierung des Kindergartenpersonals eingesetzt. Die wichtigsten sollen zunächst kurz definiert werden: Die Fortbildung baut auf der Erstausbildung als Erzieherin oder Kinderpflegerin auf und dient dem Erhalt sowie der Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten, die in dem Arbeitsfeld "Kindergarten" benötigt werden. Ausbildungsdefizite sollen ausgeglichen, berufsspezifische Kompetenzen vertieft und neue Methoden gelernt werden. Ferner soll die Professionalisierung vorangetrieben, die berufliche Identität geklärt und zur Persönlichkeitsbildung beigetragen werden. Die Veranstaltungen dauern zwischen mehreren Stunden und mehreren Tagen; die Teilnehmerinnen kommen in der Regel aus verschiedenen Kindergärten.

Die Weiterbildung baut auf der Ausbildung und mehrjähriger Berufserfahrung auf und vermittelt eine Höher- oder Zusatzqualifikation. Beispielsweise dienen Leiterinnenkurse der Vorbereitung auf die Übernahme der Leitung eines Kindergartens oder der Unterstützung kurz nach Übertragung dieser Funktion (Höherqualifizierung), während ein Heilpädagogikkurs den Erwerb zusätzlicher Kenntnisse und Arbeitsweisen ermöglicht (Zusatzqualifizierung). Weiterbildungsmaßnahmen sind in der Regel berufsbegleitend, dauern relativ lange (mehrere Termine, die jeweils einige Stunden oder Tage umfassen) und enden oft mit dem Erwerb eines Zertifikats. Die Erzieherinnen kommen aus verschiedenen Tageseinrichtungen für Kinder.

In der meist fallbezogenen Einzelsupervision werden Erfahrungen reflektiert, die die Erzieherin oder Kinderpflegerin im konkreten Arbeitsalltag mit Kindern und Erwachsenen macht. Dabei werden ihre persönlichen und zwischenmenschlichen Probleme, ihr Arbeitsstil, ihre Ziele und Normen, ihre Erziehungsvorstellungen und -methoden bearbeitet. Die Gruppensupervision umfasst mehr Teilnehmerinnen und damit ein größeres Spektrum an Erfahrungen, Sichtweisen und Unterstützungsmöglichkeiten, während an einer Teamsupervision alle Mitarbeiterinnen eines Kindergartens teilnehmen, so dass z.B. auch die zwischen ihnen bestehenden Konflikte, unterschiedliche Ziele und Kooperationsprobleme behandelt werden können. Eine Supervision ist zumeist langfristig (mindestens 15 Sitzungen). Während für Fort- und Weiterbildner in der Regel keine besondere Ausbildung vorgeschrieben ist, müssen Supervisoren eine besondere Zusatzqualifikation erworben haben (Deutsche Gesellschaft für Supervision o.J.). Bisher wurde erst wenigen Erzieherinnen bzw. Kinderpflegerinnen die Möglichkeit zur Teilnahme an einer Supervision geboten.

Das Angebot der Fachberatung seitens der Verbände der freien Wohlfahrtspflege, der Regierungen, Kreisverwaltungsbehörden und Kommunen umfasst die Beratung von Trägern, Leiterinnen und Erzieherinnen in pädagogischen, konzeptionellen, personellen, organisatorischen, rechtlichen, baulichen und finanziellen Fragen, die Planung und Mitwirkung bei Fortbildungsveranstaltungen, die Leitung von Arbeitskreisen, die Vermittlung bei Konflikten in den Teams, mit dem Träger, mit Kindern oder Eltern, die Vertretung der Interessen aller Beteiligten sowie - nur für einen Teil der Fachberater zutreffend - die staatliche, Dienst- und/ oder Fachaufsicht (Arbeitskreis Fachberatung 1994, Hebenstreit 1984). Fachberatung dient ferner der Förderung einer qualitativ hochwertigen Kinderbetreuung und der Weiterentwicklung des Kindertagesstättenbereichs. Die Fachberater sind zumeist Sozialpädagoginnen, die oft auch eine Erzieherausbildung absolviert haben.

Die hier genannten Angebote wurden nun im Modellversuch "Intensivierung der Elternarbeit", der von 1992 bis 1997 vom Caritasverband für die Diözese Passau e.V. durchgeführt und vom Staatsinstitut für Frühpädagogik wissenschaftlich begleitet wurde, um die thematische Teamberatung ergänzt - allerdings beschränkt auf das Thema "Elternarbeit" (Blank/ Textor 1994; Staatsinstitut für Frühpädagogik 1997). 45 Kindergärten, in denen das ganze Team eine Verbesserung der Elternarbeit und -beratung wünschte, erhielten eine intensive Beratung, für die etwa acht mehrstündige Treffen angesetzt wurde. Dabei sollten die Kindergartenteams dort abgeholt werden, wo sie gerade standen. So wurden gemeinsam Schwerpunkte und Inhalte der Elternarbeit erarbeitet, wobei die Situation des jeweiligen Kindergartens berücksichtigt wurde. Dadurch konnte die Ziel- und Schwerpunktsetzung der Beratung in den einzelnen Einrichtungen unterschiedlich sein.

Die Besonderheit der Teamberatung wird am deutlichsten, wenn man sie mit der Fachberatung und mit Fortbildungsveranstaltungen als den im Freistaat Bayern häufigsten Weiterqualifizierungsmaßnahmen vergleicht. So sind die Fachberater der Trägerverbände für eine große Zahl von (bis zu 90) Kindergärten und alle auftretenden Rechts- und Fachfragen zuständig - wobei noch zu erwähnen ist, dass nicht alle Trägerverbände über Fachberater verfügen. Aufgrund der großen Belastung können Fachberater nur ganz wenige Termine im Jahr bei einzelnen Kindergärten wahrnehmen und treffen sich dann zumeist nur mit der Kindergartenleiterin. Auch können sie nicht intensiv an einer Thematik arbeiten. Bei der Teamberatung wird hingegen das gesamte Team erreicht, wobei bis zu acht mehrstündige Besprechungstermine über Elternarbeit anberaumt werden können. Auf diese Weise ist ein effektives und gründliches Arbeiten an einer bestimmten Thematik möglich.

An Fortbildungsveranstaltungen kann in der Regel nur eine Mitarbeiterin des jeweiligen Kindergartens teilnehmen, die kaum Einfluss auf die Fortbildungsinhalte ausüben kann. Kommt sie in die Einrichtung zurück, kann sie zumeist nur kurz berichten. Oft bleibt die Fortbildung ohne Folgen, wenn sich Kolleginnen Neuerungen widersetzen. Bei der Teamberatung ist hingegen das gesamte Team involviert. Es kann auf die individuellen Bedürfnisse und Wünsche der Mitarbeiterinnen eingegangen werden. Auch wird langfristig mit dem Team gearbeitet. So ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass Veränderungsprozesse in Gang gesetzt und aufrechterhalten werden. Schließlich werden oft vorhandene und eine effektive Arbeit verhindernde Teamkonflikte deutlich und können während der Teamberatung gelöst werden.

Zufriedenheit mit Teamberatung - Befragungsergebnisse

Im Januar 1997 wurden die Kindergartenleiterinnen, Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen, die an dem Modellversuch teilgenommen haben, nach ihren Erfahrungen mit dem Modellversuch "Intensivierung der Elternarbeit" befragt. Rund 145 Fachkräfte beantworteten die Fragen bezüglich der Teamberatung. Der Tabelle 1 kann entnommen werden, dass die Teamberatung bei 35 % der Befragten die Erwartungen ganz und bei weiteren 45 % zum größeren Teil erfüllte. Die Kindergartenleiterinnen zeigten sich viel zufriedener als die Gruppenleiterinnen und diese zufriedener als die pädagogischen Zweitkräfte.

Tabelle 1: Erfüllung der Erwartungen durch die Teamberatung (Frage: Hat die Teamberatung Ihre Erwartungen erfüllt?)

  ja eher ja eher nein nein
Kindergartenleiterinnen 13
46,4 %
14
50,0 %
-.- 1
3,6 %
Gruppenleiterinnen 17
38,6 %
20
45,5 %
6
13,6 %
1
2,3 %
pädagogische Zweitkräfte 19
27,5 %
29
42,0 %
18
26,1 %
3
4,4 %
alle Befragten 49
34,8 %
63
44,7 %
24
17,0 %
5
3,6 %

Diese Tendenz gilt auch für die folgenden Fragen. So waren 79 % der Kindergartenleiterinnen uneingeschränkt der Meinung, dass bei der Teamberatung auf die individuelle Situation ihres Kindergartens eingegangen wurde, aber "nur" 61 % der Gruppenleiterinnen und 53 % der pädagogischen Zweitkräfte. Fast alle übrigen Befragten antworteten auf die entsprechende Frage mit "eher ja", nur insgesamt 5 % mit "eher nein" oder "nein".

57 % der Kindergartenleiterinnen, 50 % der Gruppenleiterinnen und 38 % der pädagogischen Zweitkräfte waren uneingeschränkt der Meinung, dass ihre Probleme mit der Elternarbeit ausreichend in der Teamberatung berücksichtigt wurden; weitere 39 %, 45 % bzw. 50 % beantworteten die entsprechende Frage mit "eher ja". Nur 8 % aller Befragten wählten die Antwortvorgaben "eher nein" und "nein".

Der Tabelle 2 kann entnommen werden, dass die weitaus meisten Befragten durch die Teamberatung neue Formen und Möglichkeiten der Elternarbeit kennenlernten. Andere Befragungsergebnisse zeigen, dass dank der Teamberatung 71 % aller Befragten nun wissen, wie sie besser mit den Eltern ins Gespräch kommen können, und dass 77 % sich sicherer im Umgang mit den Eltern fühlen. Allerdings meinten "nur" 61 % der Fachkräfte, dass ihnen Termingespräche nun weniger Probleme machen.

Tabelle 2: Kennenlernen neuer Formen und Möglichkeiten der Elternarbeit durch die Teamberatung (Frage: Lernten Sie durch die Beratung neue Formen und Möglichkeiten der Elternarbeit kennen?)

  ja eher ja eher nein nein
Kindergartenleiterinnen 14
50,0 %
7
25,0 %
6
21,4 %
1
3,6 %
Gruppenleiterinnen 21
45,7 %
17
37,0 %
7
15,2 %
1
2,2 %
pädagogische Zweitkräfte 27
38,0 %
28
39,4 %
11
15,5 %
5
7,0 %
alle Befragten 62
42,8 %
52
35,9 %
24
16,6 %
7
4,8 %

Deutlich wird, dass die Teamberatung sich als durchaus geeignet erwies, Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen auf dem Gebiet der Elternarbeit weiterzuqualifizieren. Dies zeigen auch die Befragungsergebnisse generell zum Modellversuch, die an dieser Stelle nicht referiert werden können (siehe Staatsinstitut für Frühpädagogik 1997). Sie verdeutlichen, dass die Teamberatung zu einer größeren Vielfalt der Angebote, zur Verbreitung neuer Formen der Elternarbeit und zu mehr Mitwirkungsmöglichkeiten für Eltern beitrug.

Rund 22 % der Befragten stimmten der Frage, ob sie die Teamberatung gerne noch fortgesetzt hätten, uneingeschränkt zu, 23 % antworteten mit "eher ja". Diese im Vergleich zu den vorgenannten Befragungsergebnissen etwas überraschende Antwort lässt sich aber vermutlich damit erklären, dass wohl für die meisten Befragten das Thema "Elternarbeit" in der Teamberatung erschöpfend abgehandelt wurde. Der Tabelle 3 kann nämlich entnommen werden, dass 58 % der Befragten - und sogar 68 % der Kindergartenleiterinnen und 61 % der Gruppenleiterinnen - in Zukunft an einer Teamberatung zu einem anderen Thema teilnehmen würden (und 24 % auch wieder zum Thema "Elternarbeit"). Nur knapp 7 % der Befragten - darunter keine einzige Kindergartenleiterin - würden in Zukunft nicht wieder an einer Teamberatung teilnehmen.

Tabelle 3: Wunsch nach Teamberatung in der Zukunft (Frage: Würden Sie in der Zukunft wieder an einer Teamberatung teilnehmen?)

  ja, über Elternarbeit ja, zu einem anderen Thema nein weiß nicht
Kindergartenleiterinnen 11
29,0 %
26
68,4 %
-.- 1
2,6 %
Gruppenleiterinnen 15
25,4 %
36
61,0 %
3
5,1 %
5
8,5 %
pädagogische Zweitkräfte 17
20,5 %
42
50,6 %
9
10,8 %
15
18,1 %
alle Befragten 43
23,9 %
104
57,8 %
12
6,7 %
21
11,7 %


Weitere Angebote von Teamberatung

Erfreulich ist, dass bereits große Trägerverbände begonnen haben, den ihnen angeschlossenen Kindertageseinrichtungen Teamberatung anzubieten. Auf der Abschlusstagung zum Modellversuch "Intensivierung der Elternarbeit" im Staatsinstitut für Frühpädagogik (02.07.1997) berichtete beispielsweise Herr Pfarrer Greim, der Vertreter des Diakonischen Werks Bayern, vom sogenannten "Kompakttraining". Im Rahmen des Fortbildungsprogramms wird diese Form der thematischen Teamberatung angeboten, die in der Regel maximal drei (ganztägige) Treffen umfasst. Zunächst muss ein interessiertes Team mit der Fachberatung das Thema abklären. Dann wird eine geeignete Trainerin gesucht. Diese schließt mit dem Team einen Kontrakt über die Beratung ab. Nach dem Kompakttraining müssen sowohl die Trainerin als auch die Kindertageseinrichtung einen Schlussbericht für das Diakonische Werk erstellen.

Auch Herr Minnerath, der Vertreter des Caritasverbandes für die Diözese Augsburg, berichtete von Teamberatungen. Im Gegensatz zu der von seinem Verband ebenfalls angebotenen Supervision wird aber kein Kontrakt abgeschlossen. Die thematische Teamberatung wird von einer Fachberaterin und einer Fortbildnerin gemeinsam durchgeführt.

Andere bei der Veranstaltung anwesende Fachberater berichteten, dass sie bisher nur bei Teamkonflikten eine Teamberatung praktiziert hätten. Alle Teilnehmer/-innen an der Abschlussveranstaltung betonten aber die Notwendigkeit von Teamberatung und ihre zunehmende Bedeutung. So ist zu erwarten, dass diese Methode in Bayern eine weitere Verbreitung finden wird.

Literatur

Arbeitskreis Fachberatung: Fachberatung für Tageseinrichtungen für Kinder in Bayern. Bestandsaufnahme und Anregungen zur Weiterentwicklung. Manuskript. München: Staatsinstitut für Frühpädagogik 1994

Blank, B./Textor, M.R.: Ein neuer Modellversuch stellt sich vor: "Intensivierung der Elternarbeit". KinderTageseinrichtungen aktuell, KiTa BY 1994, 6, S. 123-124

Deutsche Gesellschaft für Supervision: Perspektiven und Ziele des Berufsverbandes. Informationsblatt. Köln: Selbstverlag o.J.

Hebenstreit, S.: Fachberatung für Tageseinrichtungen für Kinder. München: Verlag Deutsches Jugendinstitut 1984

Staatsinstitut für Frühpädagogik: Intensivierung der Elternarbeit. Abschlußbericht zum Modellversuch in der Diözese Passau. Redaktion: M.R. Textor. München: Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit 1997

Autor

Dr. Martin R. Textor studierte Pädagogik, Beratung und Sozialarbeit an den Universitäten Würzburg, Albany, N.Y., und Kapstadt. Er arbeitete 20 Jahre lang als wissenschaftlicher Angestellter am Staatsinstitut für Frühpädagogik in München. Von 2006 bis 2018 leitete er zusammen mit seiner Frau das Institut für Pädagogik und Zukunftsforschung (IPZF) in Würzburg. Er ist Autor bzw. Herausgeber von 45 Büchern und hat 770 Fachartikel in Zeitschriften und im Internet veröffentlicht.
Homepage: https://www.ipzf.de
Autobiographie unter http://www.martin-textor.de



In: Klax International GmbH: Das Kita-Handbuch.

https://www.kindergartenpaedagogik.de/fachartikel/traeger-verbaende-jugendaemter/367/